Viehl, S. L. – Stardoc – Die Flucht (Band 3)

Band 1: [„Die Seuche“ 2883
Band 2: [„Der Klon“ 3607

_Story_

Auf ihrer Flucht vor der Vereinten Liga der Welten und ihrem Vater Joseph Grey Viel erleidet Dr. Cherijo Torin einen weiteren, verheerenden Rückschlag. Ihr Geliebter Duncan Reever verrät sie an das Volk der Hsktskt, welches sie kurz zuvor noch zur Hilfe gerufen hatte, und bringt Cherijo unter die brutale Knute der Sklaverei. Doch die unbändige Doktorin lässt sich weder von Reevers Hinterlist, noch von den aggressiven Umgangsformen der emotionslosen Echsen unterkriegen. In kürzester Zeit verschafft sie sich in ihrer Position als Ärztin Respekt und Anerkennung und behandelt auf der Krankenstation eines Asteroiden Freund und Feind.

Aber ihre widerspenstige Art ist bei den Hsktskt nicht gerne gesehen, so dass immer wieder Konflikte mit Aufsehern und dem Stammesfürsten TssVar entstehen, unter dessen Regentschaft Cherijo ein ständiges Auf und Ab, begleitet von unbarmherzigen Foltermethoden und tagelanger Isolation, erleidet. Mit letzter Kraft bäumt sich Chrerijo aber beständig gegen die fürchterlichen Umstände der Sklaverei auf, stets bemüht, im Dschungel von Verschwörungen und verräterischen Intrigen einen Weg zur Flucht zu finden …

_Persönlicher Eindruck_

Meine persönliche Beziehung zur außergewöhnlichen Science-Fiction-Saga von S. L. Viehl ist höchst ambivalent. Bereits die ersten Bände verlangten mir Geduld und erzwungene Beharrlichkeit ab, entlohnten jedoch schlussendlich mit zwei spannenden, bemerkenswerten Geschichten, vor allem aber mit einer fabelhaft in Szene gesetzten Protagonistin, deren ungewöhnliches Erscheinungsbild innerhalb des Genres einige revolutionäre Züge offenbarte. Mit „Die Flucht“ steht nun der vorerst letzte Band von „Stardoc“ ins Haus, und schon wieder beobachtet man die typischen Schwierigkeiten, mit denen die Serie bereits in den vorangegangenen zwei Romanen aufwartete.

Zwar ist die Hintergrundgeschichte dieses Mal ebenso geläufig wie die tragenden Persönlichkeiten, und ebenso steckt man bereits nach wenigen Seiten mitten in der Action drin, doch irgendwie bleibt der Inhalt trotz stringenten Fortschritts über weite Strecken sperrig und enttäuschend eindimensional. Problematisch erweist sich in diesem Sinne die nach und nach unglaubwürdigere Inszenierung von Cherijo Torin, die mittlerweile derart viele tödliche Gefahren unbeschadet überstehen konnte, dass man die neuen Bedrohungen gar nicht mehr als solche empfindet. In „Die Flucht“ wird die Hauptfigur gefoltert, gebrandmarkt, angeschossen, in gewaltsame Krawalle verwickelt, hungernd in einen Müllschacht gesteckt, und so weiter, und so fort – doch jedes Mal wieder entflieht sie der Gefahr mit neuem Mut, hält alsbald Strategien zur Eindämmung der unmenschlichen Zustände und der Verbesserung der Lage der versklavten Mitleidenden bereit und trotzt ihren Käschern zudem auch noch mit vorlautem Mundwerk und unbedachten Forderungen.

Dies mögen alles Trademarks sein, die auch schon die ersten beiden Bücher zierten, jedoch wurden sie dort noch in einem realistischer anmutenden Zusammenhang eingefügt. Nun aber übersteigt Viehl selbst im Rahmen der Möglichkeiten einer Science-Fiction-Story bisweilen die Grenzen der Authentizität, was die Geschichte über manche Strecken zu einem recht vorhersehbaren Ereignis macht. Die zwischenzeitlichen Wendungen wie der stets lauernde Verrat von Seiten Cherijos Freunden können dieser Entwicklung zwar immer wieder Einhalt gebieten, doch da jedes Unterkapitel zumindest mit einem kleinen Happy End für die unverwundbare terranische Ärztin abschließt, verliert die Erzählung an manch entscheidendem Punkt ein Stück weit Spannung und fällt folgerichtig auch ein ganzes Stück gegenüber ihren Vorgängern ab.

Was die Action sowie die Aneinanderreihung von Niederträchtigkeiten und Gemeinheiten betrifft, ist „Die Flucht“ indes der Höhepunkt der Serie. Viehl forciert eine recht aggressive Handlung und bemüht sich um eine schonungslose Demonstration all dessen, was gemeinhin als verachtenswert empfunden werden darf. Dies bleibt jedoch leider bis auf Weiteres die einzig markante Stärke des dritten Teils von „Stardoc“, wohingegen die Handlung inhaltlich leider in vielen Punkten verflacht.

Allerdings besteht dennoch Hoffnung auf Besserung; vier weitere Bände liegen seit geraumer Zeit in der Warteschleife und sollen den Plot Expertenmeinungen zufolge auf lange Sicht wieder richten können. Verlassen wir uns darauf ebenso wie auf die Tatsache, dass „Die Flucht“ der einzige Schwachpunkt dieser Reihe bleibt. Es wäre nämlich ziemlich schade, wenn die brillanten Figuren im Zuge mangelnder, herausfordernder Ideen mit einem Mal untergehen müssten …

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Interview mit Stephan R. Bellem

Anlässlich seines ersten Romans „Tharador – Die Chroniken des Paladins“ habe ich mich mit dem Heidelberger Fantasyautor Stephan R. Bellem in der Heidelberger Altstadt zu einem Kaffee getroffen und zu seinem Roman befragt. Das Interview verlief sehr lang und amüsant, doch lest selbst:

Martin Schneider:
Hi Stephan, stell dich den Lesern doch mal kurz vor.

Stephan R. Bellem:
Ich wurde jetzt im September gerade 26, die 30 naht mit großen Schritten. Ich studiere neben dem Schreiben Soziologie, mag Hunde und Filme. Und Essen. Man sieht es mir noch nicht an, aber ich esse wahnsinnig gern. „Tharador“ ist mein erster Roman und ich hoffe, noch eine ganze Menge mehr zu veröffentlichen. Ausführlichere Infos gibt es dann auf meiner Homepage www.srbellem.de/ Ach so, habe gerade eine neue Band für mich entdeckt: 30 SECONDS TO MARS.
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Stephan R. Bellem – Tharador (Die Chroniken des Paladins 1)

Handlung

Tharador Suldras ist Kommandant der Stadtgarde von Surdan. Doch er wird von ständig wiederkehrenden Albträumen geplagt, die ihn immer mehr dazu bringen, in den Norden gehen zu wollen. Also desertiert er zusammen mit seinem Freund Queldan und macht sich auf über das Gebirge in Richtung Norden. Dort treffen die beiden den Zwergenprinzen Khalldeg, der zur Gruppe der Berserkerzwerge gehört.

Währenddessen hat der Magier Tarvin Xandor alle anderen Magier in Surdan getötet und hilft den Orks und deren Häuptling Ul’goth mit seiner schwarzen Magie dabei, die Mauern von Surdan zu erstürmen und die Stadt einzunehmen. Xandors Plan sieht vor, die Orks weiter gen Süden zu schicken, und die anderen Städte in einen Krieg zu verwickeln, um von seinen Plänen. das mächtige Zauberbuch Karand zu finden, abzulenken. Doch Ul’goth will nicht weiter in den Krieg ziehen, sondern sich mit seinem Stamm in Surdan niederlassen.

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Mina, Denise – Hintermann, Der

Täglich drei harte Eier, Grapefruit und schwarzer Kaffee, und schon wird man pro Woche drei Kilo leichter. Klingt verlockend, diese Eierdiät, die Paddy Meehan, die Protagonistin in Denise Minas Buch „Der Hintermann“ seit einiger Zeit ausprobiert, um die überschüssigen Pfunde loszuwerden.

Bei der Diät ist Paddy leider so erfolgreich wie bei ihrer Arbeit als Mädchen für alles in der Zeitungsredaktion der „Scottish Daily News“ im Glasgow der achtziger Jahre. Eigentlich möchte sie Journalistin werden, aber ihre Beschäftigung besteht hauptsächlich darin, dem Chefredakteur Bier aus dem nahen Pub zu holen. Doch das junge Mädchen bekommt seine Chance, als der dreijährige Brian Wilcox brutal ermordet an einer Eisenbahnlinie gefunden wird. Als Verdächtige ermittelt man zwei Elfjährige. Einer von ihnen ist der Cousin von Paddys Verlobtem Sean, wie sie ihrer Kollegin Heather anvertraut. Heather, eine hübsche Studentin mit Ambitionen, nutzt diese Tatsache aus und bringt eine reißerische Story über die heruntergekommene Familie des Verdächtigen.

Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen für Paddy. Ihre streng katholische Familie einschließlich ihres Verlobten ist fest davon überzeugt, dass sie den Artikel geschrieben hat. Paddy, von allen Menschen, die sie liebt, alleine gelassen, beschließt zu beweisen, dass dieser brutale Mord nicht von zwei Elfjährigen begangen worden sein kann. Bei ihrer Recherche stößt sie auf einen Fall von Kindsmord, der bereits acht Jahre zurückliegt und ein ähnliches Muster wie der Brian-Cox-Fall aufweist. Damals hatte man den Stiefvater des toten Jungen verurteilt, obwohl er standhaft behauptet hatte, unschuldig zu sein. Paddy fühlt, dass hier etwas nicht stimmt. Sie begibt sich auf die Spurensuche und befragt die Mutter des vor acht Jahren ermordeten Kindes. Bald stellt sich heraus, dass ihr gewisse Personen bei beiden Fällen begegnen. und sie beginnt, Parallelen zu ziehen. Doch da wird Heather, deren Namen Paddy bei ihren „Ermittlungen“ benutzt, ermordet aufgefunden. Als Paddy erkennt, dass sie das eigentliche Opfer gewesen wäre, wird ihr klar, was für Dreck sie mit ihrer Suche aufgewühlt hat …

„Der Hintermann“ ist eines dieser Bücher, die erst nach einer Aufwärmphase richtig gut werden. Der Anfang jedenfalls lädt eher dazu ein, den Thriller wieder aus der Hand zu legen. Denise Mina hält sich mit Hintergrundinformationen munter zurück. Sie wirft den Leser direkt ins Geschehen, und das ist in einem Buch, das vor zwanzig Jahren in einem Land spielt, dessen Verhältnisse nicht jeder kennt, nicht unbedingt der Königsweg. Die strikten Regeln des Katholizismus und die Feindschaft mit den Protestanten ist gerade für jemanden, der nicht mit den Sitten Schottlands vertraut ist, anfangs schwer verständlich. Mina fügt kaum Erklärungen an, das meiste muss sich der Leser selbst zusammenreimen.

Es ist hilfreich, dass die Hauptperson Paddy Meehan den Katholizismus in Frage stellt. Dadurch werden immerhin einige Dinge klar, auch wenn das eher beiläufig geschieht. Anfangs fällt es schwer, Zugang zu dem pummeligen, stets etwas melancholischen Mädchen zu finden, doch mit der Zeit wächst Paddy dem Leser ans Herz. Frei nach dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“ befreit sie sich mit dem Erscheinen des Zeitungsartikels von sämtlichen Fesseln, die sie vorher gehalten haben. Ihre Familie ignoriert sie als Reaktion auf den Artikel, ihr Verlobter möchte nichts mehr von ihr wissen. Paddy hat nichts zu verlieren und wirft sich deshalb mit vollem Elan ins Leben. Das verändert sie nachhaltig und rückt ihre Zukunftsvorstellungen zurecht. Das Mädchen entwickelt im Verlauf der Geschichte ein neues Selbstvertrauen, so dass sich der einst konturlose Teenager immer mehr zu einer selbstbewussten Persönlichkeit wandelt.

Ähnliches gilt für die Geschichte, die Mina erzählt. Sie beginnt holprig und irgendwie konventionell – ein Mord passiert, eine Außenseiterin kommt der wahren Lösung auf die Spur -, doch mit der Zeit kommt eine sehr angenehme Atmosphäre auf, die zu der grauen Stimmung im trüben Glasgow passt. Trotzdem hängt das Buch bis zur Mitte ein wenig durch. Es passiert zu wenig Spannendes und Paddys Ermittlungen machen kaum Fortschritte. Wirklich rasant wird es nie, aber gegen Ende folgen die Ereignisse immerhin so dicht aufeinander, dass es nicht langweilig wird.

Der Erzählstil passt zu der gedrückten Stimmung, die im Buch vorherrscht und auf weiten Strecken auch Paddy anhängt. Einfach, auf das Vokabular eines jungen Mädchens abgestimmt, erzählt Mina aus Paddys Perspektive. Aufgrund des Anspruchs ihres Schreibstils ist „Der Hintermann“ dennoch nicht wie ein Jugendbuch geschrieben. Auffällig ist die Art der Autorin, auch unwichtig erscheinenden Kleinigkeiten Raum zu geben, so dass die Geschichte an vielen Stellen sehr ausgefeilt wirkt, was ihr nur zugute kommt.

Der Schreibstil kann allerdings nicht über die anfänglichen Probleme hinwegtäuschen. „Der Hintermann“ von Denise Mina hat durchaus seine Momente, doch vor allem der schwerfällige Start und die fehlenden zündenden Ereignisse in der Mitte machen es manchmal schwierig, das Buch weiterzulesen.

http://www.knaur.de

_Denise Mina auf |Buchwurm.info|:_
[„Refugium“ 928

Vaughan, Brian K. / Harris, Tony – Ex Machina 2: Zeichen

_Story_

Mitchell Hundred ist eine außergewöhnliche Person. Infolge eines radioaktiven Unfalls hat er Kräfte erlangt, die ihm eine direkte Kommunikation mit Maschinen erlauben, was ihm am 11. September 2001 ermöglichte, die zweite Maschine vor dem Einschlag in den Südturm des World Trade Centers aufzuhalten. Seitdem ist Hundred in New York eine Ikone, ein Superheld, der für den Posten einer Führungspersönlichkeit prädestiniert scheint.

Gesagt, getan: Hundred wird bei den Wahlen zum Bürgermeister ernannt und sieht sich daraufhin mit einem innenpolitischen Scherbenhaufen konfrontiert. Doch während die akuten Probleme wie die Reformierung des Schulsystems sich geradezu aufdrängen, beschäftigt sich Mitchell mit einem nach wie vor umstrittenen Gesetzesentwurf. Er möchte in seiner Stadt die Ehe zwischen homosexuellen Partnern ermöglichen und gilt infolge dessen wiederum als umstritten und planlos.

Allerdings plagen den Bürgermeister derzeit noch andere Sorgen: Eine übernatürliche Erscheinung hat die U-Bahn-Stationen in eine Leichenhalle umfunktioniert, zu deren Opfer auch Verbündete aus Mitchells NSA-Vergangenheit als Superheld gehören. Während der führende Politiker New Yorks im Vordergrund Imagepflege betreibt und dennoch für die Homo-Ehe plädiert, entwickelt sich im Verborgenen eine neue Bedrohung, die unmittelbar mit Hundreds Person in Verbindung steht. Doch was genau verbirgt sich in New Yorks Untergrund?

_Persönlicher Eindruck_

Brian K. Vaughan ist dieser Tage ein Garant für erstklassige und intelligente Comic-Kunst. Bereits mit seiner Glanzserie [„Y: The Last Man“ 4179 konnte sich der aufstrebende Autor in die erste Liga hocharbeiten und wurde folgerichtig für dieses Werk auch mit dem prestigeträchtigen |Eisner Award| ausgezeichnet. Nun legt Vaughan mit einem weiteren Soon-to-be-classic nach, der Geschichte um einen ungewöhnlichen Superhelden, für dessen geniale Darstellung und Präsentation der Ideengeber sogleich einen weiteren Award überreicht bekam. Keine Frage also: Das hier ist Stoff, den man sich nicht entgehen lassen sollte!

