Croix, Guillaume de la – Wie Tom Cruise mein Leben stahl

|“Du sollst zittern, kleiner Tom. Ich kenne das schreckliche Geheimnis, das du hinter deinem legendären Ultrabright-Lächeln und deiner fetten Sonnenbrille verbirgst. Ich weiß noch nicht, wie du es geschafft hast, aber denk nur nicht, dass du so einfach davonkommst, du Mistkerl. Du bist schuldig, und du wirst bestraft werden. Heute steht dein Name für Ruhm und Geld, morgen aber ruft er nur noch Wut und Ekel hervor. Man streicht ihn von allen Plakaten und aus allen Vorspannen der Filme, in denen du mitgespielt hast. Selbst deinen Bronzestern am Hollywood Boulevard wird man herausreißen. Was für ein Niedergang! Was für ein tragisches Ende für einen Mann wie dich, der vor Geld und Berühmtheit nur so zum Himmel stinkt!“|

Mit diesen Worten beginnt Guillaume de la Croix‘ Abrechnung mit Tom Cruise, der dem französischen Autor das Leben gestohlen hat. Das Leben gestohlen? Wie soll das denn gehen? Eine gute Frage, die ich mir vor dem Buchkauf auch gestellt habe, um sie von de la Croix beantwortet zu bekommen, doch Fehlanzeige. Um diese Frage laviert sich der Autor geschickt herum. Mag diese Frage auch der Aufhänger für viele Buchkäufer gewesen sein, so stellt der Leser dann fest, dass es in diesem Buch vordergründig doch um ganz etwas anderes geht als um den Diebstahl fremden Lebens, wie auch immer dieser vonstatten gehen mag.

Doch Guillaume de la Croix‘ Rache ist mit dieser Drohung noch lange nicht beendet. Als der etwas übergewichtige französische Autor im Fernsehen Tom Cruise sieht, fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: Tom Cruise ist |er|, der berühmte Hollywood-Star hat ihm, dem unbekannten und bemitleidenswerten Guillaume de la Croix, das Leben gestohlen! De la Croix beschließt, den berühmten Schauspieler vor Gericht anzuklagen. Als Tom Cruise den besten Anwalt Hollywoods engagiert und de la Croix‘ Anwalt darauf besteht, eine dubiose Astrologin als Zeugin der Anklage aussagen zu lassen, sieht de la Croix seine Felle schwimmen. Als jedoch überraschend Gott als Zeuge gegen Cruise aussagt, ist das Urteil gefällt. Tom Cruise verschwindet fortan in der Versenkung, während bei Guillaume de la Croix schon bald Steven Spielberg anklingelt, um dem neuen Star Hollywoods zu seiner ersten Filmrolle zu verhelfen.

Für Guillaume de la Croix beginnt eine scheinbar wunderbare Zeit, er wird der bekannteste Schauspieler Hollywoods. Bis auf eine Ausnahme sackt er jedes Jahr den Oscar für den besten männlichen Hauptdarsteller ein, in einem Jahr sogar den Oscar für die beste weibliche Hauptdarstellerin, als er einen Transvestiten spielt. De la Croix räumt in Hollywood ab, was es abzuräumen gibt. Im Buch abgedruckt sind bereits einige Zeitungszitate von Guillaume de la Croix, die seine unglaubliche Popularität dokumentieren, und auch Bildunterschriften, die im Laufe der kommenden Jahre vom Leser mit den entsprechenden Zeitungsfotos zu ergänzen sind.

Je weiter die Handlung fortschreitet, umso abstruser werden die Dinge, die uns Guillaume de la Croix zu präsentieren hat. Sein Ruhm erreicht bislang unbekannte Grenzen, er kann jede Frau haben, die er sich wünscht und hat trotzdem eine liebende Frau an seiner Seite, die bis zuletzt zu ihm hält. De la Croix wird so berühmt, dass sogar Kaugummi mit dem mutmaßlichen Geschmack seines Spermas produziert wird. Doch zum Ende hin muss der Star erkennen, dass Ruhm und Popularität vielleicht doch nicht alles sind. Besonders bitter fällt Guillaume de la Croix‘ zweites Treffen mit Gott aus, als er erfährt, was eigentlich wirklich gespielt wurde. Mit diesem Ende hatte wohl niemand gerechnet, schon gar nicht de la Croix, der diesen Schlag erst einmal zu verdauen hat …

Als hätte es Guillaume de la Croix geahnt, erscheint seine „Lebensbeichte“ zu einer Zeit, in der Tom Cruise fast ausschließlich negative Schlagzeilen schreibt und kurz vor seinem Rauswurf bei Paramount Pictures steht, denen seine übertriebene Scientology-Werbung zu viel des Guten wurde. Fast könnte man vermuten, de la Croix hätte seine Finger im Spiel gehabt, denn die Sterne scheinen für Cruise im Moment tatsächlich nicht so gut zu stehen, während Guillaume de la Croix mit seinem spitzfindigen Roman aufhorchen lässt.

Spritzig und voller Wortwitz wird uns die wahre Geschichte Hollywoods erzählt, eine Geschichte, die auf den ersten Blick voller Geld und Glamour steckt, die hinter der Fassade allerdings viel mehr offenbart. Hollywood bedeutet nicht nur Erfolgsgeschichten, der Stern eines Stars kann schneller sinken, als es ihm lieb ist, außerdem droht das nahende Alter, das in Hollywood als schwerwiegender als eine Krebserkrankung betrachtet wird. Guillaume de la Croix verrät uns zwar nicht, wie Tom Cruise es geschafft hat, ihm sein Leben zu stehlen, aber er zeigt dafür ganz andere Dinge auf. Völlig schonungslos deckt er die Macken der Hollywoodstars auf und ihre übertriebene Dekadenz; Guillaume de la Croix nimmt kein Blatt vor den Mund und spielt den Prototypen des arroganten Schauspielers, der ohne Ende Geld scheffelt, gleichzeitig aber alle andere Menschen ausnutzt und sich fast ausschließlich von Alkohol und Drogen ernährt. Das makellose Bild Hollywoods beginnt durch Guillaume de la Croix‘ Feder zu bröckeln.

Auch wenn man also mit falschen Erwartungen an dieses Buch herangeht, beschert es einem doch eine vergnügliche Lesezeit, die angesichts des stolzen Taschenbuchpreises von 12 € allerdings sehr gering ausfällt. Das schmale Büchlein umfasst gerade einmal 280 Seiten, von denen etliche leider unbedruckt geblieben sind. Schade, dass dieser überteuerte Preis sicher einige Leser von diesem Buch abhalten wird, denn auch wenn wir wohl niemals erfahren werden, wie Guillaume de la Croix sich den Diebstahl fremden Lebens vorstellen mag, hält dieses Buch doch einige positive Überraschungen bereit und bringt unsere Vorurteile gegenüber Hollywood in amüsanter und lesenswerter Weise auf den Punkt.

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Dexter, Pete – Train

Pete Dexter ist ein Autor, der sich schon zu mehreren Gelegenheiten einen Namen gemacht hat, hierzulande aber dennoch nur einen eher geringen Bekanntheitsgrad verweisen kann. 1988 gewann er mit seinem Roman „Paris Trout“ (zu deutsch „Tollwütig“) den National Book Award. Unter anderem schrieb er die Drehbücher für die Filme „Rush“ und „Nach eigenen Regeln“. Nun geht Dexter mit seinem aktuellen Roman „Train“ in Deutschland erneut an den Start.

Wir schreiben das Jahr 1953. In den USA wird die Rassentrennung weitestgehend immer noch praktiziert, so auch in dem renommierten Golfclub |Brookline| in Los Angeles. Die weißen Mitglieder spazieren über die schmucken, frischgrünen Fairways, während die schwarzen Caddies ihnen die Taschen hinterhertragen. Einer der Caddies ist der siebzehnjährige Lionel Walk, mit Spitznamen ‚Train‘ genannt.

Auch Detective Miller Packard vom LAPD spielt in Brookline Golf, und er ist der Erste, der entdeckt, dass Train nicht nur ein brauchbarer Caddie ist, sondern vor allem auch selbst ein talentierter Golfer. Doch dann trennt das Schicksal die beiden wieder, bevor es sie richtig zusammengeführt hat. Zwei Caddies des Clubs werden in ein Verbrechen verwickelt, worauf alle schwarzen Caddies entlassen werden, aus Angst um den guten Ruf des Clubs.

Die beiden Caddies haben einen reichen Mann erschossen und dessen Frau Norah vergewaltigt. Packard übernimmt den Fall und verliebt sich dabei in Norah. Schon kurze Zeit später zieht Packard bei ihr ein und er spürt auch Train im Laufe der Zeit wieder auf. Packard nimmt den talentierten Golfer unter seine Fittiche und lässt ihn zusammen mit seinem Kumpel Plural in Norahs Gästehaus wohnen. Doch dann nimmt das Schicksal wieder seinen verhängnisvollen Lauf …

„Train“ ist ein insgesamt faszinierendes Buch. Dexter versteht es, mit dem Leser zu spielen. Er fordert ihn, lenkt ihn und stößt ihn dann wieder vor den Kopf. „Train“ zu lesen, ist in gewisser Weise ein wenig verstörend und überraschend. Der Autor baut seinen Roman zunächst wie einen Thriller auf. Er stellt die Figuren vor, zeigt ihre positiven Züge, verschweigt aber auch ihre Schattenseiten nicht. Jede Figur hat eine gewisse Ambivalenz, und so tut sich der Leser schwer, seine Sympathien zu verteilen.

Besonders zwiespältige Figuren sind Train und Miller Packard. Train ist als Hauptfigur und Titelheld der erste Sympathieträger der Geschichte. Dabei hat auch er eine sehr düstere Seite, fürchtet sich nicht zu Unrecht vor der Polizei, hat er sich doch eines Mordes schuldig gemacht. Dennoch schafft man es nicht, Train seine Sympathien zu entziehen.

Ähnlich ergeht es einem mit Miller Packard. Packard ist jemand, der den Menschen hinter die Fassade schaut. Für ihn ist augenscheinlich unwichtig, dass Train schwarz ist. Er sieht nur den talentierten Golfer, den er fördern möchte. Das verschafft ihm beim Leser erst einmal ein ungemeinen Sympathiebonus. Als Packard dann aber im Fall der beiden Caddies ermittelt, muss der Leser schnell seine Meinung revidieren, und das fällt nach Packards sympathischem Auftakt sehr schwer. Packards Verhalten ist durch nichts zu entschuldigen, und doch mag man als Leser nicht so recht glauben, dass der Mann so skrupellos und knallhart agieren kann, wie er es tut.

Packard ist so gesehen die interessanteste Figur. Er steht jenseits von Gut und Böse. Obwohl er eigentlich auf der Seite von Recht und Ordnung stehen sollte, geht er mehr als nur einen Schritt zu weit. Das verleiht ihm eine unheimliche Aura, die in gewisser Weise faszinierend wirkt. Und genau das ist letztendlich das Hinterhältige an Dexters Figurenzeichnung: Er verwischt die Übergänge zwischen Gut und Böse, lässt den Leser Sympathien verteilen, die er später zurücknehmen möchte, und stellt damit dessen Wertvorstellungen auf die Probe.

