Die neu in Kraft getretenen _Rechtschreibregeln_ waren zumindest für den _Duden_ nun doch ein Erfolg. In nur vier Tagen brachte der Umsatz des 24., völlig neu bearbeiteten und erweiterten Regelwerks den Titel auf Platz 1 der Sachbuchbestseller-Listen. Das war in dieser Weise in den Vorjahren nicht der Fall. Scheinbar hat die Marketing-Strategie, dass man eine Gutschrift auf alte Duden – die man beim Kauf zurückgibt – erhält, nicht unerheblich dazu verholfen. Die Schulbuchverlage dagegen erleiden Umsatzeinbrüche. Cornelsen z. B. musste mehr als 100 Titel korrigieren, ohne dass das der Nachfrage nützt. Die Käufer bleiben im Grunde – abgesehen vom überraschenden Erfolg des Dudens – verunsichert und halten sich mit ihren Käufen zurück. Und der Gegenwind gegen die Reform bleibt somit unverändert bestehen.
Auch die reformkritische Sprachzeitung _“Deutsche Sprachwelt“_ setzt ihren Widerstand fort und hat ein Internetdenkmal aus Anlass der Einführung der neuesten Fassung der Rechtschreibreform zum 1. August und dem zehnten Geburtstag der Reform ins Netz gestellt: www.deutsche-sprachwelt.de/denkmal.shtml. In einer Ehrentafel, die laufend ergänzt wird, stellt sie mit charakteristischen Zitaten die Hauptverantwortlichen der Reform vor. „Möge ihr Werk nie vergessen werden und den kommenden Generationen zur Mahnung gereichen“, erklärte dazu der Schriftleiter der „Deutschen Sprachwelt“, Thomas Paulwitz. „Die deutsche Sprache wird sich von der Reform erholen. Schon jetzt bröckelt das Werk an allen Ecken und Enden. Wir werden schrittweise eine weitere Rückkehr zu den bewährten Schreibweisen erleben“. Denn 79 % der Deutschen fühlen sich nach Umfragen noch bzw. erneut durch die Einführung der neuen Regeln zum 1. August verunsichert.
Das _E-Publishing_ war nach mehreren vergeblichen Anläufen für den Massenmarkt bislang immer gefloppt. Nun kommt allerdings eine neue Generation des Musik-Players |iPod| auf den Markt, die auch als Lesegerät für E-Books dienen. Das könnte vielleicht doch den Durchbruch bringen, denn Apple hat die Geräte weltweit fast 60-Millionen-mal verkauft. Dahinter steht auch der Vertriebskanal „iTunes“, ein stark frequentierter Online-Shop, der neben Musikdateien Videos und Hörbücher zum Download anbietet und dies dann durch E-Books ergänzt. Andere Firmen versuchen sich allerdings ebenfalls noch in diesem Bereich.
Die Musik- und Filmbranche leidet seit Jahren unter den _illegalen Downloads_ von Raubkopien ihrer Produkte im Internet. Mittlerweile ist das auch bei Hörbüchern, eBooks und eingescannten Büchern der Fall. Da dies die Branche erheblich schädigt, wurde eine Arbeitsgruppe Piraterie von den Arbeitskreisen Hörbuch und elektronisches Publizieren im Börsenverein gegründet. Ebenso gibt es einen Arbeitskreis gegen Raubkopierer. Raubkopien verändern dramatisch die Kulturlandschaft. In Kopiernetzwerken, gern als „Tauschbörsen“ bezeichnet, aber auch auf elektronischen Marktplätzen wie eBay werden massenweise die Raubkopien angeboten. Gegenwärtig ist für Verlage das zivilrechtliche Vorgehen gegen die Piraterie praktisch noch nicht möglich. Problem ist die Anonymität des Internets. Die Internet-Provider, die dynamische IP-Adressen zuweisen, wissen zwar genau, welcher Rechner für den Datentausch verantwortlich ist, aber verweigern bei zivilrechtlicher Verfolgung die Herausgabe von Kundendaten. Zwar hat der europäische Gesetzgeber seine Mitgliedsstaaten verpflichtet, einen gesetzlichen Auskunftsanspruch von Rechteinhabern gegenüber Providern einzuführen, aber Deutschland hat darauf noch nicht reagiert. Ein Entwurf des Bundesjustizministeriums existiert zwar bereits, aber die Hürden für die zivilrechtlichen Auskünfte liegen in diesem Entwurf zu hoch. Für den Anspruch auf Auskunft muss ein „gewerbliches Handeln“ des Rechteverletzers vorliegen und somit entspricht der Entwurf einer Bagatell-Klausel. Die Einführung einer Bagatell-Klausel würde Rechteinhabern die Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen in Internet-Tauschbörsen fast unmöglich machen. Der technische Aufwand für einen Nachweis ist extrem hoch. Rechteinhaber können kaum nachweisen, ob der Verletzer eine Bagetall-Klausel überschritten hat. Der wirtschaftliche Schaden entsteht nämlich vor allem durch die Vielzahl der privat handelnden Personen. Wenn der Entwurf in jetziger Form durchgesetzt wird, muss künftig jedes Auskunftsverfahren ein eigenes Zivilgerichtsverfahren durchlaufen. Das dauert sehr lange und ist zudem teuer. Pro Auskunftsverfahren zahlt der Rechteinhaber 200 Euro plus schätzungsweise mehr als 50 Euro Kostenpauschale an den Provider. Ob ein Rechtsbruch dann nachgewiesen werden kann, bleibt zudem ungewiss. Der Rechteinhaber muss den Nachweis erbringen, dass der Verletzer eine Bagatellgrenze überschritten hat. Ein nachgewiesener Einzelfall wird aber zwangsläufig zur Bagatelle. Inzwischen ist es auch schon üblich, dass Lehrer ihren Schülern den illegalen Download von kompletten Büchern im Internet empfehlen und kürzlich ermittelte die Kanzlei Waldorf innerhalb von 30 Tagen 60.000 illegale Anbieter von Audiobook-Bestsellern.
Ohnehin tobt im Internet der Preiskampf trotz der _Preisbindung_ auf Bücher in Deutschland. Die Rechtsabteilung des Börsenvereins hatte in den letzten Jahren den Wildwuchs bei _eBay_ eingedämmt und alle Verstöße der dort aktiven Händler konsequent abgemahnt. Jetzt rückt der neue _Amazon-Marketplace_ ins Blickfeld. Dort befindet sich ein ständig wachsender „Graumarkt“ von vermeintlichen Mängelexemplaren. Im August sind binnen weniger Tage 140 Online-Händler abgemahnt worden und 33 Fälle gingen ins Klageverfahren. Aber Mängelexemplare gibt es nicht nur dort: Auch sonst greifen viele Verlage zu dem unerlaubten Schritt, die zurückgehende Remittendenflut von einwandfreien verlagsneuen Titeln mit Stempeln oder Strichen zu „mängeln“ und damit die Ramschkisten zu füllen. Auch diese werden konsequent abgemahnt, denn die Preisbindung ist ein Segen für den Mittelstand. Sie hat aber – ebenso wie die ermäßigte Mehrwertsteuer – nur Bestand, wenn die Branche das Kulturgut Buch hochhält und den Ramsch nicht zur Regel werden lässt.
Die _Umsätze_ der Buchbranche gingen im Sommer, vor allem Juli – wegen der extremen Hitze – enttäuschend zurück und zwar in allen Bereichen: Sortiment, Kauf- und Warenhäuser, sogar im E-Commerce. Betroffen im Einzelnen waren alle Genrebereiche. Am schlimmsten beim Kinder- und Jugendbuch mit fast 23 %, aber es gab ja auch keinen neuen Harry Potter. Lediglich leicht zugenommen hatten Taschenbücher mit fast 2 % und immerhin auch die Hörbücher mit 5 % (allerdings waren die bislang an zweistellige Zuwächse ohne Abwärtstrends gewöhnt). Einzig herausragend gegen den Trend war die Reiseliteratur mit einem Plus von 12 %. Ab August waren die Zahlen dann wieder besser.
Die gerichtlichen Auseinandersetzungen um den Roman „Esra“ von Max Biller machen inzwischen Schule. Unter Berufung auf die _Verletzung von Persönlichkeitsrechten_ haben Anwälte Abmahnungen für drei Titel ausgesprochen: „Mond und Sterne“ von Moon Suk (Wunderlich), „Einladung zum Mord“ von Udo Schwenzfeier (Militzke) und „Der Bankier“ von Werner Rügemer (Nomen-Verlag). Der Prozess über Schadensersatzforderungen im Zusammenhang mit Billers „Esra“ ist mittlerweile um drei Monate verschoben worden. Auch der Melzer-Verlag darf den Nachdruck des Bildbandes „Mythos Romy Schneider“ vorerst nicht mehr ausliefern. Der Ehemann von Romys Mutter Magda Schneider hat gegen den Verkauf eine einstweilige Verfügung erreicht.
Die bereits mehrfach geschilderten Auseinandersetzungen um den Musiker _Hans Söllner_ reißen auch nicht ab. Am 7.J uni erzwangen Polizisten mit einem richterlichen Durchsuchungsbefehl zeitgleich Zutritt zu den Räumen des _Trikont-Verlages_, bei Hans Söllner in Bad Reichenall und zu den Privaträumen _Achim Bergmann_s. Gesucht und beschlagnahmt wurden sämtliche T-Shirts von Söllner mit der Aufschrift „Hitler Bush Blair – International“ (ein Zitat aus einem Song Hans Söllners), abgebildet sind die genannten Personen. Außerdem wurden Geschäftsunterlagen, Korrespondenz, Lieferscheine der genannten T-Shirts aus der Trikont-Mail-Order-Datei sowie ein Computer beschlagnahmt. Begründet wurde diese Aktion des Amtsgerichts Traunstein folgendermaßen: |“Strafbar ist das Verwenden von und Beihilfe zum Herstellen, Vorrätighalten und Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a Abs. 1, 27 STGB“|. Einem Beschwerdebeschluss des Trikont-Verlages, von Achim Bergmann und Hans Söllner schloss sich dann aber das Landgericht Traunstein an und stellte die Rechtswidrigkeit der Durchsuchungen fest. Auszüge aus der Presseerklärung der Anwaltskanzlei Arnold & Bauer: |“…dieses T-Shirt zeigte die Präsidenten Bush und Blair neben einem Portrait Adolf Hitlers, darunter gelegt war der Refrain eines Liedes von Hans Söllner „Hitler, Bush, Blair – International“ (Der volle Wortlaut des Refrains lautet: „A Drecksau bleibt a Drecksau, ob Staatsanwalt oder Präsident, A Drecksau bleibt a Drecksau, Namen san egal, Hitler, Bush, Blair – International“). Diesmal war die Staatsanwaltschaft auf den glorreichen Gedanken gekommen, Hans Söllner sei ein Rechtsradikaler, indem er „Kennzeichen einer verfassungsfeindlichen Organisation“ in Form eines Hitlerbildes verbreite… Mit Beschwerde vom 26.6. wurde für Hans Söllner darauf hingewiesen, dass der Gutsprechende (§ 86a STGB) zu den „wichtigsten antifaschistischen Gesetzen, die nach Aufbau eines demokratischen Staates in Deutschland in das Strafgesetzbuch eingefügt sind, gehört“…. In der Beschwerde wird aufgeführt, dass selbst „die Staatsanwaltschaft nicht ernsthaft davon ausgeht, dass Hans Söllner zu einem Nazi mutiert ist“. Ihr wurde daher wörtlich vorgeworfen: „das Beschämende und Erschreckende beim streitgegenständlichen Beschluss ist, dass dieser einen zutiefst antifaschistischen Paragrafen in rechtswidriger Weise missbraucht, um einen der engagiertesten Antifaschisten im Freistaat Bayern mundtot zu machen. In einem solchen Verfahren kann beim besten Willen keine Anwendung des Rechts gesehen werden, es muss vielmehr von einer Beugung bestehenden Rechts gesprochen werden“|. In einem ausführlichen Beschluss schloss sich das Landgericht Traunstein erfreulicherweise dieser Argumentation an, hob den Beschwerdebeschluss auf und stellte die Rechtswidrigkeit der Durchsuchungen fest.
Mehrfach berichteten wir in diesem Jahr an dieser Stelle über Repressalien gegen die Wochenzeitung _“Junge Freiheit“_, die nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen mit den Innenministerien nicht mehr im Verfassungsschutzbericht als „rechtsradikale“ Zeitung bezeichnet werden darf.
Die linksradikalen Kampagnen gegen deren freien Vertrieb nehmen dennoch wieder zu. Kioske erhalten Anschreiben, in denen unverändert diskriminiert wird. So verteilten in Braunschweig die örtliche „Jugend Antifa Aktion“ mit Unterstützung der PDS Flugblätter gegen den Verkauf, in Ulm und Tübingen mobilisierten die Jusos und in Kiel die örtliche Antifa. Teilweise werden Mahnwachen schwarz gekleideter „Antifa“ vor den Kiosken aufgeführt, was paradoxerweise dann doch eher an SA-Manier erinnert.
Beginn 2005 bis Sommer 2006 wurden in der _Türkei_ 49 Prozesse gegen Autoren und ihre Bücher eröffnet, im Schnitt alle 11 Tage einer. Die vielen Verfahren gegen Journalisten sind da noch gar nicht mitgerechnet. Am meisten wahrgenommen wurde in Deutschland dabei nur der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels Orhan Pamuk. Über den Paragrafen über die Beleidigung von Türkentum, Armee und Republik im türkischen Strafgesetzbuch ist es recht einfach, eine falsche Gesinnung abzustrafen. Solche Ärgernisse häufen sich und es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass sich bis zu einem eventuellen EU-Beitritt viel daran ändern könnte. Interessant ist auch, dass nach den völlig überzogenen „fundamentalistisch-islamischen“ Reaktionen auf die Papst-Rede auch der türkische Ministerpräsident gleich gedroht hatte, ohne Entschuldigung des Papstes (die dann ja aber erfolgte) dessen geplante Reise in die Türkei aus politisch-religiösen Gründen abzuweisen. Und noch ein Aufreger ist zu vermelden. Westliche Kinderbücher werden dort neuerdings umgeschrieben, um einen weiteren Schritt hin zum Gottesstaat zu ermöglichen. „Gib mir etwas Brot, um Allahs Willen“ bittet Pinoccio, Tom Sawyer lernt islamische Gebete und einer der „drei Musketiere“ konvertiert zum Islam. Kinderbuchfiguren aus 100 Klassikern, die das türkische Erziehungsministerium empfiehlt, haben sich in Muslime verwandelt.
Es ist schon bemerkenswert, wie unerschütterlich sich Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ auf den vorderen Plätzen hält. Nur kurz war Günter Grass, dessen Autobiografie eigentlich eher in die Sachbuchliste sollte, auf Platz 1 und dann kehrte Kehlmann wieder zur Spitze zurück. (Mehr zu Grass weiter unten). Nach den sich nicht verändernden Bestseller-Listen im ersten halben Jahr 2006 kam es endlich im Sommer dazu, dass im belletristischen Bereich mehrere Neueinsteiger aufkamen, z.B. „Später Spagat“ von Robert Gernhardt, der erst kürzlich verstarb, und bekannten Namen wie Barbara Woods mit „Gesang der Erde“ oder eine die „Sakrileg“-Welle nutzen könnende Kathleen McGowan mit „Das Magdalena-Evangelium“ – ein Titel, der allerdings nicht als einfaches Plagiat abgetan werden kann. Die meisten anderen Neueinsteiger sind Krimis und Thriller (Tess Gerritsen „Scheintot“, Joy Fielding „Träume süß, mein Mädchen“, Martha Grimes „Karneval der Toten“). Beim Sachbuch hält die Nummer eins – wie oben geschildert – der Duden. Höchster sonstiger Neueinstieg ist der umstrittene Titel „Das Eva-Prinzip“ von Eva Herman (Pendo). Der Fantasy-Bereich ist seit den Kinofilmen von „Herr der Ringe“ ein ebenso gut laufendes Segment. Terry Pratchetts 33. Fantasy-Roman „Klonk“ kam gleich nach Erscheinen unter die ersten zehn Plätze. Tolkien, Rowling, Funke wie auch Markus Heitz mit seiner Zwergen-Trilogie sorgten für gute Verkaufszahlen. Interessant dabei ist auch der Zwischenbereich zwischen Fantasy und Jugendbuch. Comic-Buchhandlungen haben ihr Repertoire auf Fantasy erfolgreich erweitert, dagegen war in Esoterik-Buchläden, die ihr Angebot mit „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“ aufstockten, Fantasy nicht gefragt.
Es gibt derzeit auch sehr viele deutsche _Fantasy-Autoren_, die auch im Ausland erfolgreich werden: Isabel Abedi, Nina Blazon, Henning Boétius, Uschi Flacke, Wolfgang Hohlbein, Kai Meyer, Antonia Michaelis, Peter Schwindt, Dieter Winkler und viele mehr. Die genannten kamen zum zweiten Fantasy-Festival im südhessischen Flörsheim-Weilbach. Bei Ueberreuter (Wolfgang Hohlbein wie auch die „Narnia“-Bücher) zählt man Fantasy zum Jugendprogramm und hat damit einen Umsatzanteil von bis zu 50 %. Bei Heyne läuft Fantasy im Kinder- wie auch Erwachsenenbereich und kommt auf einen Anteil von 15 %. Ein Drittel der Autoren im Fantasy-Programm sind Deutsche. Carlsen hat zwar nicht so viele Fantasy-Titel, liegt aber mit „Harry Potter“ oder auch den Büchern von Philip Pullmann und Lian Hearn mit ganz vorne. In der Hobbit-Presse von Klett-Cotta sind 114 Titel lieferbar und jährlich kommen etwa 8 Novitäten dazu. Bei Piper sind inzwischen mehr deutsche als ausländische Fantasy-Autoren im Programm. Und Piper ist natürlich auch völlig damit zufrieden, denn im Schatten der Großen wie Wolfgang Hohlbein haben auch die vielen Newcomer derzeit so gute Chancen wie selten, um sich durchzusetzen. Hohlbein selbst wurde 1982 ja auch erst durch einen von Ueberreuter ausgeschriebenen Fantasy-Preis entdeckt. Mittlerweile vergibt Ueberreuter diesen Preis etwa alle zwei Jahre unter dem Namen „Wolfgang Hohlbein-Preis“. Seit dem Erfolg von Cornelia Funke beobachten englische und amerikanische Verlage den deutschen Genre-Markt sehr genau. Bislang blockte man bei deutscher Fantasy ja eher ab. Aber die Zwerge-Bücher von Markus Heitz sind mittlerweile in fünf Sprachen übersetzt worden, Walter Moers hat mit „Die Stadt der träumenden Bücher“ den Sprung in die USA ebenso geschafft wie auch „Tigermond“ von Antonia Michaelis. Kai Meyer erscheint auch in England und den USA und Wolfgang Hohlbein mit bislang 25 seiner Titel sogar in China.
Durch diesen Fantasy-Trend verschwimmen die Trennlinien zwischen Kinderbuch, Jugendbuch und Erwachsenenbelletristik. Verlage stellen sich darauf ein, dass die Zielgruppen verwischen. Jugendbuchverlage stellen fest, dass ihre Titel ab zwölf oder vierzehn eigentlich schon von Zehnjährigen gelesen werden. Und Jugendliche interessieren sich nicht mehr für Bezeichnungen wie „Jugendroman“. Viele der 13- bis 15-Jährigen greifen zu Erwachsenenbelletristik. Im Grunde war das bei Horror und Thrillern schon immer der Fall, aber inzwischen erstreckt sich das auf alle Themenbereiche. Umgekehrt ist es genauso, Erwachsene lesen gerne die Fantasy-Produkte, die für den Jugendmarkt konzipiert sind. Auch wenn sie schon längst 40 Jahre und älter sind.
Die Verfilmung von Patricks Süßkinds Roman _“Das Parfum“_ läuft im Kino, und das sorgte schon im Vorfeld für einen guten Verkauf des Buches. Schon seit Juni gingen pro Woche bis zu 30.000 Exemplare der Taschenbuchausgabe bei Diogenes über den Ladentisch, und bis Jahresende dürfte die Gesamtauflage von 5 Millionen erreicht sein. Darin sind die verkauften Exemplare der Sonderausgabe gar nicht mit eingerechnet.
Im September kam der deutsche _Papst_ zum zweiten Mal nach Deutschland zum Besuch seiner Heimat Bayern. Gestartet wurde in einer groß angelegten Fernsehsendung, wo er bei ARD und ZDF zur besten Sendezeit Fragen von Journalisten beantwortete. Das erste Mal übrigens, dass ein Papst so etwas tat. Und damit war die Erwartungsstimmung des „Wir sind das Papst“-Volkes eingeleitet. Die Verlage haben sich wieder bestens gerüstet, Bücher als Begleiter gibt es in Hülle und Fülle. Mehr als 200 Titel von ihm und über ihn sind lieferbar und über 60 Novitäten kamen jetzt hinzu. Die Touristikbuchbranche setzte ebenfalls darauf – in ihren Bayern-Titeln ist in den Neuerscheinungen überall das Wort Papst mit dabei (Benediktweg, Auf den Spuren des Papstes, Wegweiser für den Geburtsort etc.). Auch DVDs sind in den bayrischen Gemeinden eigens produziert worden. Zu viel will ich gar nicht auflisten – es gibt jede Menge neuer Biografien und Portraits sowie spirituelle Texte und natürlich entsprechende Titel für Kinder.
Als vor zwei Jahren die _“SZ“_ mit ihrer Belletristik-Edition zum Preis von 4,99 Euro startete, war _dtv_ noch ein großer Kritiker solcher Editionen, die die Taschenbuchpreise noch unterboten. Nun ist dtv aber sogar Vertriebs-Partner bei der _Spiegel-Bestseller-Edition_ (20 Romane und 20 Sachbücher zum Preis von 9,99 Euro). Diese nicht mehr im Billigeditions-Bereich liegenden Preise – Ausnahme Joachim Fests „Hitler“, der hier angesichts der Dicke ein äußerst preisgünstiges Produkt darstellt – lassen auch die Backlist-Taschenbuchausgaben für den Leser noch attraktiv erscheinen. Das zeigt sich an der Brigitte-Edition, wo gleichzeitig die Nachfrage nach den Taschenbüchern mit steigt, was bei Taschenbuch-Verlagen dann keine Kritik mehr hervorruft. Eigentlich ist der Editionsmarkt (wie schon berichtet) verstopft, aber ungeachtet dessen erscheinen weitere Reihen. Die „SZ“ will bis 2008 mit insgesamt 25 Projekten auf dem Markt sein und setzt auf kleinere, zielgruppenorientierte Editionen. Von der Zeitschrift _“Absatzwirtschaft“ _hat die SZ 2006 den _Marken-Award_ verliehen bekommen für die beste Markendehnung. Durch die Billigeditionen konnte die SZ sogar ihre Auflage der „Süddeutschen Zeitung“ außerhalb Bayerns um 10 % steigern. Das „_Handelsblatt“_, nicht zur SZ gehörend, hat nach seiner Manager-Bibliothek und der Reihe „Wissen“ nun ein zwölfbändiges Wirtschaftslexikon aufgelegt. Auch der _Focus_ hat mit einer Buchedition nachgezogen. In Kooperation mit Diederichs, der längst zum Heinrich Hugendubel gehört, bringt das Nachrichtenmagazin zwölf Bände historischer Persönlichkeiten zu je 4,95 Euro heraus. Die gesamte Edition ist für 49,95 Euro zu haben. Das Frauenmagazin _“Brigitte“_ (Gruner + Jahr) bündelt alle seine Bücher künftig beim Diana-Verlag (Random House). Die Hard- und Softcover unter dem Label „Brigitte“-Buch sollen Themen des Heftes vertiefen. Geplant sind Titel zu Ratgeber-, Koch-, Unterhaltungs- und Reportagethemen. Im Herbst begann die Zusammenarbeit zwischen zwölf ostdeutschen Regionalzeitungen in Kooperation mit dem Verlag _Faber & Faber_ und der zunächst auf zwölf Bände angelegten Edition _“Unsere Kinderbuch-Klassiker“_ ostdeutscher Kinderbuchautoren zum Preis von 7 Euro. Diese Edition ist das erste konzernübergreifende Gemeinschaftsprojekt ostdeutscher Zeitungshäuser, die – von der Rostocker Ostseezeitung bis zur Leipziger Volkszeitung – eine geschätzte Gesamtauflage von rund zwei Millionen Exemplaren erreichen. Die fünfzig Bände umfassende _Junge Bibliothek_ der _Süddeutschen Zeitung_ ist abgeschlossen. Zum 125-jährigen Jubiläum der Berliner Philharmonie starten _“Die Welt“_ und _“Welt am Sonntag“_ eine zwölfteilige _Klassik-CD-Edition_, die allerdings allesamt auf einmal auf den Markt gelangten.
Bei Hörbuch-Bestsellern ist es ähnlich anderer Literatur-Editionen. Die _“Brigitte“-Hörbuch-Edition_s-Titel landen natürlich meist sogar direkt als jeweiliger Neueinstieg nach Erscheinen auf Platz 1, z. B. „Ein Ort für die Ewigkeit“ von Val McDermid. Und auch die _“Süddeutsche Zeitung“_ ist nach Filmen, Musik und Büchern nun mit einer _“SZ-Bibliothek der Erzähler“_ für je 9,95 Euro ins Hörbuch eingestiegen. Die Reihe umfasst zehn Titel mit Erzählungen der Weltliteratur zum Thema Liebe, darunter Thomas Manns „Wälsungenblut“, „Erste Liebe“ von Iwan Turgenjew und Tschingis Aitmatows „Dshamilja“.
Der Kölner Medienkonzern _DuMont Schauberg_ steigt mit 25 % bei der israelischen Tageszeitung _“Haaretz“_ ein. DuMont ist damit der erste deutsche Zeitungsverlag, der in Israel aktiv wird. „Haaretz“ gilt als linksliberal und ist eine der renommiertesten Zeitungen des Landes. Eine englischsprachige Ausgabe wird mit der „International Herald Tribune“ vertrieben.
Die im Interview der „FAZ“ mit _Günter Grass_ über seine Waffen-SS-Vergangenheit geschilderten Enthüllungen, die freilich allen Zeitungen und sonstigen Medien durch Vorabzusendungen von 4500 Leseexemplaren längst bekannt waren, führten zu einer enormen Nachfrage der jüngst erschienenen Grass-Biografie _“Beim Häuten der Zwiebel“_. Die Startauflage von 150.000 Exemplaren war mit Druckauslieferung schon abverkauft und sofort ging es in die 2. Auflage mit noch einmal 100.000 Exemplaren. Aufgrund der Enthüllungen gibt es Forderungen, dass Grass verschiedene Auszeichnungen zurückgeben solle. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass ihm irgendeiner seiner Preise aberkannt werden wird. In der Vergangenheit war es meist der Fall, dass die Neuerscheinungen von Grass heftig diskutiert wurden. Somit ist die Nachfrage aufgrund der Enthüllungen kein Umsatzrutsch nach oben. Auch vom letzten Buch von 2003 _“Im Krebsgang“_ wurden durch seinen Verlag _Steidl_ bislang 450.000 Exemplare verkauft.
Geschäftsführer von _Walter de Gruyter_ Klaus K. Saur hat seinen alten Verlag _K. G. Saur_ zusammen mit dem _Niemeyer Verlag_ zurückgekauft. 1987 war der Saur-Verlag an den englischen Verlag Reed verkauft worden, von dort weiter zur Thomson Corporation und wurde nun preiswerter zurückerworben, obwohl er umsatzstärker geworden und zwischenzeitlich gewachsen ist. In den knapp zwanzig Jahren hatte der Saur-Verlag zahlreiche andere Verlage selbst übernommen. Mit diesen beiden Zukäufen wurde Walter de Gruyter zum größten geisteswissenschaftlichen Verlag auf dem Kontinent. Auf Platz 1 lag bislang Springer, auf Platz 2 K. G. Saur und auf Platz 3 de Gruyter. Vereint schlagen sie Springer natürlich ohne Problem. Jetzt erzielen nur noch die global operierenden Verlage Oxford University Press und Cambridge University Press höhere Umsätze.
Die _Klett-Verlagsgruppe_ baut unter Leitung der „FAZ“-Journalistin Monika Osberghaus in Leipzig ein eigenständiges Kinderbuchprogramm auf.
Die Verlagsgruppe _Lübbe_ wird vom kommenden Frühjahr an ihre Hardcover-Novitäten monatlich ausliefern und an die Taschenbuch-Lieferungen koppeln.
Mit dem _“Brockhaus Mannheim“_ bringt der Brockhaus Verlag im Oktober erstmals ein Stadtlexikon auf den Markt. Das Buch ist das Geschenk des Verlags an die Stadt Mannheim, die im nächsten Jahr ihren 400. Geburtstag feiert. Der Reinerlös aus dem Verkauf soll der Förderung sozialer Projekte in Mannheim zugute kommen.
Nun ist es geregelt, wie es mit der _Anderen Bibliothek_, bislang noch bei Eichborn, weitergehen wird. Ab Oktober 2007 wird sie von „Zeit“-Herausgeber Michael Naumann und dem früheren Fischer-Verleger Klaus Harpprecht herausgegeben. Gegründet wurde diese Reihe von Hans Magnus Enzensberger, der im Dezember 2004 den Vertrag mit Eichborn gekündigt hatte. Der letzte von ihm ausgewählte und von Franz Greno gestaltete Titel wird im September 2007 erscheinen.
Der Frankfurter Verlag und Versender _2001_ wurde an die Firma _Kinowelt_ zu 100 % verkauft. Nun wird das Filialnetz (derzeit zwölf Läden) ausgebaut, aber auch Kooperationen in Form eines „shop-in-shop“-Netzes mit Buchhandlungen sind eine Option. Kinowelt besitzt rund 10.000 Filmrechte, davon 1300 auf DVD. Bereits jetzt war 2001 der größte Anbieter der Arthaus-Filme von Kinowelt.
Die _DVA_ – Deutsche Verlagsanstalt – hat 175-jähriges Jubiläum. Angefangen hatte es 1831 in Stuttgart mit der Halberg’schen Verlagshandlung. Einer der Söhne gründete im Revolutionsjahr 1848 einen eigenen Verlag mit deutschen Klassikern, der 1873 mit dem Verlag vereint wurde. Nach dem 1. Weltkrieg war die DVA – inzwischen ein Aktienunternehmen – der führende historisch-politische Verlag in Deutschland. Ab 1921 kamen zahlreiche Erfolgsautoren durch Verlagsübernahmen mit ins Programm. In den letzten Jahren der Weimarer Republik wurde führende französische Literatur mitpubliziert. 1932 wurde der legendäre Appell „Deutscher Geist in Gefahr“ herausgegeben. Auch nach der Machtübernahme der Nazis wurden noch hitlerkritische Zeitschriften verlegt. Gustav Kilpper, der Generalsekretär des Unternehmens, das damals mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigte, wurde deshalb 1934 kurzzeitig inhaftiert. Ungeachtet dessen setzte er sich weiterhin für Autoren ein, die als Regimegegner galten: Friedrich Wolf oder Erich Kästner. 1942 gab man diesen Kampf gegen das System auf, die DVA musste in einen NS-Verlag eingegliedert werden. 1944 wurde das Verlagsgebäude durch einen Bombenangriff völlig zerstört. Durch den langen Widerstand in der NS-Zeit hatte man nach Kriegsende aber einen guten Start. 1952 erschien Paul Celans „Mohn und Gedächtnis“ mit der berühmten „Todesfuge“. Im Programm ging es ansonsten mit den politischen Biografien und zeitgeschichtlichen Darstellungen weiter. Am angesehensten ab Ende der 70er Jahre waren z. B. Peter Scholl-Latour oder Erich Fromm mit „Haben oder Sein“, „Die Kunst des Liebens“. Große Wirkung hatte auch die deutsche Übersetzung des Berichts vom Club of Rome „Grenzen des Wachstums“. Der letzte große Wurf war die Autobiografie „Mein Leben“ von Marcel Reich-Ranicki, der mehr als zwanzig Bücher bei DVA veröffentlicht hat. Seit letztem Jahr gehört der Verlag zu Random House.
Der jährlich vom Börsenverein vergebene _“Deutsche Buchpreis“_ für den jeweils besten Roman wird nunmehr in der Medienarbeit auch von der „Deutschen Welle“ und dem „Goethe-Institut“ unterstützt.
Die Schriftstellerin _Herta Müller_ hat für ihr Gesamtwerk den mit 20.000 Euro dotierten _Walter-Hasenclever-Literaturpreis 2006_ erhalten. Herta Müller wurde 1953 in Rumänien geboren und arbeitete dort als Übersetzerin und Deutschlehrein. Als sie sich weigerte, für den rumänischen Geheimdienst zu arbeiten, wurde sie entlassen. 1987 siedelte sie nach vielfachen Repressalien nach Berlin über. Mit dem Hasenclever-Literaturpreis werden Autoren ausgezeichnet, die sich in Form und Inhalt um die deutsche Literatur verdient gemacht haben.
Der _Deutsche Jugendliteraturpreis_ feiert 2006 sein 50-jähriges Jubiläum. Als
einziger Staatspreis für Literatur in Deutschland spiegelt er die
Entwicklungsgeschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur der letzten fünf
Jahrzehnte wider. Zahlreiche Autorinnen und Autoren arbeiten anhand des Deutschen Jugendliteraturpreises ein halbes Jahrhundert Kinderliteratur neu auf. In der 188 Seiten starken Jubiläumspublikation „Momo trifft Marsmädchen“ geht es u. a. um Kindheitsbilder und Bewertungskriterien, um die Verlagsproduktion und zunehmende Internationalität der Kinderliteratur, aber auch um Leseförderung und
Literaturvermittlung. Mehr dazu [hier.]http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Politikbereiche/kinder-und-jugend,did=80372.html
Der _Oldenburger Kinder- und Jugendliteraturpreis_ wird in diesem Jahr nicht vergeben. Die Jury hielt einstimmig keinen der 298 eingereichten Titel für preiswürdig.
Den _Karl-Heinz-Zimmer Preis_ für „verdienstvolles verlegerisches Handeln“ erhält _Michael Zöllner_, Leiter des _Tropen_-Verlages aufgrund seiner „Subjektivität in der Programmgestaltung“.
Der Preis _“Buch des Jahres 2005″_ an rheinland-pfälzische Autoren wurde bereits vor einigen Jahren ins Rahmenprogramm der [Wormser Nibelungen-Festspiele]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=70 integriert. Der mit 1500 Euro verbundene Preis ging an _Gabriele Weingartner_ für ihren Erzählband „Die Leute aus Brody“ (Verlag Das Wunderhorn). Außerdem erhielt _Christa Estenfeld_ für ihren Erzählband „Buffalo Bills Sattel“ (Edition Artfusion) den vom verdi-Fachbereich Medien, Kunst und Industrie Rheinland-Pfalz-Saar gestifteten Sonderpreis der Jury in Höhe von 500 Euro. Den musikalischen Rahmen der Verleihung gestaltete die Bundespreisträgerin „Jugend musiziert“ Julia Panzer (11 Jahre, Cello) und Friedrich Skrabal (Kontrabass) von der Lucie-Kölsch-Musikschule der Stadt Worms. Der Preis „Buch des Jahres“ wird seit 1989 regelmäßig vergeben und durch Fördermittel des rheinland-pfälzischen Kulturministeriums und des verdi-Fachbereichs unterstützt, die Preisverleihung selbst zudem von der Nibelungenlied-Gesellschaft Worms.
Das Label _Hörbuch Hamburg_ verleiht zum dritten Mal den _Osterwold_. Der von Verlegerin Margrit Osterwold gestiftete Preis – eine Skulptur von Volker März – geht 2006 an die Schauspieler und Sprecher _Eva Mattes_ und _Heiko Deutschmann_.
Der erste Platz des _PRIX HÖRVERLAG 2006_, dotiert mit 5.000 € und einer Veröffentlichung auf CD, ging an Stefan Finke und seine kunstvolle Soundcollage _“Das Familienalbum“_. Das Hörspiel, u. a. mit Juliane Köhler, Peter Fricke und Ingo Hülsmann, erscheint am 20. Oktober im Programm des Hörverlags. Der PRIX HÖRVERLAG, der dieses Jahr zum ersten Mal ausgeschrieben wurde, ist der einzige Hörspielpreis, der von einem Verlag vergeben wird, und hat das Ziel, unabhängige Hörspielmacher zu fördern und ihren Werken zusätzliche Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Seit Ende August fehlt bei den „Tagesthemen“ der beliebteste Nachrichtensprecher Deutschlands _Ulrich Wickert_, der aber dafür seit September wöchentlich in der ARD das Magazin „Wickerts Bücher“ moderiert. Aufgrund der Aktualität mit dem Skandal um Günter Grass wurde die erste Sendung um einen Monat auf den 17. August vorgezogen, da Grass im September sowieso in der Planung stand.
_Joachim Fest_ ist am 11. September verstorben. Er war einer der bedeutendsten Publizisten der Nachkriegszeit, bis 1993 Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Seine „Hitler“-Monografie gilt bis heute als ein Meilenstein der Zeitgeschichte. Diese wird demnächst als Band 31 der „Spiegel-Edition“ neu aufgelegt. Seit Erscheinen 1973 wurde sie eine Million mal verkauft.
Die Tochter der Douglas-Holding, die Filialkette _Thalia_, expandiert unaufhaltsam und baut flächendeckend in Deutschland ihren Marktanteil auf. Zuletzt war Anfang des Jahres Gondrom aufgekauft worden (wir berichteten) nachdem letztes Jahr Bouvier/Gonski, Camper, Grüttefin und die Kober-Löffler-Gruppe (75-prozentige Beteiligung) eingekauft wurden. Damit hat die 1919 in Hamburg gegründete Buchhandlung jetzt 173 Läden in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Eigentlich war es immer recht ruhig geblieben. In den 70er Jahren beteiligte man sich zwar an der Montanus-Buchgruppe, aber erst 13 Jahre später übernahm man die Phoenix-Universitätsbuchläden und fusionierte in den neunziger Jahren zur Thalia Holding mit Phoenix und Montanus und kaufte in Münster und Freiburg die Herder-Buchhandlungen. Mit Beginn des neuen Jahrtausends ging es dann aber unerwartet richtig los. In der Schweiz und Österreich wurden Buchläden gekauft, der Internetshop BOL wurde durch buch.de übernommen. In Österreich sind alle Konkurrenten mittlerweile abgehängt, eine Strategie, die auch für die Schweiz verfolgt wird, wo aber noch der Filialist Orell Füssli (Hugendubel hat da 49 % Anteil) vorne liegt. In Deutschland sind weitere Läden geplant. Seit 2001 ist Thalia bei uns auch schon die Nummer 1 im Sortiment und das enorme und rasche Wachstum hat sich mittlerweile verdoppelt. Über einige der letzten Zukäufe wird noch das Kartellamt entscheiden. Aber da Thalia noch weit unter dem maximal erlaubten Marktanteil von 30 % liegt, dürften da keine Einwände kommen. Für die Verlage hat diese Expansion auch Auswirkungen. Thalia macht mehr Umsatz als der Konzern Random House und diktiert den Verlagen Konditionen mit einem Durchsetzungsvermögen, das Produzenten so bislang außer beim Barsortiment nicht kannten. (48 % Rabatt sind bei Thalia üblich.) Genauso schwierig ist es für den übrigen Buchhandel, der sich in seiner Existenz bedroht fühlt. Konzerne haben den längeren Atem: Einige örtliche Buchhandlungen schließen bereits, bevor Thalia einen neuen Laden geöffnet hat, um nicht in einen kostenintensiven Wettbewerb zu treten. Manche Sortimente verkaufen sogar ihr Geschäft direkt an Thalia, um Laden und Lager später nicht unter Wert veräußern zu müssen und ihren Mitarbeitern den Wechsel zu Thalia zu ermöglichen. Es gibt aber auch Läden, die den Kampf aufnehmen. Oder sich, wie Buchhandlung Schlapp in Darmstadt, mit dem Thalia-Konkurrent BuchHabel verbünden. Aufzuhalten sind solche Konzentrationsprozesse längst nicht mehr.
Ende August wurde der Konkurrenzkampf allerdings überraschend in großem Stil aufgenommen. _Hugendubel_ hat im Verbund mit anderen die _DBH Buch Handels GmbH & Co. KG_ gegründet (bestehend aus Hugendubel, Weltbild plus, Wohltat’sche Buchhandlung, Buch Habel und Weiland). Mit dieser GmbH soll die einzigartige Vielfalt der deutschen Buchhandelswelt gesichert werden, denn die unterschiedlichen Partner behalten ihre rechtliche Eigenständigkeit und ihre eigene Geschäftsführung und setzen dennoch auf Synergien. Hugendubel hat damit seine Unabhängigkeit aufgegeben, kann langfristig aber gerade dadurch sein Profil und die Eigenständigkeit bewahren. Der Beirat der Holding ist paritätisch besetzt. Der Verbund ist offen für weitere Partner. Mit einem Paukenschlag hat man Thalia überholt und ist mit einem Umsatz von 672 Millionen Euro, 451 Buchhandlungen und 3436 Beschäftigten zur Nr. 1 im deutschen Buchmarkt aufgestiegen. Die Genehmigung des Kartellamts steht allerdings noch aus, wo es, wie auch bei Thalia, allerdings keine Probleme geben dürfte. Trotz Skepsis atmen sowohl die kleineren Verlage wie auch kleinere Buchhandlungen erstmal auf. Irritiert ist bislang nur der Börsenverein, denn bislang zahlten Hugendubel, Schmorl, Weltbild, Wohltat’sche Buchhandlung, Habel und Weiland getrennt in die Verbandskasse ein. Entschließt sich die neue GmbH – was bislang noch alles rein theoretisch ist –, künftig gemeinsam abzurechnen, bekäme der Verband nur noch einen um mehrfach geringeren Betrag.
Der jetzige Programm-Direktor bei amazon.de wird ab 2007 Geschäftsführer der _MVB Marketing- und Verlagsservice_ der Buchhandels GmbH. Der Börsenverein ist überzeugt, dass seine Erfahrungen mit der Entwicklung des Internets von größtem Wert für die elektronischen Zukunftsprojekte der MVB – das Verzeichnis Lieferbarer Bücher und Volltextsuche online – sein werden. Das Branchenprojekt Volltextsuche online ist startbereit und ein Prototyp wurde auf der jetzigen Frankfurter Buchmesse vorgestellt.
Die _Frankfurter Buchmesse_ ist weiterhin auf Erfolgskurs. Die vermietete Fläche stieg im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um 3,5 %, was auch ein Mehr an Ausstellern – vor allem von kleineren und mittleren deutschen Verlagen – beinhaltet. Die ausländischen Aussteller sind leicht rückläufig, wobei immer mehr aus Asien dazukommen. China hat verdoppelt, Thailand und Taiwan legten um 40 % zu, Japan um 20 %. Die vor zwei Jahren noch als umstritten beurteilte _Frankfurter Antiquariatsmesse in der Buchmesse_ hat sich erfolgreich etabliert. Zur zweiten Messe unter diesem Namen haben sich 30 % mehr Antiquariate als im letzten Jahr angemeldet und damit wurde diese Messe die größte ihrer Art im deutschsprachigen Raum noch vor Stuttgart und Leipzig. Auch in anderen Bereichen gibt es Neuerungen. Zum ersten Mal sind auf der diesjährigen Buchmesse auch _Nonbook-Gemeinschaftsstände_ vertreten, die ihre Produktpaletten präsentieren. Die _Spielwarenhersteller_ sind dagegen bereits zum zweiten Mal auf der Messe vertreten.
Auch sonst gibt es neben dem jährlichen Schwerpunkt des _Gastlandes_, in diesem Jahr _Indien_, weitere Neuerungen. Unter dem Namen _Zukunft Bildung_ soll sich ein Treffpunkt der Buchwelt und eine internationale Plattform für Inhalte und kulturpolitische Diskussionen etablieren. Bausteine des Premierenprogramms Bildung sind der Trendkongress „India on the Rise“, eine „Literacy Campaign“ und ein „Lehrerkongress“. Unter „India on the Rise“ wollen indische Unternehmer und Autoren über den Aufschwung Indiens und die Anstrengung im Bildungsbereich als Voraussetzung dafür diskutieren. Die „Literacy Campaign“ soll über Ursachen von Analphabetismus aufklären und neue Netzwerke für den Austausch von Ideen schaffen. Analphabetismus wird auch ein Thema auf dem 1. Frankfurter Lehrerkongress sein. Mit diesem Angebot soll die Attraktivität der Messe auch für diese wichtige Fachbesuchergruppe gesteigert werden. Wie in jedem Jahr ist zudem die Messe auch ein kulturelles Großereignis: Rund 2500 Veranstaltungen umfasste das Messeprogramm, mehr als 1000 Autoren sowie Film- und Fernsehstars und Vertreter aus Wirtschaft und Politik kommen zur Messe. Für das Programm des Gastlandes Indien kamen 70 indische Autoren und 200 Verlage. Schon 1986 war Indien bereits Gastland der Messe. Aber viele Kritiker zeigten sich schon im Vorfeld enttäuscht vom Angebot indischer Übersetzungen in deutschen Verlagen. Das neue literarische Indien bleibt weitgehend unentdeckt, stattdessen werden die Klischees des exotischen Indiens bedient. Nächstes Jahr ist als Gastland die „katalanische Kultur“ vorgesehen und 2008 wird die Türkei Gastland sein.
Der Blick auf die Comics wird dieses Mal ans Ende gesetzt. Mit Filmstart von _“Superman Returns“_ von Brian Singer (Regisseur der ersten beiden X-Men-Filme) am 18. August hat der _Panini_-Verlag natürlich vermehrt auf den Superhelden gesetzt. Zum einen kam als Heft der Comic zum Film heraus, aber auch als Roman _“Superman Returns: Verschollen“_ die Vorgeschichte zum Film – welche erzählt, was zwischen den Filmen Superman II (1980) und Superman Returns (2006) geschehen ist. Autor des Romans ist Regisseur Brian Singer selbst. Die qualitativen Verlags-Highlights zu Superman haben dagegen mit dem Film im Grunde wenig zu tun haben. Das ist zweifellos der zweibändige Comic _“Superman – Die Rückkehr“_ (siehe Buchwurm-Infos 3/2006) von Jim Lee, der in den USA zur erfolgreichsten Superman-Story der letzten zehn Jahre avancierte. Inzwischen ist Band 2 erschienen. Jeden Monat neu im Heft laufen sowieso _“Superman-Sonderbände“_ wie auch die Reihe _“Superman & Batman“_ (die beiden Helden in einem Team). Außerdem sind unter den Heftreihen besonders hervorzuheben die neuen Reihen _“All Star Batman“_ und _“All Star Superman“_. Dieser neue Batman wird von Frank Miller geschrieben und von Jim Lee gezeichnet. Die Geschichte geht neu geschrieben von Anfang an wieder los, und es sah so aus im ersten Heft, als wäre es eigentlich eine Neufassung der Geschichte, wie Robin dazukam. Aber bereits in der 2. Ausgabe merkte man, dass dem nicht ganz so ist. Die erste Hälfte gehört ganz allein Black Canary, die sehr gewalttätig und verantwortungslos agiert, und Batman und Robin sieht man nur auf drei Seiten. In der zweiten Hälfte dagegen haben die beiden wieder die Oberhand und Batman ist weiterhin ausgesprochen fies dargestellt. Der neue Superman ist ähnlich, auch da begann es erneut noch mal ganz von vorn. Natürlich ist Louis Lane auch hier seine große Liebe und schon im zweiten Heft wird sie für einen Tag zur Superwoman, deren Superkräfte sie aber nicht behalten kann. Und auch Jimmy Olsen ist dabei, ein altbekannter Kumpel von Superman, der von den 50er Jahren bis in die 70er hinein sogar eine eigene Serie hatte. Olsens Verlobte ist übrigens Lucy, die Schwester von Lois Lane.
|Das Börsenblatt, das die hauptsächliche Quelle für diese Essayreihe darstellt, ist selbstverständlich auch im Internet zu finden, mit ausgewählten Artikeln der Printausgabe, täglicher Presseschau, TV-Tipps und vielem mehr: http://www.boersenblatt.net/. |