Während der erste Band von „Ex Machina“ Mitchell Hundreds Aufstieg zum Superhelden und den darauf folgenden Weg in die Innenpolitik dokumentierte, bewegt sich Vaughan nun ein wenig vom bloßen Action-Abenteuer fort und fügt zunehmend politische und mystische Themen in die Handlung ein. „Zeichen“ beinhaltet zwei parallel verlaufende Stränge, die beide ziemlich direkt mit der Hauptperson verknüpft sind, zunächst aber gar nicht aufeinander zulaufen wollen. In einzelnen Zeitsprüngen wird Mitchells Superhelden-Vergangenheit noch einmal aufgearbeitet und in diesem Sinne die speziellen Verbindungen zu seinem ehemaligen Kollegen Jackson, der ihm bereits nach den Terroranschlägen des 11. September kritisch gegenüberstand.

Inzwischen wurden die zerstückelten Leichen von dessen Ehefrau und Tochter in den U-Bahn-Stationen aufgefunden, ebenso die Innereien ihres Hundes, an deren Fundort die Ermittler ein merkwürdiges Zeichen entdecken. Jedoch scheint sich der Protagonist zunächst nicht für diese seltsamen Ereignisse zu interessieren. Er ist bestrebt, seiner Rolle als liberaler Bürgermeister und Mittelsmann zwischen Staat und Bürgern gerecht zu werden, geht indes jedoch ungeachtet seiner Wege. Dementsprechend mutet es seltsam an, dass er sich an scheinbaren Belanglosigkeiten wie der Homo-Ehe aufhält, während seine Stadt von einem neuen Akt des Terrors heimgesucht wird. Dabei steht die Mordserie unzweifelhaft mit der Person Hundreds in Zusammenhang, was die Lage noch verschärft.

Aber erstaunlicherweise lässt sich Vaughan nicht von den Erwartungen, die der Plot immer vehementer hervorruft, beunruhigen. Souverän trennt er die beiden Stränge und fügt sie mit einem kaum erwarteten Knall plötzlich doch noch zusammen. Dies ermöglicht ihm, bei den einzelnen Handlungsabschnitten noch deutlicher in die Tiefe zu gehen und die Detailfülle und Hintergründe ganzheitlich in die Story einzubringen. Die konträren Stimmungen, ausgelöst durch die widersprüchlichen Bilder des harmoniebedürftigen Bürgermeisters und der krassen Leichendarstellungen in den U-Bahn-Schächten, bekommen somit noch mehr Spielraum und sind schließlich das wichtigste belebende Element der gesamten Handlung. Darüber hinaus erweist sich der Autor im zweiten Teil von „Ex Machina“ ein weiteres Mal als außerordentlicher Profi der illustrierten Inszenierung.

Vaughan hat eine wirklich perfekte Geschichte mit unkonventionellen Inhalten gefüllt, anhand von Kontrasten den Spannungslevel hochgekurbelt und letztendlich einen regelrechten Mythos erschaffen, der im Prinzip lediglich auf einer ganz normalen, wenn auch intelligent kombinierten Action-Story fußt. Meine Hochachtung für diese unheimlich dichte Verknüpfung von Mystery, Action und unterschwelliger, provokanter Gesellschaftskritik. Spätestens mit dieser hierzulande frisch eröffneten Reihe hat sich Brian K. Vaughan international zu einer echten Hausnummer entwickelt!

http://www.paninicomics.de/ex-machina-s10447.html

John Meaney – Tristopolis

In einer fernen Zukunft gewinnt die Menschheit ihre Energie aus den Knochen der Toten. Kriminelle Elemente haben es auf die Leichen besonders ‚energ(et)ischer‘ Zeitgenossen abgesehen, was eine kleine Gruppe von Polizisten zu verhindern sucht … – Nicht originelle aber einfallsreich variierte Mischung aus Science Fiction, Mystery & Thriller, die sich ein wenig zu offensichtlich diverser phantastischer Vorlagen aus Literatur und Film bedient: gern gelesen & genossen aber auch bald vergessen. John Meaney – Tristopolis weiterlesen

Rejchtman, Grzegorz – Ubongo

_Tetris im Geschwindigkeitsrausch_

„Ubongo“ – was für ein eigenartiger Titel für ein Gesellschaftsspiel, da scheint Spaß auf jeden Fall vorprogrammiert. Und tatsächlich hat dieser bereits 2005 als Messeneuheit vorgestellte Titel in den vergangenen beiden Jahren ein echtes Virus freigesetzt, dem auch heute noch Heerscharen von neuen Spielern chancenlos verfallen. Seit geraumer Zeit tummelt sich „Ubongo“ nun schon an der Spitze der Gesellschaftsspiel-Verkaufsschlager eines ganz bekannten Online-Hauses, und tendenziell wird sich an diesem erfreulichen Umstand auch so schnell nichts ändern. Doch was ist so besonders an „Ubongo“? Wieso erliegt man der Tetris-Variante im Speed-Rausch? Nun, die Antwort gibt das Spiel selber. Einmal gespielt, bleibt die Packung nämlich für Stunden geöffnet. Kein Wunder, dass hier bereits seit Monaten vom neuen Brettspiel-Kult geredet wird …

_Die Spielidee_

„Ubongo“ ist grundsätzlich ein simples Spiel, bei dem es zunächst lediglich auf zwei wesentliche Dinge ankommt: logisches Denken und Tempo. Jeder Spieler muss Runde für Runde mithilfe von drei oder vier verschiedenen Formen ein vorgegebenes Muster ausfüllen und dabei auch noch im Zeitfenster der weiterlaufenden Sanduhr bleiben. Und während man gemeinsam knobelt, sollte man auch noch auf den darauf folgenden Zug achten: denn vor Ablauf der Sanduhr gilt es zudem noch, zwei Edelsteine vom Spielbrett zu nehmen und diese in seine Edelsteinsammlung einzupassen. Wer nämlich zum Schluss die meisten Edelsteine in einer Farbe besitzt, der hat das Spiel gewonnen – und dies ist beileibe nicht immer der schnellste …

_Spielmaterial_

• 1 Spielplan
• 4 Spielfiguren
• 72 Edelsteine
• 36 Legetafeln
• 4 x 12 Legeteile
• 1 Sanduhr
• 1 Sonderwürfel

Das Spielmaterial zu „Ubongo“ ist nicht nur grafisch sehr stimmig, sondern auch in Sachen Langzeitspaß tauglicher als zunächst befürchtet. Zwar sind die Legeteile aus dem üblichen Spielkarton bei ständiger Verwendung der Gefahr ausgesetzt, einige Beschädigungen an den Ecken abzubekommen, doch ist dies insgesamt wohl keine kritisch zu betrachtende Besonderheit. Besonders ist stattdessen die visuelle Aufmachung des Spiels. Begonnen beim simpel, jedoch effektiv illustrierten Spielplan bis hin zur Optik der Schachtel entsteht hier ein durch und durch rundes Bild. Aber auch, was die grundsätzliche Stabilität sowie die generelle Zweckmäßigkeit der zur Verfügung stehenden Mittel anbelangt, gibt es kaum etwas zu meckern. Dies ist Qualität, wie man sie vom größten deutschen Spielverlag kennt und schätzt!

_Spielvorbereitung_

Der Spielplan wird aus zwei Teilen zusammengesteckt und schließlich mit den Edelsteinen gefüllt; jede Öffnung der sechs Spielreihen wird mit jeweils einem Edelstein versehen. Anschließend wird je ein Set der Legeteile pro Spieler ausgehändigt. Als Letztes erhält nun jeder eine Spielfigur und setzt sie auf ein beliebiges der sechs Spielfelder auf dem Plan. Abhängig von der Spielerzahl werden schließlich die Legetafeln aussortiert. Für jeden Spieler müssen individuell neun Tafeln zur Verfügung stehen; die übrigen werden in der folgenden Partie nicht mehr benötigt.

_Spielablauf_

In jeder der neun Runden nimmt sich der Spieler eine Legetafel vom Stapel. Der Startspieler würfelt nun eines der sechs Symbole, welche auf den Legetafeln abgebildet sind, und bestimmt damit, welche Legeteile für den aktuellen Spielzug benötigt werden. Insgesamt sind auf den Legetafeln sechs Symbole mit drei bzw. vier (je nach Schwierigkeitsgrad) zugehörigen Legeteilen dargestellt, an denen man sich nach dem Auswürfeln zu orientieren hat. Gleichzeitig mit dem Würfelwurf wird nun auch die Sanduhr umgedreht. Infolge dessen wählt man nun in Windeseile die erwürfelten Teile aus seinem Vorrat, versucht sie irgendwie so zu positionieren, dass sie genau das auf der Tafel gezeigte Muster ausfüllen, und versucht außerdem, dies alles vor Ablauf der Sanduhr zu schaffen. Wer diese Aufgabe als Erster bewältigt hat, ruft laut „Ubongo!“. Die übrigen Spieler dürfen indes weiterknobeln, bis die Sanduhr abgelaufen ist. In der Reihenfolge der erfolgreichen Lösungen dürfen die Spieler nun ihre Figur drei, zwei, einen oder eben kein Feld weit bewegen und anschließend am Zielort die vordersten Edelsteine aus der Reihe nehmen. Der Clou an der ganzen Sache: Auch dies muss geschehen, während die Sanduhr läuft, ansonsten geht man leer aus.

Die Spielrunde endet, sobald die Uhr durchgelaufen ist. Die Legetafeln werden anschließend gegen neue eingetauscht, und das Procedere wiederholt sich insgesamt noch achtmal.

_Spielende_

Nach insgesamt neun Runden endet die Partie. Anschließend werden die eingesammelten Edelsteine begutachtet und miteinander verglichen. Es gewinnt schließlich nicht derjenige mit den meisten Steinen, sondern der Spieler, der die meisten Edelsteine einer Farbe besitzt. Somit hat man selbst dann Chancen, wenn man nicht immer der schnellste gewesen ist – wenngleich dies natürlich wegen der besseren Zug- und Auswahlmöglichkeiten von Vorteil wäre. Und tatsächlich zeigen Erfahrungen, dass der Schnellste wirklich selten zwangsläufig auch der strategisch Beste sein muss!

_Persönlicher Eindruck_

„Ubongo“ ist definitiv eines dieser Spiele, welche von der ersten Sekunde an zu fesseln vermögen, selbst nach stundenlangem Durchlauf nicht langweilig werden und überdies hinaus zu jedem Anlass geeignet scheinen. In diesem Sinne ist es schon fast schade, dass die Spielerzahl auf vier mögliche Teilnehmer begrenzt ist, da die Grundidee potenziell absolut partytauglich ist. Indes kommt auch im Spiel zu viert, zu dritt und selbst zu zweit eine vergleichbare Stimmung auf, ausgelöst durch die bewusst ausgelöste Hektik und das kunterbunte Treiben auf Spielplan und Legetafel. Ständig kommt es vor, dass man an den simpelsten Tüfteleien scheitert, weil die Zeit wie eine Pistole im Nacken drückt und man plötzlich jeglichen Sinn für Logik kurzzeitig über Brod wirft. Selbst beim vergleichsweise einfacheren Schwierigkeitsgrad mit drei Legeteilen geschehen häufig wirklich dumme Fehler, die man bei klarem Verstand nie und nimmer begangen hätte, unter Druck jedoch plötzlich direkt im Dutzend macht. Die Sanduhr rieselt, die anderen Spieler bereiten einem Sorge, weil sie bei schnellerer Lösung und Aktion möglicherweise heiß ersehnte Edelsteine wegschnappen, und wenn wirklich alles schiefgeht, ist man zwar der Schnellere an der Tafel, bei der kunterbunten Hetzjagd auf dem Spielplan dann aber zu langsam, um die erwünschten Produkte zu ergattern. Schnelligkeit ist also immerzu das A und O.

Indes ist selbst die übelste Frustration schnell wieder ein wohliges Schmunzeln wert; man erleidet zwar teils einige herbe Rückschläge, verliert aber über das ungeheure Spieltempo und die bis zum Schluss beinahe gleichbleibenden Siegchancen nie die Motivation, sich beim nächsten Rätsel noch mehr anzustrengen und gleichzeitig weniger auf die Druckmittel von Konkurrenz und Zeit zu schauen. Gelingt dies, hat man gute Chancen, innerhalb dieser quirligen Interaktion letztendlich vorne zu stehen. Lässt man sich jedoch permanent von der Hektik anstecken, kann’s auf die Dauer ziemlich schlecht aussehen. Und so geht’s unablässig hin und her und hin und her, bis nach viel zu kurzer Zeit neun Runden vorbei sind und eine Entscheidung fällig wird – und damit auch gleich die nächste Partie.

Man spricht bei Gesellschaftsspielen immer wieder gerne vom Suchtfaktor, insbesondere bei Spielen, die in kürzerer Zeit absolviert werden können und somit auch die idealen Voraussetzungen zur permanenten Wiederholung mitbringen. Bislang ist mir jedoch noch kein Spiel untergekommen, welches wirklich derart süchtig macht wie „Ubongo“. Die Idee, die Umsetzung und natürlich auch die Geschwindigkeit sind in ihrer Kombination atemberaubend und nicht zuletzt wegen der zugrunde liegenden Simplizität ein wahres Kunststück. Wer bereits beim Gedanken an „Tetris“ kaum mehr stillsitzen kann, darüber hinaus auch mal gerne lacht, der sollte seine Bestellung noch während der nächsten Minuten absenden. „Ubongo“ ist nämlich dasjenige unter der Masse an Familienspielen, das wirklich jeder kennen und haben muss!

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Ferraris, Zoe – letzte Sure, Die

Wenn man den Islam kritisiert, geht es normalerweise darum, wie sehr die Frauen in dieser Religion unterdrückt werden. Dass dies nicht nur für die Frauen Folgen hat, sondern auch für Männer, zeigt Zoë Ferraris in ihrem ersten Roman „Die letzte Sure“.

Wer sich nun denkt: Nanu? Wie will uns eine Frau mit einem westlichen klingenden Namen die Welt des Korans erklären?, dem sei Ferraris‘ Biografie ans Herz gelegt. Sie hat ein Jahr lang in einer strenggläubigen Gemeinde in Saudi-Arabien gelebt, nachdem die Liebe sie dorthin geführt hat. Selbst wenn sie die Welt, in der ihr Roman spielt, nicht mit der Muttermilch aufgesogen hat, wird sie also eine ungefähre Ahnung davon haben, worüber sie beschreibt.

Um ehrlich zu sein: Sie hat mehr als das. „Die letzte Sure“ findet vor einem perfekt recherchierten Hintergrund statt, der auf mich als Laienleserin einen sehr starken Eindruck gemacht hat. Das Buch ist unglaublich homogen und versetzt den Leser aufgrund der farbigen Beschreibungen, der sehr gut ausgearbeiteten Charaktere und des zeitlosen Schreibstils direkt in die heiße Wüste Saudi-Arabiens und die flirrende Großstadt Dschidda.

Die Geschichte beginnt in der Wüste. Der Wüstenführer Nayir sucht gemeinsam mit seinem Trupp die riesigen Sanddünen nach einem jungen Mädchen ab. Nouf, die Schwester seines Freundes Othman, ist von zu Hause fortgelaufen und wird hier vermutet. Als man sie schließlich findet, ist die Sechzehnjährige tot. Sie ist in einem wasserführenden Trockental ertrunken. Und obwohl ihre reiche Familie ihren Tod als Unfall abtut, will sich Nayir nicht mit dieser Begründung zufriedengeben. Zu viel ist im Unklaren geblieben über die Flucht des Mädchens, das kurz vor seiner Hochzeit stand. Wieso wird sie beispielsweise beim traditionellen Begräbnis wie eine Schwangere in ihr Grab gelegt? Und wieso möchte Othman auf einmal, dass Nayir sich nicht weiter um die Geschichte kümmert?

Nayir ist nicht der Einzige, der Verdacht schöpft. Katya, die die Leiche Noufs in der Rechtsmedizin obduziert hat und außerdem mit Othman verlobt ist, lässt sich ebenfalls nicht so einfach bremsen. Sie gehört zu den wenigen Frauen in der konservativen Stadt, die arbeiten gehen, und ihre forsche Art ist Nayir, als er sie kennenlernt, sehr unangenehm. Als sie auch noch darauf besteht, gemeinsam mit ihm in diesem Fall zu ermitteln, wird sein gesamter Glaube auf den Kopf gestellt.

Der islamische Glaube durchzieht das Buch als roter Faden. Zoë Ferraris bleibt dabei überaus neutral und wird gegenüber der Religion niemals unfair. Sie stellt ihre Grundsätze sehr anschaulich und leicht verständlich dar, verschleiert aber nichts. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Protagonist Nayir, ein Palästinenser, der oft für einen Beduinen gehalten wird, in Wirklichkeit aber ein Fremder in diesem Land ist und manchmal deshalb wie ein einsamer Wolf wirkt. Aufgewachsen bei seinem Onkel, hat er kaum Kontakt zu Frauen. Sein Onkel kann ihm keine Hochzeit arrangieren und er selbst wird durch die Restriktionen des Islam davon abgehalten, überhaupt einmal Frauen kennenzulernen. Als Katya in sein Leben tritt und energisch darauf pocht, mit ihm zusammenzuarbeiten, wird sein strenger Glaube gehörig durcheinandergewirbelt. Trotzdem bleibt er der ehrliche, standhafte Mann, der er schon immer war – er merkt nur, dass er einige Dinge vielleicht manchmal zu verbissen sieht.

Neben dieser männlichen Sicht sorgt die Rechtsmedizinerin Katya dafür, dass auch die Frauen in diesem Buch zu Wort kommen. Sie stellt ihren Glauben allerdings nicht so sehr in Frage, wie die sechzehnjährige Nouf das tut. Mit der Zeit kristallisiert sich immer mehr heraus, dass der Teenager sich eingeengt fühlte und den Vorstellungen der strenggläubigen Eltern zu entfliehen versuchte. Ferraris gelingt es dabei sehr schön darzustellen, wie anstrengend das Leben einer Frau in Saudi-Arabien sein muss, wenn es kaum möglich ist, einen einzigen Schritt ohne Begleitung eines Mannes aus der Familie zu machen.

Die Autorin verarbeitet das Wissen, das sie über diese Religion erfahren hat, auf eine sehr verständliche Art und Weise in ihrer Geschichte. Sie ufert nie aus, erzählt aber immer genug, damit der westliche Leser bestimmte Dinge versteht, auch wenn er sie aufgrund seiner Erziehung und Kultur vielleicht nicht ganz nachvollziehen kann. Obwohl eine Menge zu erklären ist, vergisst Ferraris darüber nie die eigentliche Geschichte: den Kriminalfall um Nouf. Mit viel Cleverness und konventionellen Methoden wie der Hilfe eines beduinischen Spurensuchers, Befragungen und Denkarbeit lösen Nayir und Katya das Rätsel um Noufs Tod. Sie befinden sich dabei mehr als einmal auf dem Holzweg, aber Ferraris bringt die beiden immer wieder auf den richtigen Pfad, indem sie sie häppchenweise mit wichtigen, oft alles verändernden Hinweisen füttert. Das macht die Geschichte spannend und fesselnd. Allerdings ist es eine stille Sorte Spannung, die ihre Kraft nicht aus reißerischen Actionszenen, sondern vielmehr aus den Widersprüchen und Geheimnissen in Noufs Leben bezieht.

Der Schreibstil korrespondiert mit dieser stillen Spannung. Ferraris schreibt angenehm leise. Sie verzichtet auf Gewaltdarstellungen oder reißerische Effekte. Sie verkürzt keine Sätze, um Spannung darzustellen und es gibt auch keine plötzlichen Geistesblitze. „Die letzte Sure“ liest sich nicht wie ein Krimi, sondern wie ein belletristischer Roman, und das ist einer seiner großen Trümpfe. Der Schreibstil ist zeitlos. Nicht flapsig wie von manchen Jungautoren und auch nicht ruhelos, wie man das von anderen amerikanischen Krimischreibern kennt. Poetisch angehaucht und oft nachdenklich präsentieren sich die Perspektiven von Katya und Nayir. Sie wahren dabei eine gewisse Distanz zu ihren Protagonisten, ohne kalt zu wirken, und erlauben es dem Leser, viel Eigeninterpretation in die Lektüre einzubringen.

Besondere Aufmerksamkeit verdient Ferraris‘ Umgang mit den Gegebenheiten eines Wüstenlandes. Die Hitze wird oft anhand von bunten Schilderungen thematisiert. An einer Stelle beschreibt die Autorin, wie Katya, die auf dem Gehweg auf ihren Fahrer wartet, ihre Sandalen danach wegwerfen muss, weil die Hitze die Gummisohlen geschmolzen hat. Diese unglaubliche Bildkraft führt dazu, dass der Leser sich wie direkt in die Wüste versetzt fühlt.

Zoë Ferraris‘ Debütroman „Die letzte Sure“ ist ein Roman von seltener Harmonie. Handlung, Personen, Schreibstil – wirklich alles passt genau zusammen und präsentiert sich in einem harmonischen, aber sehr eindrucksvollen Gewand. Bitte mehr davon!

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Vaughan, Brian K. / Guerra, Pierra / Marzán jr., José – Y: The Last Man 5 – Ring der Wahrheit

Band 1: [„Entmannt“ 3282
Band 2: [„Tage wie diese“ 3586
Band 3: [„Ein kleiner Schritt“ 3774
Band 4: [„Offenbarungen“ 3775

_Story_

Zwei Jahre nachdem die furchtbare Seuche alle mit einem Y-Chromosom ausgestatteten Lebewesen dahingerafft hat, sind Yorick Brown, der letzte überlebende Mann der Erde, Agentin 355 und die Kloning-Spezialistin Allison Mann endlich im Labor der Forscherin angekommen. Alsbald beginnt die Wissenschaftlerin, nach den Ursachen für Yoricks Ausnahmeerscheinung zu forschen, doch für eine konzentrierte Analyse scheint ihr Labor in San Francisco kein geeigneter Ort mehr. Der Setauket-Ring unter der Führung der rebellischen Anna Strong ist dem Trio dicht auf den Fersen und hat es dabei vor allem auf ein Amulett abgesehen, das Agentin 355 seit einiger Zeit mit sich trägt. Bei einer Konfrontation mit Yorick und Nr. 355 entreißen die fanatischen Damen dem einzig verbliebenen Mann ein persönliches Schmuckstück, einen Ring, den Yorick einst für die Verlobung mit seiner Freundin Beth eingeplant hatte. Doch mit dem Verlust des Ringes geht es Yorick plötzlich immer schlechter. Seine Begleiterinnen vermuten bereits, dass in ihm die Ursache für das Überleben des Entfesslungskünstlers begründet ist. Als Dr. Mann jedoch die DNA Yoricks mit den Genen seines Äffchens Ampersand vergleicht, stößt sie auf eine unglaubliche Wahrheit. Anscheinend wurde sein Weiterbestehen doch durch mehrere Zufälle ermöglicht. Aber Zufälle können ihn nun nicht mehr beschützen. Als nämlich eine weitere radikale Untergrundkämpferin aufkreuzt und auch Yoricks Schwester Hero plötzlich auftaucht, hängt das Leben des letzten Mannes sowie der gesamten Menschheit erneut am seidenen Faden …

_Persönlicher Eindruck_

Im fünften Band von „Y: The Last Man“ macht sich Autor Brian K. Vaughan mit wachsender Vehemenz daran, endlich Ursachenforschung für den merkwürdigen Verbleib des letzten Erdenmannes Yorick Brown zu betreiben. Doch dies bedeutet bei weitem nicht, das nun bereits das Ende der Story naht, denn schon mit der Analyse der Hintergründe eröffnen sich neue brisante Stränge, die der Autor intelligent, mit dezenter Action, aber auch wieder auf einem gewissen Mysterium aufbauend, langsam aber sicher wachsen lässt. Darüber hinaus gelingt es Vaughan, verschiedene Puzzlesteine geschickt zusammenzusetzen, ohne dabei schon eine zu detaillierte Perspektive für den Fortschritt der Handlung zu prognostizieren. Inhaltlich wird „Y: The Last Man“ von Ausgabe zu Ausgabe noch geheimnisvoller und unberechenbarer, und dies, obwohl mittlerweile eine Begründung für die Entstehung der Seuche bzw. das Überleben eines einzigen Mannes und seines Äffchens im Raume steht.

Unterdessen ist der Rahmen der Erzählung zunehmend verschachtelter. In „Ring der Wahrheit“ werden einige überraschende Zeitsprünge in die Vergangenheit des Protagonisten gewagt, um Aufschluss über unterschiedliche aktuelle Entwicklungen innerhalb der Handlung zu gewähren. Die Story um den merkwürdigen Ring wird aufgegriffen, das unstete Zusammenleben der Familie Brown beleuchtet und in diesem Sinne das besondere Verhältnis zwischen Yorick und seiner Schwester Hero vertieft. Allerdings fällt es weiterhin schwer, infolge des zunehmenden Verständnisses der Hintergründe auf die Zukunft zu schließen. Yorick und Co. geraten in eine gänzlich neue Bedrängnis, stehen dabei allesamt auf der Schwelle zwischen Leben und Tod und verletzten zur Durchsetzung ihrer Ziele im Rahmen ihres natürlichen Überlebensinstinkts auch einige unmoralische Handlungen durch, um letztendlich die Menschheit langfristig wieder zu bemannen und zu retten. Möglicherweise hat der Hauptdarsteller dazu sogar ungewollt selbst beigetragen, während er seinen Trieben kurzfristig erlag und zum ersten Mal überhaupt seit der Katastrophe mit einer Frau verkehrte. Diesbezüglich bestehen zwar noch keine konkreten Hinweise, aber zumindest hat Vaughan sich hier wieder weiteren Nährboden verschafft, um auch künftig neue Wege zu beschreiten.

Bei all der Action und Komplexität kommt der Humor im fünften Teil der Serie aber trotzdem nicht zu kurz. Die Dialoge sind teilweise wirklich köstlich, gerade wenn es etwas erhitzter zugeht und man sich mitunter auch der Vulgärsprache bedient. Das Niveau bzw. der Anspruch leidet darunter keinesfalls, denn angesichts der permanent andauernden Extremsituation, in der sich die Darsteller befinden, sind einzelne verbale Eskapaden nur natürlich und legitim – und darüber hinaus auch häufig ziemlich komisch!

Mit dem „Ring der Wahrheit“ hat der Autor seiner Reihe schließlich ein weiteres Meisterwerk hinzugefügt und sich im Rahmen von „Y: The Last Man“ bereits zum fünften Mal selbst übertroffen. Derzeit handelt Vaughan dem Hörensagen nach auch Bedingungen für eine cineastische Adaption des Stoffes aus, was nicht zuletzt aufgrund der neuesten, richtig starken Episode völlig willkommen wäre. Derart gutes, literarisches Material sollte nämlich nicht bloß der Comic-Welt vorbehalten bleiben!

[Verlagsseite zur Serie]http://www.paninicomics.de/?s=gruppen&gs__gruppe=10452

Thorsten Gimmler – Der Dieb von Bagdad

Der heimliche Hit der letzten Spielmesse

Jedes Jahr in Essen gibt es verschiedene Großverlage, deren Neuheiten derart intensiv frequentiert werden, dass man ohne die erforderliche Geduld nie in den Genuss kommt, sie adäquat anzutesten. Auch am üppigen Stand von Queen Games steht man Jahr für Jahr Schlange, um einen Blick auf die frischen Produkte zu erhaschen, ganz davon abgesehen, sie auch einmal spielen zu können. Nachdem sich wegen der ständig besetzten Tische vor Ort leider nie die Gelegenheit ergab, die wohl wichtigste Essen-Neuheit 2006 ausführlich zu testen, bin ich nun mit ein wenig zeitlichem Abstand doch noch dazu gekommen, mich intensiver mit „Der Dieb von Bagdad“ zu beschäftigen. Einige Partien und eine mehrtägige Testphase später bin ich mir schließlich auch im Klaren darüber, warum der Titel bei besagter Veranstaltung stets in Beschlag genommen wurde – dieses Spiel ist nämlich zweifelsohne der heimliche Hit des gut besetzten Verlagsprogramms.

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Veitch, Tom / Baikie, Jim / Kennedy, Cam – Star Wars Essentials – Das dunkle Imperium II

[Band 1 3531

Essenzielle Momente in der Geschichte der legendärsten aller Sternensagen: 30 Jahre sind mittlerweile vergangen, seit George Lucas den ersten respektive vierten Teil seiner „Star Wars“-Reihe ins Kino brachte. Dementsprechend ist das Thema „Krieg der Sterne“ in den derzeitigen Medien auch wieder präsent, nicht zuletzt von der erneuten TV-Ausstrahlung der beiden Trilogien begleitet. Doch auch im Comic-Bereich ist diesbezüglich alles andere als Stillstand angesagt. Die reguläre Serie wird in raschem Tempo fortgeführt, Sonderausgaben gehören ebenfalls schon zum täglich‘ Brot, und anlässlich des Jubiläums hat man auch noch die Spezialserie „Star Wars Essentials“ ins Leben gerufen, in der einige alte Klassiker aus dem „Star Wars“-Universum neu belebt werden. Mit „Das dunkle Imperium II“ hat man nun ein kleines Schätzchen ausgegraben und erstmals in einem Sammelband zusammengefügt. Dazu gibt es noch das großartige Finale „Empire’s End“, das nahtlos an diese Serie anknüpft und den Klassiker-Status am deutlichsten prägt. Tolle Zeiten für den finanzkräftigen Fan, doch wie bereits die ersten Eindrücke vermitteln, ist der Comic jeden Cent wert.

_Story_

Der Imperator scheint vernichtet, doch Luke Skywalker fühlt sich nach wie vor heimlich von der dunklen Seite der Macht angezogen. Dennoch ist er bestrebt, den weitestgehend zerstörten Jedi-Orden wiederzubeleben und die Allianz an der Spitze dieser Ritterschaft endgültig zum Sieg gegen das Imperium zu führen. Doch vom unabhängigen Planeten Balmorra hört man Gerüchte über die Rückkehr des geklonten Imperators Palpatine. Ein imperialer Kreuzer greift die für seine Waffenschmiede bekannte Welt an, muss sich jedoch den technisch versierten Streitkräften von Lord Baltane beugen. Doch das Imperium hinterlässt eine deutliche Botschaft: Palpatine ist wieder da!

Dies ruft auch Skywalker, Leia und Han auf den Plan, die schließlich die Jagd auf Sedriss, den Führer der imperialen Streitkraft, machen und ihn vernichten. Während sich Luke anschließend aufmacht, gemeinsam mit seinem neuen Jedi-Verbündeten auf dem Planeten Ossus die letzten Verbliebenen des Ordens zu unterrichten und die Jedi zu stärken, versuchen Leia und Han mit aller Macht, ihre beiden Kinder sowie den ungeborenen Nachwuchs zu beschützen. Ihnen wird nachgesagt, dass sie eines Tages Lukes Erbe antreten und das Imperium zugrunde richten werden. Doch der wiedergekehrte Imperator weiß um die Gefahr durch die Sprösslinge und entsendet seine Agenten und den Kopfgeldjägr Boba Fett, um die Kinder auszulöschen. Um seine Rückkehr zu demonstrieren und die endgültige Unterwerfung der Allianz zu forcieren, kreiert Palpatine schließlich eine intelligent Impulswaffe, gegen die selbst die Jedi machtlos scheinen. Doch schon einmal konnte der Imperator kurz vorm Ziel aufgehalten werden …

_Persönlicher Eindruck_

Es ist schon eine mächtige Story, die der riesigen Fangemeinde zum 30-jährigen Jubiläum der Saga beschert wird. Nicht nur, dass die Protagonisten der zweiten, älteren Trilogie allesamt in die Handlung eingeflochten werden und sich darin ähnlich elegant bewegen wie in den drei Ursprungsstreifen, sondern auch die Handlung weiß nach einer etwas längeren Anlaufphase durchaus zu begeistern und geht als legitime Fortsetzung der cineastischen Erlebnisse zu großen Teilen durch.

Doch wie gerade schon angedeutet, bedarf es umfassender Geduld, bis man sich in die Handlung eingefunden hat. Autor Tom Veitch lässt sich enorm viel Zeit zur Konstruktion des Rahmenszenarios und wählt hierzu ein vergleichsweise langsames Erzähltempo. Selbst die actionreicheren Szenen, die zumeist von einzelnen Kämpfchen der Besatzung des Millennium-Falken ausgehen, vermögen nicht, das Tempo zu forcieren.

Schließlich jedoch kristallisieren sich immer mehr Parallelen zur bekannten Kinogeschichte heraus, die zwar anfangs ebenfalls ein wenig mühselig erscheinen, weil die meisten Ideen nicht gerade innovativ sind, doch schlussendlich wird die Story hier im Rückblick ziemlich konsequent fortgesetzt und steigert sich schließlich zu einem recht famosen Science-Fiction-Spektakel, in dem sich die Helden auch sehr gut zurechtfinden. Selbst wenn Veitch einen etwas radikaleren Skywalker zeigt und einige bislang unbekannte, teils auch merkwürdige Charaktere in die Geschichte eingegliedert werden, bekommt man den Eindruck, hier eine treffliche alternative Fortsetzung der Filmreihe vorgestellt zu bekommen, zu der eventuell auch Master Lucas sein Jawort gegeben hätte.

Indes enthält „Das dunkle Imperium II“ zugleich Stoff für gleich mehrere Solobände. Der Comic ist von unheimlich vielen Einschnitten und Wendungen geprägt und spielt sich zudem auch auf zahlreichen, zeitgleich ablaufenden Handlungsebenen ab. Differenziert werden die Wege von Luke, Han und dessen alten Verbündeten nachgezeichnet, dies allerdings vermehrt in Form eines Logbuchs. Dies hat ungünstigerweise zur Folge, dass keine echte Spannung aufgebaut werden kann, weil die Inhalte einfach zu deutlich vorgezeichnet sind. Dennoch gelingt es dem Autor, dieses kleine Defizit durch einige überraschende Kursänderungen wieder zu kaschieren und das Potenzial des Plots niemals zu gefährden. In „Empire’s End“, dem letzten Kapitel des Comics, zieht er schließlich noch einmal die Spannungsschraube für ein richtig starkes, wenngleich nicht übermäßig bombastisches Finale an und bringt eine überzeugende Story mit angemessenen Mitteln zu Ende.

Mit 204 Seiten wird dem „Star Wars“-Fan ein recht reichhaltig bestückter Schinken angeboten, dessen quantitativer Output bisweilen ein wenig langwierig erscheint, der aber dennoch inhaltlich sehr gute Ansätze verfolgt und diese auch gekonnt umsetzt. Der etwas veraltet anmutende Stil der Illustrationen – „Das dunkle Imperium II“ ist zeichnerisch deutlich an die Achtziger angelehnt – mag zwar in diesem Sinne etwas befremdlich anmuten, raubt dem Plot aber dennoch nicht die Stimmung. Aber so ist das eben mit einer vielseitigen, wendungsreichen Geschichte. Kleine Schwächen sind erlaubt, solange die Ideen leidenschaftlich und gekonnt transferiert werden – und das ist hier ganz klar der Fall. Eine essenzielle Ausgabe? Nach einigem Grübeln würde ich dies bejahen.

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Abercrombie, Joe – Feuerklingen (The First Law 2)

Die |“The First Law“|-Trilogie:
Band 1: [Kriegsklingen 4190 (The Blade itself)
Band 2: _Feuerklingen_ (Before they are hanged)
Band 3: Königsklingen (Last Argument of Kings)

Die Lage für die Union spitzt sich dramatisch zu: Im Norden bedrängt König Bethod das Reich. Um den traumtänzerischen Kronprinz Ladisla ein wenig mehr Respekt bei der Bevölkerung zu verschaffen, will ihn Marschall Burr als Kriegsheld aufbauen und gleichzeitig an einen unbedeutenden Frontabschnitt versetzen und so aus dem Weg räumen, bevor er Unheil anrichten kann. Collem West wird zum Oberst befördert und der Aufpasser des Prinzen und inoffizielle Befehlshaber seiner Truppe. Logens Nordmänner schließen sich West an und entdecken Schreckliches: Bethod ist nahe und marschiert geradewegs auf Ladisla zu – der sich zum heldenhaften Kampf stellen will!

Im Süden übernimmt Superior Glokta die Befehlsgewalt in Dagoska. Eine riesige gurkhisische Armee rückt an, und in der Stadt wimmelt es nur so von potenziellen Verrätern. Sein Vorgänger Davoust verschwand eines Nachts spurlos, man geht davon aus, dass er getötet wurde. Doch wer hält die Fäden in der Hand? Die schöne Carlot dan Eider von der Händlergilde, der ehrgeizige Sohn des greisen Statthalters Vurms, der inkompetente General Vissbruck oder der käufliche, aber kompetente Söldnerführer Cosca? Zudem muss er die einheimische Bevölkerung, die von der herrschenden ausländischen Oberschicht diskriminiert wird, auf seine Seite ziehen, wenn er die Stadt halten will. Das scheint angesichts der Stärke des auf ihn zumarschierenden Heeres immer fragwürdiger, doch Erzlektor Sult besteht darauf, dass die Stadt unter allen Umständen gehalten wird. Glokta kommt den Verschwörern auf die Spur und erkennt, dass diese edlere Motive haben als das Königreich oder Sult.

Bayaz erreicht währenddessen Adua, die zerstörte alte Hauptstadt des von Juvens geschaffenen Kaiserreichs. Er will dort ein Artefakt bergen, mit dem er in den Krieg gegen Khalul ziehen kann, seinem Erzfeind und ebenfalls ein Magi-Schüler Juvens. Dieser verzehrt Menschenfleisch als Quelle seiner Macht und bricht somit das zweite Gesetz der Magie. Bayaz ist bereit, sich gegen das erste zu versündigen und ein Tor zur anderen Seite zu öffnen, nur um es mit ihm aufzunehmen. In Adua angelangt entdecken sie, dass die Stadt von den Schanka verseucht ist. Luthar erlebt seine erste Schlacht, ist völlig überfordert und wird schwer verletzt. Er lernt den Barbaren Logen zu schätzen, für den er zuvor wenig übrig hatte. Bayaz erzählt seiner Gruppe mehr über die glorreiche Vergangenheit und die Konflikte zwischen den Söhnen des göttlichen Euz und seinen Schülern. Khalul scheint jedoch nicht die einzige Gefahr zu sein, denn einige Nordmänner laufen zu der in Logens Abwesenheit von Dreibaum geführten Gruppe über, da sie die „Hexe“, dank deren Hilfe Bethod sich mit den Schanka verbünden konnte, fürchten.

_Der Autor_

Joe Abercrombie wurde 1974 in Lancaster geboren und studierte Psychologie an der Universität Manchester. Dort zeigte er einen recht ausgeprägten Spieltrieb, er liebt Würfel- und Computerspiele. In dieser Zeit entstand auch die Figur des Barbaren Logen Neunfinger, die ihm jedoch selbst als etwas zu aufgeblasen erschien und schnell verworfen wurde. Schließlich zog Abercrombie nach London, um als Cutter in einem Post-Production-Studio zu arbeiten. Nach zwei Jahren verließ er das Studio und arbeitet seitdem freischaffend im selben Beruf. Im Jahr 2002, dank seiner freischaffenden Tätigkeit mit mehr Freiraum für andere Dinge, schrieb er erneut über die tragischen Abenteuer Logens. Im Jahr 2004 vollendete er „The Blade itself“, den ersten Band der „First Law“-Trilogie, die seit 2005 von |Gollancz| und seit kurzem von |Heyne| auch auf Deutsch verlegt wird. Der Erstling war zugleich sein Durchbruch und ein Erfolg auf der ganzen Linie: Die Serie wird bereits in acht Ländern in sieben verschiedenen Sprachen vertrieben.

_Ein Königreich in Nöten_

Die Bedrohung der Union gewinnt durch die Beteiligung der Magi an den verschiedenen Fronten eine ganz neue Dimension, allerdings ist auch ohne diese verdeckte Bedrohung die Lage bereits kritisch. Ohne zu viel verraten zu wollen: Kronprinz Ladisla wird vernichtend geschlagen und muss mit den Nordmännern und West flüchten, der ihn zähneknirschend gegenüber dem berechtigten Spott der Nordmänner verteidigen muss. Wie wird das nur enden?

Glokta muss sich von einem reichen Bankhaus bestechen lassen, will er seinen Befehlen nachkommen und Dagoska verteidigen. Dafür wird er für die Zukunft um einen „Gefallen“ gebeten. Im Spiel um die Macht wird er erneut zur Figur. Seine Ermittlungen in Dagoska ergeben, wie nutzlos die Stadt für das Reich ist und welch verheerende Folgen Widerstand gegen Gurkhul für die Stadt hätte. Zumal die Gurkhisen anscheinend auch noch ehrlichen gemeinten Frieden anbieten, im Austausch gegen Dagoska. Doch obwohl dies im Sinne der Union wäre, torpedieren einige Gruppen insgeheim diesen Frieden …

Dank des recht pathetisch die Größe der Vergangenheit preisenden Bayaz, was sowohl bei seinem Lehrling als auch bei Ferro und Logen für Belustigung sorgt, erfährt der Leser einige interessante Details, die den Konflikten eine ganz neue Dimension und Bedeutung geben. Bayaz wird leider so gut wie nichts gelingen, der mächtige Magi steht schon bald ziemlich ratlos da.

Joe Abercrombie spinnt seine Geschichte geschickt weiter; ich habe einige entscheidende Details wie das Schicksal von Prinz Ladisla, das intrigante Bankhaus, Khalul oder die „Hexe“ im Dienste Bethods nur am Rande erwähnt. Wie sich diese Geschichten entwickeln, zeigt erneut Abercrombies große Kunst, den Leser stets im Ungewissen zu lassen. Man kann nie sicher sein, wie sich die Dinge entwickeln werden, besonders Bayaz muss gehörig improvisieren und umplanen. Das macht Abercrombies Welt so lebendig. Negativ fällt mir mittlerweile das Fehlen einer Karte Anglands auf, da die Handlung aufgespalten auf viele weit voneinander entfernte Orte ist, die ich nur noch mit Mühe geographisch zuordnen kann. Obwohl Abercrombie die Weichen für den dritten Band stellt und vieles enthüllt, kann man dennoch keine Vorhersagen über die zukünftige Handlung machen, was sich langsam zu seinem Markenzeichen zu entwickeln scheint. Das ist neben den ausgefeilten Charakteren seine große Stärke.

_Fazit:_ Die Handlung wird immer komplexer, man erhält neues Wissen und so wesentlich mehr Durchblick über das große Ganze als im ersten Band, dennoch bleibt sie unvorhersehbar – Respekt! Auch die Charaktere entwickeln sich in sehr positiver Weise weiter. Abgesehen von der zickigen Ferro, mit der ich nie so richtig warm werde, zeigt sich das besonders bei Glokta und Luthar. Insbesondere bei Glokta könnte ich mir eine Abwendung von Erzlektor Sult im letzten Band vorstellen, während Luthar ordentlich seine Hofschranzen-Attitüden ausgetrieben worden sind. Aber auch der mittlerweile zum Oberst beförderte West hat beträchtlich an Profil und Charakter gewonnen und wird zu einer zentralen Figur im Kampf gegen Bethod. Bis auf das schmerzliche Fehlen einer Karte habe ich an „Feuerklingen“ nichts auszusetzen; wer im ersten Band eine klare Linie vermisste, wird jetzt nicht mehr ganz so arg im Dunkeln gelassen, ohne dass Abercrombie vorhersehbar würde, was mir sehr gut gefällt.

In seinem Blogeintrag vom 12. September schreibt Joe Abercrombie übrigens über „Feuerklingen“ und gibt ein paar interessante Gedanken zur deutschen Fassung und Fantasy im Allgemeinen zum besten: |“The slightly-abstract-titles-derived-from-quotes approach evidently doesn’t work for our cousins across the channel. (…) The Germans have gone stripped-down and ready for battle with Kriegsklingen, Feuerklingen, and I don’t know what they’re planning to call Last Argument of Kings, but I bet it’s got Klingen on the end of it. Not enormously closely related to the content, but looking at titles and covers of current German fantasy series, there does seem to be a trend over there for these simple, punchy, repetitive series titles and these dark, graphicy covers. A linguistic thing? A cultural thing? Who knows, but one can only assume that the publishers know their own markets, and brand their products accordingly …“|

|Originaltitel: Before they are hanged
Übersetzt von Kirsten Borchardt
Mit Illustrationen von Dominic Harman
Paperback, 800 Seiten, 13,5 x 20,6 cm|
http://www.heyne.de/

Homepage und Blog des Autors:

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Petersen, Anders / Petersen, Christian – Mag-Blast (3. Edition)

_Krawumm und Peng_

Schluss mit jeglicher Diplomatie, zur Hölle mit dem Pazifismus: Jetzt wird erst einmal richtig geballert. In „Mag-Blast“ beginnt das interstellare Wettrüsten auf Punkt und Komma und präsentiert die Science-Fiction auf spielerische Weise von ihrer actionreichsten Seite. Die Galaxis wird zum Beben gebracht, wenn die verschiedensten Kampfflotten aufeinandertreffen und die unterschiedlichen Rassen zum letzten Gefecht rufen. Doch nur derjenige, der zur rechten Zeit auch die passenden Waffen und Verteidigungsmechanismen parat hat, wird sich in diesem packenden Szenario behaupten können. Also, Flanken gesichert, Munition entschärft und rein in ein etwas anderes Sternenabenteuer – rein in den leicht durchgeknallten Kosmos von „Mag-Blast“.

_Die Spielidee_

In „Mag-Blast“ übernehmen die Spieler das Kommando über eine Raumschiffflotte und steuern geraden Kurs zur Eroberung des gesamten Universums. Jeder Kapitän besitzt zunächst ein Kommandoschiff sowie vier Flottenschiffe, die den Leitposten des Kapitäns schützen und vor Angriffen sichern. Nach und nach gelangt man nun an Blasterwaffen, Abwehrschilde und zusätzliche Kampfgeschwader, um die Flotte der Gegner kontinuierlich zu dezimieren. Doch währenddessen muss man ganz besonders darauf achten, nicht selber in Reichweite der feindlichen Laser zu kommen. Ist nämlich erst einmal eine Flanke offen und das Kommandoschiff den Angriffen der Konkurrenz ausgeliefert, dann ist meist das Ende nahe. In dem Moment nämlich, in dem das eigene Kommandoschiff abgeschossen wird, ist die übrige Flotte kopflos und verloren. Letztendlich kann also nur einer überleben – und der hat schließlich auch das Spiel gewonnen.

_Spielmaterial_

• 1 Spielregel
• 10 Kommandoschiff-Karten
• 54 Flottenschiff-Karten
• 101 Aktionskarten

Das Spielmaterial wurde von niemand Geringerem wie John Kovalic illustriert, was als Qualitätsmerkmal für die grafische Umsetzung ja schon mal so einiger erhoffen lässt. Und in der Tat hat der Stammzeichner der „Munchkin“- und „Chez Geek“-Reihen dem Spiel seinen ganz eigenen Stempel aufgedrückt und dafür gesorgt, dass der interstellare Schlagabtausch auch mit dem nötigen Humor ausgestattet wird. Die Zeichnungen sind zwar nicht so überdreht wie in den meisten seiner übrigen Arbeiten, jedoch hat der Mann einen Stil, Figuren und (in diesem Fall) Maschinen zu zeichnen, der auf einer gewissen Ebene einfach nur komisch und lustig ist – und das kommt auch diesem Titel unheimlich zugute. Darauf aufbauend ist das Spielmaterial auch sehr überzeugend; die Karten sind allesamt übersichtlich aufgebaut, die Texte gut verständlich und die Grafik schön eigenwillig. Mit anderen Worten: Hier ist definitiv alles im Lot!

_Die Karten_

Bei „Mag-Blast“ unterscheidet man zwischen drei unterschiedlichen Kartentypen. Die wichtigsten Karten sind dabei zunächst die Kommandoschiffe, insgesamt zehn an der Zahl. Auf ihnen ist eine spezielle Hüllenstärke vermerkt, die angibt, ab wie vielen Trefferpunkten sie zerstört sind, und somit auch, wann das Spiel endet. Des Weiteren ist sie in vier unterschiedliche Zonen untergliedert, die in alle Himmelsrichtungen ausgerichtet sind. In diese Zonen werden später die Flottenschiffe positioniert, um das Kommandoschiff zu schützen. Hinzu kommt schließlich mit der Kommandofähigkeit eine ganz besondere Eigenschaft, die das Volk, das der Spieler in einer Partie anführt, in einem Text aufführt. Die Struktur der Flottenschiffe ist ganz ähnlich. Auch sie haben nur eine begrenzte Hüllenstärke, werden aber auch offensiv eingesetzt, um sich in den Schlachten zur Wehr setzen zu können. Je nach Schiffstyp können sie bestimmte Geschütze einsetzen, deren Typen wiederum auf der Karte individuell farblich markiert sind. Bestenfalls verfügt ein Flottenschiff über alle drei Geschützarten und kann somit universell eingesetzt werden. Bleibt noch die Geschwindigkeit, die später in der Manövrierphase entscheidend und hier ebenfalls aufgelistet ist.

Für den aktiven Teil des Spiels werden schließlich die Aktionskarten verwendet. Hierunter befinden sich vor allem die Blasts, mit denen man die Angriffe kontrolliert, sowie verschiedene Spezialkarten, die sowohl zum Angriff als auch zur Verteidigung eingesetzt werden können. Teilweise sind diese Karten mit Ressourcen-Icons ausgestattet, mit denen man später neue Schiffe erwerben kann. Jedoch ist dieser Stapel recht bunt zusammengestellt, sodass man noch auf die eine oder andere Überraschung stoßen wird …

_Spielvorbereitung_

Vor dem Kampf werden zunächst einmal an alle Spieler Kommandoschiffe ausgeteilt. Dies geschieht jedoch per Zufall. Ebenso erhält jeder Spieler sechs Flottenschiffe ausgehändigt, von denen er schließlich vier behalten darf, um sie in die Zonen um das Kommandoschiff abzulegen. Als Letztes werden pro Spieler fünf Aktionskarten ausgehändigt. Sobald man die Karten angeordnet hat, kann das Spiel nun beginnen.

_Spielablauf_

„Mag-Blast“ ist in insgesamt fünf verschiedene Spielphasen unterteilt, die in chronologischer Reihenfolge gespielt werden. Der Ablauf gestaltet sich wie folgt:

|1.) Abwerfen|

Ausgenommen die erste Runde, darf man in dieser Phase Aktionskarten von der Hand abwerfen, die man nicht zwingend benötigt. Dies ist insofern hilfreich, als man bereits in der nächsten Phase die Kartenhand wieder neu auffüllen kann, dies jedoch nur, wenn man weniger als fünf Karten besitzt.

|2.) Nachziehen|

Sofern man weniger als fünf Aktionskarten besitzt, hat man nun die Gelegenheit, neue Karten hinzuzuziehen. Es gibt jedoch kein Kartenlimit in „Mag-Blast“, so dass man dank einiger Spezialkarten auch gut und gerne zehn Karten besitzen kann. Diese Nachzieh-Phase ist jedoch lediglich so ausgerichtet, dass man bei geringer Kartenmenge wieder auf fünf aufstocken kann.

|3.) Schiffe bauen|

Keine Flotte kann ohne permanente Verstärkung bestehen, selbst wenn sie noch so mächtig bewaffnet und ausgestattet ist. Neue Flottenschiffe sind also dringend nötig, um die Flanken zu sichern und Verluste zu kompensieren. Wer nun Aktionskarten mit den Ressourcen-Icons besitzt – entweder drei von einer Sorte oder von jeder der drei Sorten jeweils eine – darf diese nun ablegen und dafür ein neues Flottenschiff vom Stapel ziehen. Nun hat man die freie Wahl, in welche Zone man das Schiff ablegt, wobei sowohl die Schwächen der Gegner als auch die eigenen in jeder Zone individuell betrachtet werden müssen. Weiterhin sollte man die Manövrierunfähigkeit manch großer Schiffe beachten – sind sie einmal in einer bestimmten Zone abgelegt, bleiben sie dort bis zum Ende des Spiels oder bis zu ihrer Zerstörung. Auch wenn es in dieser Phase manchmal schmerzt, wertvolle Aktionskarten zu opfern, ist es zwingend notwendig, jede Möglichkeit des Schiffbaus zu nutzen. Entsteht nämlich durch den Verlust eines Schiffes eine Lücke, die nicht ausgeglichen wird, ist das Kommandoschiff bereits zum Abschuss freigegeben.

|4.) Manövrieren|

In der vorletzten Phase einer Runde kann man nun alle Schiffe entsprechend ihrer Geschwindigkeit von Zone zu Zone bewegen. Das Tempo entspricht dabei der Reichweite, die man beim Springen zwischen den Zonen zurücklegen darf. Manche Schiffe können sich allerdings nicht bewegen, wie zum Beispiel die Trägerschiffe, die dafür jedoch andere Vorzüge genießen. Man sollte sich bei der Bewegung der Schiffe auf jeden Fall darauf konzentrieren, die Zonen gleichmäßig zu besetzen, um allen gegnerischen Angriffen mit gleicher Stärke trotzen zu können.

|5.) Angreifen|

Dies ist wohl die entscheidende und wichtigste Phase in einer Spielrunde. Nun darf man die Blasts einsetzen und die Konkurrenz mit effizienten Schlägen mächtig schwächen oder sogar gänzlich eliminieren. Man spielt nun einzeln Aktionskarten in beliebiger Reihenfolge und Häufigkeit und versucht natürlich, eine gegnerische Zone komplett aufzuräumen. Hierzu legt man den oder die Blasts auf ein feindliches Flottenschiff; sollte der Besitzer dieses Schiffes keine Verteidigungskarten entgegensetzen können, ist das Schiff um die Stärke des Blasts beschädigt. Um dies zu markieren, wird der Blast unter das Schiff gelegt, bis weitere Blasts folgen und es ganz zerstört ist. Einen konzentrierten Angriff kann man allerdings nicht starten, da jedes Schiff nur einmal angreifen kann. Wenn allerdings mehrere Schiffe in der eigenen Zone sind, kann man auch das Dauerfeuer auf ein und dasselbe Flottenschiff eines anderen Spielers starten.

Fast noch effektiver als die Blasts ist der Angriff eines Geschwaders. Dieser ist aber auch nur durchführbar, wenn ein Trägerschiff als Basis verfügbar ist. Von hier aus entsendet man nun Bomber oder Jäger und landet dabei beim Gegner richtig satte Treffer. Das weitere Procedere gleicht indes dem Angriff mit dem Laser.

Eine letzte, jedoch auch schwierig durchzuführende Angriffstaktik ist der Schlag durch eine Kartenkette, die einen direkten Treffer auslöst. Hierzu spielt man zunächst einen Blast und wartet auf die Reaktion des Gegners. Kann er nicht kontern oder verteidigen, setzt man mit einer weiteren Karte einen direkten Treffer. Bleibt auch dieser unerwidert, legt man eine Karte ‚Wirkung Direkter Treffer‘ ab und erhält nun seine Belohnung. Dies kann unter anderem die komplette Zerstörung eines gegnerischen Schiffes bedeuten oder aber im günstigsten Fall sogar die Eroberung.
Nach der Angriffsphase endet der Zug und der Spieler zur Linken führt die Partie fort.

_Spielende_

Reihum wird nun mit Lasern geschossen, geböllert und taktiert, bis die vorletzte Flotte gefallen ist. Sobald alle Kommandoschiffe bis auf eines zerstört sind, ist der Besitzer des standhaften, letzten Schiffes der Sieger des Spiels.

_Persönlicher Eindruck_

Im Laufe der vergangenen Wochen habe ich ganz unterschiedliche Erfahrungen mit „Mag-Blast“ gemacht, die jedoch alle auf einen Konsens hinausliefen: Dieses Spiel ist genial! Dabei bedurfte es aber besonders in der ersten Partie ein wenig Geduld. Stand auf dem Karton eine Dauer von zehn bis zwanzig Minuten pro Runde angegeben, so wunderte ich mich, als das erste Duell zu zweit nach zwei Stunden immer noch kein Ende fand. Dies war letztendlich aber eher die Ausnahme und im Kennenlernen der Karten sowie der wirklich seltenen Ausgeglichenheit zweier Flotten begründet. Außerdem muss aber auch gesagt werden, dass „Mag-Blast“ erst so richtig seinen Reiz entfaltet, wenn vier oder mehr Leute am Spiel beteiligt sind. Erst dann entwickelt sich ein richtiger Schlagabtausch, infolge dessen es auch zu einigen echt fiesen Scharmützeln kommt. So ist sich anfangs niemand seiner Haut sicher; keiner will direkt einstimmen, wenn ein anderer Spieler in die Enge getrieben wird, weil er fürchten muss, alsbald den entsprechenden Gegenschlag zu kassieren. Allerdings hat man bei einer festen Teambildung seitens der Gegner oft auch gar keine Chance, da sich eine zusammengerottete Vereinigung mit drei, vier gezielten Angriffen sofort ans Kommandoschiff heranarbeiten und dort verheerenden Schaden auslösen kann. Und somit gilt es abzuwägen, welche Strategie man verfolgt, ob man besser neutral bleibt oder sich an den konzentrierten Angriffen beteiligt, um vorerst selber nicht in die Bredouille zu geraten – sofern man überhaupt die Wahl hat. Schlussendlich ist nämlich alles möglich; blitzschnell endet man aus der voreiligen Offensive in der Opferrolle und sieht sich einer Vielzahl angriffswütiger Gegner gegenüber, der man im Normalfall nicht viel entgegenzusetzen hat.

Hierin könnte man aber auch eine Schwäche von „Mag-Blast“ outen. Es könnte beispielsweise passieren, dass man ohne sein eigenes Zutun von allen Seiten bombardiert wird und aus eigener Kraft gar nicht mehr gerettet werden kann. In diesem Fall helfen keine Strategien und Finten mehr, weil man derart vernichtend getroffen wurde, dass eine baldige Rehabilitation ausgeschlossen ist. Aber es folgt sicherlich die nächste Runde, in der man Rache üben kann …

Insgesamt jedoch wirkt sich dieser geringfügige Makel jedoch kaum auf den Spielspaß aus, zumal das Spiel bei jeglicher Spielerzahl auf einen temporeichen Verlauf ausgelegt ist. „Mag-Blast“ ist enorm schnell, kann dabei ziemlich böse sein, macht aber selbst nach unzähligen verlorenen Partien immer noch so viel Spaß wie beim ersten Mal. Unterlegt wird dies durch die sympathische grafische Ausarbeitung von Master Kovalic, der hier zwar nicht seine beste Arbeit abgeliefert, aber dennoch seinen Beitrag an einer stimmigen Konzipierung geleistet hat. Ergo also eine runde Sache, die vor allem für diejenigen lukrativ ist, die auf den Katalog von |Pegasus| schwören. Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, dass „Mag-Blast“ von „Munchkin“- und „Chez Geek“-Verfechtern trotz des eigenständigen Spielprinzips freudig aufgenommen wird. Und dies anhand der erstklassigen Umsetzung auch völlig zu Recht!

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Groening, Matt (Herausgeber) – Lisa-Buch, Das

Intelligent, pfiffig und neunmalklug – das ist Lisa Simpson, eine der wenigen Figuren der berüchtigten TV-Serie, der man begründeten Vorbildcharakter nachsagen kann. Während ihr unverbesserlicher Bruder dazu verdammt ist, das Erbe seines beschränkten Erzeugers Homer anzutreten, hat Lisa den Geist ihrer Muter Marge geerbt und steht in allen Lebenslagen für das Gute im Mensch. Im Rahmen der neuen Buchserie „Die Simpsons-Bibliothek der Weisheiten“ hat man der achtjährigen, aufgeweckten Protagonisten unlängst auch ein eigenes Album gegönnt, in dem ihr Leben nicht nur aus der analytischen Perspektive betrachtet wird, sondern welches auch die schrille Realität in ihrem Umfeld umfassend beleuchtet.

„Das Lisa-Buch“ ist unterdessen in vierzig grundverschiedene Kapitel unterteilt, in denen einige mehr oder minder aussagekräftige respektive ernsthafte Artikel über das junge Mädchen verfasst wurden. Man erfährt mehr über Lisas cineastische Vorlieben (zum Beispiel ‚Die Telly-Savalas-Babys‘), erhält Aufschluss über die Funktionalität ihres Gehirns, bekommt mehrere Beweise für ihr übersteigertes Verantwortungsgefühl und erkennt im Laufe dessen all die wesentlichen und markanten Unterschiede, die Lisa zum wohl außergewöhnlichsten Charakter der gesamten Familie machen.

Des Weiteren liefert das Album einen repräsentativen Überblick über die wichtigsten persönlichen Verbindungen und Beziehungen, die Lisa im Laufe von nunmehr fast 20 Staffeln durchlaufen hat. Darin inbegriffen sind natürlich ihr gespaltenes Verhältnis zu ihrem Bruder Bart, die zweckmäßige Freundschaft zwischen ihr und Milhouse und natürlich die Zugehörigkeit zur Intelligenzia in Schule und Stadt. Überdies kommen auch ganz besondere Figuren aus Lisas Leben wieder zum Vorschein, wie zum Beispiel der Saxophonist Zahnfleischbluter Murphy, Mr. Hollis Hurlbut, der Kurator der Springfielder Historiengesellschaft, oder aber Stacy Lowell, die im Herzen aller Mädchen Springfields einen Stein im Brett hat, nachdem sie einst die Spielzeugpuppe Malibu Stacy erfunden hatte. In einzelnen Steckbriefen erfährt man Näheres über Vorlieben und Besonderheiten dieser Persönlichkeiten, wird dabei aber teilweise überrascht. Dass zum Beispiel der unsanfte Tunichtgut Nelson Muntz ebenfalls in den erlesenen Favoritenkreis in Lisas etwas anderem Tagebuch gewählt wurde, war jedenfalls nicht zu vermuten.

Insgesamt wird dem Fan der gelben Familie in diesem kleinformatigen Büchlein also eine ganze Menge geboten, dies aber natürlich nicht, ohne dabei den Witz und Humor der schrägen TV-Reihe aufkommen zu lassen. So nimmt man den familieneigenen Moralapostel immer mal wieder gerne auf den Arm und kreiert im Laufe der einzelnen Episode ein herrlich selbstironisches Sammelwerk über die durch und durch vernünftige Namensgeberin. Natürlich wird in diesem Sinne auch auf sämtlichen Klischees herumgeritten, was sich bei einer Figur wie Lisa ja auch in allen Belangen anbietet. Sei es nun im Hinblick auf ihr uneigennütziges, meist auch übertriebenes Handeln im Namen der Gerechtigkeit oder bezogen auf ihr unermüdliches Pflichtbewusstsein zur Wahrung moralischer Grundsätze: Diese Comic-Figur bietet eine ganze Menge Angriffsfläche, auf deren Basis sich eine entsprechende humorvolle Analyse geradezu anbietet.

Die Umsetzung dessen in „Das Lisa-Buch“ ist zwar bisweilen fast schon albern, zumeist jedoch recht gut und zufriedenstellend gelungen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass sich dieses kleine Album wohl eher an das jüngere Publikum richtet. Zwar beherbergen die 100 Seiten so manches Mal einen versteckten, hintergründig recht anspruchsvollen Witz, doch alles in allem überwiegen hier die Anteile, die vermehrt die Teenie-Sparte unter den Simpsons-Fans ansprechen. Doch eben jene, ganz speziell unter der Voraussetzung, dass sie Lisa in ihr Herz geschlossen hat, sollte sich dieses kleine Schmankerl als Beitrag zur kaum abreißenden Simpsons-Manie nicht entgehen lassen.

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Thiesler, Sabine – Kindersammler, Der

Der zehnjährige Felix macht mit seinen Eltern Anne und Harald Urlaub in der Toskana. Eines Abends kommt er nicht vom Spielen nach Hause. Die Suche der Polizei bleibt ohne jede Spur und seine verzweifelten Eltern kehren alleine nach Deutschland zurück. Während sich Harald auf eine Affäre einlässt und sich ein neues Kind wünscht, gibt Anne über all die Jahre hinweg die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrem Sohn nicht auf.

Niemand ahnt, dass der Mörder zuvor bereits in Deutschland aktiv war. Wie in Italien verschwand dort regelmäßig alle drei Jahre ein kleiner Junge, doch da hier die missbrauchten Leichen gefunden wurden, zieht kein Ermittler eine Parallele. Erst zehn Jahre später, als wieder ein Junge in Deutschland ermordet wird, erkennt die Kommissarin Mareike die Zusammenhänge mit der Toskana. Seit zwanzig Jahren hofft sie auf eine heiße Spur, da der Fall ihr keine Ruhe lässt. Um ihren Verdacht zu prüfen, reist sie mit ihrer Lebensgefährtin und den adoptierten Kindern nach Italien.

Zur gleichen Zeit beschließt auch Anne, wieder in die Toscana zu fahren, um dort nach einer Antwort auf Felix‘ Verschwinden zu suchen. Gegen den Willen ihres Mannes kauft sie spontan ein malerisches, abgelegenes Anwesen, beginnt eine Romanze mit dem ausgewanderten Makler Kai und forscht weiter nach ihrem Sohn – und kommt dabei dem Täter, ohne es zu wissen, gefährlich nahe …

Thrillern über Kindermörder gelingt es besonders leicht, Aufmerksamkeit zu erregen, selten aber so intensiv wie in diesem Fall.

|Ausgefeilte Charaktere|

Ein großes Verdienst des Romans liegt in den gelungenen Charakteren. Neben dem Täter steht dabei vor allem Anne im Vordergrund, die auch nach zehn Jahren die Hoffnung nicht aufgegeben hat, eine Spur ihres verschwundenen Sohnes zu finden. Man bekommt Einblicke gewährt in das zerrüttete Leben einer Frau, die sich von ihrem Mann entfernt und ihn beim Seitensprung mit der besten Freundin erwischt und die sich schließlich selber auf die Suche nach ihrem Kind macht, auch wenn sie dafür in ein anderes Land fahren muss. Eine interessante Nebenfigur ist Allora, eine scheinbar alterlose Frau, die als Dorfmaskottchen gilt und außer ihrem erklärten Lieblingswort „Allora“, das ihr schließlich ihren Namen einbrachte, keinen Ton spricht. Die temperamentvolle Kindfrau schwebt zwischen Hysterie und Ergebenheit und ist, was lange Zeit niemand ahnt, eine wichtige Zeugin, was die verschwundenen Jungen in der Toskana angeht.

Im Gegensatz zu Anne werden die Familiengeschichten der anderen Opfer nur kurz angerissen, dennoch gelingt es der Autorin überzeugend, das Leid dieser Menschen greifbar zu machen. Vor allem der Beginn, der schildert, wie der kleine Benjamin in die Hände von Mörder Alfred fällt, ist so grausam realistisch gestaltet, dass selbst abgehärteten Thrillerlesern das Schlucken schwerfällt. Man bekommt schmerzhaft vor Augen geführt, wie man selbst aufgeklärte Kinder, die von ihren Eltern vor fremden Erwachsenen gewarnt wurden, dazu überreden kann, mit ihnen zu gehen. Gerade dadurch, dass das Martyrium des Jungen nicht bis zum Schluss ausgeführt wird, malt sich der Leser die grauenvollen Details automatisch selber aus.

|Spannung trotz bekanntem Täter|

Im Gegensatz zu den anderen Figuren ist der Leser von Beginn an darüber informiert, wer der Mörder der Kinder ist. Abwechselnd beschäftigt sich die Handlung mit seinem Leben und mit dem der anderen Seite, die aus den Familien der Opfer und den Ermittlern besteht. In Rückblicken erfährt man viele Details über Kindheit und Jugend des Mörders Alfred, welche fixen Ideen seinen Taten zugrunde liegen und erhält das Psychogramm eines Menschen, der glücklicherweise nicht nur aus Klischees besteht, was bei solchen Thrillern naheliegt. Trotzdem bleibt der Roman hochspannend, da man bis zum Schluss im Ungewissen bleibt, ob Anne oder die Ermittler den Mörder identifizieren, ob es noch weitere Opfer geben wird und was mit ihm selber geschieht.

Letztlich fragt man sich auch, welche Richtung Annes Leben nehmen wird, unabhängig von der Frage, ob sie das Verschwinden von Felix aufklärt. Denn obwohl sie sich ein Haus in der Toskana kauft und sich auf eine Affäre mit dem Makler Kai einlässt, hält sie den Kontakt zu ihrem Mann, der darauf baut, dass sie nach ein paar Monaten zurück nach Deutschland kehrt und sie schließlich auch besuchen kommt. Da selbst Anne lange Zeit nicht weiß, ob sie ihre Zukunft in Italien oder in Deutschland verbringen wird, ist der Leser erst recht ungewiss darüber, wie sich ihr Leben entwickelt. Der Roman bezieht seine Spannung nicht nur aus einer Mörderjagd, sondern auch aus der Konstellation eines Familiendramas heraus, das unter der Oberfläche sogar dominanter herrscht als der Thrillerfaktor.

|Einige Schwächen|

Dennoch ist der Roman nicht uneingeschränkt gelungen. Einmal kommt der Handlungsstrang um die Ermittlerin Mareike deutlich zu kurz. Mareike ist nicht nur Kommissarin, sondern gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Bettina und den beiden adoptierten Kindern eine interessante Figur, die später noch eine wichtige Rolle in der Handlung einnimmt. Während man bei ihrem ersten Auftauchen noch suggeriert bekommt, dass ihr Handlungsstrang nun regelmäßig zugeschalten wird, verschwindet Mareike lange Zeit in der Versenkung, weil sich alles Geschehen auf Anne und ihr Leben in der Toscana konzentriert. Vor allem in Anbetracht der Bedeutsamkeit, die Mareike und ihrer Familie am Ende zukommt, ist diese Gewichtung zu ungleichmäßig ausgefallen. Ein weiterer Punkt sind die etwas überstrapazierten Zufälle, die Anne den Weg zum Mörder weisen. Nicht nur die Augenzeugin Allora gehört dazu, sondern vor allem die zufällige Bekanntschaft, die Anne mit Alfred schließt. Dabei hätte man diesen Punkt umgehen können, indem man Hinweise auslegt, die Anne gezwungenermaßen in seine Nähe bringen, anstatt bloße Willkür anzuführen. Letzter wichtiger Punkt ist der Epilog, der sehr einfallslos und gezwungen wirkt. Im Schnellverlauf werden hier die Ereignisse von einigen Monaten durchgespult und der Schluss, der wohl überraschend sein soll, ist mehr aufgesetzt als alles andere. Das ist schade, da der gute Eindruck des Buches unter diesem zu sehr gewollten Finale leidet.

_Als Fazit_ bleibt ein bewegender Roman, der Thriller und Familiendrama gekonnt miteinander verbindet und nicht nur Lesern mit eigenen Kindern einen ob seiner Intensität schwer verdaulichen Lesestoff bietet. Das solide Psychogramm des Täters, die Spannung und die Charaktere überzeugen; allerdings schwächen ein paar konstruierte Zufälle und vor allem der Epilog den ansonsten sehr guten Gesamteindruck etwas ab. Dennoch insgesamt ein empfehlenswertes Buch, das noch einige Zeit nachwirkt.

_Die Autorin_ Sabine Thiesler studierte Germanistik und Theaterwisenschaften und arbeitete als Bühnenschauspielerin, ehe sie Schriftstellerin wurde. Neben „Der Kindersammler“ verfasste sie auch einige Theaterstücke und schrieb Drehbücher für Fernsehserien wie „Tatort“ und „Polizeiruf 110“. Im November erscheint ihr nächster Thriller „Hexenkind“.

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anonym – Till Eulenspiegel (Europa-Originale 37)

_Besetzung_

Till – Sven H. Mahler
Sein Pate – Herbert A.E. Böhme
1. Dieb – Rudolf Ferner
2. Dieb – Rudolf Oeser
Tills Mutter – Heike Kintzel
Bäckergeselle – Herman Lenschau
Schneidergeselle – Eggert Jlgner
Pfarrer – Hans Meinhardt
Bäckermeister – Herbert A.E. Böhme
Wirt – Jürgen Hering-Lunau
Ausrufer – Hans Meinhardt
Schneidermeister – Benno Gellenbeck
König Kasimir – Hermann Lenschau
Koch – Hans Meinhardt
Herzog – Jürgen Hering-Lunau

Regie: Claudius Brac

_Story_

Till Eulenspiegel hatte als Jugendlicher stets den Schalk im Nacken. Er überlistete einige Bienendiebe, die ihn unwissend entführen wollten, tanzt über der Saale auf einem Seil und erleichtert einen wohlhabenden Bürger wortgewandt um ein ganzes Säcklein Taler. Doch nicht überall waren seine Streiche gerne gesehen. Als er in Berlin einen Schneidermeister um seinen Brotlaib betrog, war dieser eben so erbost wie die Menge in Braunschweig, die Till beim Sturz vom Rathaus zusehen wollte. Aber immer wieder entkommt der junge Eulenspiegel mit einem blauen Auge, entwischt Scharfrichter und Galgen und schafft es sogar, dem König Kasimir einen Kranichschenkel abzuluchsen. Denn immer derjenige, der zuletzt lacht, lacht am besten – und dies war in all seinen lustigen Abenteuern stets Till Eulenspiegel.

_Persönlicher Eindruck_

Till Eulenspiegel gehörte in meiner frühen Kindheit zu meinen absoluten Helden. Ich erinnere mich noch an mein erstes Märchenbuch, welches für jeden Tag eine Gute-Nacht-Geschichte bereithielt, die ausgerechnet den bunten Schelm zur Zeit meines Geburtstags wählte. Und selbst zur Faschingszeit, eigentlich das Hochfest des geliebten Narren, kleidete ich mich traditionell in ein grün-rotes Gewand, um meine Identifikation mit dem listigen Halunken auszudrücken.

Dementsprechend freudig habe ich nun die Neuauflage des Hörspielklassikers um die berüchtigte Fabelfigur in Empfang genommen und mich einmal mehr an den schönen Streichen des Eulenspiegels ergötzt. Die 37. Folge der |Europa|-Originale enthält dabei zwar nicht alle bekannten Geschichten, die die Sagenfigur im Laufe ihrer literarischen Karriere durchstreift hat, bietet aber einen wirklich repräsentativen Überblick über die Gaunereien und Listen, mit denen Eulenspiegel noch jedes Mal sein Publikum begeisterte. Darunter fallen auch die Betrügereien im Pfarrhaus zu Buddenstedt, als Till den Geistlichen um seinen Lohn bringt, oder die Intrige gegen die beiden Bienendiebe, die Till gegeneinander aufbringt, um sich selber aus dem Versteck des Bienenstocks zu befreien.

Ähnlich wie bei der Hörspiel-Fassung zu den Abenteuern von Sindbad dem Seefahrer werden auch hier kurz und bündig wesentliche Kapitel des Titelhelden wiedergegeben, dies jedoch gottlob ohne jegliche Hektik und Unruhe. Sven H. Mahler, der in der Rolle des Eulenspiegels unter anderem auch die Erzählerposition bekleidet, führt die Hörerschaft vorzüglich durch die Possensammlung und verbreitet auf unterhaltsamste Art und Weise den steten Witz, der den Protagonisten umgibt. Zwar bemüht er dabei häufig die immergleichen Ausdrücke, wenn es darum geht, die wütenden Reaktionen von Eulenspiegels Kontrahenten darzustellen, doch andererseits sind diese Running Gags mit wachsender Spieldauer zunehmend köstlicher und entwickeln sich zum markantesten Punkt der ganzen Handlung. Wie oft hört man nicht Schmähungen wie „Du elender Halunke, Possenreißer, Spitzbube, etc.“ – und stets rufen sie ein breites Grinsen auf den Lippen des Zuhörers hervor.

Innerhalb der sympathischen Dreiviertelstunde wird man schließlich genügend Gelegenheit zum Lachen bekommen, weil dieser Knabe wirklich einiges auf dem Kerbholz hat. Alleine deswegen hat „Till Eulenspiegel“ auch schon den Status des bislang witzigsten Hörspiels dieser nunmehr schon 50 Titel umfassenden Sammlung inne. Und genau darum sollte „Till Eulenspiegel“ auch als eines der wichtigsten Hörspiele der diesjährigen Saison auf dem Einkaufszettel stehen. Denn wenn eines feststeht, dann, dass diese kauzige Sagenfigur über all die Jahrzehnte keinen Deut ihrer umwerfenden Ausstrahlung verloren hat – weder in der literarischen Geschichtensammlung noch in diesem Hörspiel!

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Rottensteiner, Franz (Hg.) – Quarber Merkur 103 / 104

_Inhalt_

Simon Spiegel
|Der Begriff der Verfremdung in der Science-Fiction-Theorie. Ein Klärungsversuch|
Thomas Ballhausen
|Cyberpunk im Dienst der Metafiktion. Liesl Ujvarys „Kontrollierte Spiele“ und die poetologischen Prinzipien der reflexiven Prosa|
Thomas Harbach
|Carl Grunert: Von bösen Außerirdischen und wahrer Liebe|
Christian Stiegler
|Zwischen Unschuld und Bedrohung. Die Rolle des Kindes in den Werken von Stephen King|
Oleg Schestopalow
|Verantwortung und Wahl|
Matthias Schwartz
|Dr. Liveseys fantastische Diagnosen. Zum ‚Wachen‘-Zyklus von Sergej Lukianenko|
Christian Schobeß
|“SAIÄNS-FIKTSCHEN“: Franz Fühmanns Konzept von Science Fiction|
M. K. Hageböck
|Tolkien Reloaded. Tonkonserven erzählen die Geschichte von Mittelerde|
Marianne Gruber
|Wildganspreis für Barbara Neuwirth am 29.6.2006|
Karin Pircher
|“Ein Bürger zweier Welten“. Wiederkehrende Motive in den Romanen Gustav Meyrinks. Teil I: Gustav Meyrink – Leben und Werk|

|Rezensionen von Franz Rottensteiner, Frank Rainer Scheck, Thomas Harbach, Florian F. Marzin, Ulrich Spiegel, Horst Walter, Roland Innerhofer|

_Rezension_

Nachdem er mir namentlich natürlich schon länger ein Begriff war, war der |Quarber Merkur 103 / 104| die erste Ausgabe, die ich in Händen hielt – leider erst jetzt, muss ich nun sagen, denn „Dr. Franz Rottensteiners Literaturzeitschrift für Science Fiction und Phantastik“ ist wirklich erste Sahne, sowohl inhaltlich als auch optisch. Als prall gefülltes Paperback, im zweispaltigen Layout und mit zahlreichen Innengrafiken/Coverabbildungen versehen, macht es wirklich etwas her: Infotainment, informative Essays, aber ein reichhaltiger“Seziertisch“, sprich eine beachtliche Fülle von Rezensionen.

|Die Essays:|

Fast alle Autoren sind sich einig darüber, dass SF die von ihr dargestellten Dinge in irgendeiner Weise verfremdet. Darüber hinaus herrscht wenig Einigkeit; wie so oft bei scheinbar allseits akzeptierten Begriffen versteht jeder etwas anderes unter Verfremdung. Simon Spiegel versucht sich in seinem Artikel „Der Begriff der Verfremdung in der Science-Fiction-Theorie. Ein Klärungsversuch“ an eben diesem Problem.

Thomas Ballhausen hingegen befasst sich anhand des 2002 erschienen Romans „Kontrollierte Spiele“ der österreichischen Autorin & Künstlerin Liesl Ujvarys mit den poetologischen Prinzipien der reflexiven Prosa.

Obwohl sein phantastisches Werk mit insgesamt zweiunddreißig Kurzgeschichten und novellenartigen Storys und einigen wenigen satirischen Artikeln sehr klein ist, kann man Carl Grunert als Bindeglied zwischen den feinsinnigen Gedankenpyramiden eines Kurd Lasswitz und dem rein technischen, machtbetonten Ansatz eines Hans Dominik betrachten. Aus diesem Grund widmet sich der Artikel von Thomas Harbach dem Leben und Werk Carl Grunerts.

Der Einfluss, den Stephen King auf die gegenwärtige phantastische Literatur ausübt, kann nur schwer in Worte gefasst werden. Christian Stieglers Essay beschäftigt sich mit einem Thema, das bisher noch relativ ignoriert bzw. dem nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wurde: Kinder sind in Kings Texten immens wichtig und ihre Rolle ist sehr oft nicht nur handlungstragend, sondern auch psychologisch ausgefeilt. Christian Stiegler nimmt diesen Aspekt unter die Lupe.

Frank Fühmanns Vorbemerkungen bilden den Auftakt zu den Kurzgeschichten des Erzählbandes SAIÄNS-FIKTSCHEN. Darin erläutert er, was ihn dazu bewogen hat, dieses Genre in spielerisch-ironischer Art und Weise zu verwenden. Christian Schobeß erläutert „Franz Fühmanns Konzept von Science Fiction“.

Gustav Meyrink ( 1868-1932) war bereits zu seinen Lebzeiten eine umstrittene Persönlichkeit – er wurde entweder verehrt oder gehasst -, und ebenso widersprüchlich war die Einschätzung seiner Werke. Karin Pircher nimmt sich des Themas „Wiederkehrende Motive in den Romanen Gustav Meyrinks“ an …

… um nur einige der hochinteressanten Artikel aus dieser Ausgabe des Quarber Merkur zu nennen.

Darauf folgt der ebenso beeindruckende Rezensionsteil von knappen |hundert| Seiten!

|Die Aufmachung:|

In unserer virtuell bunten und somit unruhigen Zeit hebt sich für mich der Quarber Merkur in seiner Schwarzweiß-Optik wohltuend ruhig und auf das Wesentliche – den Text – beschränkt ab. Somit ist diese Literaturzeitschrift – auch durch das handliche Paperbackformat – eine der ansprechendsten und informativsten ihrer Art, die sich auch wundervoll im Buchregal aufbewahren lässt.

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Abercrombie, Joe – Kriegsklingen (The First Law 1)

Die |“The First Law“|-Trilogie:
Band 1: _Kriegsklingen_ (The Blade itself)
Band 2: [Feuerklingen 4199 (Before they are hanged)
Band 3: Königsklingen (Last Argument of Kings)

Fast hätte ich Joe Abercrombie in die Kategorie „noch ein britischer Fantasy-Jungautor“ eingeordnet. Denn der Klappentext von „Kriegsklingen“ klang so klischeehaft wie der Titel, der mit dem englischen „The Blade itself“, einem verkürzten Homer-Zitat („The Blade itself leads to violent action“), nur sehr wenig zu tun hat. Als ich dann die Auflistung „Ein Barbar. Ein Inquisitor. Ein Magier.“ auf den Buchrücken las, habe ich das Buch erst einmal zur Seite gelegt. Ein schwerer Fehler. Denn als ich es dann erst einmal in den Händen hatte, konnte ich mich kaum noch davon losreißen – und habe anschließend ungeduldig auf den mittlerweile erschienenen zweiten Band „Feuerklingen“ gewartet.

_Der Autor_

Joe Abercrombie wurde 1974 in Lancaster geboren und studierte Psychologie an der Universität Manchester. Dort zeigte er einen recht ausgeprägten Spieltrieb, er liebt Würfel- und Computerspiele. In dieser Zeit entstand auch die Figur des Barbaren Logen Neunfinger, die ihm jedoch selbst als etwas zu aufgeblasen erschien und schnell verworfen wurde. Schließlich zog Abercrombie nach London, um als Cutter in einem Post-Production-Studio zu arbeiten. Nach zwei Jahren verließ er das Studio und arbeitet seitdem freischaffend im selben Beruf. Im Jahr 2002, dank seiner freischaffenden Tätigkeit mit mehr Freiraum für andere Dinge, schrieb er erneut über die tragischen Abenteuer Logens. Im Jahr 2004 vollendete er „The Blade itself“, den ersten Band der „First Law“-Trilogie, die seit 2005 von |Gollancz| und seit kurzem von |Heyne| auch auf Deutsch verlegt wird. Der Erstling war zugleich sein Durchbruch und ein Erfolg auf der ganzen Linie: Die Serie wird bereits in acht Ländern in sieben verschiedenen Sprachen vertrieben.

_Eine Welt mit ungewöhnlich komplexen Beziehungsgeflechten_

Joe Abercrombie erzählt stets aus der Perspektive eines seiner zahlreichen ausgefeilten Hauptcharaktere, die zu Beginn getrennt voneinander an völlig verschiedenen Orten agieren. Dabei wechselt er jedoch nie in die Ich-Perspektive.

Dankenswerterweise beginnt die Geschichte recht einfach mit Logen Neunfinger, dem vermeintlich archetypischen Barbaren. Sein Stamm wurde gerade von den „Plattköpfe“ genannten Schanka, einer Art Orks, überrannt. Alleine und getrennt von seiner Jagdtruppe, die er für tot hält, kämpft Logen um sein Überleben. Im weiteren Verlauf der Handlung erfahren wir die Geschichte Logens, der sich als der „Blutige Neuner“ – einen Finger hat er bereits in der Schlacht verloren – einen Namen gemacht hat. Er diente auch unter Bethod, der sich selbst zum König des Nordens ausgerufen hat – ein Unding, denn so etwas gab es noch nie. Jeder Krieger oder Clan folgt nach alter Tradition einem von ihm selbst aufgrund seiner Fähigkeiten oder seines Rufes anerkannten Häuptling. Doch Bethod will mit seinen Mannen über den ganzen Norden herrschen, und er hat sein Auge auf die geschwächte Union im Süden gerichtet. Logen hat zudem noch ein Problem mit Bethod, mit dessen Söhnen er eine seiner zahlreichen Fehden führt.

Im Süden leidet die reiche von Adelsfamilien beherrschte Union unter ihrem schwachen König, der vor sich hin kränkelt und nur zwei leidlich geeignete Söhne hat. Die wahre Macht liegt bei der Inquisition, den Bluthunden des Königs. Diese hat das Recht, in der Art einer Staatspolizei jeden mutmaßlichen Feind des Königreichs unter der Folter zu befragen – und macht davon reichlich Gebrauch. In Sachen Religion hält sich Abercrombie bedeckt, sie ist unbedeutend und wird kaum thematisiert.

Großinquisitor Sand dan Glokta, ein verkrüppelter und von den Gurkhisen gefolterter ehemaliger Kriegsheld, ist der erfolgreichste Mann von Erzlektor Sult. Mit Gloktas Hilfe gelingt es ihm, die Macht der Tuchmachergilde zu brechen und der Inquisition noch mehr Macht im Inneren Rat zu verschaffen. Glokta sollte ein gebrochener Mann sein, er hat keine Zähne und keine Zehen mehr, humpelt und wird von Muskelkrämpfen gepeinigt. Doch sein zynischer Selbsthass macht ihn zu einem exzellenten Folterknecht, der seinem alten Leben als Liebling des Hofes und Kriegsheld nachtrauert. Die Gurkhisen haben ihn zu einem körperlichen Wrack gefoltert, und die wenigsten seiner alten Freunde wollen noch etwas mit ihm zu tun haben. Gemeinsam mit seinen Praktikalen (Schläger, Folterknechte und Diener in Personalunion) Frost und Severard klärt Glotka die vertracktesten Fälle, nur um festzustellen, das er von Erzlektor Sult für höchst eigennützige Ziele benutzt wird. Doch so schlau Glokta auch sein mag, er muss dieses perfide Spiel mitspielen – denn irgendwie hängt er trotzdem noch am Leben.

Der junge Adelige Jezal dan Luthar ist das, was Glokta einmal war: ein Frauenheld, Säufer, Zocker und Tunichtgut, der allerdings das Zeug zu einem begabten Degenfechter hat. Er soll wie einst Glokta das jährliche Fechtturnier gewinnen und wird deshalb von Marschall Burr zu einem harten Training verdonnert. Burr selbst hält abgesehen davon nicht viel von ihm, dafür aber umso mehr von seinem fechterisch nicht ganz so begabten, aber dafür vernünftigen und verantwortungsbewussten bürgerlichen Freund Collem West, der unter seinen Fittichen Karriere macht. Dessen hübsche Schwester Ardee verdreht Jezal gehörig den Kopf, für den es eine verstörende Erfahrung ist, dass eine Frau mit ihm spielt, und nicht umgekehrt. Doch die Affäre kommt West zu Gehör, und er verpasst Ardee eine ordentliche Maulschelle, während sich Jezal eingestehen muss, dass er Ardee trotz des in seinem bornierten Weltbild unüberbrückbaren gesellschaftlichen Unterschiedes liebt.

Die verschiedenen Charaktere treffen sich schließlich in der Hauptstadt der Union. Logen wurde von dem mächtigen Zauberer Bayaz, einem Schüler des mächtigen Juvens selbst, als Leibwächter angeworben. Doch niemand glaubt dies dem kahlköpfigen und ganz und gar nicht mächtig aussehenden Bayaz. Er muss erst mit einem misstrauischen Glokta und Luthar als Zeugen das seit Jahrhunderten magisch versiegelte Haus des Meisterschöpfers Kanedias öffnen, um sein Anrecht auf einen Sitz im Inneren Rat geltend zu machen.

Hier endet die Geschichte vorerst, und auch die Wege der Hauptpersonen trennen sich erneut. West wird mit Kronprinz Ladisla in den Norden geschickt, um der Bedrohung durch Bethod zu begegnen. Ardee bleibt zurück, während Luthar mit Bayaz, Logen und der auf Rache sinnenden Südländerin Ferro Maljinn in den Süden aufbricht, um einer vorerst von Bayaz diffus beschriebenen Bedrohung zu begegnen. In den Süden verschlägt es auch Glokta, der im Auftrag des Erzlektors die Stadt Dagoska gegen seine Erzfeinde, die Gurkhisen, verteidigen soll – angesichts der widrigen Umstände ein wahres Himmelfahrtskommando.

_Der Anfang einer unvorhersehbaren Geschichte_

Um was es eigentlich in dieser Trilogie geht, wird im ersten Band noch nicht ersichtlich. Vorerst baut Abercrombie seine faszinierenden Charaktere auf. Egal ob es Glokta, Logen oder Luthar sind – sie sind alle frisch und unverbraucht, man kann sie genauso wenig in Stereotypen pressen wie die Handlung. Diese entwickelt sich dynamisch, man weiß nie, wie es weitergeht. Das ist das herausragende Talent Abercrombies neben seiner Gabe, interessante und vielschichtige Charaktere zu schaffen. Seine Welt lebt, die Dinge entwickeln sich zeitgleich und man kann die Bedrohung nicht sofort im Sinne eines allwissenden Lesers identifizieren. Nur bruchstückhaftes Wissen erhält man appetitlich häppchenweise vorgesetzt, den Rest der Zeit verwendet Abercrombie auf seine Charaktere und die Kultur der Nordmänner, ihre Beziehungen untereinander und die Situation in der dekadenten Union, die zusätzlich von einem zwielichtigen Kaiser aus dem Süden bedroht wird – Khalul, wie Bayaz ein ehemaliger Schüler von Juvens. Dieser hat sich über einige Gesetze hinweggesetzt, die von Juvens und den anderen Söhnen des Euz propagiert wurden. Dazu gehören Gebote, kein Tor zu der „anderen“ Seite zu öffnen, dem Reich der Dämonen, oder kein Menschenfleisch zu verzehren. Leider ist jegliche Form der Magie letzen Endes ein Zugriff auf diese Mächte, was mitunter zu recht großzügiger Auslegung des ersten Gesetzes geführt hat …

Der von Kirsten Borchardt sehr gut übersetzte 796 Seiten dicke Schmöker ist somit keine abgeschlossene Geschichte, sondern der Anfang einer Trilogie. Trotz des martialischen Titels und des bei einem Folterknecht und Barbaren zu erwartenden Gemetzels machen blutige Schlachten und Folterszenen nur den geringsten Teil des Buchs aus; der Fokus liegt auf der Charakterisierung seiner Figuren, Abercrombie legt keinerlei Wert auf Splatter um des Splatters willen, wie in den oft nur aus aneinandergereihten Kampfeinlagen bestehenden |D&D|-Romanen der schlechteren Art – er spielt mehrere Klassen höher. Die Handlung geht so leider etwas unter, und mancher Leser mag sich deshalb etwas orientierungslos vorkommen, allerdings möchte ich keine Seite missen, auf der Abercrombie sein einzigartiges Talent zur Charakterisierung zeigt. Er bietet nicht nur abwechslungsreiche Geschichten einzelner Charaktere wie Logen, Luthar, Glokta oder Ferro, er verknüpft sie geschickt miteinander und schafft so eine lebendige und realistische Welt voller Dramatik garantierender Beziehungsgeflechte.

Nach und nach wird dem Leser die Haupthandlung klarer, während die Charaktere an ganz unterschiedlichen Orten nur individuelle Teile des großen Ganzen erleben. Diese geschickte und unvorhersehbare Handlungsführung ist neben der Charakterisierung der größte Pluspunkt des Romans und setzt neue Akzente in einem vor Stereotypen sonst nur so strotzendem Genre. Der zynische und selbstironische Humor Gloktas, seine messerscharfen Einsichten und der für einen Barbaren auf praktische Weise recht kluge Logen runden das positive Bild ab. Sogar der geckenhafte Luthar wird menschlich beschrieben und nicht zum Gespött gemacht, er ist glaubhaft und keine Witzfigur. Er wird von allen Charakteren in der Folge wohl die deutlichste Wandlung durchmachen.

_Fazit:_ Joe Abercrombie scheint Klischees zu bedienen – und zeigt, was man aus altbekannter Machart mit ein paar Kniffen in der Erzählweise, Handlungsführung und begnadeter Charakterisierung machen kann. Wenn er mit George R. R. Martin und Glen Cook und anderen Größen verglichen wird, ist das keineswegs anmaßend – Abercrombie selbst ist bekennender Leser und Kenner derselben und in dem dezidierten Martin-Forum http://www.westeros.org/ und bei [SFFWorld]http://www.sffworld.com/ aktiv an Diskussionen beteiligt. Auf seiner Webseite und in seinem Blog findet sich viel Lesenswertes über den Autor und seine Serie.

Ich kann das Buch nur ausdrücklich empfehlen. Ein derartiges Lesefieber habe ich sonst nur bei meinen Favoriten George R. R. Martin, David Gemmell oder Raymond Feist erlebt.

|Originaltitel: The Blade Itself – The First Law Book 1
Originalverlag: Orion
Aus dem Englischen von Kirsten Borchardt
Mit Illustrationen von Dominic Harman
Paperback, 800 Seiten, 13,5 x 20,6 cm|
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Meddour, Fabrice – Ganarah 1: Die Tränen von Armon Surath

_Story_

In der berüchtigten Kampfkuppel von Armon Surath sind die glorreichsten Tage längst gezählt. Seit einiger Zeit werden die Kämpfe von den korrupten Machthabern der Stadt manipuliert. Der unbeliebte Riese Dzeroff gewinnt Kampf für Kampf, erntet von Seiten des Publikums nur Hass und Verachtung, weil er einige Zuschauerlieblinge bereits ins Jenseits befördert hat. Als die Bewohner schließlich in immer größeren Zahlen das Weite suchen, weil sie die Manipulationen nicht länger akzeptieren wollen, wird der Ruf nach der berühmtesten Kämpferin im Lande wieder laut: Ganarah soll zurück in die Stadt kommen, aus der sie wegen eines außerordentlichen Vorfalls in der Arena einst verbannt wurde. Doch Ganarah lehnt das Angebot des Barons und seiner hinterlistigen Schergen eiskalt ab. Stattdessen kümmert sie sich um die merkwürdige Herumtreiberin Tchenee, die seit einiger Zeit durch den Wald streunt und sich unter anderem auch von menschlichem Fleisch ernährt. Doch mit der Zeit wird der Elitekämpferin bewusst, dass ihr Schicksal sie unaufhaltsam nach Armon Surath zurückführen muss. Wenn nämlich jemand die Lage in der Stadt beruhigen kann, dann Ganarah.

_Persönlicher Eindruck_

Während derzeit die ersten Serien beim |Splitter|-Verlag aufs Finale zusteuern, bereitet man insgeheim schon die nächsten Erfolgstitel für den deutschen Release vor und sorgt so dafür, dass der Fangemeinde der franko-belgischen Comic-Kunst so schnell nicht langweilig wird. Unlängst wurde mit „Ganarah“ eine weitere neue Serie ins Programm aufgenommen, die zu den ersten bedeutenden Werken des noch relativ unbekannten Autors Fabrice Meddour gehört.

Mit dem Auftakt „Die Tränen von Armon Surath“ kann Meddour jedoch nur den ersten Heißhunger auf derartige Fantasy-Kost stillen. Die Geschichte zieht den Leser sofort in ihren Bann und beschwört einen Mythos, der in erster Linie in der faszinierenden Protagonistin Form annimmt. Ganarah ist eine undurchschaubare Akteurin, abweisend und warmherzig, bestimmt und dennoch bisweilen unsicher, jedoch stark und immerzu entschlossen, für ihre Werte und Normen einzutreten. Einst hat sie jedoch einen folgenschweren Fehler begangen. In der Kampfkuppel ihrer Heimatstadt wurde sie zum unaufhaltsamen Berserker und tötete die gesamte Konkurrenz. Dieses nonkonforme Verhalten führte zu ihrem vorübergehenden Bann, den man in Armon Surath jedoch bereut. Der Glanz der Arenakämpfe ist verblasst, die Korruption hingegen nimmt immer unschönere Formen an. Sowohl dem schwächelnden Baron als auch dem flüchtigen Publikum ist eines klar: Die legendäre, mittlerweile verschollene Kämpferin muss zurückkehren, um das Schicksal der Stadt zum Guten zu wenden. Doch Ganarah hat es satt, nach der Pfeife ihrer einstigen Vorgesetzten zu tanzen.

Im Debütband wird die Geschichte von hinten aufgearbeitet. Meddour führt die beiden wichtigsten Charaktere Ganarah und Tchenee ein und erklärt ihre indirekte Verbindung. Nach und nach schildert er die prekäre Lage in Armon Surath und reflektiert Stück für Stück den Vorfall, aufgrund dessen Ganarah aus der Stadt verbannt wurde. Lange Zeit sind dem Leser die Hintergründe nicht bewusst, bis der Autor schließlich mit einem Paukenschlag auf die entsetzlichen Taten der so sympathischen Kriegerin verweist und das zunächst sehr klare Bild der Titelfigur mit einem Mal deutlich verzerrt.

Vom Aufbau her betrachtet, hat der Zeichner und Autor in Personalunion ein sehr geschicktes Format gewählt. Er lässt die Geschichte zügig voranschreiten, wählt über die Interaktion zwischen den verschiedensten Charakteren schließlich jedoch genau den konträren Weg, um den Lebenswandel der eigentlichen Heldin nachzuvollziehen. Diese ungewöhnliche Verquickung funktioniert allerdings in der Tat prächtig. Man findet einen sehr leichten Einstieg in die Story, wird aber auch sehr schnell von den Ereignissen überwältigt und entdeckt Seite für Seite die wachsende Faszination, die vom starken Inhalt ausgeht.

Bereits mit dem ersten Album zu „Ganarah“ ist dem Autor somit ein kleines Meisterwerk gelungen, welches jedoch erst den Auftakt zu einer langfristigen Erfolgsstory bilden sollte. Schließlich ist „Die Tränen von Armon Surath“ genau das, was der Fantasy-Fan vom etablierten |Splitter|-Verlag erwartet, nämlich eine stimmungsvolle, spannende und darüber hinaus meisterlich konzipierte Erzählung mit unheimlich großen Potenzial. Ich freue mich schon riesig auf die Fortsetzung!

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Hegen, Hannes (Hrsg.) / Hegenbarth, Edith (Figurinen) / Dräger, Lothar (Text) – Digedags in Amerika, Die (Amerikaserie, Band 1)

Bereits zu DDR-Zeiten wurden die ursprünglich als Einzelexemplare erscheinenden, meist 25-seitigen |Mosaik|-Heftchen als Reprint-Sammelbände mit jeweils sechs „Digedags“-Ausgaben im Hardcover in recht überschaubarer Zahl herausgegeben. Nach dem Mauerfall stand zu befürchten, dass die Ost-Comic-Kultur sang- und klanglos von den westlichen Cartoons in die Vergessenheit gedrängt würde. Glücklicherweise hatte sich Herausgeber Hannes Hegen aber frühzeitig die Rechte an den Geschichten (Texte: Lothar Dräger) und Figuren (Edith Hegenbarth) gesichert, sodass der Verlag |Junge Welt| wiederbelebt werden konnte und 2005 eine Neuauflage der Digedag-Abenteuer unter dem neuen/alten Berliner Label herausbrachte.

_Die Digedags_

Ihre genaue Herkunft und Verbindung zueinander liegt etwas im Dunklen, es darf jedoch angenommen werden, dass es sich um Brüder handelt. Die drei kleinwüchsigen, offensichtlich männlichen Gestalten (Dig, Dag und Digedag) werden gelegentlich als Zwerge, Gnome oder Kobolde bezeichnet. Zumindest scheinen sie weder zu wachsen noch zu altern. Wobei Digedag eine Zeit lang in den Geschichten gar nicht auftaucht und erst später das Trio wieder komplettiert. Die Digedags begleiten die Menschheit mit Rat, Tat und Witz vom Römer- übers Mittelalter („Ritter Runkel“-Serie) bis ins Raketenzeitalter („Weltraumserie“). Dazwischen machen sie noch Station bei den großen Erfindern, in Amerika und besuchen nicht zuletzt auch kurz den Orient.

|Mosaik| geht bei fast allen Digedag-Serien einen deutschen Sonderweg bei der Vertextung, da sie nicht dem klassischen Stilmittel der Sprechblase, sondern der Bildunterschrift folgen. Das lässt unter anderem mehr Platz für die zeichnerische Gestaltung der Panel. Das ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig – allerdings nicht allzu lange und wird heute gern unter den Begriff „Graphic Novel“ vermarktet. Die Figuren selbst sind stark cartooniert – sprich: überzeichnet – dargestellt, das gilt insbesondere für die Hauptcharaktere. Dig ist klein, dunkelhaarig und insgesamt knubbelig, Dag etwas größer, blond und untersetzt, während der spitznasige Digedag eher hager und rothaarig daherkommt. Gewieft und pfiffig sind alle drei.

_Die Amerikaserie_

Die Amerikaserie startete schon 1979 und liest sich heute noch genauso flott wie damals. In der letzten (7.) Edition von 1989 bestand der gesammelte Amerika-Zyklus (Mosaik-Hefte Nr. 152 bis 211) aus zehn Bänden zu je etwa 150 Seiten, die Neuauflage von 2005 streckt die Serie auf deren fünfzehn, da man hier ganz stringent eine Seitenzahl von ziemlich genau 100 pro Band im Auge hat, was konkret vier Hefte/Kapitel pro Band bedeutet. Die Amerikaserie spielt zeitlich im Rahmen des amerikanischen Bürgerkriegs (1860 – kurz vor Ausbruch bis fast zu seinem Ende 1865) und greift dabei explizit die Sklaverei-Problematik auf, nimmt aber auch andere gesellschaftliche Klischees der noch jungen USA ironisch aufs Korn. Die Amerikaserie gehört noch zu jenen, die ohne Sprechblasen auskommen und quasi untertitelt sind.

_Band 1 – Die Digedags in Amerika (Mosaik 152 – 155)_

Auf ihrer Zeitreise machen die Digedags Station inmNew Orleans des Jahres 1860. Hier finden sie Anstellung als Reporter beim „New Orleans Magazine“, einer der beiden großen Tageszeitungen der Mississippi-Metropole. Ihr Chef Mr. Potter ermutigt sie ganz gern dazu – wie zu dieser Zeit üblich -, jede Meldung etwas aufzubauschen, damit man der Konkurrenz vom „Courier“ etwas voraus hat – aber genau das wird eine Kette von Ereignissen auslösen, die erst fünf Jahre später endet und die Digedags quer über den (nord- sowie süd-)amerikanischen Kontinent reisen und dabei allerlei haarsträubende Abenteuer erleben lässt.

Doch noch ahnen die drei von alledem nichts, als sie die unbedachte Erwiderung des verärgerten Flussschiff-Kapitäns Jonathan Joker über den Zustand seiner alten „Mississippi Queen“ zur Herausforderung zum Schiffsrennen hochspielen. Das wäre an sich nicht der Rede wert, handelte es sich bei der unfreiwilligen Herausgeforderten nicht um das moderne Luxusschiff „Louisiana“. Einmal die (falsche) Meldung über die beiden Tageszeitungen ins Rollen gebracht und hochgejubelt, können beide Kapitäne nun nicht mehr zurückrudern, will jeder von ihnen das Gesicht wahren. Somit kommt es tatsächlich zu einem offiziellen Rennen von New Orleans stromaufwärts nach Baton Rouge. Preisgeld: 10.000 Dollar. Ein kleines Vermögen – zumindest für die Jokers.

Die Digedags haben ein schlechtes Gewissen und entschließen sich dazu, der sympathischen Familie bei ihrem Kampf David gegen Goliath tatkräftig an Bord beizustehen. Immerhin haben sie Käpt’n Joker erst in diese missliche Lage gebracht, sich mit seinem vergleichsweise alten Eimer gegen den technisch sicher haushoch überlegenen Raddampfer zu messen. Zweifelsfrei ist er jedoch einer der besten Lotsen, welche den Mississippi je befahren haben. Die Fachwelt räumt Joker durchaus einige Chancen ein, denn niemand kennt den launischen Fluss besser als er. Sollte die betagte „Queen“ nicht in die Luft fliegen, da ihr Kessel genauso alt und überholungsbedürftig ist wie der ganze Rest des Schiffes, scheint ein Sieg zwar immer noch höchst unwahrscheinlich, aber nichtsdestoweniger möglich.

_Eindrücke_

Wie bereits erwähnt, mutet das Lesen eines Comics ohne Sprechblasen zunächst einmal etwas seltsam an. Haben sich Auge und Hirn einmal damit angefreundet, findet man den Stil sogar höchst angenehm, gewährt er doch auf jeden Fall einen freien, unverstellten Blick auf das liebevoll gestaltete Artwork. Zwar sind insbesondere die Figuren klar als Karikaturen ausgelegt, dennoch sind die Zeichnungen – speziell die der Backgrounds – detailliert und spiegeln die Welt des Mississippi aus der Zeit eines Mark Twain schön und stimmungsvoll wider – inklusive gelegentlich rauchender Colts, allerdings sind auch solche Szenen stets unblutig und haben etwas Komisches an sich. Die Bildersprache ist verspielt, durchaus für Kinder geeignet, wirkt aber alles andere als kindisch oder gar kitschig. Jedes Lesealter kann aus Bild und Text unterschiedliche Stufen an Witz und Ironie herauslesen.

Apropos Ironie. Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass es sich hierbei um einen Ost-Comic handelt, der sich mit der Geschichte des intimsten aller Klassenfeinde auseinandersetzt: den USA. Umso erfreulicher, dass trotz aller kleinen Seitenhiebe gegen den American Way of Life der Ton der Geschichte stets politisch ungefärbt und neutral bleibt. Versteckte Indoktrination und verbrämte Sozialismuslehren findet man in der Amerikaserie überhaupt nicht. Lediglich Generaltugenden wie Wissen, Fleiß, Mitleid und Gerechtigkeit werden groß geschrieben. Das ist ein weiterer Punkt auf der Liste, warum die Digedags auch heute noch pädagogisch durchaus gehaltvoll daherkommen. Zeitlos sind sie eh – nicht nur als Charaktere, welche durch die Menschheitsgeschichte reisen, sondern auch ihre Geschichte(n) selbst.

Manche (erfundenen) Personen- und Ortsnamen lassen erkennen, dass Texter Lothar Dräger offensichtlich einen sehr feinen Sinn für Wort- und Sinnspiele besitzt und sich zudem recht gut mit dem amerikanischen Bürgerkrieg bzw. dem Drumherum auskennt. Denn wenngleich die Story natürlich fiktiv ist, so halten sämtliche historischen Eckdaten und Orte prinzipiell auch einem zweiten kritischen Blick stand. Leider hat die 2005er Neuauflage gerade die Auftakt-Geschichte besonders gebeutelt. Durch die Einführung der 100-Seiten-Grenze erfährt der (neue) Leser leider nicht den Ausgang des spannenden Schiffsrennens. Die Ausrichtung auf vier Einzelhefte schneidet das Rennen entzwei. Das Finale und der Auftakt zum eigentlichen Abenteuer findet erst in Band 2 statt: „Die Digedags am Mississippi“.

Was uns unweigerlich zur neuen Aufteilung bringt. Diese ist mit insgesamt 15 Bänden ebenso unglücklich wie die Preisgestaltung von 12,95 €uro pro Band. Es handelt sich zwar um ein kleines Independent-Label, und Kleinauflagen sind sicher teuer, doch neue Publikumsgebiete (grade vielleicht auch im Westen) wird man so nicht ohne weiteres erschließen können. Die bisherige Altersstruktur bei den Digedags-Fans gibt beredt Zeugnis davon: fast ausschließlich (N)Ostalgiker, welche die Serie(n) noch von früher kennen. Was schade ist, denn die Comic-Geschichten sind unterhaltsam, schön gestaltet, pointiert getextet und transportieren stets eine tugendhafte sowie zeitlich unbegrenzt gültige Message mit sich. Dabei kommen sie – um es mit „Kraftwerk“ auszudrücken – ohne „Boing“, „Peng“, „Bumm“ und „Tschak“ aus.

_Fazit_

Die Digedags hätten es verdient, mehr gelesen zu werden. Der neue Band eins der Amerikaserie ist da sicherlich nur ein Appetizer – leider, ohne die zweite Hälfte der Anfangsgeschichte, aber eben ein unvollständiger. Wer die komplette Serie kompakter und besser aufgeteilt haben möchte, sollte zur alten DDR-Ausgabe greifen, welche allerdings nur noch im Antiquariat bzw. von Privat erhältlich ist. Mit etwas Glück bekommt man die alten zehn Bände zusammen und das wahrscheinlich sogar günstiger als die fünfzehn neu aufgelegten für insgesamt rund 195 Euro. Für die Fast-Raritäten muss man aber auf jeden Fall längere Suchzeiten einplanen, scheinbar trennen sich Kenner nur sehr ungern von ihnen. Verständlich.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

„Die Digedags in Amerika“ – Amerikaserie, Band 1
Enthält die Mosaik-Hefte 152 bis 155
© 1979 und (Neuauflage) 2005 – Buchverlag Junge Welt, Berlin
Herausgeber: Hannes Hegen
Text: Lothar Dräger
Figurinen: Edith Hegenbarth
ISBN: 3-7302-1873-5 (neu)
ISBN: 3-7302-0686-9 (alte DDR-Ausgabe, Fast-Rarität)

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