„Train“ ist der Art nach ein Krimi Noir, ähnlich wie James Ellroys [„L.A. Confidential“. 1187 Aber so wie der Leser sich mit Blick auf die Figuren keine allzu feste Meinung bilden sollte, muss er auch mit Blick auf das Genre offen bleiben. „Train“ wird wie ein Krimi aufgebaut, entwickelt eine düstere und unheilvolle Atmosphäre, läuft aber letztendlich auf etwas ganz anderes hinaus. Dexter webt einen dichten Spannungsbogen. Man hegt als Leser so manche böse Vorahnung, wird aber auch darin erneut von Dexter herausgefordert.

Er gibt dem Leser nicht genau das, was er erwartet und was das Genre ihm vorgibt. Er bricht aus der vorgefassten Form aus und konzentriert sich am Ende voll und ganz auf seine Figuren. Der Spannung tut das keinen Abbruch. Man spürt, dass Konfliktpotenzial in der Luft ist. Die Spannung zwischen den Figuren knistert geradezu, auch wenn sie irgendwie diffus bleibt, und man weiß ganz genau, dass diese Personenkonstellation auf etwas Unheilvolles hinauslaufen wird. Und doch verläuft das Ganze dann anders, als man zunächst vorausahnen mag.

Dexters Stärke ist vor allem seine eindringliche Figurenzeichnung. Besonders Train als Hauptfigur des Romans wirkt sehr plastisch. Man fühlt mit ihm und scheint ihm trotz seiner unergründlichen dunklen Seite stets sehr nah zu sein. Die übrigen Figuren sind da schon eine größere Herausforderung. Packard bleibt von allen Figuren am rätselhaftesten. Er lässt sich nur schwer begreifen, wirkt unberechenbar und kompensiert seine sympathischen, menschlichen Züge durch eine düstere, unheilvolle und skrupellose Seite, deren Ausmaß sich schwer erfassen lässt. Der Roman wirkt vor allem durch den Gegensatz dieser beiden Figuren, die der Autor getrennt voneinander beobachtet, besonders spannungsreich.

Auf diesem Spannungsfeld begründet sich die gesamte Atmosphäre des Romans. Dexter pflegt einen sehr klaren und schnörkellosen Stil, erzählt sehr prägnant und kommt ohne viel schmückendes Beiwerk aus. Fast schon nüchtern wirkt seine Erzählweise, die in ihrer Klarheit die atmosphärische Dichte des Romans unterstreicht. Doch diese Einfachheit ist wirklich nur oberflächlich. „Train“ fordert den Leser stets aufs Neue heraus, führt ihn an der Nase herum und fordert ihn immer wieder heraus, seine Position zu überdenken, und übt ganz nebenbei noch unterschwellig Kritik an gesellschaftlichen Konventionen.

Bleibt unterm Strich festzuhalten, dass Pete Dexter mit „Train“ einen Roman abgeliefert hat, der vielschichtiger ist, als er auf den ersten Blick erscheinen mag. Die Lektüre ist gewissermaßen eine Herausforderung, der zu stellen sich aber durchaus lohnt. Man kommt in den Genuss außerordentlich präzise gezeichneter Figuren (besonders im Fall der Hauptfigur Train) und einer atmosphärisch dichten, geradezu unheilvoll knisternden Spannung, die Dexter in einer klaren und prägnanten Sprache verpackt.

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Spencer-Fleming, Julia – rote Spur des Zorns, Die

Julia Spencer-Flemings Krimiprotagonistin Clare Fergusson, ihres Zeichens ehemalige Helikopterpilotin bei der Army und nun Pastorin der Episkopalkirche, ist in den USA derart beliebt, dass dort demnächst das fünfte Buch mit ihr erscheint. In Deutschland hat sie derartigen Ruhm noch nicht erlangt. Der |Knaur|-Verlag veröffentlichte im August erst das zweite Buch mit der jungen Dame, das den bedeutungsschwangeren Titel „Die rote Spur des Zorns“ trägt.

Das kleine Örtchen Miller‘s Kill, nördlich von New York, ist eigentlich ganz beschaulich. Clare Fergusson muss sich auf eine Reihe von Trauungen vorbereiten und hat ansonsten nicht viel zu tun, außer an den Sheriff Russ Van Alstyne zu denken, mit dem sie in ihrem ersten Buch zu tun hatte und zu dem sie sich, obwohl er verheiratet ist, stark hingezogen fühlt.

Der Frieden in Miller‘s Kill wird empfindlich gestört, als bei einem Volkswettlauf, der vom Bauriesen BWI finanziert wird, eine Gruppe radikaler Bürger gegen den Bau eines Erholungszentrums demonstriert. Das Zentrum wird von BWI gebaut, und zwar auf Boden, der früher mit PCB verseucht war. Nun befürchten einige Bürger, dass der Bau die alten Chemikalien wieder aufwühlen und an die Oberfläche bringen wird. Russ Van Alstyne ist gezwungen, bei dieser Demonstration seine eigene Mutter festzunehmen, was ihm sichtlich schwer fällt.

Gleichzeitig geschehen aber noch weit schlimmere Dinge in Miller‘s Kill. Mehrere Homosexuelle werden Opfer von Überfällen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, bis schließlich Bill Ingraham bei einem solchen Überfall sogar zu Tode kommt. Dass er in der Chefetage bei BWI gesessen hat, bleibt zuerst unbeachtet, aber schließlich häufen sich die Hinweise, dass er vielleicht gar nicht wegen seiner Homosexualität sterben musste …

Das Ermittlerpärchen wider Willen – Clare und Russ – ist natürlich moralischer als moralisch. Sie als Gottesdienerin und er als verheirateter Sheriff. Trotzdem können die beiden es nicht lassen, immer wieder kleine Anspielungen auf ihre gegenseitigen Gefühle zu machen, ohne dass sich daraus aber etwas entwickelt. Dieser Zustand erinnert etwas an die Telenovelas, die nur deswegen existieren, weil sich die Protagonisten lieben, ohne sich dazu zu bekennen.

Für die Handlung eine Kriminalromans bringt diese Konstellation allerdings herzlich wenig. Das kann natürlich auch daran liegen, weil insgesamt nur wenig Spannung in „Die rote Spur des Zorns“ aufkommt. Zu oft schweift die Autorin vom eigentlichen Kriminalstrang ab und widmet sich dem Alltag der Protagonisten. Ein ordentlicher Spannungsaufbau fehlt beinahe gänzlich. Die Überfälle und Morde passieren derart nebenbei, dass man sich gar nicht so wirklich dafür interessiert, wer jetzt eigentlich schuld ist. Dafür fehlt es an geschickt ausgelegten Ködern, die Skepsis und Neugierde beim Leser wecken.

Der Schreibstil ist eigentlich keiner Erwähnung wert. Ohne großen Wiedererkennungswert reiht Spencer-Fleming Wort an Wort. Handlung und Gedanken halten sich die Waage und sind von wenig Tiefgang geprägt, rhetorische Mittel wie Metaphern sind sehr reduziert und fallen nicht auf. Das Buch lässt sich glatt herunterlesen, ohne dass man die Stirn runzeln, den Mund verziehen oder die Augenbrauen bewegen muss.

Insgesamt erinnert „Die rote Spur des Zorns“ eher an einen amerikanischen Kriminalroman von der Stange. Nette Charaktere, die zwar den einen oder anderen Dreck am Stecken, ansonsten aber wenig Tiefgang haben, eine schöne Landschaft, ein seichter Kriminalfall und ein beliebiger Schreibstil ohne Ecken und Kanten. Wem‘s gefällt, dem wird’s gefallen, aber gepflegte Spannungsliteratur darf man von Ms Spencer-Fleming nicht erwarten.

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Preston, Douglas / Child, Lincoln – Dark Secret – Mörderische Jagd

Ein berühmter Literaturprofessor kommt vor den Augen seiner entsetzten Studenten spektakulär zu Tode. Er bleibt nicht der einzige Forscher oder Feingeist, den dieses Schicksal trifft. Den Opfern gemeinsam ist ihre Freundschaft zu einem FBI-Spezialagenten namens Aloysius Pendergast, der sich einen gewissen Namen als Ermittler in Fällen erworben hat, die TV-kundige Leser als „X-Akten“ bezeichnen würden.

Pendergast wäre selbstverständlich als Ermittler die erste Wahl für diesen Fall, doch er ist nach einem missglückten Einsatz in Italien verschollen und gilt inzwischen als tot. Allerdings scheint er geahnt zu haben, dass es ihm übel ergehen würde, denn er hat einem Freund, dem Polizisten D’Agosta, einen Brief hinterlassen, in dem er ein düsteres Familiengeheimnis enthüllt: Aloysius hat einen Bruder namens Diogenes, der zwar ebenso intelligent ist wie er, jedoch von Größenwahn und der puren Lust am Bösen getrieben wird.

In der Tat ist es Diogenes, der hinter den infernalischen Schurkentücken steckt. Im grenzenlosen Hass auf Aloysius hat er diesen gerettet und geheilt, um ihm anschließend umso tückischer mitspielen zu können. Verzweifelt taucht Pendergast in den Untergrund ab und versucht Diogenes zu stoppen. Doch dieser ahnt jeden Schachzug des Bruders und setzt ihn matt, indem er weiter mordet und sich schließlich sogar an Aloysius’ heimlicher Liebe vergreift.

Die wahre Dimension des diogenialen Ränkespiels bleibt freilich unbekannt, bis es zu spät ist. In einem furiosen Finale enthüllt Diogenes, wonach ihm wirklich der Sinn steht. Der Kampf zwischen den beiden Brüdern nimmt endgültig biblisches Ausmaß an, und sogar Diogenes muss letztlich begreifen, dass es in diesem Streit nur Verlierer geben kann …

Inzwischen läuft es wie am Fließband: Einmal pro Jahr liefert das perfekt eingespielte Autorenteam Preston & Child einen neuen Bestseller ab, verknüpft Neuerungen diverser Naturwissenschaften mit Rätseln der Vergangenheit und strickt daraus einen rasanten Actionthriller – so muss man diese Werke wohl nennen, denn längst vorbei sind die Tage, da Preston & Child dabei wenigstens ansatzweise Realitätsnähe walten ließen. Völlig losgelöst basteln sie inzwischen Plots, die bei näherer Überlegung an Wahnwitz (oder Schwachsinn) kaum zu überbieten sind. Weil die Überraschung bleibt, wie weit & toll sie es denn dieses Mal treiben werden, und Preston & Child zwar nicht über literarische Finesse aber handwerkliches Geschick verfügen, lässt man sich in der Regel gern zu ihren Popkorn-Reißern verführen.

Wobei diese Lektürekost in unserem Fall leider arg muffig schmeckt. „Dark Secret“ ist ein Kommerzprodukt im schlimmen Sinn des Wortes – ein lieblos aus Versatzstücken diverser Thrillergenres montierter, künstlich aufgeblähter Schnellschuss, der als Blindgänger über allzu weite Passagen für Langeweile und Verdruss sorgt. Seit Preston & Child nicht nur gemeinsam schreiben, sondern Solo-Karrieren eingeschlagen haben, leidet die Qualität ihrer Werke sichtlich unter dem selbst auferlegten Arbeitstempo.

„Dark Secret“ ist ein Roman ohne echte Handlung. Die ungleichen Brüder versuchen einander in die Pfanne zu hauen, Diogenes tückt und meuchelt, Aloysius tüftelt und ergeht sich in dunklen Andeutungen, zwischendurch gibt es endlose Verfolgungsjagden, geniale Verbrechen und monumentale Todesfallen, die sämtlich so hastig in Szene gesetzt werden, dass die Unlust der Autoren nur zu deutlich wird.

Schlimmer noch: Preston & Child kannibalisieren noch stärker als sonst das eigene Werk. Aus „Relic/Das Relikt“ und „Attic“ treten Anthropologin Margo Green und Reporter Bill Smithback auf, der zusammen mit einer weiteren alten Bekannten, der Archäologin Nora Kelly, auch in „Thunderhead“ oder „Ice Ship“ Abenteuer erlebt; Profiler Eli Glinn kommt gleichfalls vom „Ice Ship“. Solche „Reunions“ kennt man schon, doch dieses Mal recyceln die Autoren sogar alte Schauplätze. Schon wieder geht es in dem ausgedehnten Höhlensystem unter Pendergasts Stadthaus um [(„Formula“), 192 schon wieder geschieht Unheimliches in den Gewölben und Fluren des Museum of Natural History („Relic/Das Relikt“), schon wieder treibt es die Helden in den verseuchten Untergrund von New York („Attic“). (Wer solche Vernetzungsspielereien liebt, sei auf der Website http://www.prestonchild.com auf den – etwas versteckt über „Contact & FAQ“ anzusteuernden – Menüpunkt „Pangea – A Cyclopedia of the Cross-Correlations in the Preston-Child Universe“ hingewiesen.)

Ärgerlich ist die Seitenschinderei, die das Autorenduo ganz unverhohlen treibt. (Es wird unterstützt in der deutschen Ausgabe, deren Schriftgröße auch dem unsterblichen Mr. Magoo keine Schwierigkeiten bereiten dürfte …) Da will Bill Smithback aus einem Sanatorium entfliehen, in das ihn Pendergast zum eigenen Schutz verbannte. Viele, viele, viel zu viele Seiten vergehen mit Ausbruchsversuchen, die immer wieder scheitern. Diese Episode hat rein gar nicht mit der eigentlichen Handlung zu tun; man führt uns in Sackgasse, irritiert und langweilt. Mit solcher Buchstabenwatte polstern Preston & Child ihren Instant-Bestseller noch öfter aus. Oftmals hat man gar den Eindruck, sie ersetzen der Einfachheit halber Ideen und Handlung durch die eins-zu-eins wiedergegebenen Ergebnisse sprunghaft wirkender Hintergrundrecherchen.

„Dark Secret“ ist wieder einer dieser „denglischen“ Titel, die atemlos Spannendes suggerieren sollen, doch an Schwachsinn nicht zu überbieten sind; „Tanz des Todes“ beschreibt wesentlich präziser, was im Mittelpunkt der Handlung steht. Es ist nicht, wie zu erwarten, die vordergründige Jagd auf den mörderischen Diogenes, obwohl ihr so viele Seiten gewidmet werden. Vielmehr geht es um die erbitterte Auseinandersetzung zweier Brüder, die die ganze Welt um sich vergessen bzw. für ihre private Fehde instrumentalisieren. Diogenes und Aloysius – das sind einerseits natürlich Kain und Abel aus dem Alten Testament, andererseits – dem Genre entsprechend – aber wohl auch Mycroft und Sherlock Holmes.

Unklar bleibt, wer tatsächlich der Gute, wer der Böse in diesem schaurigen Spiel ist. Zu den wenigen Überraschungen dieses Buches gehören die Andeutungen, dass diese Entscheidung so einfach gar nicht ist: Offenbar trägt Aloysius Verantwortung für das Ungeheuer, zu dem Diogenes geworden ist – ein Wissen, das er verdrängt hat und auf keinen Fall an die Oberfläche dringen lassen möchte. Ohnehin sind die Pendergasts eine wahrlich schreckliche, gar nicht nette Familie. Wahnsinnige und Mörder zieren jede Generation; glücklicherweise erkennt man sie an ihren absurden Namen … Preston & Child füllen manche Zeile mit Kurzviten besonders übergeschnappter Pendergasts.

Die gelingen ihnen besser als die handelnden Figuren. Sie wurden als Bausatz in Hollywood produziert und den Autoren ausgehändigt. Von Zeit zu Zeit kaufen sie neue Bauteile dazu: D’Agosta hat eine Freundin – wie wird er sein Privatleben dieses Mal versauen? Margo Green ist nun Wissenschaftsjournalistin und wälzt (vor den Augen der erstaunten Leser) das handlungsirrelevante Problem des Verbleibs von Museumsstücken zweifelhafter Herkunft hin und her und her und hin und hin und her … Die zeitlose Constanze irrt erneut durch endlose Kellergewölbe und ringt mit Erinnerungen und aufkeimendem Wahnsinn.

Es soll an Beispielen genug sein. Völlig vergessen können wir das übrige Figurenpersonal. Stereotyp und groß gezeichnete Klischeegestalten, immer wieder versehen mit in dieser Ausführlichkeit absolut überflüssigen Kurzbiografien, wechseln sich ab: Dummdreist-vernagelte FBI-Unsympathen, karikaturhaft überzeichnete Wissenschaftler (entweder schleimige Karrieretypen oder verkrustete Sonderlinge), Kanonenfutter für Diogenes’ infantile Rachegespinste … Auch hier könnte die Aufzählung ermüdend einfach fortgesetzt werden.

Nein, das ist sowohl subjektiv (aus der Sicht des Lesers/Rezensenten) als auch objektiv ein inhaltlich wie formal unzufrieden stimmendes Werk, das Preston & Child hier vorlegen. In den USA soll es das erfolgreichste Buch des Autorenduos sein. Das ist entweder ein Mirakel oder ein Beleg dafür, wie dreist die Werbung inzwischen lügt.

„Dark Secret“ leidet zudem darunter, nur das „Mittelstück“ einer Romantrilogie zu sein. Die mörderische Auseinandersetzung zwischen den gar nicht so ungleichen Brüdern Aloysius und Diogenes war für die ideensparsamen Autoren noch für eine weitere Fortsetzung gut, die in den USA inzwischen unter dem Titel „The Book of the Dead“ erschienen ist. Die Handlung von „Dark Secret“ bleibt im Finale in der Luft hängen. Der Höhepunkt wird durch Versprechungen und Ungewissheiten ersetzt, der die Leser vor allem zum Kauf der Fortsetzung anregen soll. Ich will ehrlich sein: Die Erwartung, dass noch einmal der breit getretene, aufgewärmte Diogenes-Quark eigenständige Mystery-Action ersetzen soll, lässt in mir keine Ungeduld vor dem Erscheinen des nächsten Preston/Child-Reißers aufkommen …

Douglas Preston wurde 1956 in Cambridge, Massachusetts geboren. Er studierte ausgiebig, nämlich Mathematik, Physik, Anthropologie, Biologie, Chemie, Geologie, Astronomie und Englische Literatur. Erstaunlicherweise immer noch jung an Jahren, nahm er anschließend einen Job am American Museum of Natural History in New York an. Während der Recherchen zu einem Sachbuch über „Dinosaurier in der Dachkammer“ – gemeint sind die über das ganze Riesenhaus verteilten, oft ungehobenen Schätze dieses Museums – arbeitete Preston bei |St. Martin’s Press| mit einem jungen Lektor namens Lincoln Child zusammen. Thema und Ort inspirierten das Duo zur Niederschrift eines ersten Romans: „Relic“ (1994; dt. „Das Relikt – Museum der Angst“).

Wenn Preston das Hirn ist, muss man Lincoln Child, geboren 1957 in Westport, Connecticut, als Herz des Duos bezeichnen. Er begann schon früh zu schreiben, entdeckte sein Faible für das Phantastische und bald darauf die Tatsache, dass sich davon schlecht leben ließ. So ging Child – auch er studierte übrigens Englische Literatur – nach New York und wurde bei |St. Martins Press| angestellt. Er betreute Autoren des Hauses und gab selbst mehrere Anthologien mit Geistergeschichten heraus. 1987 wechselte Child in die Software-Entwicklung. Mehrere Jahre war er dort tätig, während er nach Feierabend mit Douglas Preston an „Relic“ schrieb. Erst seit dem Durchbruch mit diesem Werk ist Child hauptberuflicher Schriftsteller. (Douglas Preston ist übrigens nicht mit seinem ebenfalls schriftstellernden Bruder Richard zu verwechseln, aus dessen Feder Bestseller wie „The Cobra Event“ und „The Hot Zone“ stammen.)

Selbstverständlich haben die beiden Autoren eine eigene Website ins Netz gestellt. Unter http://www.prestonchild.com wird man großzügig mit Neuigkeiten versorgt (und mit verkaufsförderlichen Ankündigungen gelockt).

Russell, Craig – Blutadler

Von einer internationalen Ebene betrachtet, erfreuen sich die Erzeugnisse deutscher Autoren im Bereich der Trivialliteratur wohl keiner sonderlich großen Verbreitung. Entsprechend selten spielen sich Romane aus dem Fantasy- und Sci-Fi-Bereich oder auch Thriller in Deutschland ab. Die meisten Bestseller, die man in der Buchhandlung erstehen kann, kommen ursprünglich aus dem englischsprachigen Raum. Um so interessanter ist es dann, wenn ein schottischer Autor einen Thriller schreibt, der nicht in New York, Washington, London oder einer Vorstadt von Kalifornien spielt, sondern stattdessen in Hamburg. Craig Russell heißt der Schöpfer des Buchs, der in seinem Erstlingswerk dieses Experiment angegangen ist und dabei durchaus realistisch und eindrucksvoll beweist, dass auch deutsche Städte einen guten Hintergrund für die Handlung einer Kriminalgeschichte liefern.

Die Rahmenhandlung ist schnell umrissen und scheint im ersten Moment die Wiederverwertung altbekannter Zutaten zu sein, wie man sie schon oftmals in anderen Romanen, die einen Serienmörder zum Thema hatten, kennen gelernt hat. Es geht zuallererst einmal in diesem Roman um einen Serienkiller, der sich Son of Sven nennt und Frauen nach den Vorgaben eines alten Wikinger-Rituals tötet. Der Protagonist der Geschichte wiederum ist Kommissar Jan Fabel, der nicht nur auf den Fall angesetzt wird, sondern zu dem der Killer scheinbar einen persönlichen Bezug hat, schickt er doch immerhin dem Kommissar regelmäßig E-Mails, in denen er die Morde ankündigt.

Es beginnt also ein Wettlauf mit der Zeit, denn jeder Tag, der verstreicht, könnte mit einer neuen, brutal verstümmelten Leiche enden. Allerdings scheinen noch einige andere Dinge im Hintergrund abzulaufen, die ebenfalls mit dem Fall zu tun haben. Doch davon ahnt der Kommissar zu Anfang nichts. Als sich jedoch andere Parteien auf höchster Ebene – unter anderem die Geheimdienste – in den Fall einschalten, das eigenen Team in Gefahr gerät und sich dazu eines der Opfer auch noch als Kollegin Fabels herausstellt, erkennt der Protagonist – wie auch der Leser – schnell, dass es um mehr geht, als es den Anschein hat.

Russell schafft es auf eindrucksvolle Weise, Hamburg zu schildern und vor den Augen des Lesers lebendig werden zu lassen. In der Hörbuchvariante ist dies keineswegs anders. Die Geschichte wird von David Nathan vorgetragen, der bereits eine beachtliche Reputation als Synchron- und Hörbuchsprecher besitzt. So liefern also die Beschreibungen des Autors zusammen mit der Leistung des Sprechers in einer beeindruckenden Synergie eine bedrückend düstere Darstellung der Hafenstadt. So düster und lebendig, dass man sich gelegentlich selbst durch dunkle Gassen rennen sieht und den Regen auf der Haut spürt.

Der Autor zeichnet sich durch seine guten Kenntnisse der Stadt aus, beschreibt Szenerien so, als würde er den Inhalt eines Fotos wiedergeben. So kann man sich nicht über fehlende Sachlichkeit und Details beschweren, wie sie oftmals auffallen, wenn Autoren Gegenden und Sachverhalte aus fremden Ländern beschreiben. Deutschland und insbesondere Hamburg ist für Russell definitiv kein fremder Ort; vielmehr scheint es für ihn eine Art zweites Zuhause zu sein.

Doch unter all dem Lob für die Fähigkeit, Details genau wiederzugeben, muss man auch kritische Punkte anführen. So fällt schnell auf, dass der Autor bewusst Schockeffekte einsetzt, um dem Roman eine besondere Note zu verleihen und einem breiteren Publikum zu öffnen. Nicht nur eingefleischte Liebhaber von Thrillern werden mit Russells Werk bedient, sondern auch Freunde von Splatter und möglichst bluttriefenden Szenen. Es ist eigentlich nicht nötig, das Aussehen und den Zustand der Leichen wieder und wieder in blutigem Detailreichtum zu schildern. Die Methodik, die hier angewandt wird, kennt man vielleicht von der Boulevardpresse, doch erwartet man dies eigentlich nicht von einem ’seriösen‘ Roman. Dabei ist es auch nicht sonderlich zuträglich, dass man an einigen Stellen des Romans bzw. Hörbuchs das Gefühl hat, der Protagonist und seine Kollegen hätten den Tod von Kollegen zum Normalzustand erklärt und ihre Emotionen des Platzes verwiesen. Dies ist zwar glücklicherweise nicht immer so, aber der Held und sein Team wirken einfach manchmal zu abgebrüht und kühl, als dass es uns angebracht erschiene, insbesondere wenn man die emotionalen Reaktionen in Kontext zu den kurz zuvor beschriebenen Leichen setzt. Der Kontrast, der hieraus entsteht, ist einfach zu grell und auffallend.

Der Sprecher des Hörbuchs versucht offensichtlich, derartige Passagen im Buch durch perfekten Einsatz seiner Stimme auszugleichen. Mal flüstert er, mal krächzt er heiser, und mal spricht er mit einem leichten Entsetzen in der Stimme. Doch sind die Hürden, die ihm vom Autor an diesen Passagen in den Weg gestellt werden, überaus hoch gesetzt. Fällt Nathan im Generellen durch seine hervorragende Darbietung auf, so sticht an diesen Stellen doch ein gekünstelter Unterton hervor. Doch prinzipiell ist dies nicht Nathans Fehler, sondern liegt an der schwierigen Romanvorlage. Ganz im Gegenteil, der Sprecher schafft es hervorragend, bis an die Grenzen des Möglichen zu gehen.

Die Beschreibung der Mordszenen und Emotionen außen vor gelassen, muss man sagen, dass der Autor es versteht, eine komplexe Handlung aufzubauen. Die Daten über Wikinger-Mythologie sind nicht immer komplett richtig, aber oberflächlich betrachtet gibt es nichts zu beanstanden; der Roman soll ja vor allem unterhalten und nicht die Mythen der Germanen erläutern. Ähnlich verhält es sich mit geschichtlichen Hintergründen, die im Laufe des Romans eine wichtige Rolle spielen. Auch hier merkt man, dass der Autor sich redliche Mühe gegeben hat, keine Widersprüchlichkeiten in seine Handlung einfließen zu lassen. Etwas problematisch wirkt allerdings die Handlung als Ganzes, denn auch hier zeigt sich der Hang des Autors, möglichst reißerisch von allen Mitteln der Kunst Gebrauch zu machen, um ein großes Publikum anzusprechen. Sicherlich nutzt jeder Autor diverse Effekte in seiner Handlung und in seinen Beschreibungen, um den Plot möglichst spannend zu gestalten und den Leser nicht zu langweilen. Jedoch scheint Russell derartigen Methoden etwas zu sehr verfallen zu sein. Komplizierte Verknüpfungen im Geflecht der Handlungen sind wichtig, denn sie tragen dazu bei, dass man nicht alles direkt vorausahnen kann. Nur wirkt die schiere Masse der miteinander verwobenen Handlungslemente einfach viel zu konstruiert. Man muss nicht alle Klischees, die man von Thrillern kennt, durcharbeiten und in eine einzige Geschichte einbauen. Mafia, Geheimdienste, Serienkiller, mystische Kulte, Korruption und Intrigen in den eigenen Reihen, Terroristen und diverse andere Bösewichte; die Liste lässt sich sogar noch weiter fortsetzen, so eigentümlich übertrieben das klingen mag. Es scheint so, als ob Craig Russell Angst gehabt hätte, dass er nach diesem Roman nie wieder einen weiteren schreiben darf, so dass er daher alle Ideen, die er hatte, auf einmal verwendet hat.

Alles in allem kann man also davon sprechen, dass der Roman als Debüt guter Durchschnitt, aber nicht so herausragend ist, dass man von einem neuen Wunder-Autor reden muss. Interessant wird es vor allem, wenn man irgendwann einen zweiten Roman des Autors lesen kann, denn dieser wird wohl zeigen, ob es eine Verbesserung seitens Russells gibt.

Auch zum Hörbuch und der Leistung von David Nathan ist nicht viel mehr hinzuzufügen. Er hat exzellente Arbeit geleistet und man kann sich jederzeit darauf freuen, noch mehr von ihm zu hören.

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Kenneth J. Harvey – Die Stadt, die das Atmen vergaß

Das geschieht:

Bareneed ist ein Städtchen an der neuenglischen Atlantikküste, das seinen Namen – „Blanke Not“ – inzwischen zu Recht trägt. Die einst blühende Fischerei liegt am Boden, seit die schier unendlichen Kabeljau-Schwärme verschwunden sind. Arbeits- und Hoffnungslosigkeit machen den Bewohnern zu schaffen, Alkoholismus und häusliche Gewalt sind die Standarddelikte, wenn Polizist Brian Chase zum Einsatz ausrückt.

Seit kurzem geht zusätzlich das Gespenst einer unbekannten Seuche um. Kerngesunde Männer und Frauen leiden unter Attacken mörderischen Jähzorns, stellen plötzlich das Atmen ein und sterben; eine Ursache können die Ärzte nicht finden. Erst noch unbemerkt, dann immer offener mischen sich bewaffnete Soldaten ins Stadtbild. Sie scheinen Bareneed zu bewachen und seine Bürger an einem Verlassen des Orts zu hindern. Kenneth J. Harvey – Die Stadt, die das Atmen vergaß weiterlesen

Pak, Greg / Tocchini, Greg – 1602 – Die neue Welt (100 % Marvel 23)

Neil Gaiman ist ein hervorragender Geschichtenerzähler. Mit »1602 – Die neue Welt« tritt Greg Pak nun in seine Fußstapfen. Die neue und farbenfrohe Miniserie von |Marvel| verpufft jedoch. Was da Siedler, Superhelden und Dinos im frühneuzeitlichen Roanoke so treiben, lässt den Leser kalt.

Entgegen der Gewohnheit, dass im Superhelden-Universum alles immer gigantischer, bunter und ausgeflippter werden muss, schaltet |Marvel| mit »1602« einen Gang zurück. Das Leserauge freut sich über Abwechslung. Statt Hochhausschluchten oder Raumstationen dient die junge Siedlung Roanoke als Hauptort der Handlung. Eine kleine Anzahl Hütten, ein paar Siedler im besten Pilgrim-Look und ein paar Indianer – fertig ist das Setting von »1602«.

Nun gut, ganz so einfach ist es nicht. Es fehlen schließlich noch die Superhelden. Die grundsätzliche Idee von »1602« folgt dem inzwischen altbekannten Motto »Alte Helden in neuem Gewand«. Die Idee ist ganz erfrischend, Spider-Man, Hulk und Ironman in die frühe Neuzeit zu versetzen, als Amerika noch Kolonie war, als noch niemand den Dollar kannte und als die ersten Stars-and-Stripes noch genäht werden mussten.

Erfinder dieses Paralleluniversums war Neil Gaiman (Sandman, Die Bücher der Magie), seines Zeichens begnadeter Comicautor und Schriftsteller. In einer achtteiligen Miniserie (100 % Marvel 4 und 6) erzählte er die Geschichte, wie Captain Marvel an den Anfang des 17. Jahrhunderts geschleudert wurde und die Realität veränderte. Durch seinen Zeitsprung schuf er eine neue Zeitlinie: Colonization goes Superhero. Ach ja, und die Dinosaurier leben noch.

Mit »1602 – Die neue Welt« hat Gaiman bestenfalls noch so weit zu tun, dass er die Weichen für das neue |Marvel|-Universum gestellt hat. Was Greg Pak und Greg Tocchini mit ihrer fünfteiligen Fortsetzung geschaffen haben, ist nur noch mäßig unterhaltsam. Irgendwie beschleicht den routinierten Comicleser das Gefühl, einem Produkt aus der Retorte gegenüberzustehen. Da wird ein Eingangskonflikt angerissen, der am Ende aufgelöst wird. Da werden verschiedene Nebencharaktere eingeführt, und einer nach dem anderen entdeckt seine übernatürlichen Kräfte. Schließlich kommt es zu einem großartigen Zusammenstoß zwischen den Engländern und den Indianern, einem Showdown mit viel Feuerwerk. Die Superhelden geben ihr Bestes, und am Ende bekommt sogar noch der fiese König James im fernen England auf die Mütze.

»1602 – Die neue Welt« leidet daran, dass es den Leser bis zur letzten Seite darüber im Unklaren lässt, wohin die Geschichte eigentlich will. Es fällt schwer, einen Hauptprotagonisten auszumachen. Ständig springt das Auge hin und her, ohne zu wissen, was es eigentlich suchen soll. Die frühe Neuzeit dient dabei als Lokalkolorit, nicht mehr. Was nach dem Lesen übrig bleibt, ist das vage Gefühl, dass Autor Grag Pak selbst nicht genau wusste, was er eigentlich mitteilen wollte. Und wer nichts zu sagen hat, sollte besser schweigen.

McNeill, Graham – Fänge des Bären, Die (Warhammer – Sturm des Chaos 2)

Band 1: [„Botschafter der Schlacht“ 2719

_Story_

Der in Kislev nicht unumstrittene Botschafter des Imperiums, Kaspar von Velten, steht arg in der Kritik, weil er den Menschenschlächter Sascha Kajetan auf seinem Streifzug nicht getötet hat. Stattdessen hat der wahnsinnige, aber unheimlich talentierte Schwertkämpfer die Gnade erfahren, in den Kerker der Teschekisten gesperrt zu werden, damit Kaspar und seine Gefolgsleute vor Kajetans endgültigem Todesurteil analysieren können, was ihn zu diesen vielen grausamen Morden und seiner gespaltenen Persönlichkeit geführt hat. Doch ausreichend Gelegenheit, sich um diese Belange zu kümmern, hat der Botschafter nicht. Der Winter ist in Kislev eingekehrt und mit ihm der Tod, verursacht durch die brutale Kälte, der sich neben den Kisleviten auch noch tausende Soldaten des Imperiums vor den Stadtmauern ausgesetzt sehen, sowie durch eine rätselhafte Seuche, die von übergroßen, seltsamen Ratten übertragen wird. Von Letzterem erfährt von Velten nur über Dritte, denn erst als sein alter Genosse Pavel zu Tode zerfleischt in die Botschaft gelangt, kann er die Spur dieser Krankheit aufnehmen und verbündet sich hierzu ausgerechnet mit seinem Erzfeind Tschekatilo und dessen Handlanger Rejak, die ebenfalls die Ursachen der Rattenplage erforschen wollen. Gemeinsam stoßen sie auf einige dunkle, schier unverwundbare Gegner, die zur bis dato größten Bedrohung für ganz Kislev werden könnten.

Währenddessen plagen Kaspar die Ungereimtheiten in seiner Beziehung zu Anastasia; sie ist ebenfalls nicht mit dem Entschluss, Kajetan in die Stadt zurückkehren zu lassen, einverstanden, und nach einigen Auseinandersetzungen kommt es zum Zerwürfnis. Und auch seine Freundschaft zu Pavel wird auf eine harte Probe gestellt, denn nachdem ihn der bullige Gefährte aus Kislev ein weiteres Mal verraten hat, stellt ihm von Velten ein Ultimatum. Doch Pavel scheint zu schwach und versinkt endgültig in seiner Würde.

Kaspar und die eisige kislevitische Tzarin stehen vor einem gewaltigen tödlichen Chaos, denn zur gleichen Zeit, als die Seuche Teile der Bevölkerung von Kislev dahinrafft, nähert sich Hochtzar Aelfric Ceyenwulf mit einer riesigen Armee seiner Stammeskrieger und einer mächtigen Geheimwaffe von Norden her der Grenze des Imperiums und wird bereits in kurzer Zeit einen vernichtenden Angriff starten …

_Meine Meinung_

Der „Sturm des Chaos“ geht bereits im zweiten Band in die Entscheidung und legt dabei, im Vergleich zum eröffnenden Buch, ungemein an Tempo zu. War „Botschafter der Schlacht“ lediglich ein netter, wenn auch brutaler Einstieg ohne wirkliche Höhepunkte, lässt Graham McNeill es in „Die Fänge des Bären“ so richtig krachen und kratzt an wirklich an allen Ecken der umfassenden Handlung das bislang noch versteckte Potenzial heraus. Kaum zu glauben, dass in beiden Büchern derselbe Autor am Werk war …

Im Gegensatz zum Vorgänger wird der Leser hier von Anfang an (und dies keinesfalls wegen der Vorkenntnisse) mitten in den Strudel der noch einmal weitaus blutigeren Ereignisse gezogen und sieht sich auf einmal mit ungeahnt vielen, nervenaufreibenden Nebensträngen konfrontiert. Geschickt verbindet McNeill die neu entworfenen, bedrohlichen Szenarien mit den vorangegangenen Geschehnissen, flicht dabei eine Vielzahl neuer Protagonisten ein und stärkt gleichzeitig die Rolle der bereits bekannten Figuren.

Vor allem Kaspar von Velten, im ersten Buch noch eine recht unauffällige Hauptperson, entwickelt sich nach und nach zum zentralen Drahtzieher und erfüllt seinen Part in der Geschichte endlich mit der nötigen Überzeugung, wie sie von einem führenden Charakter auch gefordert wird. Dazu entwickeln die übrigen Figuren Eigenschaften, die man von ihnen kaum vermutet hätte. So scheint Kajetan zum Beispiel plötzlich zur Reue gekommen sein und wird trotz seiner grausamen Vergangenheit zu einem indirekten Sympathieträger, von dem ein Gros des weiteren Verlaufs abhängt. Auch der hinterhältige Tschekatilo entwickelt Züge, die gar nicht zu seinem Rang passen wollen, wobei sich sein wahres Naturell zwischendurch dann doch wieder zeigt. Ganz anders hingegen der zum Säufer verkommene Pavel, der mehr als eine Chance vertut, um sich für Kaspars Vertrauen zu revanchieren. Immer wieder überrollt ihn sein vorheriges Leben als Verbündeter Tschekatilos, aus dessen Abhängigkeit er anscheinend nie herausgeraten kann. Ebenfalls recht eigenartig verhält sich Anastasia nach der Rückkehr ihres geliebten Botschafters; immer deutlicher spürt von Velten, dass es ihr gar nicht um ihn geht, sondern dass er nur die Rolle eines Handlangers erfüllt, der bei Ungehorsam nicht weiter erwünscht ist. Und dies seien nur kurze exemplarische Kurzbeschreibungen über die vielfältigen Entwicklungen der individuellen Charakterzüge …

So vielseitig die handelnden Personen, so spannend die Handlung selber. McNeill reißt uns von einem tragenden Ereignis zum nächsten, wirft den Leser vom Paradies zurück in die Hölle und hat nach jedem offenbaren Höhepunkt noch einen weiterem Trumpf in der Hinterhand, mit dem es ihm gelingt, die Spannung zusätzlich zu steigern. Dabei überschlagen sich die Ereignisse in „Die Fänge des Bären“ regelrecht. Die Beziehungen, die bis zuletzt unschlüssige Rollenverteilung, die Bedrohung durch die Ratten, die anstehende Entscheidungsschlacht – bis zur letzten Seite wird man zwischen den bedeutsamen Szenarien hin- und hergerissen, und doch kann sich der Autor auch bis zum letzten Satz immer noch steigern. Wobei das Finale sowieso eine der Sternstunden der „Warhammer“-Buchreihen ist.

Zugegeben, insgeheim hatte ich mit dieser kurzen Serie schon abgeschlossen, doch erfreulicherweise hat McNeill noch einmal die Kurve bekommen und den bis hierhin noch harmlosen Plot zu einem temporeichen, mit Fantasy-Elementen gespickten Thriller modelliert, der für jede einzelne langatmigere Zeile aus „Botschafter der Schlacht“ entschädigt.

Fazit: Auch wenn der Auftakt skeptisch stimmt: „Sturm des Chaos“ sollte man gelesen haben!

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Arthur C. Clarke – Im Mondstaub versunken

Clarke Mondstaub Cover 1983 kleinDas geschieht:

In einer inzwischen nicht mehr allzu fernen Zukunft (um eine exakte Datierung drückt sich der Verfasser; gewissen Andeutungen lässt sich entnehmen, dass wir uns etwa im Jahre 2040 aufhalten) ist der Mensch nicht nur auf den Mond zurückgekehrt: Er hat ihn besiedelt, Stützpunkte errichtet und schließlich Städte gebaut, deren stolze Bürger bereits nach Zehntausenden zählen. Bei den Erdmenschen steht der Nachttrabant als Reiseziel hoch im Kurs. Inzwischen gibt es in Port Clavius, der ältesten Mondstadt, eine eigene Touristenbehörde, die von Direktor Davis straff und erfolgreich geführt wird.

Die neueste Attraktion ist der Staubkreuzer „Selene“, eine Art Mondbus, der zwanzig gut betuchten Passagieren eine eindrucksvolle Fahrt über das „Meer des Durstes“ beschert. Da der Mond eine luft- und wasserlose Felsenkugel ist, wird dieses Meer von feinem Staub gefüllt, der sich allerdings unter Weltraum-Bedingungen wie eine Flüssigkeit verhält und so etwas wie eine Mond-Schifffahrt ermöglicht. Arthur C. Clarke – Im Mondstaub versunken weiterlesen

Xinran – Himmelsbegräbnis. Eine Geschichte für Shu Wen

In dem Roman „Himmelsbegräbnis. Eine Geschichte für Shu Wen“ erzählt die Radiojournalistin und Autorin Xinran die Geschichte der Chinesin Shu Wen, die dreißig Jahre ihres Lebens in Tibet verbrachte, auf der Suche nach ihrem Mann Kejun. Es ist die Geschichte einer großen Liebe, aber auch die Geschichte eines entbehrungsreichen und schicksalsträchtigen Lebens in Tibet zur Zeit der Besetzung Tibets durch die Volksbefreiungsarmee Chinas.

Die junge Shu Wen ist noch keine zwei Monate mit ihrem geliebten Kejun verheiratet, als dieser sich entscheidet, seinem Volk als Militärarzt zu dienen, und mit einer Truppe der Volksbefreiungsarmee nach Tibet zieht. 100 Tage später erhält Shu Wen die Nachricht, dass Kejun im Krieg gestorben sei. Über die näheren Umstände seines Todes oder den Verbleib seiner Leiche erfährt sie nichts. Die wage Hoffnung, dass Kejun nicht tot sei, sondern möglicherweise von seiner Einheit getrennt wurde und nun allein in Tibet herumirrt, veranlasst Shu Wen zu der Entscheidung, die ihr ganzes Leben verändern soll. 1958 reist sie selbst als Ärztin mit einem Militärtrupp nach Tibet und beginnt die Suche nach ihrem Mann. Dreißig Jahre dauert es, bis Wen erfährt, was passiert ist, und sie nach China zurückkehrt. Dort trifft sie auf Xinran, die die Radiosendung „Words on the Night Breeze“ moderiert, in der chinesische Frauen von ihrem Schicksal erzählen. Shu Wen erzählt Xinran ihre Geschichte, die beschließt, diese zehn Jahre später als Buch zu veröffentlichen.

Die Autorin Xinran wurde 1958 in Peking geboren. Ab 1998 arbeitete sie als Radiojournalistin, unter anderem moderierte sie die in ganz China bekannte Sendung „Words on the Night Breeze“, auf deren Grundlage ihr erstes Buch entstand, welches erstmals 2002 unter dem Titel “ The good woman of China“ veröffentlicht wurde. In Deutschland erschien das Buch erstmals 2003 mit dem Titel „Verborgene Stimmen. Chinesische Frauen erzählen ihr Schicksal“. Seit 1997 ist Xinran Dozentin an der Universität in London und arbeitet zudem als freie Beraterin für chinesische Sprache, Kultur und neuere Geschichte.

Das Hörbuch „Himmelsbegräbnis“ umfasst 3 CDs mit insgesamt 246 Minuten Laufzeit. Bei längerem Zuhören fragt man sich jedoch, ob dieser Umfang gerechtfertigt ist und ob die Autorin das Gleiche nicht auch viel kürzer hätte erzählen können, ohne dass dadurch der Geschichte wesentliche Aspekte fehlen würden. Den Einstieg in die Erzählung gestaltet die Autorin recht interessant, indem sie zunächst einen Rückblick auf ein persönliches Erlebnis in ihrer Kindheit gibt, um dann auf ihre derzeitige Arbeit als Radiojournalistin und den Hintergrund für ihre Begegnung mit Shu Wen einzugehen. Dann beginnt die eigentliche Handlung, nämlich Shu Wens Reise nach Tibet, und damit auch der größtenteils recht langweilige Rest des Hörbuchs, welcher allerdings den Großteil der Gesamtspieldauer einnimmt. Dafür ist sowohl die monotone Vortragsweise der Sprecherin Ursula Illert verantwortlich als auch der träge Handlungsverlauf selbst. Zwar gewinnt der Zuhörer durch die detaillierten Beschreibungen einen guten Eindruck von der Landschaft, durch die Shu Wen reist, und von den Menschen, denen sie begegnet, doch verliert sich dadurch die Spannung, die zu Beginn durch die Nachricht von Kejuns Tod aufgebaut wird. Die Begegnung zwischen Shu Wen und der Tibeterin Zhuoma belebt den Fortgang der Geschichte kurzfristig, da Shu Wen in ihr nicht nur eine Freundin, sondern auch eine Leidensgenossin gefunden hat, wodurch nun zwei Frauen auf der Suche nach ihren Geliebten sind. Anschließend erzählt die Autorin jedoch ca. 30 Minuten lang von Zhuomas Vorgeschichte, inklusive vieler unbedeutender Details, die den Zuhörer von der eigentlichen Handlung ablenken, anstatt diese zu ergänzen oder zu bereichern.

Zu Beginn der zweiten CD erscheint es, als ob Shu Wen ihr Ziel, Kejun zu finden, vollständig aufgegeben hat. Während sie jahrelang bei einer tibetischen Familie lebt und mit dieser das Land bereist, kommt sie ihrem Ziel keinen Schritt näher. Erst gegen Mitte der dritten CD wird die Geschichte wieder etwas spannender, als sich langsam erste Hinweise auf Kejuns Schicksal finden. Das Ende der Geschichte inszeniert die Autorin meiner Meinung nach zu dramatisch und gleichzeitig viel zu unpersönlich. Im ganzen Verlauf der Geschichte erfährt man zu wenig über Shu Wens Gefühle und Gedanken, und es fällt dem Hörer sehr schwer, sich in die Figur hineinzuversetzen. Über Kejun erfährt man noch weniger, was im Bezug auf das Ende der Geschichte noch enttäuschender ist.

Insgesamt handelt es sich um eine eher langweilige Erzählung, die versucht, den Hörer mehr durch Traurigkeit und Monotonie zu betäuben anstatt durch eine spannende oder interessante Handlung zu überzeugen.

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Agatha Christie – Rolltreppe ins Grab. Unheimliche Geschichten

Die womöglich berühmteste Kriminalschriftstellerin der Welt bereicherte auch das phantastische Genre mit Kurzgeschichten um Begegnungen mit dem Jenseits, die für diesen seltenen deutschen Auswahlband zusammengestellt wurden; obwohl die Storys angejahrt sind, ist diese Sammlung unterhaltsam und nicht nur als Kuriosum interessant.
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Weinland, Manfred / Fickel, Florian – Vampira: Der Moloch (02)

Wir erinnern uns: Vampira, alias Lilith Eden, erwacht zwei Jahre zu früh aus ihrem 100-jährigen Schlaf. Wie Dornröschen wurde sie dabei von einem recht eigensinnigen Haus bewacht, das keine Eindringlinge einließ, um die Sicherheit der schlafenden Schönen zu gewährleisten. Doch da Lilith nun schon einmal wach ist, gilt es, ihr neues vampirisches Leben zu erkunden. In der ersten Folge „Das Erwachen“ lernte der geneigte Hörer daher hauptsächlich, was es mit Vampiren so auf sich hat, und dass Lilith eine wichtige Prophezeiung zu erfüllen hat: Sie ist nämlich diejenige, die die Vampire vernichten soll. Elende Nestbeschmutzerin, denken sich da natürlich ihre Artgenossen und wollen ihr prompt ans Leder.

Doch schon in der zweiten Folge, „Der Moloch“, ist Lilith keine Hauptfigur mehr. Ja, sie darf sich durchaus wieder einen geistig minderbemittelten und ausreichend schmierigen Kerl angeln und ihn nach Strich und Faden verführen und ausbluten (langsam muss man sich schon fragen, warum Lilith einen so schlechten Männergeschmack hat), doch viel mehr hat sie im zweiten Teil der Serie kaum zu tun. Ihr skurriles formveränderndes Kleid hat wieder einen rettenden Auftritt, aber das war es dann auch schon.

Stattdessen beleuchtet „Der Moloch“ nun die zukünftigen (menschlichen) Gegenspieler Liliths, allen voran Detective Jeff Warner, gesprochen von Norbert Langer, den man hauptsächlich als die deutsche Stimme von Burt Reynolds und Tom Selleck kennen dürfte. Langer macht mit seiner Rolle das einzig Richtige: Er nimmt den Klischeecop Warner und übertreibt jeden seiner Sätze und alle seine Ausrufe. Warner ist der typische harte Kerl mit dem Herzen aus Gold, ein Charakter, wie man ihn schon in Hunderten billigen Krimis gesehen hat, sodass es eigentlich nicht nötig ist, ein ganzes Hörspiel damit zu verwenden, ihn als Cop in die Serie einzuführen.

Mittlerweile ist nämlich endlich das seltsame Haus in der Paddington Street auch den Gesetzeshütern aufgefallen. Warner und sein Sidekick Needles stellen überrascht fest, dass es für das Haus nicht einmal einen im Grundbuch eingetragenen Besitzer gibt. Und darüber hinaus kann niemand das Haus betreten. Niemand? Nicht ganz, denn aus nicht näher spezifizierten Gründen arbeitet die Polizei von Sydney mit einem Parapsychologen zusammen. Und nämlicher Parapsychologe, Brian Secada, wird prompt in das Haus gesogen und muss fortan versuchen, den Ausgang zu finden. Wieso das Haus gerade Secada Zugang gewährt, was das alles mit dem Plot um Lilith zu tun haben soll, und warum Secada von der körperlosen Stimme seiner ersten großen Liebe verführt wird, bleibt wohl ewig das Geheimnis der Macher dieses Hörspiels. In jedem Fall konnten so aber wieder eine vor Holzhammer-Erotik triefende Szene und eine süßliche Ruf-mich-an-Frauenstimme untergebracht werden – und das allein scheint einer der wichtigsten Tagesordnungspunkte auf der Liste von Frank Weinreich (der für die originale Heftromanserie verantwortlich zeichnet) und Florian Fickel (der die Fäden für das Hörspiel in den Händen hält) zu sein.

Zumindest ist das Verhältnis von Erzähler (Christian Rode) und dialogorientierter Handlung (die meist von den Cops bestritten wird) hier bereits ein wenig ausgewogener als noch in „Das Erwachen“. Das ist durchaus positiv zu bewerten, da es Lilith (mit der Stimme von Tina Haseney) weniger Möglichkeiten gibt, zu stöhnen, zu seufzen oder generell Unsinn zu erzählen.

Ein echter Lichtblick ist die absolut unernste und ironische Musikuntermalung von Rainer Scheithauer und Joschi Kauffmann. Bereits im ersten Teil brachten die beiden einen Grusel-Horrorsound zu Gehör, der verdächtig nach Horror-B-Movies aus den 70ern klang. In „Der Moloch“ kommt nun ein neues Thema für Detective Warner hinzu, das frappant an die unzähligen hippen Krimiserien der 80er Jahre erinnert. Da kann man sich eines Schmunzelns wirklich nicht erwehren!

Ansonsten gibt es über „Der Moloch“ kaum etwas zu berichten. Es werden neue Figuren eingeführt, Liliths Haus macht den Abgang, es gibt ein kleines Gerangel mit den bösen Vampiren und ein paar Tote. Doch Spannung wird dabei kaum aufgebaut. Für Liliths blassen Charakter kann man kaum Sympathien aufbringen und auch Jeff Warner ist leider ein Cop, wie man ihn schon unzählige Male gesehen hat. Es gibt auch immer noch keine Antworten darauf, warum Lilith die anderen Vampire bekämpfen soll. Ebenso wenig erfährt man, warum die Vampire überhaupt solche Bösewichter sind (sein sollen?). Dann noch Empathie für die Schicksale der Charaktere aufzubringen, fällt mehr als schwer.

„Vampira“ ist empfohlen für Hörer ab 16, die der Serie vermutlich mehr werden abgewinnen können als ältere Hörer. Lilith ist oberflächliche Frauenpower. Sie nimmt die Männer mit nach Hause und tritt ihnen dann in den Hintern. Doch ihre Wahl lässt ständig zu wünschen übrig, und dass sie ohnehin alle fünf Minuten unlautere Angebote und Vergewaltigungsversuche abwehren muss, macht sie nicht gerade zur feministischen Leitfigur. Lilith will beides sein: toughes Vorbild für junge Mädchen und Ausklapp-Poster für Jungs. Letztendlich ist sie auf keinem Gebiet wirklich erfolgreich.

Groening, Matt / Morrison, Bill / Diverse – Bart Simpson Sonderband 5: Das bunt-bewegte Bart Simpson Buch

|“Legenden der Bartman-Familie“|

Bart alias Bartman ist auf der Suche nach einem Gauner, der es auf elektronische Kinderspielzeuge abgesehen hat. Grandpa Simpson ist davon jedoch gar nicht angetan und berichtet Bart von seinen Erfahrungen als maskierter Verbrecherjäger. Dennoch gehen beide gemeinsam auf die Jagd nach dem Dieb und machen dabei eine ungewöhnliche Entdeckung.

|“Bart Simpson in geheimer Mission“|

Bart hat im schuleigenen Chemielabor ein geheimes Experiment gewagt und dabei Teile der Schule in die Luft gejagt. Rektor Skinner ist davon gar nicht angetan. Jedoch wird er von einer mysteriösen Dame überrumpelt, die Bart zu ihrem neuen Geheimprojekt einlädt und ihm den Auftrag überreicht, nach dem hochexplosiven Element Macguffium zu suchen. Tatsächlich begibt sich Bart auf die Suche, zweifelt aber immer mehr an seinen Auftraggebern.

|“Isst du das auf?“|

Die Lebensmittel in der Grundschule von Springfield sind wegen zu langer Lagerung verdorben. Für Rektor Skinner ist dies allerdings kein Grund, die schimmelige Ware zu entsorgen. Unter dem Vorwand, die Schüler für ihr gutes Benehmen zu belohnen, organisiert Skinner einen All-you-can-eat-Buffet, das Nelson und Bart dazu ausnutzen, einen Ess-Wettbewerb zu starten. Schließlich wollen die beiden nicht einsehen, sich gut benommen zu haben …

|“Die mittelmäßigen Abenteuer von Martin und Milhouse“|

Martin und Milhouse würden gerne mit Bart etwas unternehmen, doch der widmet sich lieber seinen Streichen. Ein wenig gekränkt ziehen die beiden durch die Stadt und bemühen sich, auch ohne ihren Kumpel Spaß zu haben. Nach einiger Zeit müssen sie jedoch resigniert feststellen, dass sie ohne Bart nicht sein können …

|“Der große Springfielder Donut-Krieg“|

Bart hat den gesamten Vorgarten verwüstet und steht kurz davor, Homers Zorn zu erfahren, als er seinen Vater in letzter Sekunde daran erinnert, dass dieser in seiner Jugend ähnlichen Unfug veranstaltet hat. Homer lässt sich davon tatsächlich ablenken und erzählt davon, wie er seinem Vater zum ersten Mal einen Schaden ersetzen musste – und zwar als Aushilfe in einem kleinen Donut-Laden.

|“Kino-Chaos“|

Bart und Milhouse drehen trotz des Widerstands ihrer angestrebten Sponsoren einen eigenen Horror-Film. Nachdem die beiden genügend Stoff gesammelt haben, präsentieren sie die Premiere des Streifens in der Aula ihrer Schule. Allerdings sind die eingeladenen Zuschauer nicht sonderlich vom seltsamen Inhalt des Films angetan. Noch nicht …

_Meine Meinung_

„Das bunt-bewegte Bart Simpson Buch“ ist der Titel des fünften Bart-Simpson-Sonderbands, der sich aus den mittlerweile vergriffenen Exemplaren der „Bart Simpson Comics 17 – 20“ zusammensetzt. Diese Ausgaben erschienen im Original zwischen Februar und Juni 2005 und sind demnach auch noch nicht wirklich lange auf den Markt, weshalb es schon verwunderlich ist, dass man auf offiziellem Wege nicht mehr an diese Comics herankommt.

Wie auch immer, rein inhaltlich bieten die vielen Teilepisoden inklusive der ergänzten Kurzgeschichten ein sehr breites Repertoire rund um den kleinen gelben Flegel. Auffällig ist lediglich, dass Bart in diesem Sonderband gleich mehrfach als potenzieller Held auftritt, nämlich einmal in der Rolle seines Alter Egos Bartman sowie in der Episode „Bart Simpson in geheimer Mission“, bei denen Bart individuell nach verschiedenen Verbrechern fahndet. Wobei noch in Frage gestellt werden darf, ob Bart als Ermittler tatsächlich etwas taugt, zumal er sich in der letztgenannten Geschichte auch richtig fein an der Nase herumführen lässt.

Auf der anderen Seite stehen eher schräge Storys, wie beispielsweise die finale Folge, bei der Bart und Milhouse einen ziemlich abgedrehten Film kreieren, der schlicht und einfach schlecht ist. Aber dennoch ist es für den Leser ein wahrhaftes Vergnügen, das endgültige Produkt anzuschauen, denn die Dinge, die die beiden Kumpels hier miteinander kombiniert haben, sind so abstrus, dass es schon wieder genial ist.

Dennoch: Ganz so überzeugend ist dieser Sonderband letztendlich nicht, denn obwohl das Gros der enthaltenen Geschichten wirklich lustig ist, fallen einige Teile hinsichtlich des Humors durchs Qualitätssieb. So zum Beispiel ist der bereits genannte Part „Bart Simpson in geheimer Mission“ eher dröge; irgendwie will der Funken nicht überspringen, und die moralische Pointe ist auch nicht wirklich gelungen. Ebenso ist die Episode, in der Bartman den Elektrospielzeug-Dieb ausfindig machen möchte, nicht so toll. Die wenigen Lacher sind vergleichsweise unspektakulär, der Verlauf langweilig, aber zumindest das Ende recht gut. Aber verglichen mit den letzten Ausgaben dieser Serie ist dies eher zweite Wahl.

Von diesen leichten Ausfällen abgesehen, ist „Das bunt-bewegte Bart Simpson Buch“ aber dennoch recht annehmbar und kann sich sowohl bezüglich des Humors als auch im Hinblick auf den generellen Inhalt der Geschichten in der zweiten Hälfte deutlich steigern, wenngleich man nicht abstreiten darf, dass Bart Simpson auch schon in besserer Form war. Weil der Endpreis mit 9,95 € aber relativ verbraucherfreundlich ausgefallen ist und man doch noch immer wieder etwas zum Lachen bekommt, sollten sich Simpson-Fans, sofern sie die Original-Ausgaben noch nicht besitzen, dennoch mal nach diesem 120 Seiten starken Buch umschauen.

http://www.paninicomics.de/

Lem, Stanislaw – Unbesiegbare, Der

Der „Unbesiegbare“ ist ein schwerer Raumkreuzer, der Nachforschungen über das Schicksal seines Schwesterschiffs „Kondor“ anstellen soll, das auf Regis III, einem Planeten im Sternbild der Leier, verschollen ist.

Kommandant Horpach und sein Stellvertreter Rohan finden den „Kondor“, stehen jedoch vor einem Rätsel: Es gibt keine Überlebenden, obwohl genügend Lebensmittel, Wasser- und Sauerstoffvorräte für Monate vorhanden gewesen wären. Das Raumschiff selbst ist weitgehend unversehrt, die Innenräume sind jedoch ein totales Chaos. Es stellt sich heraus, dass die Besatzung ohne Kampf an einem vollständigen Gedächtnisverlust und der daraus folgenden Hilflosigkeit zugrunde gegangen ist.

Dabei scheint es auf Regis III weder feindliche Flora noch Fauna zu geben, es gibt einfach keinerlei höher entwickelte Lebewesen an Land. Die Meerestiere flüchten völlig untypisch vor den Sonden, die man in die Tiefe schickt, auch sind die Uferregionen, in denen normalerweise höheres Leben entsteht, bar jeglichen Lebens.

Schließlich entdeckt man eine „Wolke“ aus flexiblen, kleinen metallischen Roboter-Fliegen, die sich zu Einheiten variabler Größe zusammenschließen und mittels enorm starker magnetischer Felder Gehirne und Rechenanlagen funktionsunfähig machen beziehungsweise „löschen“ können. Eine Kommunikation mit der bald als „Nekrosphäre“ bezeichneten Roboterspezies erweist sich als unmöglich. Der „Unbesiegbare“ beginnt einen erfolglosen Kampf; obwohl die Mannschaft aus hochqualifizierten Wissenschaftlern besteht und zahllose mächtige Waffen wie der „Zyklop“, ein nahezu unzerstörbarer Kampfroboter, zur Verfügung stehen, wird die Besatzung von den primitiven Maschinen dezimiert und in die Defensive gedrängt. Als die Niederlage des „Unbesiegbaren“ abzusehen ist, versucht Rohan verzweifelt im Alleingang noch einige vermisste Besatzungsmitglieder zu retten.

_Der Autor_

Stanislaw Lem (1921 – 2006) war ein bekannter polnischer Philosoph, Essayist und vor allem Science-Fiction-Autor. Seine Bücher wurden bisher in 57 Sprachen übersetzt und erreichten eine Auflage von mehr als 45 Millionen Exemplaren. Sein Roman „Solaris“ wurde 1967 von Andrei Tarkowski und 2002 von Steven Soderbergh mit George Clooney verfilmt, Lem hielt nach Angaben der FAZ von beiden Verfilmungen jedoch nichts.

_Dumme Maschinen gegen schlaue Militärwissenschaftler_

Lem beschreibt eine paradoxe Situation. Die zahllosen Wissenschaftler an Bord des „Unbesiegbaren“ müssen erkennen, dass der „Feind“ eine tote Lebensform ist, simple, primitive Maschinen, Reste des Maschinenparks einer untergegangenen Zivilisation. Die Roboterfliegen besitzen keine herausragenden intellektuellen Fähigkeiten, sie sind einfach strukturiert und zeichnen sich durch ihre Flexibilität aus. Man ist sich nicht einmal sicher, ob sie zusammengeschlossen über eine Art Bewusstsein verfügen, ihre Intelligenz kann jedoch auch dann nicht groß sein, denn sie greifen den „Unbesiegbaren“ oft auf von vornherein aussichtslose Weise an und reagieren viel mehr, als dass sie agieren.

Dennoch hat diese flexible, verteilte Intelligenz die intellektuell hoch überlegenen Makro-Roboter damals ausgelöscht und ebenso die Besatzung des „Kondor“ besiegt. Interessant ist, dass die Besatzung des „Unbesiegbaren“ zahllose hochspezialisierte Roboter zur Verfügung hat, die alle niederen oder spezielle Tätigkeiten übernehmen. Obwohl das Raumschiff ein militärischer Kreuzer ist, scheint jedes der 83 Besatzungsmitglieder ein Wissenschaftler zu sein, von Biologen, Chemikern, Physikern bis hin zum Astrogator Horpach, der gleichzeitig der Kommandant ist. Einzig Rohan wird stets nur mit seinem vermutlichen Vornamen Rohan angesprochen, alle anderen Besatzungsmitglieder werden ihrer Tätigkeit gemäß als „Chefingenieur“, „Kartograph“ oder mit ihren Nachnamen bezeichnet. Sie sind ebenso wie ihre Maschinen weit höher entwickelt und spezialisierter als die Roboterfliegen, auf der Leiter der Evolution sollten sie weit höher stehen.

Ihre Vorgehensweise gleicht jener der höher entwickelten Maschinen, die jedoch bereits von den Roboterfliegen vernichtet wurden. So scheitert auch der Einsatz des mächtigen „Zyklopen“; trotz der Steuerung durch überlegene Intelligenzen und überlegene Ausstattung scheitert er an den Fliegen, die schon vor langer Zeit Methoden entwickelt haben, sich gegen solche Bedrohungen zu behaupten.

Die Besatzung des „Unbesiegbaren“ nimmt die Roboterfliegen als Gegner wahr, obwohl sie als Roboterwesen faktisch tot sind; nur eine Minderheit schlägt vor, sie eher als eine Art Naturgewalt zu betrachten. Der Kampf gegen die Roboterfliegen wird so sinnlos wie der Kampf gegen Naturgewalten, die man nur gelegentlich in ihre Schranken verweisen, aber niemals besiegen kann.

Diese Erkenntnis trifft Rohan auf seiner Rettungsmission: |“(…) er fühlte sich überflüssig in diesem Reich des vollendeten Todes, in dem nur tote Formen siegreich hatten überdauern können, um geheimnisvolle Vorgänge zu vollziehen, die nie ein lebendes Wesen erblicken sollte. Nicht entsetzt, sondern benommen und voller Bewunderung hatte er das miterlebt, was kurz zuvor geschehen war. Er wusste, dass kein Wissenschaftler fähig sein würde, seine Empfindungen zu teilen (…) Nicht überall ist alles für uns bestimmt, dachte er, als er gemächlich abwärts stieg.“|

_Fazit:_

Der Roman thematisiert die Problematik der nahezu unmöglichen Kommunikation mit einer Spezies, die eine vollkommen andere Interpretationsbasis als der Mensch besitzt, und die Frage, warum diese geradezu dazu verdammt ist zu scheitern. Ebenso ist er ein Experiment, das zeigt, dass nicht unbedingt eine hoch entwickelte und ebenso hoch spezialisierte intelligente Lebensform die Krone der Schöpfung darstellen muss. Technologie beziehungsweise Maschinen wird zudem ein Platz in der Evolution eingeräumt, der gewöhnlich nur biologischen Lebensformen zugestanden wird.

Der 1964 entstandene Roman liegt bei |Suhrkamp| mittlerweile in der 8. Auflage vor. Der exzellenten Übersetzung von 1967 merkt man jedoch ihr Alter an, ebenso ist es bedauerlich, dass einige Fehler („auf maximale Feuerkraft herunterschalten“, das Wort „Annihilation“ wird oft im falschen Kontext gebraucht) bislang nicht verbessert wurden. Wenn Elektromotoren den Widerstand von eingetrocknetem Schmieröl überwinden und hermetisch verpackte Karten in ihren Rollen (Sternenkarten in Form von Folien!) unruhig in den Kartenräumen schaukeln, erkennt man das Alter deutlich und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Die Themen sind jedoch intelligent und nach wie vor aktuell. Zudem ist der Roman spannend, unterhaltsam, packend und nachdenklich stimmend. In nur 227 Seiten bringt Stanislaw Lem mehr Inhalt und mehr Unterhaltung unter als einige seiner heutigen Kollegen in ganzen Zyklen.

Wikipedia über Stanislaw Lem:
http://de.wikipedia.org/wiki/Stanislaw__Lem

Miller, Frank / Lee, Jim – All Star Batman 2

_Story_

In einer verruchten Gegend von Gotham City, in der sich nur die übelsten Gesichter der gesamten Stadt aufhalten, hält eine ganze Riege junger Männer Ausschau nach der hübschen Kellnerin eines Pubs. Bei dieser handelt es sich um die wohlgeformte Black Canary, die während des abendlichen Trubels mit einem Mal völlig ausrastet und das Lokal, in dem sie arbeitet, zu einem einzigen Schlachtfeld ummodelliert. Derweil wird der erst 12-jährige Richard Grayson weiterhin vermisst, wobei den Ermittlern klar ist, dass sich der gerade erst ins Rampenlicht getretene Batman des Jungen angenommen und ihn entführt hat. Dies wiederum erzürnt einen anderen Helden, nämlich Clark Kent alias Superman, der aufgrund der aktuellen Ereignisse langsam rot sieht. Außerdem hängt an der Geschichte um die Entführung nämlich noch das Leben der Reporterin Vicky Vale, die bei Batmans Verfolgung schwer verunglückt ist und nun im Krankenhaus mit ihrem Leben ringt. Der arroganten Fledermaus kann all dies jedoch nichts anhaben. Er ist sich sicher, im jungen Grayson den richtigen Komplizen entdeckt zu haben, und bringt ihm trotz des Widerstands seines Butlers Alfred auf äußerst harte Art und Weise Disziplin bei – und fühlt sich dabei ziemlich sicher …

_Meine Meinung_

Wie auch schon in den anderen Comics der „All Star“-Reihe wird auch im zweiten Teil von „All Star Batman“ ein sehr eigenwilliger Ansatz verfolgt, der sich ziemlich deutlich von den derzeitigen Ereignissen im DC-Universum abhebt. Besonders die im Mittelpunkt stehenden Charaktere – in diesem Fall natürlich vorrangig Batman, aber auch der kurz eingebundene Superman – unterscheiden sich in ihrem Verhalten enorm von ihrem aktuellen Erscheinungsbild, wobei natürlich erwähnt werden sollte, dass sich „All Star Batman“ mit den Anfängen der berüchtigten Fledermaus auseinandersetzt. Erfahrene Leser mögen zwar jetzt gelangweilt gähnen, speziell wenn sie in der Inhaltsangabe erfahren, dass die Entstehungsgeschichte von Robin ein weiteres Mal thematisiert wird, doch man sollte dabei nicht vergessen, dass mit Frank Miller und Jim Lee zwei absolut renommierte Routiniers hinter der Serie stecken, und dieses Dream-Team wird seinem Ruf dann auch voll und ganz gerecht.

Wie eigentlich von beiden gewohnt, ist die Story sehr düster und wird von Lee auch dementsprechend zeichnerisch aufgearbeitet. Und wie man es von Miller kennt, so werden die Hauptdarsteller als raubeinig und kompromisslos dargestellt, was natürlich bei der Betrachtung von Batman erst einmal überrascht, denn bei ihm sind noch keine Anzeichen dafür auszumachen, dass er der ‚guten‘ Seite angehört. Erst die Entführung, dann sein niederträchtiges Verhalten gegenüber dem jugendlichen Grayson – das ist nicht der Batman, den wir kennen, sondern vielmehr das überhebliche Abbild des Multimillionärs Bruce Wayne, welches in jedem Charakterzug Batmans sehr prägnant zur Geltung kommt. Interessant wird sein, wie Frank Miller dieses enorm abstoßende Bild des Helden irgendwann auf die rechte Spur bringt, denn in diesem Zustand traut man Batman einen ehrlichen Wandel weder zu, noch würde man ihn glaubhaft annehmen können.

Bei Superman verhält sich die Sache eher anders; er steht natürlich für Gerechtigkeit, allerdings ist man von ihm kaum gewohnt, dass er gänzlich aus der Haut fährt. Sieht man ihn indes in „All Star Batman“, wird man erstmal über seine zornige Erscheinung verwundert sein. Der Superheld mit dem breiten S auf der Brust wirkt längst nicht so souverän, wie man ihn aus anderen Geschichten kennt, was jedoch auch auf die Chronologie der Ereignisse zurückzuführen ist, denn wie bereits erwähnt: Die hier beschriebene Story liegt im Rahmen der Welt von |DC Comics| schon einige Jahre zurück.

Insofern ist „All Star Batman“ definitiv kein weiterer Abklatsch von Robins Herkunftsgeschichte, sondern stattdessen ein sehr interessanter Ansatz hinsichtlich der Betrachtung des ‚frühen‘ Batman und der Schatten, die die Ermordung seiner Eltern auf sein Verhalten geworfen haben. In dieser Serie, und in Band 2 noch wesentlich klarer als zuvor, sehen wir einen verbitterten, fast schon brutalen Titelhelden, der sich einen feuchten Kehricht um die Geschehnisse um ihn herum, sondern nur um sich und seine Rache schert. Batman tritt als fürchterlicher Egoist auf und bewegt sich jenseits jeglicher bekannter Werte; der Effekt: anfangs schockierend, später aber dann unheimlich interessant und weit von dem entfernt, was der Leser zunächst erwartet hat. Und wer hätte sich hierfür schließlich besser geeignet als Frank Miller? Wahrscheinlich niemand. Ergo: alles richtig gemacht, alles prima umgesetzt, und dazu noch super illustriert. Diese Serie sollte man als Fan daher auch keinesfalls verpassen!

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Dean Vincent Carter – Im Auge des Bösen

Ashley Reeves ist ein junger Journalist, der für das Magazin „Missing Link“ Artikel über seltsame oder angeblich ausgestorbene Kreaturen verfasst. Sein aktueller Auftrag führt ihn nach Aries Island, einer kleinen Insel. Inmitten eines abgelegenen Sees haust dort der ehemalige Chirurg Reginald Mather, der sich nach eigener Auskunft als Insektenforscher betätigt und etwas Einmaliges präsentieren möchte. In seinem Besitz hat er angeblich ein Exemplar der legendären „Roten Ganges“. Diese tropische Moskitoart erreicht die Größe einer Menschenhand und ist damit eindrucksvoll genug, Reeves auf Mathers Insel zu locken.

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Oprisko, Kris / Rodriguez, Gabriel / Perkins – CSI: Dominos (Bd. 02)

_Story_

In den Straßen von Las Vegas tobt ein wilder Bandenkrieg zwischen zwei namhaften Mafia-Familien, der alsbald auch einen ersten Mordfall mit sich bringt. Am Tatort wird ein gewisser Joseph Bucca nebst einer riesigen Blutlache tot aufgefunden, die jedoch darauf schließen lässt, dass es ein weiteres Opfer geben muss, das wiederum noch rechtzeitig fliehen konnte.

Gil Grissom und seine Spezialisten vom Las Vegas Metro Police Department gehen der Sache nach und finden kurze Zeit später die Leiche des Dons der Zazzera-Familie, der trotz eines chirurgischen Eingriffs seine Identität nicht vor dem Mörder geheim halten konnte. Weitere Morde erschüttern die Stadt, und ganz gleich, ob der Täter seinen hilflosen Opfern nun das Genick bricht oder ihnen aus kürzester Distanz eine Kugel durch den Kopf jagt, jedes Mal ist seine Vorgehensweise äußerst brutal.

Erst die Hilfe eines überlebenden Mafiosi bringt Grissoms Team auf eine heiße Spur und führt sie an einen Menschen heran, der offenbar keine Seele mehr hat. Selbst die Mitglieder der Spezialeinheit müssen um ihr Leben fürchten.

_Meine Meinung_

Einige Zeit, nachdem die beliebte TV-Reihe mit dem Team aus Miami ihren Einstand im Comic-Bereich feiern durfte, folgt nun eine weitere Episode, in der das CSI-Team aus Las Vegas auf die Probe gestellt wird. