Magic: The Gathering – Zeitspirale – Themendeck Remasuri-Entwicklung

_Roman-historischer Hintergrund_

Als die Welt von Rath sich mit Dominaria überlagerte, ermöglichte das die Invasion der Phyrexianer. Sie brachte Volraths Felsenburg mit sich – und damit auch den größten Remasuri-Schwarm, der sich in den Lavahöhlen tief unter der Burg eingenistet hatte. Ein Jahrhundert später entdeckten die Magier, die sich zum Springflutprojekt zusammengeschlossen hatten, die Überreste dieses Schwarms und erschufen auf magische Weise neue Remasuris. Auf der Suche nach einer Königin wurden die Remasuris von Mirari angezogen – dem berüchtigten Artefakt, das sich den Wünschen seines jeweiligen Besitzers anpasste. Doch nachdem die Göttin Karona und der Mirari wieder weg waren, breiteten sich die Remasuris langsam in ganz Dominaria aus und bildeten kleinere Schwärme ohne Königin. Heutzutage sind sie wie ausgehungerte Wolfsrudel, die sich von den Alten und Schwachen in den verwüsteten Landstrichen Dominarias ernähren.

_Die endgültige Rückkehr der Remasuris_

Nach ziemlich langer Zeit sind die Remasuris nun endlich auch wieder ein Teil eines neuen „Magic: The Gathering“-Themensets. Im Rahmen der aktuellen Erweiterung „Zeitspirale“ taucht gleich ein riesiger neuer Schwarm dieser tödlichen Biester wieder aus der Versenkung auf und bildet gleichzeitig das Gros der Kreaturen dieses neuen Ergänzungssets. Dies war für die Macher des Fantasy-Sammelkartenspiels natürlich ein willkommener Grund, ihnen ein komplettes Themendeck zu widmen, welches nun die tödlichen neuen Waffen der wiedergekehrten Geschöpfe offenbart. Wie der Name schon sagt, haben die stets im Kollektiv auftretenden Remasuris in der Verborgenheit eine echte Entwicklung durchgemacht, die sich nicht nur in der Geburt neuer Vertreter ihrer Art darstellt, sondern auch in den vielen neuen Eigenschaften, die den Remasuris inmitten der „Zeitspirale“ zur Verfügung stehen. Wer bereits in der Vergangenheit positive Erfahrungen mit diesen Wesen gemacht hat, sollte sich daher auch auf jeden Fall einmal mit dem Themendeck „Remasuri-Entwicklung“ auseinandersetzen, in dem eine ganze Reihe Basis- und Spezialkarten dieser Spezies enthalten ist und das zum die vielen Vorzüge eines reinen Remasuri-Decks vorstellt.

_Karteninhalt_

• 6x Gebirge
• 8x Wald
• 8x Ebene
• 1x Edelsteinmine (zeitverschoben)
• 2x Immerändernde Weite (common)
• 2x Zweiköpfiger Remasuri (common)
• 3x Kochenbrecherremasuri (common)
• 2 Wütender Remasuri (uncommon)
• 4x Gemmenhautremasuri (common)
• 1x Pilzremasuri (rare)
• 2x Machtremasuri (uncommon)
• 3x Klapperschlangenremasuri (common)
• 3x Stachelbesetzter Remasuri (uncommon)
• 3x Beobachtender Remasuri (common)
• 1x Lungenremasuri (rare)
• 2x Stachelremasuri (zeitverschoben)
• 1x Harmonieremasuri (uncommon)
• 2x Vensers Remasuri (common)
• 1x Das Schicksal vermeiden (zeitverschoben)
• 2x Stärke durch Überzahl (common)
• 1x Vermodern (common)
• 2x Seelenkreislauf

Die Mischung der Karten dieses Themendecks ist ziemlich ausgewogen und bietet auch eine ganze Reihe unommon-Karten, wie üblich zwei rare-Karten sowie insgesamt vier der zeitverschobenen Karten, die für die „Zeitspirale“ aus älteren Editionen wiederbelebt und mit einer leichten Regelmodifikation versehen wurden. Bezogen auf den Seltenheitswert der Karten gehört die „Remasuri-Entwicklung“ damit auch zu den lukrativeren Sets, was alleine schon einmal ein triftiger Grund wäre, sich erst mit diesem Set zu verstärken und dann erst zu den Boostern zu greifen.

_So spielt man das Deck_

Die Stärke der Remasuris liegt im Kollektiv. Die individuellen Spezialfähigkeiten eines Wesens einer jeden Remasuri-Rasse übertragen sich sofort auch auf die übrigen Remasuris, sobald die entsprechende Karte ins Spiel gebracht wird. Deshalb sollten die ersten Schritte mit diesem Deck auch defensiver Natur sein, denn zunächst gilt es einmal, eine umfassende Bruderschaft aufzubauen, um dann zu einem späteren Zeitpunkt mit den gesammelten Eigenschaften im Gesamtverbund richtig effektive Angriffe zu starten bzw. sich im Falle eines Blocks sofort mit gefährlichen Mitteln zur Wehr zu setzen.

So gilt es zunächst einmal, ein Kollektiv aufzubauen und deswegen auch behutsam mit den Remasuris in den Auseinandersetzungen umzugehen. Jede zerstörte Kreatur kostet nämlich nicht nur einen Schadenspunkt, sondern schädigt zudem auch noch das Kollektiv. Dieses jedoch zu bilden, ist gar nicht mal so leicht, denn alleine auf sich gestellt sind die Remasuris bei weitem nicht so effektiv und auch leichte Beute für gezielte Angriffe. Also sollte man zu Beginn auch besser einige Remasuris mit einer stärkeren Verteidigung ins Spiel zu bringen, um nicht ständig ohne Gegenwehr dem Gegner unterliegen zu müssen. Empfehlenswert sind hier Figuren wie der Knochenbrecherremasuri, der Beobachtende Remasuri sowie der Machtremasuri, die sofort nach Eintritt die Verteidigungs- und Angriffswerte verbessern.

Hat man langsam aber sicher einige Remasuris ins Spiel gebracht, kommt die Zeit der besonderen Kreaturen. Der Stachelbesetzte Remasuri fügt angreifenden und blockenden Kreaturen zum Beispiel sofort einen Schadenspunkt zu. In Kombination mit dem Klapperschlangenremasuri können dabei sogar gegnerische Kreaturen im selben Maße Schaden erleiden wie die Zahl der eigenen Stärke wächst. Und dann ist da noch der Lungenremasuri, der dafür sorgt, dass man gerade gestorbene Remasuris wieder oben auf die Bibliothek legen und im nächsten Zug erneut ziehen darf.

Der Aufbau der eigenen Partie schreitet also folgerichtig erst einmal behäbig voran und konzentriert sich in erster Linie darauf, eine gesunde Verteidigung zu erstellen. Im Anschluss nutzt man dann immer häufiger die Stärken, die man von den übrigen Remasuris als Bonuskraft auferlegt bekommen hat, und holt schließlich mit Karten wie dem Lungenremasuri zum finalen Schlag aus.

_Fazit_

Die „Remasuri-Entwicklung“ ist definitiv ein Set für fortgeschrittene „Magic: The Gathering“-Spieler und erfordert vor allem Kenntnisse im defensiven Bereich. Nun wird sich der Profispieler natürlich lediglich die besten Karten des Themendecks herauspicken und damit sein eigenes, schon aus älteren Editionen zusammengestelltes Remasuri-Deck erweitern. Doch das Themendeck als solches gegen ein vergleichbares aus der „Zeitspirale“ hat mal wieder einen ganz besonderen Reiz und ist ein sehr gutes Training, um sowohl den Umgang mit den Remasuris als auch mit den neuen Karten überhaupt zu erlernen.

Dabei ist die „Remasuri-Entwicklung“ gerade dann ein starkes Deck, wenn es einem gelingt, eine starke Defensive aufzubauen, denn im größeren Kollektiv sind die Remasuris nahezu unschlagbar und ihre gemeinsam genutzten Eigenschaften ein tödlicher Effekt für den Gegner, der sich an den starken Geschöpfen die Zähne ausbeißen wird. Genau gegenteilig kann es einem ergehen, wenn man von Beginn an immer wieder Rückschläge hinnehmen muss und seine ersten Remasuris nicht behaupten kann. In diesem Fall wird das Kollektiv vor der eigentlichen Entstehung gestoppt und man muss sich mit den wesentlich schwerer zu spielenden Single-Eigenschaften der einzelnen Karten abfinden – und genau dies ist für jeden Angreifer ein gefundenes Fressen, um den Gegner gar nicht erst richtig ins Spiel hineinkommen zu lassen.

Grundsätzlich heißt dies natürlich, dass das Themendeck bei entsprechend glücklicher Nutzung und Anordnung der Bibliothek enorm schlagkräftig ist und im Kampf mit gleichwertigen Gegnern bei geschicktem Spiel sehr effektiv und mit hoher Wahrscheinlichkeit siegreich sein kann. Dies ist für ein Themendeck jetzt aber keine wirkliche Besonderheit. Das Spezielle an der „Remasuri“-Entwicklung ist indes, dass man sie zudem noch sehr vielfältig aufwerten kann, und zwar mit Karten so mancher vorangegangener Editionen und Ergänzungs-Sets. Auch dies ist nicht sonderlich neu, doch da die Remasuris gerade im Kollektiv eine hohe Gesamtstärke haben, offenbart sich hier eine absolut lohnenswerte Gelegenheit, mitsamt den vielen neuen Kreaturen die eigene Sammlung weiter zu verbessern und natürlich die Geschöpfe an sich kennen zu lernen. Die Voraussetzungen hierfür werden mit diesem neuen Themendeck auf nahezu fantastische Art und Weise geschaffen, so dass es definitiv ein Frevel wäre, als „Magic: The Gathering“-Begeisterter an der „Remasuri-Entwicklung“ vorbeizusehen. Eine sehr starke Ergänzung!

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Keene, Brian – Reich der Siqqusim, Das

|“Auferstehung“|, S. 3-246: Eigentlich sollten die aktuellen Experimente mit dem Nuklearbeschleuniger der Havenbrook National Laboratories in Hellerton, US-Staat Pennsylvania, das Wissen um die Bausteine des Universums erweitern. Stattdessen öffneten sie eine Pforte zwischen den Dimensionen, die besser verschlossen geblieben wäre: Aus der „Leere“, in die sie einst verbannt wurden, kommen die Siqqusim, die der Mensch als „Dämonen“, „Teufel“ und unter vielen anderen Namen kennt, auf die Erde zurück. Sie werden körperlich, indem sie in die Leichen toter Menschen und Tiere fahren. Intelligente und bösartige Zombies führen einen blutigen Krieg gegen die verhassten Menschen, die auf der ganzen Welt massakriert und gefressen werden.

Eine kleine Gruppe verzweifelter Männer und Frauen stemmt sich gegen den Untergang. Da ist Jim Thurmond, der seinen Sohn Danny retten will, nachdem ihn dessen letzter telefonischer Hilferuf aus New Jersey erreichte, wo er mit seiner Mutter lebt. Ihm schließt sich der Pfarrer Thomas Martin an, der Gott in der derzeitigen Apokalypse sucht. Zu ihnen stoßen Frankie, eine drogensüchtige Prostituierte, die aus den Ruinen der Stadt Baltimore entkam, und Professor William Baker, der wissenschaftliche Leiter von Havenbrook und mitverantwortlich für das Inferno. Man schlägt man sich durch ein Land der Sterbenden und der Toten, die sich mit buchstäblich teuflischer Schläue auf die Spur der Reisenden setzen. Doch immer noch ist der schlimmste Feind des Menschen der Mensch selbst – hier in Gestalt des Colonels Schow. Er schwingt sich zum Herrscher seines eigenen Reiches auf, das er mit seinen Soldaten als Diktator beherrscht und dessen „Bürger“ er in Sklaven verwandelt …

|“Stadt der Toten“|, S. 247-490: Nachdem Schow geschlagen und Danny gerettet werden konnte, können sich die wenigen Überlebenden aus „Auferstehung“ in den festungsartig gesicherten Ramsey Tower in New York durchschlagen. Hier hat sich der Milliardär Darren Ramsey zum Schutzherrn von 300 Menschen ernannt, die den Zombies entkommen konnten. Nur Leibwächter Bates weiß, dass Ramsey unter einem ausgewachsenen Messiaskomplex leidet und allmählich den Bezug zur Realität verliert. Bates trifft bereits Vorkehrungen, denn er glaubt nicht an die Sicherheit des Turms.

Inzwischen setzt Dämonenfürst Ob den Feldzug zur Eroberung der Erde fort. Ramsey Tower ist ihm ein Dorn im Auge, denn hier hält sich das verhasste „Fleisch“ hartnäckig gegen die Attacken der Siqqusim. Ob bereitet deshalb einen massiven Angriff vor. Er zieht das Millionenheer der Zombies, die einst New Yorks Bürgerschaft bildeten, zusammen und rüstet es mit schweren Waffen aus. Ob steht unter Zeitdruck, denn in der „Leere“ warten bereits die Dämonenstämme der Elilum und Teraphim voller Ungeduld auf ihren Durchbruch in die reale Welt. Doch Ob will seine Rache an den verhassten Menschen und ihrem Schöpfer auskosten und sperrt sich gegen die Invasion seiner „Kollegen“, die den endgültigen Untergang der Erde einleiten würden.

Während Ob seine Truppen formiert, hält Ramsey in seinem Wahn eine Eroberung des Towers für unmöglich. Bates sucht und findet einen möglichen Fluchtweg, doch sein irrsinniger Chef kann ihn austricksen. Der Sturm auf Ramsey Tower findet statt und wird zur letzten Schlacht zwischen Menschen und Dämonen. Zwischen allen Fronten kämpfen wieder Jim Thurmond, Sohn Danny, Frankie und einige neue Mitstreiter um ihr Leben, das von den Untoten ebenso bedroht wird wie von den Lebenden, die selbst angesichts des nahen Endes von Egoismus und Eigennutz getrieben werden …

Da sind sie wieder einmal – die Zombies, noch mehr als die Werwölfe proletarische Schmuddelkinder des Horrorgenres. Sie sind schrecklich anzuschauen (und zu riechen) und benehmen sich auch so. Allerdings endet hier die Ähnlichkeit zwischen den „klassischen“ Zombies, deren Gestalt und Verhalten von George A. Romero definiert wurden, und den Siqqusim, die Brian Keene auf die Menschheit loslässt. Während Erstere von diffusen Urinstinkten und der Gier nach Menschenfleisch getrieben werden, sind Letztere buchstäblich von Dämonen beseelt, die nach äonenlanger Verbannung in menschliche Leichen fahren und weder blöd noch unbeholfen, sondern sehr zielorientiert ihren Gemeinheiten frönen.

Die daraus entstehende Apokalypse schildert Keene auf eigentlich wenig originelle Weise. Was die Zombiefizierung der Welt tatsächlich bedeutet, erfahren wir nur nebenbei. Keene konzentriert sich lieber auf einige Figuren, die stellvertretend für die Menschen der (nordamerikanischen) Welt mit der neuen Situation konfrontiert werden. Sie begeben sich auf ihre private Questen, deren Ziele die Ankunft an einem hoffentlich sicheren Ort bzw. die Rettung geliebter Familienmitglieder darstellen. Bis es so weit ist, bildet der Weg dorthin eine Kette gefährlicher Abenteuer – ein simples Handlungsgerüst, das freilich gut funktioniert, wenn es so geschickt mit Inhalt gefüllt wird wie durch Keene.

Wobei die Kompromisslosigkeit, mit der Keene zu Werke geht, eine wichtige Rolle spielt. Er verzichtet auf eine politisch korrekte Dämpfung des Schreckens. Schwangere Frauen, Kleinkinder, Priester, Ärzte, Polizisten und andere normalerweise sakrosankte Respektspersonen reihen sich nahtlos ein in sein Kaleidoskop des Grauens. Sie werden konsequent ausgelöscht, wenn ihre Stunde gekommen ist, und wirken besonders abstoßend, wenn sie als Untote wiederkehren, denn Keene spart nie mit Einzelheiten, wenn gemordet oder gemetzelt wird.

Die wenig innovative aber funktionierende Handlung wird durch diverse hübsche & hässliche Einfälle horribel aufgeladen. Damit sind nicht einmal die Splattereffekte gemeint, obwohl diese mit viel Liebe zum faulig-blutigen Detail und mit immer neuen Schauerlichkeiten beschrieben werden (bis man sich – darf man es so ausdrücken? – daran „satt“ gelesen hat).

Nein, Keene hat sich Gedanken zum Zombie-„Leben“ gemacht, die längst überfällig waren, aber auch in den aktuellen Filmen ignoriert werden. Wieso sind Zombies so stark, obwohl sie doch sichtlich verwesen und verfallen? Wie überleben sie, obwohl sie ihrer Nahrung – Menschenfleisch – irgendwann nicht mehr in erforderlicher Quantität habhaft werden können? Keene „erklärt“ diesen Widerspruch überzeugend: „Seine“ Zombies fressen Menschen, weil sie ihnen schmecken. Ansonsten hält sie eine unbekannte Kraft zusammen, die den Verlust lebenswichtiger Organe oder Gliedmaßen kompensiert. So können sie quasi bis zum Skelett verfaulen und trotzdem agil bleiben.

Keene berücksichtigt außerdem einen weiteren, eigentlich naheliegenden Gedanken: Wenn tote Menschen neu „belebt“ werden, gibt es keinen logischen Grund, dass Tiere ausgespart bleiben – sie sind ebenfalls Lebewesen! Die Notlage der lebenden Menschen verschärft sich um ein Vielfaches, wenn sie nunmehr auch den Attacken untoter Hunde, Katzen oder Vögel ausgesetzt sind. Keene geht noch einen Schritt weiter: Die beliebte Flucht in die zombiefreie Wildnis fällt bei ihm aus, denn dort, wo keine untoten Menschen auf ihre Opfer lauern, hausen jetzt neu „belebte“ Bären, Hirsche und andere Wildtiere, die ihre Ernährungsroutinen radikal umgestellt haben. Einige grandiose Szenen verdanken ihre Wirkung dem bizarren Effekt dieser Tierzombies: So wird der unglückliche Baker einmal von blutgierigen Eichhörnchen und Karnickeln durch die Wälder gehetzt. Hitchcock hatte Recht, als er Vögel als potenzielle Gegner der Menschen brandmarkte. Frankie erlebt Grausiges, als sie von den in ihren Käfigen und Gehegen verhungerten und wieder belebten Kreaturen des Zoos in Baltimore gejagt wird; ein Zombie-Löwe ist ein wahrlich erschreckender Gegner!

„Auferstehung“, der 2003 entstandene erste Teil von „Das Reich der Siqqusim“, ist der mit Abstand bessere Teil der Saga. Keene bleibt vage mit seiner Hintergrundgeschichte, was klug ist, wie wir erkennen, wenn er sie in „Stadt der Toten“ doch enthüllt. Zwei Jahre später als Teil 1 geschrieben, nahm sich Keene die Kritik seiner Leser zu Herzen; leider meldeten sich offensichtlich nur jene zu Wort, die mit der reizvollen Diffusität der „Auferstehung“ und dem offenen Ende dieses Buches überfordert waren und Aufklärung forderten.

Die Handlung setzt nahtlos im Finale des Vorgängerbandes ein und nimmt den sattsam bekannten Verlauf: Alles rennt, rettet, flüchtet sich vor den Zombiehorden, die stets aus allen Richtungen herbeiströmen und doch zuverlässig ins Leere greifen, bevor sie unseren Helden das wortreich angedrohte Ende bereiten können.

„Wortreich“ ist das Stichwort für weitere Kritik: In „Stadt der Toten“ werden die Zombies erstaunlich schwatzhaft. Das schließt ihren Anführer Ob ausdrücklich ein. Wirklich nur grinsen kann man bei der Lektüre einer Szene, in der er sich genötigt sieht, ausgerechnet einer völlig unwichtigen Nebenfigur (und uns Lesern) haarklein die Geschichte der Siqqusim sowie die Planungen zur Übernahme der Universums – Gottes Sturz vom Himmelsthron eingeschlossen – zu erzählen. (Dazu weiter unten mehr.)

Solche unfreiwillig komischen Momente mehren sich leider; Keene wusste offensichtlich, wieso er „Aufstehung“ in Momentaufnahmen einer Gesamthandlung gestaltete, die sich die Leser selbst zusammenreimen konnten und mussten. Für die Inszenierung einer biblisch-monumentalen Konfrontation zwischen Gut & Böse fehlt ihm offenkundig das schriftstellerische Format. „Stadt der Toten“ verkommt in dieser Hinsicht zum Kasperle-Theater.

Auch sonst kommt die Story im breiten Mittelteil buchstäblich zum Stillstand. Die Lebenden verbarrikadieren sich in einem festungsgleichen Hochhaus, das von den Siqqusim belagert wird. Wie die Geschichte nunmehr ablaufen wird, ist einfach zu erraten, vor allem für diejenigen unter uns, die Romeros „Land of the Dead“ gesehen haben; der Horrorfilm-Altmeister hat sich anscheinend stark von „Stadt der Toten“ „inspirieren“ lassen …

Natürlich gelingen Keene neuerlich Szenen, die im Gedächtnis bleiben. Sex mit Zombies ist beispielsweise ein bisher im Horrorgenre unerwähnt gebliebener Aspekt. (Nicht, dass wir ihn vermisst hätten …) Auch Frankies Sturz in ein schmutziges Schwimmbecken, das zu allem Überfluss von einer hungrigen Wasserleiche bevölkert wird, jagt Schauder über Leserrücken. Doch andere Konfrontationen stellen nur Wiederholungen sattsam bekannter Schnetzeleien dar, deren Wirkung verpufft ist. Überstrapaziert wird vom Verfasser in „Stadt der Toten“ auch das Prinzip des Cliffhangers: Immer wenn unsere Menschenhelden in einer schier aussichtslosen Situation stecken, bricht die Handlung ab und schwenkt zu einem anderen Punkt des Geschehens. Irgendwann tauchen die Verdammten wieder auf und wir erfahren, dass besagte Not gar nicht so groß war, weil … und es folgt eine enttäuschende Erklärung. „Stadt der Toten“ wirkt verglichen mit „Auferstehung“ wie Routine oder eine Pflichtübung, zu der sich der Verfasser von seinem Verlag oder seinen Lesern überreden ließ.

Normalbürger werden mit dem Unbeschreiblichen konfrontiert: Es ist ein bewährtes Prinzip, das uns in holzschnitthafter Prägnanz vor allem aus Hollywoods Horror- und Katastrophenfilmen vertraut ist. Am Beispiel von Menschen, die eben keine omnipotenten Superhelden sind, werden Grundzüge der menschlichen Psyche herausgearbeitet. Keene wandelt hier auf vertrauten Pfaden. Da haben wir u. a. den schlichten „Mann aus dem Volk“, der Himmel und vor allem Hölle in Bewegung setzt, um seinen über alles geliebten Sohn zu retten. Zu ihm gesellen sich: die Nutte mit Herz, die sich im Rahmen dieser edlen Mission bewähren und somit „reinwaschen“ darf; der reuevolle Wissenschaftler, der zu neugierig war und das Verderben über die Welt brachte; der standhafte Pfarrer, der noch in der Apokalypse einen göttlichen „Sinn“ findet. Konfrontiert werden sie mit weiteren Klischeefiguren wie dem überschnappten Militär, der Kaiser von China (oder Ähnliches) werden will; dem geilen Spießer, der endlich die Sau rauslassen kann; dem feigen Mitläufer; dem Psychopathen, der mit den Untoten um die Wette murksen darf. Zombies sind Monster, so Keenes Credo, aber die Menschen stehen ihnen auf ihre Art wenig nach. Der Verfasser ist ein Pessimist, der nicht davon ausgeht, dass eine elementare Krise den Zusammenhalt fördert. (Anmerkung: In einem Spektakel wie diesem lässt man dem Verfasser die Klischees insgesamt durchgehen; im Detail muss Keene freilich für die Erfindung der schrecklichsten Kinderfigur gegeißelt werden, mit der man in den letzten Jahren gequält wurde. Danny – „Ich will meinen Daddy!“ – ist ein schafsblödes Balg, das prompt dann in Schreckstarre verfällt, ins Stolpern gerät oder sich in einer Telefonzelle verläuft, wenn gerade tausend geifernde Zombies um die Ecke biegen.)

Keenes Siqqusim-Zombies wurden weiter oben bereits für ihre Bedrohlichkeit gelobt. Erste Kritik schimmerte ebenfalls durch: Je länger die Dämonen wüten, desto deutlicher fällt auf, dass sie geistig wohl doch keine Leuchten sind. Diese Vermutung wird in „Stadt der Toten“ zur traurigen Gewissheit. Hier reden die Zombies nicht nur, sie kalauern plötzlich wie deutsche Comedians auf einem ihrer spätpubertären TV-Gipfeltreffen. Die dümmsten Sprüche fließen ihnen von den verrottenden Lippen, während sie in Stücke geschossen, gesäbelt oder gefahren werden. Nun mögen Dämonen nicht zu den Intellektuellen dieser oder einer anderen Welt zählen. Man sollte in einem Horrorroman allerdings nicht über sie lachen müssen. Bei näherer Betrachtung wirken sie in „Stadt der Toten“ so „böse“ wie die klassischen |Marvel|-Schurken: Erst stellen sie sich hin und beschreiben ausführlich, was sie gleich anrichten werden, dann tun sie es, wobei ihr Mund auch nicht stillsteht, und anschließend stoßen sie sich in die Rippen und schwelgen in lustvollen Erinnerungen daran, was für verkommene Mistkerle sie sind. Das kommt so lächerlich an, wie es klingt; keineswegs singulär in ihrer Wirkung ist eine Szene, in welcher der Siqqusim-Fürst schwer beleidigt ist, weil die Menschen nicht wissen, wer sie drangsaliert: „Ich werde siebzehn Mal im Alten Testament erwähnt! Siebzehn Mal! Ich bin Ob der Obot! Ich führe die Siqqusim an! … Ich bin Ob, der aus dem Kopf spricht!“ Schon traurig, wenn man mit solchen Referenzen vor eine Menschheit tritt, die nicht mehr so bibelfest wie einst ist …

Im Finale findet Keene, das muss zu seiner Ehrenrettung gesagt sein, zur alten Form zurück. So konsequent & kohlrabenschwarz endete sicher kaum ein Roman zum Thema Weltuntergang. Üblicherweise blitzt irgendwo ein Lichtlein auf: Es wird trotz aller Qualen weitergehen. Hier nicht, und obwohl Keene tröstliche Visionen eines kitschigen Kinderbibel-Paradieses einschneidet, mildert es nicht die Wucht eines Endes aller Dinge, das beeindruckt und überzeugt: ganz großes Kino, Mr. Keene!

|Exkurs: Die deutsche Inkarnation|

„Das Reich der Siqqusim“ glänzt in seiner deutschsprachigen Ausgabe mit äußeren und inneren Werten. Was Erstere angeht, so orientierte man sich im |Otherworld|-Verlag offenbar an der US-amerikanischen Erstauflage, die im kleinen aber feinen Haus |Delirium Books| erschien. So erhält der Leser (und Sammler) für sein Geld nicht nur ein gebundenes, sondern ein richtig gut gebundenes Buch; wer fragt, was denn da der Unterschied sei, nehme eine dieser lieblos produzierten Schwarten in die Hand, die von modernen Buchfabriken auf den Markt geworfen werden und schon beim ersten Öffnen unheilverkündend krachen, weil man sie mehr schlecht als recht und viel zu eng in ihre Einbände presste.

Dazu gibt es ein Schutzcover aus steifem, d. h. widerstandsfähigem Papier und mit einem schaurig-schönen Titelbild von Anne Stokes – kein Foto aus einem billigen Bildstock! Zwei fies anzuschauende Innenillustrationen steuerte Jan Balaz bei. Ein Lesebändchen findet man auch, und ein Personenverzeichnis am Ende des Buches hilft, die zahlreichen Figuren zuzuordnen, sollte die Übersicht verloren gehen.

Die Übersetzung kann sich sehen bzw. lesen lassen – dieses knappe Urteil beschreibt gute, i. S. von „unsichtbare“ Textarbeiter im Hintergrund, die fremde Wörter so flüssig in unsere Muttersprache übertragen, dass es bei der Lektüre gar nicht auffällt. Wenn man als Leser überhaupt über etwas stolpert, dann vielleicht über die ungewöhnlich kleine Schrift. In diese 500 Seiten wurde deutlich mehr Text als üblich gepackt, was den Eindruck unterstreicht, dass einem mit „Das Reich der Siqqusim“ wirklich etwas für sein Geld geboten wird! Diverse Seiten fallen durch ihren noch einmal engeren Zeilenabstand aus dem Gesamtbild; auch eine Anzahl unkorrigiert gebliebener Rechtschreibfehler zeigt, dass es mit der (Schluss-)Redaktion wohl (noch) ein wenig hapert – das ewige Problem kleiner Verlage, die mit viel Enthusiasmus und Liebe, aber wenig Geld zu Werke gehen (müssen).

_Brian Keene_ (geboren 1967) wuchs in den US-Staaten Pennsylvania und West Virginia auf; viele seiner Romane und Geschichten spielen hier und profitieren von seiner Ortkenntnis. Nach der High School ging Keene zur U.S. Navy, wo er als Radiomoderator diente. Nach Ende seiner Dienstzeit versuchte er sich – keine Biografie eines Schriftstellers kommt anscheinend ohne diese Irrfahrt aus – u. a. als Truckfahrer, Dockarbeiter, Diskjockey, Handelsvertreter, Wachmann usw., bevor er als Schriftsteller im Bereich der Phantastik erfolgreich wurde.

Schon für seinen ersten Roman – „The Rising“ (2003), eine schwungvolle Wiederbelebung des Zombie-Subgenres – wurde Keene mit einem „Bram Stoker Award“ ausgezeichnet. Ein erstes Mal hatte er diesen Preis schon zwei Jahre zuvor für das Sachbuch „Jobs In Hell“ erhalten. Für seine Romane und Kurzgeschichten ist Keene seitdem noch mehrfach prämiert worden. Sein ohnehin hoher Ausstoß nimmt immer noch zu. Darüber hinaus liefert er Scripts für Comics nach seinen Werken. Außerdem ist Keene in der Horror-Fanszene sehr aktiv. Sein Blog „Hail Saten“ gilt als bester seiner Art; die Einträge wurden in bisher drei Bänden in Buchform veröffentlicht.

Brian Keene hat natürlich eine Website, die sehr ausführlich über sein Werk und seine Auftritte auf Lesereisen informiert (www.briankeene.com). Über den Privatmann erfährt man allerdings nichts; es gibt nicht einmal die obligatorische Kurzbiografie.

|Originaltitel: The Rising (North Webster : Delirium Books 2003) & City of the Dead (North Webster : Delirium Books 2005)

Übersetzung: Michael Krug|

http://www.otherworld-verlag.de

Ange (Autor) / Varanda, Alberto (Zeichner) – Legende der Drachenritter, Die – Band 1: Jaina

_Story_

Seit der Ankunft der Drachen hat sich die gesamte Welt verändert. In ihrer Umgebung verödet das Land und Menschen und Tiere verwandeln sich durch ihren Einfluss in grässliche Monster. Einzig Jungfrauen bleiben vom grausamen Schicksal verschont und sind somit die einzigen, die die Drachen töten könnten.

Aus diesem Wissen heraus entstand kurzerhand der Orden der Drachenritter, eine Truppe junger Frauen, die den Mut und den Willen besitzen, sich gegen die mächtigen Kräfte der Riesenechsen zu stellen und ihnen im Kampf gegenüberzutreten. Eine von ihnen ist die junge Jaina, eine verwegene Heldin, die sich gemeinsam mit ihrer Knappin Ellys auf den Weg gemacht hat, ihrer Bestimmung und ihrer vor sechs Monaten ausgezogenen Schwester zu folgen und endgültig das Ende der Verödung herbeizuführen. Doch Jaina wird allerorts mit Skepsis empfangen, denn nicht jeder ist davon überzeugt, dass Frauen in der Rolle von Rittern die Heimat retten können …

_Meine Meinung_

„Die Legende der Drachenreiter“ markiert bereits die zweite Zusammenarbeit des Autorenteams Ange (Anne und Gerard) mit dem bewährten Zeichner Alberto Varanda und ist nach „Das verlorene Paradies“ auch schon die nächste neue Comic-Serie, die dieses Jahr über den |Splitter|-Verlag veröffentlicht wird.

In dieser vielversprechenden Serie wird das Schicksal eines gebeutelten Landes beschrieben, das erst vor kurzem von einigen furchtbaren Drachen heimgesucht wurde. Niemand weiß, wo sie herkamen, noch ist bekannt, welche Ziele sie verfolgen, denn bis auf Vernichtung und monströse Verzauberungen haben sie den noch verbliebenen Menschen und Tieren nichts weiter hinterlassen. Während die Zahl der mutierten Lebewesen von Tag zu Tag steigt, hat sich eine Riege von Jungfrauen zusammengeschlossen, um der Gefahr zu trotzen und sich ihrer zu entledigen, dies jedoch nicht mit Unterstützung aller Bedrohten.

So trifft die Protagonistin Jaina von Beginn an ständig auf Widerstand und muss sich sowohl mit rechthaberischen Taugenichtsen als auch mit einigen mysteriösen Priestern auseinandersetzen, die sie nicht für würdig befinden. Die Vorstellung davon, dass eine Frau den Frieden bringen und das Land retten soll, scheint für einen Teil der männlichen Bevölkerung befremdend und realitätsfern und kann deswegen auch nicht geduldet werden. Doch jenseits der Emanzipation verschaffen sich Jaina und ihre Knappin Ellys Gehör, gehen ihren Weg und treffen schließlich auch auf einen Drachen. Allerdings bringt dieses Aufeinandertreffen auch für beide eine fürchterliche Gewissheit. Jaina erfährt mehr über den Verbleib ihrer Schwester, und Ellys realisiert, dass sie auf dem Weg hierhin einen schweren Fehler begangen hat.

Obwohl es sich im Grunde genommen um eine abgeschlossene Geschichte handelt, scheint „Jaina“ in der Tat nur ein erster Vorgeschmack auf die Dinge, die da noch kommen werden, zu sein. Der Comic liefert die Hintergründe über die Ereignisse, die sich im Vorfeld zugetragen haben und bietet so den Einstieg in die Welt der Drachenritter und ihrer Gegner. Aus diesem Grund kommt auch der Spannungsaufbau noch etwas behäbig voran, entwickelt sich jedoch zum Ende hin mit einigen rasant inszenierten Überraschungen und stellt letztendlich auch all diejenigen zufrieden, die von „Die Legende der Drachenritter“ einen spannenden Fantasy/Abenteuer-Comic erwartet haben. Selbst die mal wieder bemühten Klischees, bezogen auf die Stellung der femininen Fraktion, wirken diesbezüglich weniger störend und fügen der Geschichte stattdessen sogar eine leicht humoristische Note hinzu. Und da man sich zum Ende hin genau von eben jenen Klischees deutlich löst, ist es schon fast wieder überflüssig, diese überhaupt noch mit in die Diskussion aufzunehmen.

Ergo: Eine neue Serie beim |Splitter|-Verlag, ein neuer Volltreffer. Ganz so stark wie „Ishanti“ oder „Marlysa“ ist der erste Band der „Legende der Drachenritter“ zwar noch nicht, aber man darf guter Hoffnung sein, dass sich hier mit wachsendem Umfang eine weitere lohnenswerte Fantasy-Reihe entwickelt. Fürs Erste hat „Jaina“ auf jeden Fall voll und ganz überzeugt.

http://www.splitter-verlag.de/

Alan Byrne – Die Abenteuer von Phil Lynott & Thin Lizzy

Der unmissverständliche Titel dieses Buches macht schon vor Beginn des Lesevergnügens klar, das sich der Autor hier nicht nur mit der Geschichte der Band THIN LIZZY auseinandergesetzt hat, sondern sich darüber hinaus auch eingehend mit jenem Charakter befasst, der diese Formation quasi personifizierte: Phillip Parris Lynott.

In insgesamt 15 Kapiteln, die den Werdegang von Lynott und seiner Band chronologisch abhandeln, lässt Autor Alan Byrne die Geschichte jenes Mannes noch einmal Revue passieren, der zeit seines Lebens immerzu mit genialen Kompositionen aufhorchen hat lassen, jedoch nahezu zeitgleich auch von seinen persönlichen Problemen gestoppt wurde. Recherchiert und aufgearbeitet wurde die Geschichte des Künstlers Lynott, begonnen bei seiner Herkunft und weit über seinen Tod am 4. Jänner 1986 hinaus. Zudem wurde auch mit Bildmaterial nicht gespart, so dass neben unzähligen gelungenen Live-Shots auch einige Impressionen aus dem Privatleben des Phillip Lynott in diesem Buch zu bestaunen sind.

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Pickard, Nancy – Schneeblüte

|Wenn man sich die Preise anschaut, die Nancy Pickard für ihre Kriminalromane bereits eingeheimst hat, erwartet man eigentlich eine spannende Geschichte in „Schneeblüte“. Eigentlich …|

1987 findet der junge Rex zusammen mit seinem älteren Bruder Patrick und seinem Vater, dem Sheriff des kleinen Örtchens Small Plains, die Leiche einer jungen Frau im Schnee. Es wird nie geklärt, wer sie ist oder woher sie kam, denn niemand im Dorf scheint sie zu kennen.

In der gleichen Nacht wollen Abby und Mitch zum ersten Mal miteinander schlafen, doch als Mitch aufsteht, um aus der Hauspraxis von Abbys Vater, der der örtliche Arzt ist, Präservative zu holen, kehrt er nicht mehr zurück. Als Abby am nächsten Morgen bei seinen Eltern klingelt, erfährt sie, dass sie ihn weggeschickt haben, weil er sie angeblich nicht mehr sehen wollte.

Siebzehn Jahre vergehen. Abby und Rex sind mittlerweile erwachsen und die Identität der jungen Toten ist immer noch nicht geklärt. Sie liegt in einem anonymen Grab auf dem Friedhof von Small Plains und hat über die Jahre den Status einer Wunder vollbringenden Jungfrau bekommen.

Es ist der Tod von Mitchs Mutter, der Abby aufweckt und sie daran erinnert, dass die junge Frau immer noch anonym ist. Sie versucht Rex, der mittlerweile das Amt seines Vaters übernommen, zu überreden, den Fall nochmals aufzurollen. Zufällig taucht zur gleichen Zeit Mitch wieder auf, dem man nach dessen Verschwinden vor siebzehn Jahren nachsagte, er könnte das Mädchen umgebracht haben. Abby, die sich immer noch von ihm angezogen fühlt, steht vor einem großen Konflikt …

„Schneeblüte“ ist eines dieser Bücher, die man nach der Lektüre mit einem schalen Beigeschmack zur Seite legt und feststellt, dass man doch nur Zeit verschwendet hat.

Nancy Pickards Roman weist eine Handlung auf, die durchaus schlüssig ist. Sie beginnt mit einem in der Vergangenheit liegenden Leichenfund, der dessen Beteiligte auch nach Jahren noch beschäftigt. Die Autorin versucht auch Spannung aufzubauen, indem sie die wirklichen Wesenszüge einiger Figuren im Dunkeln lässt und dem Leser Einblicke gewährt, die die Hauptpersonen nicht haben.

Trotzdem kommt während des Lesens kaum Spannung auf. Das Buch zieht sich in die Länge, weist immer wieder unnötige Passagen auf (in denen es vornehmlich um die weiblichen Probleme von Abby geht) und hat so gut wie keine sich steigernden Spannungsstufen. Seite für Seite tröpfelt das Geschehen vor sich hin, mal mehr, mal weniger vorhersehbar.

Vorhersehbar ist ein Wort, das man im Zusammenhang mit diesem Buch nicht nur einmal verwenden kann. Die Charaktere sind leider recht einfach gestrickt, geradezu oberflächlich, langweilig. Abby erscheint wie die lockerluftige Dauersinglechaotin eines Frauenromans, und das ist nicht gerade die perfekte Besetzung für ein Buch, das sich „Thriller“ nennen lassen möchte.

Hinzukommt eine klischeehafte Schwarzweißzeichnung der Dorfbevölkerung. Es gibt den Bad Boy, der vom College fliegt, wovon aber niemand etwas wissen soll, und der selbst nach siebzehn Jahren immer noch etwas unreif wirkt und zu Gewalt neigt. Es gibt die Dorfseelen, die Dorfhexen und all diese unbescholtenen Bürger, deren einziger Fauxpas zu sein scheint, in den Fall von vor siebzehn Jahren verwickelt gewesen zu sein, was ihnen aber niemand ansieht, weil sie sich wie normale Menschen benehmen. Nancy Pickard scheint voll und ganz auszuklammern, dass selbst die beste Dorfseele ihre Abgründe hat und dass die Menschen eben nicht immer nur nett zueinander sind.

Dummerweise ist der Schreibstil Pickards genauso belanglos wie die Handlung und die Personen. Gerade Letztere fallen an dieser Stelle noch mal negativ auf, da die Autorin zu exzessiven Personenbeschreibungen neigt, die sie nicht in den Erzählfluss einbettet. An solchen Stellen entstehen Brüche, die nicht hätten sein müssen und vielleicht hätten verhindert werden können, wenn Pickard sich dazu aufgerafft hätte, etwas spannender zu schreiben. Stattdessen reiht sie einen wenig tiefgründigen Satz an den anderen und stürzt den Leser damit in verzweifelte Langeweile.

Beim besten Willen, nein. Es ist sehr schwierig, an „Schneeblüte“ auch nur ein gutes Haar zu lassen. Die Handlung schleppt sich so langsam dahin wie ein trister Tag im Herbst, die Charaktere sind sehr oberflächlich und der Schreibstil glänzt durch seine Langeweile. Langeweile ist wohl der beste Begriff für ein Fazit zu diesem Buch von Nancy Pickard, denn viel mehr weiß selbiges nicht zu bieten.

http://www.rowohlt.de

Harris, Lawrence H. / Avalon Hill – Axis & Allies – Battle of the Bulge

_Die Schlacht in den Ardennen_

Zum Ende des zweiten Weltkriegs startete die deutsche Wehrmacht unter dem Decknamen ‚Wacht am Rhein‘ eine der letzten Gegenoffensiven und verwickelte dabei sowohl die britische als auch große Teile der amerikanischen Besatzung in eines der blutigsten Gefechte der Kriegsgeschichte. An der belgisch-deutschen Grenze, im Gebiet der Eifel, begann ein radikaler Vormarsch, der die deutsche Armee bis nach Antwerpen führen sollte, wo man den Hafen einnehmen und so verhindern wollte, dass das angloamerikanische Bündnis neue Truppen in Belgien landen konnte. Die überraschende Attacke führt auf Seiten der Deutschen schnell zum Erfolg und hätte beinahe auch das Ziel, die alliierten Mächte zu teilen, erreicht. Doch nach einer verhängnisvollen Schlacht im Hürtgenwald und einem letzten Aufbäumen gelang den verbündeten Westmächten ein effektiver Gegenschlag, der die Pläne der Deutschen vereitelte. Die deutschen Kräfte konnten ihre eigenen Truppen nicht mehr mit Vorräten und Waffen versorgen und waren gezwungen, sich den Alliierten geschlagen zu geben. Dennoch: Man hatte eine riesige Beule in der feindlichen Front geschaffen und einen der denkwürdigsten Angriffe der deutschen Kriegshistorie gestartet.

Genau dieses Szenario wird nun auch vom neuesten Brettspiel aus der „Axis & Allies“-Edition aufgegriffen. In „Battle of the Bulge“ stehen sich die westlichen Alliierten und die Divisionen der deutschen Offensive erneut gegenüber. Vertreter beider Seiten haben hier die Aufgabe, ihr taktisches Geschick unter Beweis zu stellen und bei der Nachstellung dieser Schlacht ein jeweils besseres Ende herauszuschlagen als das tatsächliche aus dem Jahre 1944. Und dieses Mal gibt es wirklich kein Erbarmen mehr.

_Spielidee_

Wiederum stehen sich die beiden großen Kriegsfronten gegenüber und versetzen zwei Spieler in ein vergangenes Szenario, welches nun im Spiel einen ganz anderen Verlauf haben kann. In insgesamt acht Runden fechten Deutsche und Alliierte um die Vorherrschaft in den Ardennen, sowohl am Boden als auch in der Luft. Die Ziele orientieren sich dabei am Verlauf dieses historischen Ereignisses, so dass am Ende derjenige gewonnen hat, der die Geschichte zu seinen Gunsten verändern konnte. Während die Deutschen Gebiete im Wert von 24 Punkten erobern müssen und damit erfolgreicher abschneiden würden als vor 60 Jahren, gilt es für die Vereinigung aus amerikanischen und britischen Einheiten, genau diesen Vorstoß zu verhindern. Jede Seite hat also individuell einen offensiven bzw. defensiven Auftrag, der in diesen acht Spielrunden zu erfüllen ist. Gelingt dies nicht, hat automatisch der Gegenspieler gewonnen.

_Spielmaterial_

• 1 Spielbrett
• 1 Regelheft
• 12 12-seitige Würfel
• 1 Rundenmarker
• 1 Siegpunktmarker
• 1 Axis-Nachschubtafeln
• 3 Allies-Nachschubtafeln
• 2 Rundenblaufstafeln
• 72 Einsatzkräfte der Deutschen (darunter 23 Infanterie, 16 Panzer, 23 Artillerie, 6 Trucks, 3 Kampfflugzeuge, 1 Bomber)
• 69 Einsatzkräfte der Amerikaner (darunter 20 Infanterie, 12 Panzer, 17 Artillerie, 12 Trucks, 9 Kampfflugzeuge, 2 Bomber)
• 16 Einsatzkräfte der Briten (darunter 4 Infanterie, 4 Panzer, 4 Artillerie, 3 Kampfflugzeuge, 1 Bomber)
• 36 Frontmarker
• 6 Kampfstreifen
• 110 Nachschubmarker
• 135 Plastikchips

Hinsichtlich der Masse ist „Axis & Allies – Battle of the Bulge“ mal wieder ein echtes Fest. Insgesamt 157 kleine Plastikminiaturen enthält die graphisch sehr schön aufgemachte Schachtel zu „Battle of the Bulge“, dazu reichlich Marker, Tafeln und die von der Idee her vorbildlichen Kampfstreifen. Zwar sind die Miniaturen qualitativ nicht so hochwertig, wie man es vom Tabletop kennt, doch da die wichtigsten Details enthalten sind und sich das Material zum Spielen bestens eignet, kann man darüber geflissentlich hinwegsehen. Die Bespielbarkeit ist bei „Battle of the Bulge“ das Maß aller Dinge und dank des übersichtlichen Aufbaus der Tafeln auch weitestgehend gewährleistet. Lediglich der Spielplan bereitet einem manchmal Probleme, weil die einzelnen Spielflächen, gekennzeichnet durch Sechsecke, zwischen den Frontlinien, Straßenverbindungen und den darauf gesetzten Armeen kaum noch richtig zu erkennen sind. Und da es an den Kampfschauplätzen manchmal recht eng wird, ist dies zwischenzeitlich ein echter (wenn auch der einzige) Nachteil des Basisaufbaus dieses Spiels.

_Die Einheiten_

Auf beiden Seiten stehen in unterschiedlichen Mengen Infanterieeinheiten, Panzer, Artilleriegeschütze, Kampfflugzeuge, Bomber und Trucks zur Verfügung, die allesamt verschiedene Fähigkeiten haben. Abgesehen vom Truck handelt es sich hier einzig und allein um Angriffseinheiten mit verschiedenen Kampfstärken und Bewegungsmöglichkeiten. Eine einfache Infanterieeinheit kann sich zum Beispiel pro Zug nur in ein benachbartes Sechseck bewegen und hat auch nur eine Kampfkraft von einem Würfel. Bei einem Panzer sieht das natürlich schon anders aus; er ist mobil und kann beliebig viele Sechsecke über Verbindungsstraßen weiterziehen und hat zudem auch eine stärkere Kampfkraft (zwei Würfel). Die Artillerie ist sogar noch stärker und bringt einem beim Angriff drei Würfel, wobei die Bewegung wiederum nur auf ein angrenzendes Sechseck beschränkt ist. Allerdings können sowohl Infanterie als auch Artillerie mit Hilfe der Trucks an andere Orte auf dem Spielfeld befördert werden, solange es sich dabei um Zonen handelt, die nicht von Feindeshand geführt werden. Ein Truck hat somit die Aufgabe der grundlegenden Versorgung mit Nahrung, Benzin und neuen Bodeneinheiten.

Die beiden Flugzeugtypen gelangen erst später ins Spiel, nämlich in der fünften Spielrunde. Damit verfolgen die Macher den Hintergrund, die Schlacht so authentisch wie nur möglich nachzustellen, und weil einst das Wetter einen vorzeitigen Luftkampf nicht erlaubte bzw. dieser erst nach Fortschreiten des Konflikts gestartet wurde, kommen auch im Brettspiel die fliegenden Einheiten erst im späteren Verlauf zum Zuge.

Als Letztes gibt es noch Versorgungs- bzw. Nachschubmarker, die ebenfalls nur mittels der Trucks transportiert werden können. Sie dienen quasi als Zahlungsmittel für eine Bewegung oder einen Angriff, und ohne sie ist man von Sechseck zu Sechseck dazu gezwungen, die dort stationierten Einheiten passiv zu behandeln.

_Das Spielfeld_

Auf dem Spielbrett ist ein Teilausschnitt der Landkarte Westeuropas abgebildet, der auf der westlichen Seite durch die Grenze zwischen Frankreich und Belgien und auf der östlichen Seite von Städten wie Bitburg (Süden) und Monschau (Norden) begrenzt ist. Das Feld ist in aneinander grenzende Sechsecke unterteilt, zeigt verschiedene, kreuzende Hauptverbindungswege, weitere Städte mit unterschiedlicher Wertigkeit, die von den Deutschen erobert werden müssen, die Front zu Beginn des Kampfs sowie Abbildungen der Starteinheiten, die die Spieler in der Vorbereitungsphase des Spiels in Nähe der Frontlinie positionieren müssen. Weiterhin sind Barrieren wie Flüsse eingezeichnet, die nur von der Infanterie überquert werden können. Alles in allem handelt es sich hierbei um eine sehr realistische, wenn auch etwas blass dargestellte Graphik des Ardennengebiets, auf der jedoch auch deutlich wird, dass die deutschen Armeen noch sehr weit von ihrem Ziel Antwerpen, welches nicht mal mehr auf der Karte zu sehen ist, entfernt waren.

_Vorbereitungen_

Nachdem sich die Spieler entschieden haben, welche Seite sie im Spiel bewegen werden, nehmen sie dementsprechend ihre Einheiten auf. Der Spieler der Deutschen bekommt alle schwarzen Einheiten, der Spieler der Alliierten alle grünen (USA) und beigefarbenen (England). Anschließend verteilt man Teile seiner Einheiten auf den Nachschubtafeln und, so wie dort angegeben, in die Nähe der Startfrontlinie auf dem Spielplan. Diese Startfrontlinie wird nun mit den entsprechenden Markern noch einmal verdeutlicht und mit ihnen auch im späteren Spiel weiter verschoben. Als Letztes positioniert man die Kampfstreifen so unter das Spielbrett, dass sie mit ihrem Fingerloch am unteren Ende herausragen.
Für den weiteren Spielablauf empfiehlt sich nun noch, dass beide Spieler in direkter Nähe zu ihren Armeen sitzen.

_Spielverlauf_

„Battle of the Bulge“ wird in insgesamt acht festgeschriebenen Spielrunden ausgetragen, wobei sich die Spielrunden insofern voneinander unterscheiden, dass ab der fünften Runde die Phase Luftkampf hinzukommt. Gehen wir vom Verlauf ab dieser Runde aus, sieht der Ablauf des Spiels in chronologischer Form wie folgt aus:

• Luftkampf
• Bodenkampf
• Bewegung und Nachschub
• Kampfentwicklungen kennzeichnen

|1.) Luftkampf|

Zu Beginn dieser Phase werfen beide Spieler einen Würfel und entscheiden nun, wer mit dem Luftkampf beginnt. Der Startspieler nimmt nun alle seine Flugzeuge und positioniert sie auf eines der Sechsecke auf dem Spielfeld – dies darf auch eine vom Gegner kontrollierte Zone sein. Anschließend tut es ihm der zweite Spieler gleich. Jetzt kommt es direkt zum Kampf, und dies in drei untergeordneten Phasen, die jedoch nicht dringend ausgetragen werden müssen. Ein ‚Dogfight‘ findet zum Beispiel nur dann statt, wenn auf einem Feld zwei gegnerische Flugeinheiten gelandet sind. Beide Spieler nehmen nur entsprechend der Anzahl ihrer Flieger Würfel und bekämpfen sich damit gegenseitig. Jede Würfelzahl von 1-6 ergibt einen Treffer. Um zu markieren, wie diese Treffer verteilt werden, nimmt man nun den Kampfstreifen für die Flugzeuge unter dem Brett so weit heraus, dass die Anzahl der Flugzeuge einer Seite damit übereinstimmt. Nach einem vorgeschrieben Schema werden nun die Treffer verteilt. Jedes getroffene Flugzeug wird sofort zerstört.

Anschließend greifen die Bodentruppen der von Fliegern besetzten Sechsecke an. Für jeden Typ einer Einheit (Infanterie, Artillerie, Panzer) verwendet man einen Würfel und landet auf dem herausgezogenen Kampfstreifen möglicherweise erneut Treffer. Sollten diese Aktion dennoch einige Flugzeuge überlebt haben, startet nun der Luftangriff auf dieses Gebiet. Für jeden Bomber darf man vier Würfel zur Hand nehmen; jedes Kampfflugzeug bringt einen Kampfwürfel. Entsprechend der Anzahl der gegnerischen Einheiten in diesem Sechseck werden nun die Kampfstreifen aller vertretenen Einheiten herausgezogen. Würfelergebnisse zwischen 1-6 sind Treffer; sollte eine Angriffseinheit einmal getroffen werden, darf sie auf ein angrenzendes Feld zurückgedrängt werden. Zwei oder mehr Treffer vernichten diese Einheit. Wenn sich der Kampf auf mehr als sechs Ziele konzentriert, werden zunächst die Treffer ausgewürfelt und mit den zugehörigen Würfeln in einem zweiten Wurf noch die Verteilung der Schäden ausgehandelt.

|2.) Bodenkampf|

Auch im Bodenkampf wird zunächst die Initiative, d. h. der Startspieler ausgewürfelt. Der Gewinner greift als Erster an und wählt nun Schritt für Schritt den Standort des Angriffs und das Ziel. Er kann jedoch nur dann angreifen, wenn er einen Versorgungsmarker an seinem aktuellen Standort ausliegen hat. Diese wendet er schließlich im Falle eines Angriffs und richtet den auf der Rückseite abgebildeten Pfeil zum Zielfeld aus. Es ist auch möglich, direkt zwei anliegende Felder zu attackieren, allerdings müssen hierzu die Einheiten aufgeteilt und auch ein zweiter Marker bezahlt werden. Will man jedoch schneller voranschreiten, ist dieser Vorgang unabwendbar.

Für jedes Ziel werden nun die einzelnen Kampfstreifen vorbereitet, also pro angegriffener Einheit um jeweils eine Position vorgezogen. Anschließend nimmt man abhängig von der eigenen Gesamtkampfkraft Würfel und startet damit den Kampf. Anschließend teilt man den Gegnern Schaden zu, verschiebt und vernichtet sie möglicherweise und führt das Ganze im nächsten Kampfszenario fort. Jede Einheit darf pro Runde nur einmal am Kampf beteiligt sein; ergeben sich keine Möglichkeiten des Angriffs mehr, ist der Gegenspieler an der Reihe. Am Ende der Bodenkampfphase werden alle umgedrehten Versorgungsmarker vom Spielfeld entfernt.

|3.) Bewegung und Nachschub|

In dieser Phase frischt man nun seine Einheiten auf und bewegt sich nach erfolgreichem Kampf weiter vorwärts. Hierbei müssen die Regeln zur Bewegungsreichweite der verschiedenen Einheiten beachtet werden. Wer seine Einheiten von einem Sechseck in ein angrenzendes verschiebt, muss für die gesamte Truppe einmalig einen Versorgungsmarker entrichten. Der Fortbewegung sind dabei auch Grenzen durch feindliche Gebiete gesetzt. Sobald man beispielsweise mit einem Panzer eine größere Strecke der Straße voranzieht und auf einem angrenzenden Feld zu einem Gegner landet, muss man die Bewegung dort sofort stoppen. Dies ist besonders entscheidend, wenn es darum geht, später einen Keil durch die gegnerische Defensive zu schlagen. Ein Loch, das von nur einem Sechseck bestimmt wird, ist daher noch keine Voraussetzung zum Durchmarsch.

Weiterhin muss noch beachtet werden, dass in jedem Sechseck nur zwölf Einheiten und davon höchstens drei Artillerie, sechs Infanterie und sechs Panzer erlaubt sind.

Bei einer Fortbewegung in ehemals feindliches Gebiet besteht die Möglichkeit, Trucks und Versorgungsmarker des Gegners vorzufinden. Diese gehen nun in den eigenen Besitz über und können im nächsten Zug verwendet werden.

Sobald die Bewegungen abgeschlossen sind – der Spieler der Deutschen darf übrigens immer als Erster ziehen – kann man abhängig von der jeweiligen Spielrunde neue Truppen an den Rand der eigens besetzten Gebiete rekrutieren. Die zugehörigen Tafeln geben ganz genau vor, wann man wo welche Einheit hinzufügen darf. Dies ist auch die einzige Möglichkeit, große Verluste wieder auszugleichen, weil zu keinem anderen Zeitpunkt neue Truppen ins Spiel kommen.

Nun darf man zusätzlich noch alle freien Trucks einsetzen. Sie haben eine Tragfläche für sechs Einheiten oder Marker und lenken diese entlang der Straßen bis zu einem gewählten Ort. Auf ihrem Weg (höchstwahrscheinlich zur Front) dürfen sie noch freie Plätze mit weiteren Infanterie- und Artillerieeinheiten sowie Versorgungsmarkern füllen, dürfen ihre gesamte Ladung allerdings erst wieder am Zielort abladen. Für einen Truck muss man keine Kosten aufbringen; er ist nicht nur die einzige Möglichkeit, Versorgungsmarker weiterzutransportieren, sondern auch alleine dazu imstande, Truppen schneller an die Front zu bringen. Um einen weiteren Nachschub mit Markern zu gewährleisten, bekommen die Alliierten pro Runde elf und die Achsenmächte neun neue Versorgungsmarker, die sie mit ihren Trucks auf dem Spielfeld verteilen können.

|4.) Kampfentwicklungen kennzeichnen|

Im letzten Zug einer Runde wird das Spielbrett auf den neuesten Stand gebracht. Die Frontlinie wird verschoben, sobald sich hier Veränderungen aufgetan haben, und gleichzeitig wird auch der Fortschritt der Siegpunkte, die der Spieler der deutschen Armee für die Eroberung bestimmter Städte erhält, dokumentiert. Zum Schluss wird der Rundenmarker ein Feld weiter geschoben, bis schließlich die achte Runde und damit das Spiel endet.

_Endabrechnung_

Am Ende des Spiels werden nun die eroberten Städte gewertet. Sollte es dem Spieler der Wehrmacht tatsächlich gelungen sein, so viele Teile des feindlichen Gebiete einzunehmen, dass er damit 24 Siegpunkte erzielt hat, hat er das Spiel gewonnen und damit mehr Erfolg gehabt als die echten Streitkräfte im Jahre 1944. Andernfalls haben die alliierten Besatzungskräfte mit ihren geschickten Defensivtaktiken den Sieg errungen.

_Meine Meinung_

In Kritiken und Beschreibungen zu „Axis & Allies“ wird immer darauf eingegangen, dass das Spiel mitunter 5-6 Stunden dauern kann, also auch nur etwas für langatmige Interessenten ist. Der Verlag, |Avalon Hill|, macht daraus keinen Hehl und schreibt auch direkt auf die Vorderseite der Schachtel, dass eine Spielzeit von 3-4 Stunden auf jeden Fall möglich ist. Genau dort pendelt sich „Battle of the Bulge“ auch ein, wenngleich die Erfahrung gezeigt, hat, dass die erste Partie noch wesentlich länger dauert, weil es zunächst noch einige Unklarheiten mit den Regeln, im Speziellen mit der Verteilung des Angriffsschadens gibt.

Nun stellt sich eingangs natürlich erst einmal die Frage, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt bzw. ob nicht irgendwelche Längen den Verlauf einer Partie überschatten. Ich persönlich konnte mir das nach dem ersten groben Überblick über den Ablauf eines Spiels gar nicht vorstellen, weil acht Runden als ziemlich schnell absolviert eingeschätzt wurden, zumal die Alliierten in der Angriffphase der ersten Runde passiv bleiben. Wie sich dann aber herausstellte, nimmt eine Runde bereits nach mehrmaliger Aufstockung immer eine gute halbe Stunde in Beschlag, weil andauernd geschoben, gewürfelt und natürlich auch taktiert wird. Doch zurück zur Frage: Wird das Ganze dann nicht langweilig, gerade auch weil die Parallelen zu Klassikern wie „Risiko“ sehr deutlich sind?

Eine Antwort auf diese Frage zu finden, war indes sehr leicht, denn schon nach den ersten echten Schlachten auf dem Spielfeld von „Axis & Allies – Battle of the Bulge“ hat mich das Ganze ob der hochwertigen strategischen Komponente vollends überzeugt. Das System mit der Verteilung der Schadenspunkte ist, wenn man es erstmal durchschaut hat, absolut innovativ und originell, die Spannung eigentlich über die ganze Zeit am Siedepunkt, weil sich die Partie meistens tatsächlich erst in der letzten Runde entscheidet, und die Idee, eine reine Defensivkraft gegen die von Osten kommende Offensive der Deutschen zu setzen, fantastisch umgesetzt. So ist „Battle of the Bulge“ nämlich gleich 2 in 1: Einmal nämlich ein Spiel, in dem man rücksichtslos erobern kann, und zum anderen natürlich eine echte Verteidigungsschlacht, bei der meist der Erfolg der Luftwaffe das entscheidende Zünglein an der Waage ist.

Dennoch hat sich nach und nach die Meinung entwickelt, dass die Voraussetzungen nicht für beide Spieler gleich ist. Die Alliierten sind nicht nur besser besetzt, unter anderem eben in Sachen Luftwaffe, sondern haben im direkten Kampf deutliche Vorteile, weil sich die zu erobernden Gebiete – zumindest die lukrativen – in der Mitte des Spielplans befinden und es im Grunde genommen ein Leichtes ist, seine Einheiten dort zu versammeln und einen großen Verteidigungswall zu bilden. Der deutsche Spieler hingegen kann nur vorankommen, wenn er alle Einheiten eines Sechsecks eliminiert oder verschoben hat, und bleibt auch nur eine einzige übrig, können die Alliierten in der Bewegungsphase wieder nachrüsten und vorstoßen, so dass die Effizienz der gezielten Angriffe auf lange Sicht nicht wirklich gleich ist. Dies ist letztendlich nicht dramatisch, weil es sich im Prinzip lediglich um marginale Unterschiede handelt, aber aufgefallen ist es allemal.

Es sind ein paar Kleinigkeiten, die mir an „Axis & Allies – Battle of the Bulge“ ein wenig störend aufgefallen sind, wie etwa die vergleichsweise undeutliche Darstellung der Sechsecke oder das Chaos, das manchmal entsteht, wenn sich zu viele Einheiten auf einen zentralen Punkt konzentrieren. Doch im Grunde genommen wird davon weder der Spaß noch der Spielfluss in irgendeiner Weise negativ beeinträchtigt. Insgesamt überwiegt nämlich in wirklich allerlei Hinsicht die Begeisterung über diese fantastische Taktikschlacht in den Ardennen und damit auch über die Tatsache, dass alle Befürchtungen, das Spiel würde sich unnötig ziehen, bereits in der ersten Partie widerlegt wurden. Zu kritisieren ist lediglich der hohe Preis. Zwar wird in der üppig bestückten Schachtel einiges an Material geboten, doch Preise jenseits der 50-€-Marke halte ich persönlich für unangebracht; zumal es für vergleichbar günstigere Preise auch ähnlich fett aufgemachte Brettspiele mit weitaus edlerem Material gibt. Der enorme Spielspaß rechtfertigt einen Teil dessen, ist aber leider keine ausreichende Begründung für die Preispolitik. Diesen kleinen faden Beigeschmack muss man aber schließlich in Kauf nehmen, um diese Perle des kriegerischen Brettspiels kennen zu lernen.

http://www.universal-cards.com
http://www.wizards.com/
http://www.avalonhill.com/

Vandemaan, Wim – Atlan – Totentaucher (Lepso-Trilogie, Band 1)

_Hintergrund_

Die Geschichte um den berüchtigten Lordadmiral Atlan begann bereits Ende der Sechziger, als er sich als Mitglieder der |United Stars Organisation| innerhalb der „Perry Rhodan“-Heftreihe einer zunehmenden Beliebtheit erfreute und schließlich seine eigene Serie bekam. Der Titelheld war dabei zunächst noch an die Vorgaben seiner Rolle als Mitglied der USO gebunden, entwickelte sich jedoch nach und nach immer mehr zu einer unabhängigen Abenteuerfigur, die den großen Übervater Perry Rhodan nicht mehr benötigte, um sich in der Gunst der Fans der Weltraumsaga nach oben zu katapultieren. Dennoch sollte dann 1988 vorerst mit „Atlan“ Schluss sein; die Serie wurde nach 850 Magazinen eingestellt, später dann noch einmal kurz wiederbelebt, aber nicht mehr ernsthaft weitergeführt. In Vergessenheit geraten ist der einstige Kristallprinz indes nicht, und so kommt dem Erkrather Verlag |Fantasy Productions| nun die Ehre zu, das erneute Comeback des Sternenhelden zu publizieren, und dies dann gleich in einer sehr komplexen Roman-Trilogie. Doch wird der erste Band dieser neuen Serie, „Totentaucher“, auch tatsächlich den hohen Erwartungen gerecht?

_Story_

In der niederträchtigen Freihandelswelt Lepso wird öffentlich der Tod Atlans verkündet. Die gesamte Bevölkerung wird Zeuge eines allerorts visuell inszenierten Mordschauspiels, dem der Lordadmiral zum Opfer gefallen sein soll. Doch Atlan erfreut sich in Wahrheit bester Gesundheit und ist selber erstaunt, als ihm die Aufzeichnungen zugespielt werden. Warum sollte jemand Interesse daran haben, den Tod des mächtigen USO-Mannes vorzutäuschen? Kurzerhand begibt sich der Lordadmiral auf einen Erkundungsflug nach Lepso, um dort den wahren Hintergründen für diese Intrige auf die Spur zu kommen. Mit Hilfe der beiden Agenten Olip a Schnittke und Chrekt-Chrym – ein topdidischer Mutant, der in der lage ist, für kurze Zeit mit den Toten zu sprechen – gelingt es ihm schon sehr schnell, die Leiche des falschen Atlan in seinen Besitz zu bringen und seine Herkunft zu analysieren. Dabei stellt sich heraus, dass der Tote eine seltsame Außenhaut, ein Relikt des Volkes der Tyarez, um seinen realen arkonidischen Körper getragen hat und eigentlich schon seit einer halben Ewigkeit als verschollen gilt. Doch was führt die Tyraez nach Lapso?

Atlan und seine Kumpanen stoßen bei ihren weiteren Ermittlungen ständig auf neue Fragen, jedoch auch auf massive Bedrohungen. Die Technik der Tyarez scheint in der gesamten Galaxis gefragt, und auch Agenten des Diktators Dabrifa sowie Mitglieder des SWD haben Interesse daran, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Erst als in der Wohnung des Topsiders zwei seiner Stammesvertreter und später a Schnittke den brutalen Methoden der Gegenseite das endgültige Opfer bringen müssen, wird sich Atlan bewusst, wie verworren die Geschichte um seinen Scheintod in Wahrheit ist. Wer ist Freund und wer Feind? Und was haben die Toten wirklich zu verbergen?

_Meine Meinung_

Wim Vandemann alias Dr. Hartmut Kasper stand bei der Wiederbelebung des populären Science-Fiction-Charakters Atlan sicher vor keiner leichten Aufgabe und hat dementsprechend versucht, sehr viele Ideen in seine komplexe Haupthandlung einzubringen. Genau dies erweist sich jedoch über die gesamte Dauer des Romans als ein ziemlich großes Problem, denn bis zur letzten Seite wird nie so richtig klar, worauf der Mann nun hinaus will bzw. was jetzt tatsächlich Inhalt der Geschichte ist. Der Autor unternimmt viele schwer nachvollziehbare Gedankensprünge, wechselt noch vor dem Spannungshöhepunkt einer jeden Situation den Handlungsschauplatz und bringt nur selten einen der unzähligen Nebenplots mal konsequent zu Ende. Das erweckt zwischenzeitlich den Eindruck, als würde der Autor ständig unter Strom stehen, so viel Inhalt wie möglich auf den insgesamt 328 Seiten unterzubringen, ohne dabei inhaltlich jedoch auch wirklich viel zu sagen.

Das, was Vandemaan hingegen an Ideen aufbietet, ist wirklich klasse. Die Geheimnisse der verborgenen Tyarez, dann die vielen unscheinbaren und eigenartigen Charaktere – beispielsweise die bis zum Schluss kaum durchschaubare Briseis sowie ihr Bruder Ghogul – und dazu natürlich die Eigenschaften der verschiedenen Mutanten, die in dieser verzwickten Erzählung zum Einsatz kommen. All das lockert die Sache ungemein auf und entwickelt im Leser auch nach und nach die Faszination für die einzelnen Geschehnisse. Schwierig ist halt nur, dem Aufbau der Geschichte durchgehend zu folgen. Sowohl auf logischer als auch auf inhaltlicher Ebene gibt es zu viele Ungereimtheiten und damit auch eine breite Basis für Missverständisse. Letztere ereignen sich leider dann auch relativ häufig, sei es nun, weil man die verschiedenen Kulturen und ihre Funktionen am Ende kaum noch unter einen Hut bringen kann, oder aber weil Vandemaan aufgrund der viel zu raschen Themenwechsel irgendwann bewirkt, dass man gar nicht mehr weiß, welche der Hauptfiguren sich gerade in welcher Ausgangssituation befindet – und wenn dann zum Beispiel plötzlich wieder Namen wie Briseis oder Chrekt-Chrym ins Spiel kommen, fragt man sich, wo die letzte Passage, in denen sie aufgetaucht sind, geendet hat.

„Totentaucher“ bietet leider viel Verworrenheit, wo sie gar nicht erst hätte sein dürfen. Mit erhöhter Konzentration wird man sicherlich dazu imstande sein, dem Roman zu folgen, aber der Autor macht es einem im Grunde genommen auch ziemlich leicht, in Windeseile die Orientierung und den Faden zu verlieren, der bereits kurze Zeit später kaum noch aufzunehmen ist.

Dies bedeutet aber auch, dass „Totentaucher“ seinen Platz im Perry-Rhodan-Universum gefunden hat; er ist einer der komplexesten Romane, die mir seit langem untergekommen sind, wenn auch in Sachen Verständnis trotz fehlender überflüssiger Rückblenden ein echter Problemfall. Dem gegenüber steht allerdings eine Handlung mit vielen interessanten, leider nicht allzu anschaulich umgesetzten Ideen und obendrein mit einer teils überzogenen Brutalität.

Für Einsteiger in die Serie ist dieses Buch deshalb auch sicherlich nicht geeignet, und das wiederum ist ja eigentlich auch seltsam, schließlich haben wir es hier mit dem ersten Band der neuen „Atlan“-Serie zu tun. Ohne ein gewisses, in den „Perry Rhodan“-Heftromanen gesammeltes Allgemeinwissen wird man seine lieben Probleme bekommen, überhaupt etwas zu verstehen. Wären da nicht die guten Ideen, die Vandemaan hier zu verwirklichen versucht, müsste man sicherlich von einer Enttäuschung sprechen. Alles in allem ist „Totentaucher“ daher noch ganz annehmbar, aber definitiv nicht das, was man sich von der neu aufgelegten Serie erhofft hatte.

http://www.fanpro.com
http://www.perryrhodan.net/
[Perrypedia]http://www.perrypedia.proc.org/Lepso__%28Zyklus%29

Bathurst, Bella – Feindinnen

|Jugendzeit – schöne Zeit? Bella Bathurst belehrt uns mit „Feindinnen“ eines Besseren!|

Eine Gruppe von englischen Internatsschülerinnen fährt für zwei Wochen in ein abgelegenes Schullandheim. Doch von der Erholung, die sie dort genießen sollen, bekommen die Dreizehn- und Vierzehnjährigen nichts mit, denn sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, sich und ihre Umwelt zu beobachten.

Da wäre zum Beispiel Caz, der strahlende Stern der kleinen Gruppe, die einen perfekten Körper und Jungskontakte aufweisen kann. Hen, die magersüchtig ist und mit der Scheidung ihrer Eltern nicht zurechtkommt. Ali, die sich von den anderen Mädchen fernhält, lieber alleine auf Bäumen sitzt und Bücher liest. Izzy, die etwas dicklich ist und trotz ihrer hilflosen und nervenden Versuche keinen Anschluss an die Gruppe findet. Jules, die so sein möchte wie Caz und sich deshalb zu unschönen Erfahrungen hinreißen lässt.

Es ist die Personenkonstellation, aus der Bathurst ihre Handlung bezieht. Die Konflikte, die die Mädchen mit sich selbst und unterschwellig mit den anderen haben, treten auf dem engen Raum eines Zimmers ans Tageslicht und entladen sich in ungewollten Entjungferungen, Essensverweigerungen und allergischen Schocks. Die beiden Lehrkräfte, die sadistische Ms Naylor und die junge Geschichtslehrerin Jaws tragen ihren Teil dazu bei, dass die Atmosphäre sich nicht bessert.

Die englische Autorin weiß geschickt mit diesen Handlungsfäden umzugehen und spinnt daraus eine dichte, intensive, aber angenehm unaufdringliche Story. Spannung gibt es dagegen kaum und es ist fraglich, ob der Aufdruck „Psychothriller“ wirklich verdient ist. An und für sich gibt es nämlich noch nicht mal eine stringente Handlung. Die Geschichte stellt eher die Aneinanderreihung verschiedener, mit dem Jugendalter verbundener Ereignisse dar, die aber nicht voneinander abhängen.

Das ist in diesem Fall allerdings kein Negativpunkt, denn durch die Abwesenheit eines wirklichen Handlungstrangs kann sich Bella Bathurst völlig darauf konzentrieren, ihren Figuren und deren Erlebnissen den Raum zur Entfaltung zu geben, den sie benötigen, um den Leser zu becircen.

Die Figuren sind wirklich sehr gut getroffen, auch wenn man sie anfangs für ein wenig langweilig hält, aber sie gewinnen an Form und differenzieren sich mit dem Verlauf des Buches immer mehr voneinander, so dass man erkennt, wie sie eigentlich sind. Auf leisen Sohlen schleichen sie sich an, bis der Leser dann plötzlich, mit Erinnerung an seine eigene Jugend, sofern er diese schon hinter sich hat, feststellen muss, wie authentisch die Darstellung ist.

Die Stimmungsschwankungen und Unsicherheiten werden mit melancholischen, nüchternen Worten dargestellt, ohne zu sehr in Pathos oder Gefühlskälte abzurutschen. Bathurst trifft genau den Nerv der Jugend und überrascht dabei ab und an noch mit ein paar gelungenen Metaphern, die positiv aus den sehr trocken gehaltenen Zeilen hervorstechen. Einzig die sehr abgehackte Jugendsprache, die in den Dialogen vorkommt, stört ein wenig. Doch da dies auch an der Übersetzung liegen kann, sollte man der Autorin deswegen keinen Vorwurf machen.

Bella Bathurst hat mit ihrem Debütroman ein leises, unaufdringliches Buch geschaffen, das seinen Zauber erst nach einer Weile entwickelt. Dann allerdings auf allen Ebenen. Die Story, die Personen, der Schreibstil – alles passt zusammen und schafft ein pralles Bild vom Teenagerdasein. Ein wenig mehr Spannung an der einen oder anderen Stelle hätte „Feindinnen“ sicherlich nicht geschadet, aber auch so handelt es sich bei dem Buch um ein beeindruckendes Debüt.

http://www.knaur.de

Schneider, Brian – Magic: The Gathering – Haupt-Set – Themendeck »Schon wieder tot«

_Im Sumpf wartet der Tod_

In der neunten Edition des beliebten Sammelkartenspiels symbolisiert die Farbe Schwarz Tod und Verderben, Krankheit und Verrottung. Dementsprechend verbergen sich hinter den schwarzen Karten düstere Kreaturen, die die finstere Seite des Lebens widerspiegeln; Ratten, Zombies und weitere ekelerregende Gestalten aus den Sümpfen verbreiten Terror und Verderben, stürzen die Kontrahenten ungleich schneller in den Tod und belegen ihn vorher noch mit schwerwiegenden Krankheiten. Wer gegen die schwarze Seite des Manas kämpft, ist einer fürchterlichen Bedrohung ausgesetzt und braucht eine ungeheure Lebenskraft, um den tödlichen Zaubersprüchen zu trotzen. Schwarzes Mana ist eine mächtige Waffe – und für die eigene Seite möglicherweise der Schlüssel zum Erfolg.

Im Themendeck „Schon wieder tot“ bekommt man die Gelegenheit, sich mit einigen der elementarsten schwarzen Karten vertraut zu machen. Wiederum sind genau 40 Karten enthalten, die sich bereits bestens dazu eignen, mit einem ebenbürtig bestückten Gegner in den Kampf zu ziehen, am besten sogar gegen einen, der ebenfalls auf ein Themendeck aus dieser Edition zurückgreift.

_Kartenmaterial_

• 17x Standardländer
• 1x Heer der geplagten Skelette (uncommon)
• 2x Ekelbold (common)
• 2x Schlangenkrieger (common)
• 1x Todesstarrer (uncommon)
• 2x Totengräber (common)
• 2x Straßenräuber (common)
• 1x Nekrataal (uncommon)
• 2x Höhlenhunde (common)
• 1x Nachtmahr (rare)
• 1x Phyrexianischer Gargantua (uncommon)
• 1x Auferstehung der Toten (common)
• 1x Unheilige Stärke (common)
• 1x Verseuchte Verbindung (common)
• 1x Dunkle Verbindung (common)
• 1x Unterweltstraum (rare)
• 1x Geistesverbrauch (uncommon)
• 1x Knäuelblüte (uncommon)
• 1x Dämonenhorn (uncommon)

_So spielt man das schwarze Deck_

Mit dem schwarzen Deck beginnt das Leben mit dem Tod. Konkret heißt dies, dass man einen gehörigen Einfluss auf die Lebenspunkte seines Gegners hat und sogar den eigenen Friedhof als Unterstützung in der Hinterhand. Allerdings muss man auch bereit sein, eigene Lebenspunkte zu opfern, um neue mächtige Kräfte ins Spiel zu bringen. Ekelbolde und Schlangenkrieger beeinträchtigen die eigene Lebenskraft zum Beispiel um zwei respektive drei Punkte, die man sich jedoch später mit dem Menschenräuber wieder zurückholen kann. Auch der Phyrexianische Gargantua beeinträchtigt die eigene Stärke um zwei Lebenspunkte, ist aber mit einer Kampf- und Verteidigungskraft von jeweils vier Punkten eine enorm effektive Waffe. Todesstarrer hingegen haben bei einem Block einen tödlichen Effekt und sind wunderbare Verteidigungswaffen. Und mit dem Totengräber sowie dem Zauberspruch „Auferstehung von den Toten“ darf man sich sogar wieder geopferte Kreaturen aus dem Friedhof zurückholen.

Die wahre Stärke des schwarzen Themendecks besteht generell in den mächtigen Angriffszaubern. Die Verzauberung „Verseuchte Verbindung“ zum Beispiel nimmt der betroffenen Kreatur bei jedem Angriff und jeder Verteidigung drei Lebenspunkte; mit „Dunkle Verbannung“ kann man weiterhin eine gegnerische Kreatur vernichten. Richtig genial sind indes „Unterweltstraum“ und „Geistesverbrauch“. Während Erstgenannter dem Gegner beim Ziehen jeder neuen Karte einen Schadenspunkt zufügt, darf man mit dem zweiten im Bunde für jedes getappte Mana einen Lebenspunkt bei sich addieren und gleichzeitig ebenso viele beim Gegner abziehen. Und dann sind da noch die beiden Artefaktzauber „Dämonenhorn“ und „Knäuelblüte“, die einem individuell ebenso weitere Lebenspunkte verschaffen.

Das Spiel mit dem schwarzen Themendeck ist also so aufgebaut, dass man stetig mit den eigenen Lebenspunkten taktieren und die Bereitschaft aufbringen muss, Schadenspunkte als Opfer hinzunehmen, um neue Kreaturen ins Spiel zu bringen. Diese Schwächung nämlich nachher wieder ungeschehen zu machen, ist mit den entsprechenden Zaubern gar nicht schwierig. Wichtig ist jedenfalls, die Kreaturen möglichst zügig ins Spiel zu integrieren, denn sie sind letztendlich die effektivsten Waffen. Im Hintergrund agiert man schließlich mit Zaubersprüchen, um die verlorenen Schadenspunkte wieder auszugleichen und die Lebenspunkte dementsprechend auf einem gleich bleibenden, kaum angetasteten Niveau zu halten. Die Schwierigkeit, das schwarze Set zu schlagen, besteht also darin, die mächtige Verteidigung zu durchbrechen, ohne dabei selber zugrunde zu gehen. Die Niederlage gegen dieses Themendeck wird man also genau dann erleiden, wenn man nicht das nötige Standvermögen aufbringt und es nicht hinbekommt, die Seite des Verderbens frühzeitig zu attackieren. Hat der Spieler des schwarzen Manas hingegen seinen mächtigen Wall aufgebaut und die Kreaturen ins Spiel gebracht, ist er nur noch sehr schwer zu schlagen.

_Fazit_

Das schwarze Themendeck der neunten Edition ist im Vergleich zum kontrastierenden Deck [„Armee der Gerechtigkeit“ 3337 schon ein wenig mehr auf die taktische Komponente, gleichzeitig aber auch vermehrt auf den Faktor Glück fokussiert. Jedenfalls hängt hier sehr viel davon ab, in welcher Reihenfolge man bestimmte Zauber nachzieht, denn die finsteren Sprüche sind in der Tat sehr effektiv. Allerdings kann genau dies auch nach hinten losgehen, wenn man nicht den passenden Ausgleich erzielt und zu Beginn viele Schadenspunkte einsteckt, für deren Begleichung man noch nicht die zugehörigen Zauber verfügbar hat. Das macht das Spiel mit dem tödlichen Mana manchmal zu einem echten Roulette, welches sowohl Geschick im offensiven als auch in besonderem Maße im defensiven Bereich erfordert und daher auch einige Partien erfordert, bis man zielsicher und konsequent mit den finsteren Mächten umgeht. Doch gerade im Spiel gegen das weiße Mana kann sich das Beherrschen des schwarzen Themendecks als entscheidend herausstellen, da beide Decks viele Defensivkräfte beinhalten und es so zu einer unerbittlichen Schlacht kommt. Die bisherigen Begegnungen waren wirklich allesamt sehr spannend und haben „Schon wieder tot“ zu meinem bisherigen Favoriten der neunten Edition gemacht. Für den erweiterten Einstieg in die neue Basisvariante von „Magic: The Gathering“ stufe ich dieses Themendeck jedenfalls als unverzichtbar ein!

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Mittelberger, Werner – Henker und der Hofnarr, Der

Diese Erzählung in Form einer Novelle führt den Leser |in medias res| in die Gewölbe der Pariser Bastille zu Zeiten Karls VI., König von Frankreich.

In der Exposition wird der Hofnarr Bouchet des Hochverrats angeklagt und dazu verurteilt, bis zu seiner Hinrichtung in sieben Tagen eingekerkert zu sein. In sechs weiteren Kapiteln setzt sich die Erzählung fort, wobei das letzte Kapitel etwa die Hälfte der gesamten Erzählung umfasst. Historisch gesehen ist es das Jahr 1392, jenes Jahr, in dem sich in König Karl VI., der schon im Alter von zwölf Jahren den Thron bestieg, erstmals Symptome seines beginnenden Wahnsinns zeigten.

Bouchet trifft auf den Henker des Königs, Saberge, und liefert sich manch ein Wortgefecht mit ihm. Gleich einem Harlekin spricht der Narr in Versen und Metaphern, doch der Henker ist seinen Späßen anfangs nicht zugänglich. Beide teilen nicht nur das Schicksal, ihr Ich unter einer Maske bzw. Kapuze zu verbergen zu müssen, sondern auch ihre Funktionalität in den Gefügen der Gesellschaft, die von der Willkür eines Königs bestimmt ist. Doch der Narr schafft es nicht nur, Spiegel des Königs und der Gesellschaft zu sein, sondern auch ein Spiegel des Henkers zu werden.

Dies führt zu „einer sich ereignenden unerhörten Begebenheit“ in der Erzählung, die nach J. W. von Goethe in einem Gespräch mit Johann Peter Eckermann Merkmal einer Novelle ist und zu einem Wendepunkt überleitet. Denn am zweiten Tag schließen sie eine Freundschaft, die im Henker einen Zwiespalt zwischen der Loyalität zum König und seiner Freundschaft zum Narren erzeugt. Erzählerisch erfolgt die Annäherung auch durch ein vertrautes ‚Du‘ unter ihnen – das der Autor nicht konsequent einhält, der später noch mal in ein ‚Sie‘ zurückfällt -, das Fallenlassen der Masken und die körperliche Verteidigung des Narren vor sadistischen Kerkerwachen. Ebenso werden geschickt Erzählungen aus der Vergangenheit des Henkers sowie des Narren eingeflochten.

Insgesamt werden die beiden Figuren zunehmend personifiziert und aus ihrer Funktionalität herausgeholt; so spricht der Narr nicht mehr in Versen und der Henker entwickelt eine vielfältige Gefühlswelt. Es ist eine Entwicklung, die bis zum Ende fortdauert und in die Freiheit führt. Über die listige, humorvolle und spannende Flucht beider sei hier nicht viel verraten, führt sie aber in eine nur mit „Nur der Horizont war das nächste Ziel, und er würde es auch für immer bleiben“ (S. 99) angedeutete Zukunft – ebenfalls ein typisches Novellenmerkmal.

Auch wenn manchmal der österreichische Dialekt durchkommt, so erleichtert der Autor Werner Mittelberger durch seine der Zeit nachgeahmte Sprache dem Leser das Hineinfühlen in diese Epoche.

Mittelbergers Erstlingswerk bietet gehobene sowie spannende und humorvolle Unterhaltung, die Freude macht auf sein nächstes Werk. Ob der geringen Editionsauflage ist auch der Preis von 11,90 € gerechtfertigt. Das Titelbild von Svend Richter ist ebenso symbolträchtig wie die Erzählung.

_Martin Dembowsky_

Ubukata, To – Expansion (Mardock-Trilogie 2)

Band 1: [„Kompression“ 2695

_“Lost in Translation“_

„Bei der Übersetzung verloren gegangen“, daran musste ich sofort denken, als ich gelesen habe, dass To Ubukatas „Mardock Scramble“ im Original 1800 Seiten umfasst, dass es die deutsche Übersetzung aber gerade auf knapp die Hälfte bringen wird. Das engagierte Nachwort von Akira Kagami erhärtet den Verdacht, dass das Original eine Tiefe aufweist, die dem westlichen Leser aus sprachlichen Gründen einfach nicht zu vermitteln ist. Trotzdem ist der zweite Teil der Mardock-Trilogie kein flaches Action-Feuerwerk, im Gegenteil:

_Die Ruhe nach dem Pulverdampf._

Rune Balot ist ihrem erzwungenen Dasein als ehemalige Luxus-Geisha schwer verstümmelt entkommen und wurde mit „Scramble-09-Technik“ zu einer lebendigen Waffe umfunktioniert. Ihre Wahrnehmungsfähigkeit geht weit über die der üblichen Sinne hinaus und überdies kann sie „snarken“, also elektronische Geräte mit ihrem Willen manipulieren. Doc Easter ist ihr Anwalt, er versucht Shell Septinos dingfest zu machen, jenes Scheusal, dem Balot ihre Verstümmelungen zu verdanken hat, der aber außerdem eng mit einer unsäglichen Organisation verknüpft ist: die October Company. Dem Doc zur Seite steht Eufcoque, eine Maus, die mit Scramble 09 Technik zu einer intelligenten und universellen Waffe umfunktioniert wurde, die außerdem in der Lage ist, Empfindungen der Menschen zu riechen.

Im ersten Teil von |Mardock| hatte sich Rune Balot gegen Shell Septinos zur Wehr zu setzen. Er versuchte, sein ehemaliges Opfer auszuschalten, und hetzte Dimsdale Boiled auf sie, der wiederum die blutrünstigen Transplatationsfetischisten „Bandersnatch“ auf sie ansetzte.

„Expansion“ beginnt am Ende dieses furios bebilderten Action-Spektakels: Balot hat Bandersnatch beinahe komplett ausradiert und sie kann Dimsdale Boiled entkommen. Aber der Preis ist hoch. Sie war mit Eufcoque zu einer einzigen Waffe verschmolzen, doch um gegen Boiled bestehen zu können, musste sie die Waffenfähigkeiten der goldene Maus gegen deren Willen überstrapazieren und hätte sie dabei beinahe umgebracht. Schwer geschädigt bringt der Doc die beiden in das „Paradies“, eine Einrichtung für Forschungsobjekte der Scramble-09-Technologie.

Die Bewohner des Paradieses sind soziale Kontakte nicht gewohnt und gehen daher mit kindlicher Neugierde auf Balot zu. Tweedledee ist einer von ihnen, er bringt Balot zu seinem Freund Tweedledum, einem durch Scramble 09 veränderten Delphin, der ihr wiederum den Pool zeigt. Der Pool ist zum einen eine gigantische Datenschnittstelle, zum anderen, na ja, ein Pool. Balot taucht in ihn ein und findet dort heraus, dass man Shell Septinos wichtige Informationen auf Chips gespeichert und aus seinem Gehirn entfernt hat.

Diese Computerchips hat Shell versteckt, auf 1-Million-Dollar-Chips eines seiner Casinos. Balot, der Doc und Eufcoque machen sich auf den Weg, um sich diese Chips anzueignen. Aber Dimsdale Boiled bleibt nicht untätig. Zusammen mit einem Bandersnatch-Überlebenden, dringt er in das Paradies ein, um seinen Auftrag endlich zu einem Ende zu bringen …

_Je tiefer die Gewässer, desto ruhiger die Strömung._

Das trifft auch auf den zweiten Teil der |Mardock|-Trilogie zu. Materialschlachten wie im ersten Teil gibt es kaum, stattdessen erfährt der Leser eine Menge an Zusammenhängen, die vorher noch im Dunklen lagen. Verbindungen zwischen der regierungsgesteuerten Scramble-09-Technologie und der October Company, Verbindungen zwischen Eufcoque und Dimsdale Boiled, Verbindungen zwischen Doc Easter und dem Paradies. All das lässt einen großen Gesamtzusammenhang vermuten, der den Leser auf die fehlenden Puzzlestücke brennen lässt, die To Ubukata nur in kleinen Häppchen verteilt, und es verleiht den Figuren zusätzliche Facetten und Tiefe.

Noch immer fliegen stellenweise die Fetzen, aber es sind nur kurze Eruptionen, die das innere Auge der Action-Fans mit Bildern von unverbrauchter aber auch brutaler Ästhetik versorgt. Der Showdown von „Expansion“ findet auf einem komplett anderen Terrain statt: In einem Spielkasino. Wer sich nun gähnend abwendet, lasse sich eines Besseren belehren. Schon mal ein hyperspannendes Pokerduell beobachtet? „Expansion“ schafft dieses Kunststück. Auf höchst originelle Weise führt To Ubukata den Leser in die Welt des Glücksspieles ein und lässt erfahrene Spieler, Trickbetrüger und Meistercroupiers gegen Rune Balot antreten, die ja die Millionen-Dollar-Chips gewinnen muss. Es ist ein faszinierender Blick in eine vollkommen fremde Welt, Roulette ist plötzlich kein nacktes Glücksspiel mehr und die Croupiers werden zu mehr als zu kartenverteilenden Statisten.

_Die Bilderschlacht, die von der Leinwand verbannt wurde._

Dachte man während des ersten Bandes noch, dass man die Story von |Mardock| auf einem Bierdeckel unterbringen könnte, erfährt man plötzlich, dass dem ganz und gar nicht so ist. Plötzlich werden auch philosophische Diskussionen ausgepackt und mit dem besagten Casino-Showdown hat Ubukata bewiesen, dass er sich bei weitem nicht als Produzent von Action-Fast-Food reduzieren lassen muss, so wohlschmeckend er das auch zubereiten kann. Ich kann nicht anders, als „Expansion“ beeindruckt beiseite zu legen und gespannt auf den letzten Teil zu warten. Wieder endet dieses Buch mit einem Cliffhanger, allerdings ist er diesmal nicht ganz so krass wie beim ersten Mal.

Wirklich schade ist allerdings, dass die Anime-Adaption durch die berühmten Gonzo-Studios abgeblasen wurde. Der Trailer sah einfach nur lecker aus, und Manga-Größe Range Murata versprach den Fans einen völlig neuen Animationsstil. Umso überraschender, dass die Produktion ohne nähere Angaben in die Tonne gekickt wurde.

Nun ja, vielleicht bekommt To Ubukata dadurch wenigstens ein paar zusätzliche Leser für sein Buch. Wer sich die |Mardock|-Trilogie entgehen lässt, ist jedenfalls selber schuld! Unbedingt empfehlenswert!

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Mondfeld, Wolfram zu / Wertheim, Barbara zu – Schule der Gladiatoren, Die

Morituri te salutant – die Totgeweihten grüßen Dich: Diese Parole ist wohlbekannt aber historisch nicht korrekt, denn nur ein einziges Mal ist dieser Gruß an dem herrschenden Cäsar (Kaiser) überliefert worden.

Trotzdem kennen wir Gladiatoren aus Filmen wie „Spartacus“ mit Kirk Douglas oder zuletzt „Gladiator“ mit Russel Crowe, der zwar ein wirklich guter Film war, aber mit der Darstellung einer echten Gladiatur historisch gesehen nichts zu tun hatte. Wenn wir von Gladiatoren hören oder lesen, selbst in „Asterix“, so verbinden wir das immer mit einem Kampf zweier Kontrahenten auf Leben und Tod.

In der Regel stimmt das schon, aber ein solcher Kampf hatte ähnlich wie ein Boxkampf heute feste Regeln, mehrere Schiedsrichter, und ein Kämpfer hatte, wenn er die Gunst des Publikums erlangte, eine große Chance, das Kolosseum oder überhaupt die Arena, durch eine Missio (eine Begnadigung für diesen Kampf) zu verlassen.

Gladiatorenkämpfe gab es von ca. 264 vor Christus bis etwa Anfang des 5. Jahrhunderts. Nicht alle römischen Kaiser waren gewillt, die legitimen und gesetzlichen Kämpfe zwischen zwei Gladiatoren zu befürworten; Augustus, Tiberius und Mark Aurel waren jedoch zweifellos Verfechter dieses Kampfsportes.

Der Roman „Die Schule der Gladiatoren“ von Wolfram zu Mondfeld und seiner Frau Barbara zu Wertheim gibt ein recht gut recherchiertes historisches Bild dieser Epoche und des Berufsstandes der Kämpfer wieder und räumt mit Vorurteilen und falschen Informationen der antiken Welt auf.

_Die Geschichte_

Im Jahre 55 nach Christus im 13. Regierungsjahr des erhabenen Cäsars Claudius wächst der junge Eppor im großen Römischen Reich auf. Seine Familie bewirtschaftet einen eigenen Hof mit Landwirtschaft und Viehzucht und verkauft ihre Waren an die Legionäre (Soldaten) und ihre Familien. Doch es gibt hin und wieder Raufereien zwischen den Einheimischen und den römischen Kindern besserer Herkunft, die sich als Patrizier bezeichneten. Eppor verprügelt und demütigt den Sohn eines angesehen römischen Offiziers, was nicht ohne Folgen bleibt.

Die Geldstrafe würde den Hof der Familie in einen finanziellen Abgrund stürzen und keiner seiner Familienangehörigen dürfte sich danach noch als frei bezeichnen.

Eppor ist stolz und vernünftig, und sieht ein, dass er seine Familie nur retten kann, wenn er in die Sklaverei geht. Auf dem Sklavenmarkt wird er von der Gladiatorenschule „Felix Felix“ gekauft, und für Eppor, der den Namen Scorpio erhält, beginnt eine harte und sehr lehrreiche Ausbildung zum Retiarius – einem Kämpfer, der sich in der Arena mit Dreizack und Netz behaupten muss. In der Schule und während der Ausbildung wird „Felix Felix“ zu seiner neuen Familie. Neue Freundschaften entstehen und er findet Freude am doch oftmals rauen Leben. Nach seinem ersten Kampf gewinnt Scorpio nicht nur die Gunst der Zuschauer, sondern wird auch für seine hervorragenden Leistungen im Gefecht mit einem Lorbeerkranz ausgezeichnet.

Im Laufe der Jahre wird Scorpio einer der bekanntesten Gladiatoren im Römischen Imperium und die Freundschaft des mysteriösen Etruskers Tarquinius, der sich nicht zu Unrecht für einen Gott hält, wird ihn prägen und begleiten. Nach vielen Siegen und dem Gewinn von Preisgeldern kann sich Scorpio nun die Freiheit erkaufen, doch er bleibt der Laufbahn eines Gladiatoren und seiner Schule „Felix Felix“ treu. Der Lanista, der Inhaber der Schule, erkennt in dem jungen Mann viel Potenzial und möchte in ihm seinen Nachfolger sehen, doch Scorpio lehnt zunächst ab.

Als Kaiser Nero in Rom die besten Gladiatoren der Schulen für seine Spiele anfordert, wird auch Scorpio in der Arena kämpfen müssen. Es kommt zu einem ungleichen Kampf, den er trotzdem für sich entscheiden kann. Doch sein Gegner, ein arroganter Senatssohn, kann seine Niederlage nicht verkraften und verletzt Scorpio schwer, als dieser dem Gegner den Rücken kehrt, um von Kaiser Nero den Preis entgegenzunehmen.

Von diesem Tage an ist Scorpio querschnittsgelähmt und verliert fast seinen Lebenswillen. Doch seine Freunde und nicht zuletzt Tarquinius stärken seine Lebensfreude, und schließlich nimmt er das Angebot des Inhabers der Gladiatorenschule an und hilft diesem beim Leiten der Schule und der Ausbildung der neuen Generation von Gladiatoren.

Die Kämpfe in den Arenen Roms fordern von der Schule „Felix Felix“ einen hohen Blutzoll. Viele angesehene und gute Kämpfer sterben im Sand der Arena für die Unterhaltung der römischen Bevölkerung. Doch nach diesen Wettkämpfen gehört die Ausbildungsstätte Felix Felix endgültig zu den Eliteschulen für Gladiatoren.

Scorpio leitet nun die Geschicke der Schule und sein Freund Tarquinius rächt dessen Verletzung und die Tode seiner Freunde schrecklich. Dieser wird zu einer Legende unter den Gladiatoren, ein etruskischer Totengott, der in der Arena tödliche und perfekt einstudierte Schwerttänze aufführt. Er wird zum Schrecken aller Verbrecher unter den Gladiatoren, die regelwidrig kämpfen und Lust am Töten verspüren.

Der 18.07.64 nach Christus wird zu einem historischen Tag im Imperium. Kaiser Nero verfällt immer mehr dem Wahnsinn und gibt den Auftrag, Rom anzuzünden. Die Verantwortlichkeit und Schuld an dem Inferno gibt er einer neuen Sekte, den Christen, die Nero zu Tausenden auf brutale Weise hinrichten lässt. Auch die Gladiatoren von „Felix Felix“ nehmen an den neuen Spielen teil, allerdings ohne sich am Töten der unschuldigen Christen zu beteiligen. Geschockt und verstört verlassen diese das Zentrum der römischen Welt.

Doch mehr und mehr verliert Nero die Gunst des Volkes und des Senats. Wie viele andere Kaiser wird er das Opfer einer Verschwörung und ermordet. Nun beginnt eine unruhige Zeit mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Viele Herrscher werden gewählt und wieder abgesetzt. Es wird Jahre dauern, bis Ruhe einkehrt, und die Gladiatoren der Schule „Felix Felix“ reisen durchs Römische Reich, um nicht den Säuberungen der amtierenden Kaiser zum Opfer zu fallen.

Erst Kaiser Vespasian bringt wieder Stabilität und Vertrauen, so dass die Gladiatoren wieder ganz ihr Leben auf die Schule ausrichten können. Doch auch hier gibt es Intrigen und Feindschaften. Scorpio und Tarquinius leiten beide nun nach dem Tod des Inhabers die Schule mit viel Geschick und Gespür für gute Gladiatoren, die dem Namen der Schule alle Ehren machen.

Erst der Ausbruch des Vesuv und die totale Zerstörung Pompejis verändert das Leben von Scorpio und Tarquinius.

_Kritik_

„Die Schule der Gladiatoren“ des Autorenehepaars Wolfram zu Mondfeld und Barbara zu Wertheim belebt die Welt der literarischen Antike und ist historisch einwandfrei recherchiert. Die Autoren entführen den Leser in eine andere Epoche, die man auch als Zeit von „Brot und Spielen“ umschreiben könnte.

Durch die gewählte Ich-Form des Scorpio, der die Geschichte von Tarquinius erzählt, kann sich der Leser vom Denken und Handeln der Protagonisten im Römischen Imperium ein sehr gutes Bild verschaffen. Das Lebensgefühl eines Sklaven, eines Römers, eines Christen haben die Autoren fabelhaft in Szene gesetzt. Auch die politische Lage mitsamt der Kaiser und Eroberungskriege birgt viel an historischen verbürgten Informationen. Besonders interessant waren für mich die Passagen der Christenverfolgung sowie die Eroberung und Zerstörung von Jerusalem.

Trotzdem kann dem einen oder anderen Leser „Die Schule der Gladiatoren“ manches Mal langatmig vorkommen, da sich die Autoren im religiösen und gesellschaftlichen Leben etwas verrennen.
Die Einstudierung der Charaktere ist bis ins kleinste Detail durchdacht. Den beiden Hauptfiguren Scorpio und Tarquinius, deren Wichtigkeit und Entwicklung dem Leser unterschiedlich viel Freude bereiten, widmen sich die Autoren besonders deutlich. Der Legende rund um die Figur eines Gladiators haben die Autoren viel, viel Zeit und noch mehr Recherche gewidmet. Das allein zeigt schon, wie wichtig es ihnen war, aus einem historischen Roman nicht wie so oft eine Märchenstunde zu machen.

Der Roman ist unterteilt in drei einzelne Bücher, zwischen den Kapiteln verdeutlichen Zeichnungen der verschiedenen Gladiatorentypen dem Leser, was man sich unter den verschieden ausgerüsteten Gladiatoren vorstellen mag. Im Anhang des Romans werden die Rüstungstypen der Gladiatoren, die Besonderheiten und die Regeln eines Kampfes detailliert beschrieben.

Insgesamt kann ich die unterhaltsame und informative Lektüre dieses Romans guten Gewissens empfehlen.

_Das Autorenehepaar_ lebt in der Nähe von Augsburg, dem antiken Augusta Vindelicum. Wolfram zu Mondfeld ist unter anderem bekannt geworden, durch das Werk [„Der Meister des siebten Siegels“. 54 Spezialisiert hat sich der Autor als Verfasser von Geschichten, die mit der Seefahrt zu tun haben, bis zu einem Standardwerk zu historischen Schiffsmodellen. Seine Frau Barbara zu Wertheim ist eine namhafte Hellseherin, die auch an dem Roman „Mose – Sohn der Verheißung“ mitgewirkt hat.

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Despentes, Virginie – Bye Bye Blondie

Virginie Despentes hat sich in den letzten Jahren vom Schmuddelkind zu einer der beliebtesten Autorinnen Frankreichs gemausert. Mit „Bye Bye Blondie“ möchte sie diesen Status weiter ausbauen.

Hauptperson ist die Mitdreißigerin Gloria, eine Chaotin, die für ihre Wutanfälle gefürchtet, in ihrer Stammkneipe „Royal“ bei den Stammgästen aber sehr beliebt ist.

Eines Tages, als sie gerade von ihrem Freund rausgeschmissen worden ist, trifft Gloria auf Eric, eine Jugendliebe, die sie damals bei einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik kennengelernt hat. Nachdem sie beide entlassen wurde, verbrachten sie eine glückliche Zeit, bis Eric plötzlich wie vom Erdboden verschwand und sich nicht mehr bei ihr meldete. Das brach Gloria das Herz und als sie ihn, der mittlerweile ein bekannter Fernsehmoderator ist, auf der Straße verheult und außer sich wiedertrifft, hat sie überhaupt keine Lust, sich wieder auf ihn einzulassen.

Trotzdem folgt sie ihm nach Paris in sein schmuckes Appartement und in ein Leben voller Glitzer und Glamour, in dem sie sich als rotzfrecher Altpunk nicht gerade wohlfühlt und das auch zeigt. Ob die beiden trotzdem eine Chance haben?

Das Buch spielt in zwei verschiedenen Welten. Neben dem aktuellen Handlungsstrang erzählt die französische Autorin auch aus der Jugend der Punkerin Gloria aus anständigem Elternhaus, gegen das es sich zu rebellieren lohnte. Sie beschreibt dabei einen ganzen Lebensstil. Von spontanen Fahrten nach Paris, ohne einen einzigen Cent in der Tasche, und dem Leben auf der Straße bis hin zu Prügeleien mit Skinheads ist alles dabei und Gloria präsentiert sich als alles andere als ein liebes, nettes Mädchen. Das stößt den Eltern von Eric, die der höheren Schicht zugehörig sind, natürlich sauer auf, besonders weil Gloria noch nicht mal damit zurückhält, was sie von diesen Spießern hält.

Die Gloria von heute ist vielleicht keine Punkerin mehr, aber ganz normal ist sie trotzdem nicht. Als Sozialhilfeempfängerin mit einem Faible für Alkohol und das Anpöbeln fremder Menschen in der Öffentlichkeit lebt sie bei ihren ständig wechselnden Freunden, die sie zumeist deshalb rausschmeißen, weil sie ihre Wutanfälle nicht mehr ertragen.

Gloria ist nicht glücklich. Sie ist kaputt und gleichzeitig auf der Suche nach ein bisschen Wärme. Diese nicht ganz alltägliche Protagonistin weiß Virginie Despentes sehr schön darzustellen, ohne dabei seitenlange Beschreibungen abzuliefern. Sie beschreibt ihre Figur lieber aus deren Erinnerung heraus, so dass der Leser versteht, wieso sie handelt und was sie schon hinter sich hat.

Auch die anderen Charaktere in dem Buch wissen aufgrund ihrer Authenzität zu gefallen, und trotzdem schleicht sich da eine kleine Frage in den Kopf des Lesers, der gerne mal einen der modernen französischen Autoren wie Pille oder andere Bücher von Despentes liest. Wieso kommt einem die Konstellation eines armen Mädchens, das in die höheren Schichten aufsteigt, weil es irgendeinen neureichen jungen Mann kennenlernt, so bekannt vor? Eine gewisse Klischeehaftigkeit lässt sich folglich nicht verbergen.

Die Handlung ist auch nicht immer so goldig, wie sie laut den Kritiken glänzen sollte. Glorias Jugenderinnerungen, die einen Großteil des Buches einnehmen, sind wirklich sehr gut gelungen. Dicht, ohne Längen und sogar mit einer gewissen zwischenmenschlichen Spannung gewürzt, sorgen sie dafür, dass man das Buch lange nicht aus der Hand legen will. Besonders, wenn man von dem dargestellten Lifestyle weit entfernt ist, ist es sehr interessant zu lesen, wie die junge Gloria ihre Freizeit verbringt.

Der Erzählstrang, der sich mit der aktuellen Beziehung von Gloria und Eric beschäftigt, wirkt dagegen zum größten Teil wie die lästige Pflicht nach der Kür. Arme Sozialhilfeempfängerin trifft schneidigen Moderator und landet auf VIP-Feiern – das ist wirklich nichts Neues mehr und der Großteil der Erlebnisse von Eric und Gloria ist furchtbar vorhersehbar und langweilt dementsprechend ein wenig.

Da hilft teilweise noch nicht einmal der überzeugende Schreibstil Despentes‘. Despentes schreibt einfach, trocken, alltäglich, manchmal obszön, aber immer treffend. Sie gibt den Emotionen ihrer Charaktere nicht wirklich viel Raum, aber gerade das lässt die Emotionen umso authentischer wirken. Sie benutzt auch hier die für sie typischen Beobachtungen der kleinen Dinge des menschlichen Zusammenlebens und schmückt sie oft mit nüchternen, aber passenden Metaphern wie auf Seite 53 aus:

|“Sie nahm wohl wahr, dass sie am ehesten einem durchgeknallten Vogel glich, der für alle anderen unsichtbar Skateboard fuhr und mit gesenktem Kopf gegen alle Wände um sich herum knallte.“|

Derartige rhetorische Mittel lockern das Buch auf, auch wenn die Jugendsprache in der deutschen Übersetzung stellenweise eher grenzwertig ist. (|“Seine Nase ist rot verquollen, voll die Erbeere.“|, Seite 16).

„Bye Bye Blondie“ ist dementsprechend ein durchwachsen anmutendes Buch mit einer positiven Tendenz. Die Handlung hat ihre Höhepunkte, aber auch ihre Tiefpunkte, und die Personen sind, solange sie nicht Gloria heißen und unglaublich gut ausgearbeitet sind, manchmal etwas klischeehaft. Der Schreibstil kann sich dagegen mit seinen feinsinnigen Anspielungen, Metaphern und Beobachtungen lesen lassen.

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Vantrease, Brenda – Illuminator, Der

England um 1380: Das Land befindet sich in großer Unruhe. Nach dem Tod Edward III. folgt ihm sein erst zehnjähriger Enkel Richard II. auf den Thron, eine umstrittene Nachfolge, die für Trubel im Königshaus sorgt. Das Volk ist der Herrschaft von Adel und Klerus ausgeliefert. Aber nicht nur die armen Leute, auch die Höhergestellten leiden unter der Härte und der Willkür der Gesetze. Zu ihnen gehört Lady Kathryn, die Herrin von Blackingham Manor. Vor einem Jahr verstarb ihr ungeliebter Mann Sir Roderick. Seitdem bemüht sie sich, ihren beiden knapp sechzehnjährigen Söhnen Alfred und Colin ein angemessenes Leben zu bieten, obwohl ihre einst reichhaltigen Mittel immer bescheidener werden. Während der selbstbewusste und launische Alfred seinem Vater nachschlägt, handelt es sich bei Colin um einen stillen, verträumten Jungen, der am liebsten auf seiner Laute spielt.

In dieser Zeit des Umbruchs erhält Lady Kathryn einen Auftrag vom Vorsteher der Abtei Broomholm. Der Illuminator Finn wird eine Ausgabe des Johannes-Evangeliums kunstvoll illustrieren. In dieser Zeit soll er im Kloster wohnen, doch der verwitwete Mann will sich nicht von seiner jungen Tochter Rose trennen. Daher soll Lady Kathryn ihnen gegen Bezahlung seitens der Abtei für einige Monate Unterkunft gewähren. Angesichts ihrer schwierigen finanziellen Lage willigt Lady Kathryn ein, ohne zu ahnen, welche Komplikationen damit auf sie zukommen. Zwischen ihr und dem intelligenten Illuminator entwickelt sich nach zögerlichem Beginn eine geheime Liebesbeziehung. Seine Tochter Rose wiederum verliebt sich in den scheuen Colin, während der eifersüchtige Alfred für Zwietracht sorgt.

Doch das ist noch nicht alles: Finn arbeitet insgeheim für den scharf umstrittenen Kirchenkritiker John Wycliff, der die Bibel ins Englische übersetzt, damit auch das einfache lateinunkundige Volk endlich die Heilige Schrift lesen kann. Jedes Bekenntnis für Wycliff wird als Verrat betrachtet und eine Entdeckung von Finns Diensten als Illuminator für ihn wären eine Katastrophe. Als auch noch ein Priester der Abtei nach seinem Besuch auf Blackingham ermordet aufgefunden wird, überschlagen sich die Ereignisse. Lady Kathryn und ihre Söhne schweben genauso in Gefahr wie der Buchmaler Finn und seine Tochter …

In ihrem Debütroman befasst sich Brenda Vantrease mit einem bunten und gefährlichen Zeitalter. Vor dem Hintergrund der beginnenden englischen Reformation und der Bauernaufstände gelingt ihr die Schilderung einer fesselnden Geschichte voller interessanter Schicksale.

|Überwiegend interessante Charaktere|

Im Mittelpunkt stehen sowohl der titelgebende Illuminator Finn als auch die vornehme Lady Kathryn. Lady Kathryn präsentiert sich als starke Frau, die mit allen Kräften bemüht ist, ihren geliebten Söhnen das Erbe zu sichern. Ungern erinnert sie sich an die unglückliche Zwangsehe mit ihrem verstorbenen Mann zurück, sieht ihre Söhne aber als großes Geschenk. Die Einkünfte werden mit der Zeit immer geringer, der hinterhältige Ernteaufseher Simpson scheint sie zu betrügen und es wird immer schwieriger, den einstigen Status aufrechtzuerhalten. Auch wenn es stets für gute Kleidung und genügend Essen reicht, sorgt sich Lady Kathryn mit Recht um die Zukunft des Anwesens. Als Herrin über Blackingham kann sie sich nur wenige Schwachheiten erlauben. Dem ruhigen und intelligenten Illustrator gelingt es zwar, ihr Herz zu gewinnen – doch er bemerkt bald, dass sie sich bei aller Liebe nicht überwinden kann, gewisse Prinzipien zu brechen.

Nur wenige Charaktere sind eindeutig bei Schwarz oder Weiß einzuordnen. Lady Kathryn ist eine sympathische Identifikationsfigur, aber wegen ihrer Liebe zu ihren Söhnen schlägt sie auch opportunistische Wege ein. Der Illuminator wiederum erscheint glatter, idealistischer, durch seine zurückhaltende und nachdenkliche Art dem Leser aber nicht weniger sympathisch. Automatisch bangt man um sein Leben und spürt seine Verzweiflung, als nach und nach die Schwierigkeiten über ihn hereinbrechen: Die Sorge um seine Tochter, die Bedrohung durch die Kirche, Missverständnisse mit Kathryn. Der Mann, der bereits seine geliebte Frau nach der Geburt der Tochter verlor, muss viele Niederlagen einstecken, und es gelingt der Autorin gut, den Leser in seine Lage hineinzuversetzen.

Ein sehr zwiespältiger Charakter ist Kathryns Sohn Alfred. Zweifellos gleicht er seinem dominanten und herrschsüchtigen Vater, doch der Einfluss seiner gütigeren Mutter ist nicht ohne Folgen geblieben. Immer wieder schwankt der junge Mann zwischen seiner Bewunderung für den Vater und seiner Zuneigung für die tapfere Mutter. Einerseits ist er ein Hallodri, der auch die schöne Rose gerne in seinem Besitz hätte und im Gegenzug den sanften Bruder Colin verachtet. Andererseits gelingt es Kathryn in wichtigen Situationen durchaus, ihn an seine kindliche Liebe zu ihr zu erinnern und das fast verschüttete liebevolle Wesen in ihm zum Vorschein zu bringen. Daher bleibt bis zum Schluss offen, welchen Weg der junge Alfred tatsächlich einschlagen wird.

In der alten Köchin Agnes, dem Dienstmädchen Magda und dem Zwerg Halb-Tom finden sich drei ausgesprochen vielschichtige Nebencharaktere, die beim Lesen viel Freude bereiten und fast zu kleinen Hauptfiguren avancieren. Halb-Tom ist ein kleinwüchsiger Mann, der in den Sümpfen lebt und trotz seiner widrigen Lage als Außenseiter den Ärmeren hilft. Seine Verbindung zu Blackingham besteht hauptsächlich in Botengängen, doch darüber hinaus fasst er auch große Zuneigung zu der heranwachsenden Magda. Das aus ärmsten Verhältnissen stammende Mädchen wird wegen seiner Schweigsamkeit lange Zeit für zurückgeblieben gehalten, aber es kristallisiert sich heraus, dass man sein liebes, naturverbundenes Wesen damit gründlich unterschätzt. Die aufkeimende Zuneigung zwischen dem Zwerg und dem kindlichen Mädchen bildet einen kleinen aber feinen Nebenstrang, den man gerne verfolgt. Für humorvolle Szenen sorgt vor allem die alte Agnes, die nicht nur gegenüber Kathryn eine vertraute und fast mütterliche Stellung einnimmt, sondern auch gelegentlich deftige Bemerkungen von sich gibt. Ihre brummelige und oft derbe Art sorgt bei Kathryn zwar zeitweilig für Verstimmung, beim Leser jedoch für Erheiterung.

Rose Finn, die Tochter des Illuminators, ist genau wie Colin über weite Strecken zu glatt und zu harmlos geraten. Gottesfürchtig, demütig und scheu, wie sie sind, verhalten sie sich insgesamt zu vorhersehbar und langweilig. Ebenfalls ausnehmend gut, aber viel interessanter ist die Figur der Einsiedlerin Julian, die ebenfalls in die Fronten zwischen Kirche und Volk gerät. Die gütige Frau mit dem tiefen Glauben wird trotz oder gerade wegen ihrer Hingabe für das einfache Volk von der Kirche misstrauisch beäugt und schwebt kaum weniger in Gefahr als Lady Kathryn und Finn.

|Spannung in mehrfacher Hinsicht|

Spannung erfüllt die Geschichte gleich auf mehreren Ebenen: Zum einen verfolgt man natürlich mit großem Interesse die schwankende Entwicklung der Liebesbeziehung zwischen Lady Kathryn und Finn. Lady Kathryn befindet sich im ersten Witwenjahr, sollte also nach Ansicht der Außenwelt angemessen um ihren Ehemann trauern, sodass eine neue Beziehung gesellschaftlich undenkbar wäre. Dazu kommt die für damalige Verhältnisse erschreckende Enthüllung, dass Finns verstorbene Frau eine Jüdin war. In einer Zeit, in der die Juden für alles denkbare Übel inklusive der Pest verantwortlich gemacht wurden, tut der Illustrator gut daran, dieses Detail seiner Vergangenheit geheim zu halten. Selbst die gütige Lady Kathryn empfindet diese Tatsache als Schock, der ein dunkles Licht auf ihr Verhältnis wirft. Als wären dies nicht bereits Schwierigkeiten genug, bedeutet auch der Standesunterschied zwischen dem bürgerlichen Finn und der adligen Frau ein Gegenargument zu ihrer Verbindung.

Zu diesen äußeren Komplikationen gesellt sich auch die Angst vor den Reaktionen sowohl seitens des eifersüchtigen Alfreds, der das Ansehen seines Vaters verteidigt, als auch des schmierigen Sheriffs Sir Guy, der Heiratsabsichten mit Kathryn hegt. Die möglichen politischen und persönlichen Konsequenzen schweben folglich wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen und halten die Spannung aufrecht. Das gilt, wenn auch in abgeschwächter Form, ebenfalls für das nicht minder intime und geheime Verhältnis zwischen Colin und Rose. Die beiden haben zwar nicht so schlimme Konsequenzen zu befürchten, doch Finn vertraut auf die Tugend der beiden, während Lady Kathryn eher von Alfred fürchtet, dass er Rose zu nahe tritt.

Ein wenig Krimiflair erhält die Handlung durch den Mord an dem Priester. Bei den ersten Ermittlungen verneint Lady Kathryn vorsichtshalber, den Priester am fraglichen Tag gesehenen zu haben, doch ihre Lüge wird entlarvt und lenkt den Verdacht auf Blackinghams Bewohner. Bis zum Schluss muss der Leser fürchten, dass ein Unschuldiger für die Tat büßt, während man Lady Kathryns grausamen Zwiespalt verfolgt, sich zwischen Finn und einem ihrer Söhne entscheiden zu müssen.

|Viele historische Details|

Eine Vielzahl von historischen Personen lässt die Historienfreunde voll auf ihre Kosten kommen. Die sanfte Einsiedlerin Julian von Norwich hat es ebenso gegeben wie den Kirchenkritiker John Wycliff und den despotischen Bischof Henry Despenser, ganz zu schweigen natürlich von den Mitgliedern des Königshauses. Der Illuminator ist zwar fiktiv, doch die Autorin verwebt seine Geschichte geschickt mit der realen Existenz einer Paneele mit der Passion Christi, deren Künstler bis heute unbekannt ist. Auch bei der Figur von Julian von Norwich, über die man nur sehr wenige Zeugnisse besitzt, musste mit viel Phantasie ausgeschmückt werden, und das geschieht so überzeugend, dass man gerne gewillt ist, sich die Einsiedlerin so vorzustellen, wie Brenda Vantrease sie dargestellt hat.

Darüber hinaus besticht der Roman durch Sachkenntnis und realistische Details aus der damaligen Zeit, bei denen wenig beschönigt wird. Das Elend der armen Leute wird dem Leser deutlich vor Augen geführt, aber auch die Konflikte und Schwierigkeiten von scheinbar Begünstigteren wie Lady Kathryn, die ebenfalls unter den Bedingungen leiden. Allerdings bleiben vor allem die herrschaftlichen Hintergründe etwas im Dunkel. Der Leser erfährt nicht viele Angaben zum regierenden Richard II. und seinen Vorgänger. Daher empfiehlt es sich, parallel zum Roman auch ein paar Blicke in Geschichtsbücher zu werfen, um sich mit der politischen Situation vertraut zu machen. Für das Verständnis des Inhalts ist es nicht notwendig, aber zur besseren Gesamtbeurteilung der Epoche anzuraten, wenn keine Vorkenntnisse vorhanden sind. Etwas schade ist außerdem die negative Darstellung von John of Gaunt, des Herzogs von Lancester, der nicht eigenständig in Erscheinung tritt, aber oft von Beteiligten erwähnt wird. Der Sohn von Edward III. fungierte als Berater seines Neffen, des kindlichen König Richard II., und unterstützte den aufrührerischen John Wycliff. Doch nicht nur Johns Gegner, auch Wycliff selber sieht im Roman vor allem den Eigennutz von John of Gaunt, der durchweg negativ beschrieben wird. Tatsächlich war der historische John of Gaunt beim Volk unbeliebt, doch im Ausland und in der heutigen Forschung bewundert man ihn eher für seine Reformen und seine politische Weitsicht, die zu seiner Zeit verkannt wurde.

Die edle Aufmachung der deutschen Ausgabe passt exzellent zur thematisierten Buchkunst und dürfte Bibliophilen das Herz höher schlagen lassen. Im Gegensatz zu manch anderen Historienromanen verwendet die Autorin hier zudem angenehmerweise keine allzu geschwollene Sprache, sondern benutzt einen sehr gut lesbaren Stil, der nicht anspruchslos, aber unschwer zu verfolgen ist.

_Als Fazit_ bleibt zu sagen, dass der von den Medien herangezogenen Vergleich mit Umberto Ecos Meisterwerk „Der Name der Rose“ übertrieben ist, aber dennoch können Freunde von historischen Romanen hier bedenkenlos zugreifen. Das Werk besticht durch eine spannende Handlung, berührende Schicksale, interessante Charaktere und detaillierte Sachkenntnis. Die wenigen Schwächen haben keinen großen Einfluss auf den positiven Gesamteindruck dieses gelungenen Erstlings.

_Die Autorin_ Brenda Vantrease, Jahrgang 1945, studierte und promovierte in Tennessee in englischer Literatur. Anschließend arbeitete sie als Englischlehrerin und Bibliothekarin. Auf ausgiebigen Reisen nach Großbritannien und Irland erkundete sie die Schauplätze der Geschichte und verfasste zahlreiche Essays und Kurzgeschichten. „Der Illuminator“ ist ihr Romandebüt. Gegenwärtig arbeitete die Autorin an ihrem nächsten historischen Werk.

|Originaltitel: The Illuminator
Originalverlag: St. Martin’s Press 2005
Aus dem Amerikanischen von Gloria Ernst
Taschenbuch, 576 Seiten, 12,5 x 18,3 cm|
http://www.blanvalet.de

Crisse, Didier / Besson, Fred – Ishanti, Band 1: Die Tränen der Isis

_Story_

Im Tempel der Isis herrscht Hochbetrieb; der Pharao hat sich zu Besuch angekündigt und will die Jubiläumsfeierlichkeiten in der Stadt der tausend Wunder durch sein Kommen bereichern. Anlässlich der Festlichkeiten wollen auch die Schülerinnen des Tempeltanzes ihr neuestes Stück aufführen. Unter ihnen befindet sich auch die junge Ishanti, die aufgrund ihrer bäuerlichen Herkunft von ihren Mitschülerinnen meist nur geschmäht wird. Dennoch träumt sie davon, eines Tages über den Tanz die Freiheit zu erlangen und sich auch außerhalb der Tempelanlagen bewegen zu dürfen.

Dort lebt auch der herumstreunende Taugenichts Tyi, ein Jüngling, der ständig um die Gunst der hübschen Ishanti buhlt und sie schließlich auch zum ersten Mal ohne Aufsicht aus ihrem behüteten Leben im Umfeld des Palastes entführt. Gemeinsam brechen sie in eine altertümliche Grabstätte ein, die Tyi unlängst entdeckt hatte und deren Geheimnis er nun mit seiner großen Liebe teilen möchte. Allerdings bleibt ihr Kommen nicht unentdeckt. Inmitten der riesigen Grabkammer sind nämlich auch einige Götter der Unterwelt aktiv, die gerade mit ihrem neuen Geschäftspartner über das Scheitern eines Deals streiten. Und als sie die ungebetenen Gäste sehen, sind sie nicht sonderlich erfreut …

_Meine Meinung_

Es ist schlichtweg unglaublich, mit welch tollen neuen Comic-Serien der bislang noch unauffällige |Splitter|-Verlag in den letzten Monaten an die Öffentlichkeit tritt. Nach dem grandiosen Start mit Serien wie „Das verlorene Paradies“, „Canari“ und „Die Legende der Drachenritter“ bietet man nun mit „Ishtari“ auch schon das nächste Highlight und wiederum den Auftakt einer äußerst vielversprechenden, jugendlich-frischen Serie, deren Schauplatz in diesem Fall das alte Ägypten ist.

Verantwortlich für den Plot ist einmal mehr Didier Crisse, der verlagsintern schon mit seinen Beiträgen zu „Kookaburra“ und besagter „Canari“-Serie auf sich aufmerksam machen konnte und seinen Status als einer der besten aufstrebenden Comic-Autoren Frankreichs mit diesem Werk endgültig manifestiert. An seiner Seite steht mit Fred Besson ein enorm talentierter Partner, der mit seinen teils humorvollen und dabei jederzeit dynamischen Zeichnungen das Ägypten der Pharaonenzeit mit erfrischenden Mitteln zu neuem Leben erweckt – und mit ihm einige richtig sympathische Charaktere, wie sie mit solch durchdringlichen Augen eigentlich nur von einem Franzosen stammen können.

Und wie es oft so ist, wird zu Beginn auch wieder der Vergleich mit Frankreichs Vorzeige-Comic „Asterix“ herangezogen, der jedoch nur in illustratorischer Hinsicht halbwegs gerechtfertigt ist. Stilistisch unterscheiden sich Goscinny und Besson zwar vor allem im Bereich der Farbgebung – „Ishtari“ zehrt vor allem von seinen kräftigen Farben mitsamt des auffällig prägnanten Rotstichs – doch was die Konturen anbelangt, da sind einige Parallelen nicht abzustreiten. Aber das scheint bei unseren westlichen Nachbarn eigentlich eh ein markantes Charakteristikum, welches der hier angetretene Zeichner ebenso abschütteln können wird wie das Gros seiner Landsmänner.

Kommen wir zur Geschichte, in der eine geschlossene Episode um die Titelheldin erzählt wird. Crisse beweist sich einmal mehr als Meister origineller Handlungsstränge und kombiniert einige junge Charaktere mit einem humorvoll verdrehten Plot um betrügerische Unterwelt-Götter. Ishanti und ihr hartnäckiger Freund Tyi geraten in ein bis dahin verschwiegenes, intrigantes Spiel und wollen eigentlich nur ein bisschen Abenteuerluft in einer verlassenen Königsgruft schnuppern. Tyi wollte seiner Herzdame von seinen großen Entdeckungen berichten und ihr Dinge zeigen, die sie von ihrer Meinung, dass er ein nutzloser, fauler Tunichtgut ist, abbringen sollen. Doch der Schuss geht nach hinten los.

Die Götter hatten vom gierigen Razor verlangt, dass er einige wichtige Artefakte stiehlt, und der hat diesen Auftrag auch zur vollen Zufriedenheit ausgeführt und die ersuchten Krüge im großen Grabmal bereitgestellt. Doch als Tyi, Ishanti und ihr Kater Ramses dort auftauchen, kommt die Katze vom Weg ab, versteckt eher versehentlich den wichtigsten Krug mit der Lacrima (dort bewahrte die Göttin Isis ihre Tränen auf) und entfacht damit ein undurchschaubares Chaos, das der berüchtigste Tagedieb des Landes nutzt, um kurzerhand das Artefakt zu stehlen und sich gemeinsam mit den beiden Jugendlichen sowie dem Wächter der Tempeltänzerinnen aus dem Staub zu machen. Und irgendwie wissen die Protagonisten des Plots bis zum Ende kaum, wie ihnen geschieht. Lediglich den Nutzen, den die jüngsten Aktionen mit sich bringen, nehmen sie spürbar wahr, besonders Ishanti, die sich in ihrer Berufung als Tänzerin immer deutlicher gegen ihre Kolleginnen behaupten und durchsetzen kann.

Besson und Crisse haben einen wahrhaftig wunderschönen Comic geschrieben, mit vielen versteckten Witzen, die manchmal auch aus der Masse an Fußnoten hervorgehen, und genialen Seitenhieben (zum Beispiel wird an einer Stelle statt eines ägyptischen Gottes der Hausgott eines beliebten Gallierstammes, ein gewisser Teutates, angebetet), die sich mit dem toll zusammengepuzzelten Handlungskonstrukt sehr harmonisch arrangieren. „Ishanti“ ist frisch, frech, bunt und einfach nur sympathisch. Wenn man sich schon nicht in die hübsch anmutende Titelfigur verliebt, dann auf jeden Fall in den tollen Plot, der in diesem ersten Band feilgeboten wird. Mit Comics wie „Ishanti“ sollte der |Splitter|-Verlag schon in Kürze wieder eine wegweisende Stellung einnehmen!

http://www.splitter-verlag.de

Delaney, Matthew – Dämon

Schwarz und Weiß, Tag und Nacht, Gut und Böse, Engel und Dämonen. Zu jedem Positiven existiert das Negative Pendant in dieser Welt, um ein Gleichgewicht herzustellen oder um eine Weiterentwicklung durch dynamische Prozesse zu ermöglichen.

Weiß die katholische Kirche mehr über die aus dem Himmel gestürzten Engel, die in fast jeder Kultur und auf jedem Kontinent als böse Geister oder Dämonen bekannt sind? Gibt es Überlieferungen, nicht nur im Alten Testament, gibt es Beschwörungen, um sich einen Dämon zu Willen zu machen? Gibt es Exorzisten? Das Thema „Dämonen“ ist so alt wie die Menschheit und Inhalt unzähliger Erzählungen, Fabeln und Mythen, Überlieferungen und nicht zuletzt der faustischen Literatur und des Filmes.

Zuletzt habe ich zu diesem Thema den Roman „Dämon“ von Matthew Delaney geradezu verschlungen:

_Die Geschichte_

1943. Der zweite Weltkrieg findet nicht nur in Europa statt, auch auf den nördlichen Pazifikinseln wird gekämpft; auf zumeist kleinen, strategisch oftmals unwichtigen Inseln stehen sich die kaiserlichen Soldaten Japans und die amerikanischen Truppen gegenüber.

Bei der Invasion dieser von Japanern besetzten Inseln kommt es zu unerklärlichen Zwischenfällen. Die ersten gewaltsamen Tode lassen die erfahrenden Soldaten angsterfüllt zurück. Wer ist der geheimnisvolle Feind, der ein ganzes Lager von Japanern auslöscht und eine Brutalität an den Tag legt, die nie zuvor jemand erlebt hat? Wer tötet so bestialisch und hinterlässt geheimnisvolle Schriftzeichen und Sätze, die niemand versteht?

Die amerikanische Einheit wird fast aufgerieben und nach und nach fallen die Soldaten einem Wesen zum Opfer das über unnatürliche Kräfte verfügt. Trotzdem überleben Teile der Einheit und werden von nachrückenden Soldaten auf dem Truppentransporter |Galla| in Sicherheit gebracht. Doch nicht nur verletzte Soldaten finden Zuflucht auf diesen Schiff … Bei einem Flugzeugangriff der Japaner wird die |Galla| versenkt und findet in mehreren tausend Metern unter dem Meeresspiegel vorerst ihre letzte Ruhestätte, wie so viele Schiffe im umkämpften Pazifik.

Fast 75 Jahre später unternimmt ein privates Forschungsschiff eine Expedition in diese Gewässer. Die Meeresforscher finden den gesunkenen Truppentransporter |Galla|, bergen einen Großteil des Wracks, das merkwürdig gut erhalten ist, und bringen ihren Fund in das Meeresmuseum in Boston.

Kurz darauf geschehen in der Stadt bizarre Morde, brutal und immer nach gleichem Muster. Die Opfer weisen immer drei Schnitte auf, die kein Mensch verursachen könnte, und immer wieder begegnen den Kriminalbeamten merkwürdige und offenbar mit einem verborgenen Sinn behaftete Sätze. Hinweise oder Warnungen – |mea est ultio|.

Der Kreis um die Opfer schließt sich immer mehr. In einem getöteten Körper findet ein Gerichtsmediziner DNA-Spuren nichtmenschlichen Ursprungs. Die Strukturen der DNA weisen keine Elemente auf, die Erbanlagen tragen bzw. diese weitergeben können – es scheint fast so, als würde die DNA im Stande sein, sich individuell und aus sich selbst heraus zu verändern.

Der Gerichtsmediziner vertraut sich den ermittelnden Beamten an und weist darauf hin, dass in den Zwanzigerjahren ein Skelett gefunden wurde, dessen DNA identisch ist. In St. Petersburg liegen die Überreste des Skelettes, der Öffentlichkeit nicht zugänglich, weil jeder logisch denkende Wissenschaftler der Ansicht ist, es könne nur eine perfekte Fälschung sein. Denn dieses Skelett ist teilweise menschlich, teilweise gleicht es einem Raubtier mit Fangzähnen und einer erschreckenden Knochenstruktur.

In St. Petersburg erklärt der Museumsdirektor den erschreckten Beamten seine Theorie von vier Dämonen, gefallenen Engeln, die seit der menschlichen Zeitrechnung auf Erden wandeln. Diese Dämonen wurden um 1187 von Tempelrittern besiegt und getötet, ihre Überreste auf verschiedenen Kontinente vergraben, versteckt in der Hoffnung, dass diese niemals gefunden werden. In Bann geschlagen durch vier Grabtuchteile Christi – zusammen mit Pergamenten, welche die Geschichte der Dämonen überliefern. Diese gefallenen Engel können, wenn sie von Menschen „eingeladen“ werden, deren Körper übernehmen; dadurch erschienen sie mit ihren übernatürlichen Kräften als perfekte Krieger, die aber an ihre Körper gebunden sind, auch nach deren natürlichem oder unnatürlichem Tod.

Diese Dämonen, ihre bösen Seelen, suchen einander in teilweise unkörperlicher Gestalt und wechseln ihren Körper nach belieben. Es ist so ähnlich wie bei den drei Musketieren: Einer für alle, alle für einen.

In den Katakomben befindet sich aber auch die letzte Ruhestätte eines der Tempelritter, der die Dämonen besiegt hat. In diesem Grab befinden sich die Aufzeichnungen über die Kämpfe mit den „Engeln des Bösen“ und darüber, wie man diese vielleicht besiegen kann. Aber die letzten Seiten dieses Manuskript fehlen. Wer hat außerdem Interesse an den Dämonen?

_Kritik_

Es mag erscheinen, als hätte ich vieles schon verraten. Dem ist nicht so, denn allein Delaneys Theorie um die gefallenen Engel würde diese Rezension sprengen. Der Schriftsteller erzählt diesen theoretischen Aufbau spannend und detailreich genug, um neugierig auf mehr Hintergrundwissen zu machen.

Matthew Delaney beschreibt in „Dämon“ seine Hauptcharaktere nicht als übermenschlich gute, ohne dunkle Momente handelnde Menschen, sondern lässt diesen auch durchaus Zeit und Raum, ihre eigenen Dämonen und Geschichten zu erklären, und auf keiner der 764 Seiten lässt das erzählerische Talent Delaneys nach.

Als Kritikpunkt sei allerdings anzumerken, dass der Autor sich teilweise in seinen Theorien widerspricht, und leider hatte ich oftmals auch den Eindruck, dass er verschiedene Gedankensprünge etwas verwirrend erklären wollte und dabei den eigentlichen Weg ein wenig aus dem Blick verloren hat. Trotzdem kann ich jedem Leser, der spannende Geschichten rund um das Okkulte liebt, diesen Roman empfehlen.

http://www.bastei-luebbe.de
|Siehe ergänzend die [Rezension 1108 von Dr. Michael Drewniok.|

Sassenberg, Volker – Abseits der Wege. Kapitel 1: Unweit

Hörspiele liegen voll im Trend. Ob entspannt im Wohnzimmer, als Alternative zur Nachtlektüre im Bett oder nebenbei während der Autofahrt, ihr Einsatzgebiet ist äußerst variabel und mittlerweile zu einer Alternative des Buchs oder Fernsehprogramms geworden. Während der Bedarf des Mystery- und Krimigenres durch zahlreiche, qualitativ hochwertige Hörspielserien weitgehend gedeckt ist, sieht es auf dem Fantasy-Sektor noch eher mager aus. Doch hier stehen bereits zwei Produkte in den Startlöchern. Während die Umsetzung Robert A. Salvatores [Saga vom Dunkelelf 2978 schon eine die breite Leserschar hinter sich weiß und speziell die |Dungeons & Dragons|-Fans anspricht, muss „Abseits der Wege“ aufgrund fehlender literarischer Vorlage ohne eine solche Basis anfangen. Bewusst spärlich sind die Vorabinformationen gesät, geheimnisvoll die wenigen Sätze, die die Handlung der Pilotfolge „Kapitel 1 – Unweit“ auf der CD-Rückseite umschreiben. Ein Blick auf den Regisseur klärt jedoch schnell auf, denn der zuständige Volker Sassenberg ist mit der Horrorreihe „Gabriel Burns“, die auch bei null anfangen musste, schon ein großer Erfolg gelungen, nicht zu vergessen „Point Whitmark“. Wird ihm dies mit „Abseits der Wege“ auch gelingen?

_Inhalt_

Die knapp 80 Minuten lange erste Folge beginnt betont düster und unheimlich. Erst ertönt eine hauchende, liebliche Frauenstimme und kündet mit verschwörenden Worten von drohenden Zeiten, dann unterhalten sich zwei anfänglich noch unbekannte Männer über ein nahendes Grauen, das sich an den Grenzen des Landes zusammenzieht. Das Weltenwerk breitet sich aus. Der Hörer bleibt im Unklaren, vieles ist beim ersten Durchgang verwirrend und kaum nachzuvollziehen. Doch die Grundstimmung, und damit das wesentliche Element dieser Pilotfolge, kommt klar und deutlich rüber: Etwas Großes wird geschehen und die Welt für immer verändern.

Nach dem Intro, von einer orchestralen Filmmusik unterlegt, geschieht ein Bruch und die Perspektive wird auf die Hauptperson Gaston Glück gelegt, gesprochen von Timmo Niesner (u. a. deutsche Synchronstimme von Frodo/Elijah Wood). Gaston ist der Sohn des Wirtes Tebald, der im Dörfchen Tiefensee ein gut besuchtes Gasthaus führt. Tiefensse ist mitten in den Vorbereitungen zu einem großen Fest und das ganze Dorf dementsprechend in Aufruhr. Von den Geschehnissen draußen in der Welt und den großen Städten des Landes bekommen die Dörfler kaum etwas mit, denn ihr Zuhause liegt weit abseits der Handelsrouten im Wald versteckt. So haben sich die Bewohner ihre kleine, naiv anmutende Welt erhalten und kümmern sich nicht um das, was ihnen von einsameren Wanderern ab und an über den König und seine Taten an die Ohren dringt.

Gaston ist in bester Laune. Er will an dem großen Rennen, dem Höhepunkt des Festes, teilnehmen und hat sich daher seine Freunde Dunring (Stefan Krause, Synchronstimme von Pippin/Billy Boyd) und Halmir (Hannes Maurer) geschnappt, um mit ihnen auf Gnomjagd zu gehen. Diese Geschöpfe sind zwar schwer zu fangen, aber mit einem flinken und gewitzten Gnom hätte Gaston gute Chancen, bei dem Rennen zu gewinnen. Tatsächlich finden die drei Jungen schließlich einen Knorpelgnom (gesprochen von Volker Sassenberg persönlich), ein hässlich aussehendes Wesen, und bringen ihn in einem Sack versteckt zum Dorf zurück. Doch Gaston kommt nicht dazu, sich über seinen Fund zu freuen, denn die Ereignisse überschlagen sich plötzlich. Ein Purpurner Prüfer ist nach Tiefensee gekommen und verlangt einen Führer, der ihn ins nahe gelegene Dorf Katenbrunnen bringt. Gaston kann sich nicht erinnern, jemals einer solchen Gestalt begegnet zu sein. Von Geschichten am Kamin weiß er lediglich, dass solche Prüfer vom König geschickt werden, um nach Spuren des Weltenwerks zu suchen. Nur warum sollte so einer, denkt sich Gaston, ausgerechnet nach Tiefensee gekommen sein, wo es noch nie merkwürdige Vorkommnisse gab? Gaston bleibt nichts anderes übrig, als den Purpurnen Prüfer auf Wunsch seines Vaters nach Kaltenbrunnen zu führen, während sich seine Freunde um die Vorbereitungen für das Fest kümmern. Wenn er schnell genug zurück ist, verspricht ihm sein Vater, wird er die Feierlichkeiten noch von Anfang an mitbekommen.

Der Purpurne Prüfer gibt sich bedeckt ob seines Auftrags, und so kann ihm Gaston auf seinem Weg zum Nachbardorf keine Geheimnisse entlocken. In Kaltenbrunnen angekommen, ändert sich jedoch die Situation. Das Dorf ist verlassen, überall liegt kniehohes Laub verstreut. Können das die Faiyen gewesen sein, Gestalten von kreideweißer Haut und silbernen Augen, die hier in der Nähe hausen sollen? Noch bevor Gaston Rückschlüsse ziehen kann, findet der Prüfer unter dem Laub einen abgetrennten Arm – den eines Unlichs, der wie ein abgestorbener Baum verrottet und sich in Laub verwandelt. Der Prüfer hat das Unheil, das Weltenwerk gefunden. Während dieser die Spuren begutachtet, stolpert Gaston über den entlaufenen Knorpelgnom. Hat er etwas mit dem Weltenwerk zu tun? Bevor Gaston aus dem Dorf Hilfe holen kann, wird er überrumpelt und in einen Strudel von Ereignissen hineingezogen, die sein Schicksal besiegeln. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als sich den Gefahren zu stellen und sich dem Weltenwerk entgegenzustellen.

_Umsetzung_

„Abseits der Wege“ ist technisch brillant umgesetzt worden. Wie man es von |Universal| gewöhnt ist, gehen hier die guten Leistungen der Synchronsprecher mit überzeugenden Soundeffekten und einer passenden musikalischen Untermalung einher. Volker Sassenberg hat für sein Fantasyprojekt eine Vielzahl bekannter und weniger bekannter Sprecher versammelt, die die Welt zum Leben erwecken. Von dieser Seite hat man alles richtig gemacht.

Obwohl es sich um ein Hörspiel handelt, wird dem Erzähler eine große Rolle eingeräumt. Die meisten gesprochenen Passagen übernehmen natürlich die Sprecher der einzelnen Figuren. Für die deskriptiven Elemente sowie zahlreiche Zwischenpassagen zeichnet sich allerdings der Erzähler aus, der durchaus eine eigene Figur innerhalb der Geschichte darstellt und als eine Art Chronist angesehen werden kann. Mehrmals greift er Ereignisse vor und hält dramaturgisch geschickt die Spannung aufrecht. Ein sinnvolles Mittel, denn die Geschichte selbst ist trotz einiger Actionszenen recht langsam aufgebaut. Dies ist nicht im negativen Sinne, sondern eher als Betonung darauf zu verstehen, dass sich „Abseits der Wege“ mehr an einen kontinuierlich aufgebauten Buchplot denn als einen schnell geschnittenen Film anlehnt.

Die Welt ist, auch wenn nach der ersten Folge nur ein kurzer Blick auf sie erfolgt, von Menschen besiedelt, die die Geschicke des Landes leiten. Dennoch beheimatet sie eine Vielzahl unterschiedlichster Geschöpfe, die von albinoartigen Faiyen bis hin zu den gefährlichen Unlichen reichen. Insgesamt vermittelt die Welt einen realistisch-düsteren Ton. Von abgelutschten Fantasy-Klischees wie herumzaubernden Magiern und mürrischen Zwergen ist in „Abseits der Wege“ glücklicherweise nichts zu spüren. Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack, denn die Anleihen an die Vorlage [„Der Herr der Ringe“ 1330 sind nicht zu übersehen. Dies beginnt bereits bei den Stimmen von Gaston und Dunring, die im Kinofilm die Hobbits Frodo und Pippin synchronisieren. Der Aufbau des Handlungsortes, ein abgelegenes Dorf, welches plötzlich von den Geschehnissen überrollt wird, führt zwangsläufig zu einem Vergleich mit dem Auenland. Und dass gerade ein Dorffest stattfindet, ebenso pompös wie Bilbos 111. Geburtstag, setzt dem Ganzen die Krone auf. Es bleibt für die späteren Folgen zu hoffen, dass die Serie hier einen eigenen Weg findet.

_Fazit_

„Abseits der Wege. Kapitel 1 – Unweit“ ist ein gelungener Hörspielauftakt geworden, der Lust auf mehr macht und seinem Anliegen gerecht wird, indem er zahlreiche Fragen aufwirft, die es für die kommenden Folgen zu beantworten gilt. Trotz des etwas dreisten Ideenklaus bei Tolkien versprüht die Pilotfolge bereits ihren eigenen Charme und sollte, sofern sich die Handlung der kommenden Teile noch steigert, eine große Fanbasis finden. Für Hörspiel-Anhänger definitiv zu empfehlen. Fantasyleser, die bisher aus Mangel an guten Hörspielen einen Bogen um dieses Genre gemacht haben, sollten ebenfalls einen Blick, pardon Hörgang wagen.

Erzähler: Heinz Ostermann
Gaston Glück: Timmo Niesner
Dungring: Stefan Krause
Halmir: Hannes Maurer
Myrell: Diana S. Borgwardt
Purpurner Prüfer: Karl Schulz
Tebald Glück: Jürgen Kluckert
Orton Wasserpforte: Reiner Schöne
Motzblatter: Martina Treger
Knorpelgnom Po: Volker Sassenberg
Hauptmann Heldentod: Heinz-Werner Krähkamp
Calypso: Tim Moeseritz
Chronist: Raimund Krone
Lyssandrer: Valentina Singott
Novize: Christian Gaul
Träumende: Maria Sumner

ISBN 3-8291-1863-7
ASIN B000J0SUQC

http://www.abseitsderwege.info
http://www.abseits-der-wege.net
http://www.dg-literatur.de
http://www.karussell.de

[„Kapitel 2: Stromabwärts“ 4207

Stroud, Jonathan – Bartimäus – Das Amulett von Samarkand

Nach dem Erscheinen von Harry Potter in der Welt der Jugendromane geht dieser Trend nun weiter und etabliert das Genre der All-ages-Literatur. Das von mir vorgestellte Buch „Bartimäus – Das Amulett vom Samarkand“ des englischen Autors Jonathan Stroud gehört in dieses Fantasygenre und weiß zu begeistern:

_Die Story_

Bartimäus ist ein Dämon, ein Geist der mittleren Stufe, was die magische Welt angeht, 5000 Jahre alt, was für einen Dämon noch recht jung ist, und er hat wirklich ein gesundes Selbstbewusstsein. Bartimäus ist arrogant, selbstsicher und recht rücksichtslos, eben nicht gerade jemand, der wirkliche Minderwertigkeitskomplexe erkennen lässt. Er kannte die Pharaonin Nofretete und ihr magisches Fußkettchen, war mit König Salomo per Du und ist in seinen Jahren so ziemlich durch die Epochen gewandert, immer wieder beschworen von mächtigen Zaubern.

Nur Zauberer können Dämonen herbeirufen; sie selbst verfügen nicht über Zauberkräfte, sondern versklaven die Geister, um sich ihrer magischen Mächte zu bedienen. Für den egozentrischen Bartimäus ist es ein herber und sensibler Schlag, dass ausgerechnet ein kleiner Zauberlehrling, ein Junge namens Nathanael, ihn beschwört und er sich seinen Befehlen beugen muss. Da kann die Grabesstimme schon mal just verrutschen …

Der Zauberlehrling Nathanael befiehlt Bartimäus, dem Zauberer Simon Lovelace das Amulett von Samarkand zu stehlen, und das nur, weil dieser ihn ein wenig gedemütigt hat. Was Anfangs als kleiner Streich gedacht war, entwickelt sich im Britannischen Empire, denn dort spielt die Geschichte, zu einer wahren Regierungskrise und bietet Stoff für die eine oder andere Verschwörung. Auf einmal lauern überall Gefahren für Bartimäus und Nathanael: Auftragskiller, Dämonen und der Widerstand der gewöhnlichen Menschen (also die nicht magischen) gegen die Regierung Englands – jede Fraktion hat ihre eigenen Interessen.

Nathanael und Bartimäus erkennen, dass das mächtige Amulett eine wichtige Rolle zu spielen hat und dass Simon Lovelace, der als Zauberer für die Regierung arbeitet (die Regierung besteht nur aus Zauberern), über Leichen geht, und nicht nur über die von Zauberlehrlingen und egozentrischen Dämonen …

_Kritik_

Eine wunderbare Geschichte, rasant und eindrucksvoll. Jonathan Stroud hat als Hauptfigur ebenso wie Rowling einen Zauberlehrling gewählt, aber dieser hat mit Harry Potter auch im Entferntesten keine Ähnlichkeit. Im Gegenteil, Nathanael ist nicht der nette, moralische junge Mann, sondern immer nur auf seinen eigenen Vorteil und seine eigene Karriere bedacht.

Die Geschichte ist immer in der jeweiligen Ich-Form des Charakters geschrieben. Von Kapitel zu Kapitel geben sich Nathanael und Bartimäus die Klinke in die Hand. Temporeicher Witz, Sarkasmus und Ironie (ich verweise hier auf die Fußnoten) vor allem von Bartimäus zeichnen die Handlung aus. Seine Erklärungen und Erzählungen vergangener Zeiten aus dem Blickwinkel eines Jahrhunderte alten Dämons sind mehr als amüsant – ohne diese wäre das Buch eher Durchschnitt. Bartimäus ist nicht gut gesinnt, aber als Dämon auch nicht ungemein böse; ein vielschichtiger Charakter, der sich nicht nur in einer Richtung bewegt.

Der Zauberlehrling Nathanael ist ein schüchterner und ängstlicher Charakter, der aber trotzdem in den magischen Künsten nicht untalentiert ist. Er ist im Roman natürlich auch eine wichtige Person, obwohl er die zweite Geige spielt, was in den beiden nächsten Teilen hoffentlich auch nicht anders sein wird.

Die Handlung entwickelt sich vornehmlich dadurch weiter, dass die beiden Perspektiven von Bartimäus und Nathanael trotz aller Abhängigkeit voneinander Hand in Hand gehen. Die Spannung, die dadurch aufkommt, lässt keine Langweile zu und produziert eine gelunegene stilistische Abwechslung in der Literaturszene für junge und jung gebliebene Leser. Jonathan Stroud hat mit dem ersten Teil der bisherigen Trilogie eine Geschichte und Charaktere entwickelt, die wirklich originell sind und den Vergleich zum Harry-Potter-Boom nicht zu scheuen brauchen.

All das macht die Lektüre spannend und abwechslungsreich und bietet pures Lesevergnügen, das ich nur weiterempfehlen kann. Die Filmrechte sind auch schon verkauft worden – |Miramax| verfilmt die Trilogie derzeit.

_Der Autor_

Jonathan Stroud wurde 1970 in Bedford geboren. Er schreibt Geschichten, seit er sieben Jahre alt ist. Als Lektor für Kindersachbücher erschloss sich sein schriftstellerisches Talent, indem er anfangs Kinderbücher veröffentlichte. Nach kleinen Erfolgen beschloss er, Autor in größerem Stil zu werden. Zusammen mit seiner Frau Gina und seiner Tochter Isabelle lebt er in der Nähe von London.

http://www.bartimaeus.de/

Ellroy, James – Black Dahlia – Die schwarze Dahlie

James Ellroy gehört zu den großen Kriminalautoren unserer Zeit, und so ist es kein Wunder, dass sein Erfolgsbuch „Die schwarze Dahlie“ im letzten Jahr mit einer Starbesetzung und unter der Regie von Brian de Palma in die Kinos kam. Für |Ullstein| ist das Grund genug, um den Roman von 1988 nochmals herauszubringen.

Im Mittelpunkt steht Ich-Erzähler Bucky Bleichert, Polizist in Los Angeles, der in Lee Blanchard, einem hochgewachsenen, meist skrupellosen Polizisten, der mit der ehemaligen Freundin eines Gangsters zusammenwohnt, nicht nur einen Partner, sondern auch einen guten Freund findet.

Das Ermittlungsgeschick der beiden ist gefragt, als 1947 die schrecklich zugerichtete Leiche einer 22-jährigen vor einem heruntergekommenen Haus gefunden wird. Bei der Toten handelt es sich um die naive Elizabeth Short, die nach L. A. gekommen war, um beim Film groß herauszukommen – wie so viele andere Mädchen. Tatsächlich landete sie ständig in den Betten anderer Männer und verstrickte sich in Lügengeschichten von Ehen mit tapferen Soldaten anstatt ein Filmstudio auch nur von außen gesehen zu haben.

Der gesamte Polizeiapparat steht unter großem Druck, denn einen Fall, der so hohe Wellen in der Öffentlichkeit schlägt, sollte man nicht ungelöst lassen. Doch obwohl Bleichert und Blanchard ihr gesamtes Repertoire an legalen und illegalen Ermittlungsmethoden ausschöpfen, kommen sie nicht voran. Währenddessen wird der Fall für Blanchard eine Art Obsession, da ihn die Tote, die aufgrund ihres exzentrischen Aussehens – sie färbte sich die Haare schwarz und trug nur schwarze Kleider – von der Presse als Schwarze Dahlie bezeichnet wird, an seine verschwundene kleine Schwester erinnert.

Und auch Bucky verliert den Bezug zur Realität. Er fühlt sich nicht nur von Kay, der Freundin Blanchards, angezogen, sondern beginnt auch ein Verhältnis mit der verwöhnten Unternehmertochter Madeleine Sprague, die sich auffällig für den Fall der Schwarzen Dahlie interessiert …

Was Ellroys Roman vor allem auszeichnet, sind der hohe Realismus und das hohe Maß an Misstrauen, das er seinen Charakteren entgegenbringt. In „Black Dahlia – Die schwarze Dahlie“ gibt es keinen strahlenden Protagonisten – jeder hat Dreck am Stecken und das, obwohl die meisten Personen Gesetzeshüter sind. Aber gerade dieser Dreck am Stecken lässt die Charaktere unglaublich authentisch aussehen und ihre undurchsichtigen Verwicklungen sorgen innerhalb der Handlung immer wieder für Überraschungsmomente.

Diese Überraschungsmomente kann die Handlung ab und an ganz gut gebrauchen. Obwohl die Atmosphäre des Buches stimmt, zieht sich die Handlung an einigen Stellen etwas zu sehr in die Länge. An anderen Stellen weiß sie dagegen zu überraschen und ein beträchtliches Maß an Spannung aufzubauen. Allerdings ist gerade die Auflösung des Falls, die zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr im Vordergrund steht, ein wenig zu haarsträubend geworden.

Was steht denn dann im Vordergrund, wenn nicht der Kriminalfall? Ganz einfach. Es ist Buckys Leben nach dem Verschwinden seines Partners Lee Blanchard. Denn „Black Dahlia – Die schwarze Dahlie“ ist mehr als ein Kriminalfall und geht weit über den stereotypen Ermittlerroman hinaus. Es behandelt viel mehr das Leben von Bleichert, zusammen mit seinen Frauengeschichten und der Männerfreundschaft zu Blanchard. Dadurch bekommt das Buch sehr viel psychologische Tiefe und hebt sich wohltuend von anderen Kriminalromanen ab.

Der Autor zeichnet folglich ein sehr düsteres Bild vom L. A. der 40er Jahre, das er mit dem ebenfalls recht düsteren Ich-Erzählerschreibstil noch eindrücklicher gestaltet. Bucky Bleichert zeichnet sich auch sprachlich nicht gerade durch Überkorrektheit aus, was zu einigen Flüchen und politisch unkorrekten Äußerungen führt. Dadurch und durch die lakonische Schreibweise entsteht eine beinahe schon filmische Atmosphäre, die an alte Ermittlerstreifen erinnert. Da sowohl Bleichert als auch Blanchard früher leidenschaftliche Boxer waren (und auch mal gegeneinander im Ring standen), würzt Ellroy seine Schreibe noch mit ein wenig Boxerslang, was das Ganze noch verruchter erscheinen lässt.

In der Summe ist „Black Dahlia – Die schwarze Dahlie“ das gestochen scharfe Portrait der Traumfabrik L. A. in den 40er Jahren und eines Ermittlerpaares, das sowohl im dienstlichen als auch im privaten Leben keine weiße Weste aufweist. Auch wenn der Kriminalroman an einigen Stellen in der Handlung schwächelt, tut er sich mit einer wunderbar düsteren Atmosphäre, großartigen Charakteren und einem dreckig-authentischen Schreibstil hervor.

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Morvan, Jean-David / Buchet, Philippe – Wolverine – Saudade (Marvel Graphic Novels 10)

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Auf Geheiß von Charles Xavier reist Wolverine in die brasilianischen Slums, um dort einen verborgenen Mutanten auszumachen. Doch schon nach wenigen Stunden wird er von einer Gang Jugendlicher überfallen und attackiert, ohne dass er dabei etwas ausrichten kann. Einer der Kids verfügt dabei tatsächlich über Superkräfte, entpuppt sich später aber nicht als der Gesuchte. Auf der Suche nach seinem gestohlenen Motorrad trifft Wolverine alsbald wieder auf die Gangster-Kids, muss sie aber dieses Mal aus der Gefangenschaft einer organisierten Verbrecherbande befreien, die noch eine Stufe gefährlicher erscheint als die vergleichsweise harmlosen Kinder. Mit einem solch brutalen Szenario hätte Wolverine vor seiner Abreise nach Brasilien nicht gerechnet. Nichtsdestotrotz ist er motivierter denn je, den kompromisslosen Schurken das Handwerk zu legen und etwas gegen die fürchterlichen Umstände auf den Straßen der Slums zu unternehmen.

_Story_

Eine Premiere für die Welt der |Marvel|-Comics: der französische Star-Autor Jean-David Morvan hat sich dazu hinreißen lassen, eines der brutalsten und spannendsten „Wolverine“-Abenteuer überhaupt zu schreiben und den Beliebtesten der X-Men mal aus einer ganz anderen Perspektive darzustellen. Morvan, unter anderem durch seine Arbeit an „Spirou“ bekannt geworden, hat sich hierfür die Mithilfe des ebenfalls nicht gänzlich unbekannten Landsmanns Philippe Buchet gesichert, mit dem er eine recht eigenwillige Version eines „Wolverine“-Comics kreiert hat. „Saudade“ ist nämlich in vielerlei Hinsicht komplett anders als all das, was man bis dato vom |Marvel|-Actionhelden gesehen und gehört hat.

Die besonderen Akzente setzt dabei Zeichner Buchet, der die Figur und ihre markanten Gesichtszüge für diesen Comic erheblich modifiziert hat. Rein äußerlich ist Wolverine kaum noch wiederzuerkennen und gleicht in der peppigen Aufmachung in gewisser Weise einem Elvis-Imitat, nicht aber einem der wichtigsten Superhelden, die die Comic-Industrie je hervorgebracht hat. Dies ist aber jetzt nicht als Kritik zu verstehen; es ist halt nur ein wenig ungewöhnlich, eine so oft dargestellte Figur wie eben Logan alias Wolverine zeichnerisch einmal von einer völlig unbekannten Seite zu sehen.

Aus diesem Grund ist es zunächst auch schwierig, sich überhaupt auf den Plot einzulassen. Die Rahmenbedingungen sind verändert, und bevor man erst einmal realisiert, wie stark die Geschichte eigentlich ist, merkt man, dass man schon fast zu viel Zeit damit verbracht hat, sich an die neuen Begebenheiten zu gewöhnen. Okay, das ist vielleicht jetzt auch wieder übertrieben. Halten wir fest: „Wolverine – Saudade“ ist kein typischer Comic um den Titelhelden, aber gerade deswegen auch wieder sehr interessant und bezogen auf den Inhalt sogar echt spitze.

Apropos Inhalt: Morvan zeigt sich als Freund kaltherziger Handlungen und brutaler Inhalte. Schonungslos hat er seine Story um das Leben in den niederträchtigsten Slums aufgebaut, blutige Szenen ebenso wenig gescheut wie Gewaltdarstellungen am Beispiel von verbrecherischen Kindern, und er hat letztendlich sowohl die Schockeffekte als auch die zahlreichen Überraschungen auf seiner Seite. Die Geschichte ist zwar linear und enorm straight aufgebaut, doch der Autor hat an den entscheidenden Stellen einige unverhoffte Wendungen eingebaut, seien es nun die vereinzelten Niederlagen, die Wolverine im Kampf einstecken muss, die vielfältigen Fähigkeiten des gesuchten Helden oder die überraschende Auflösung der Aura, die den verborgenen Mutanten umgibt. Buchet schließt sich dem unnachgiebig an; immer wieder ist man erstaunt von seinen Illustrationen um Wolverine, die jedes Mal wieder das andersartige Charakterbild des Superhelden unterlegen. Zudem passt er die Zeichnungen dem landeseigenen, mittlerweile als typisch französisch anerkannten Zeichenstil an, was einen schon von der ersten Seite an verblüfft. Damit verpasst er der Story den richtigen, teils mysteriös anmutenden Rahmen und bestätigt gleichzeitig die Harmonie, die sein Werk mit dem Morvans verbindet.

Eine außergewöhnliche, wunderbare, dennoch aber auch sehr harte Erzählung, die den zehnten Part der Graphic Novels aus dem Hause |Marvel| schmückt – aber, und das möchte ich hier noch einmal betonen, ein super-interessantes, von allen „Wolverine“-Geschichten völlig losgelöstes Album, das einem von Anfang bis Ende eine Menge Freude bereitet.

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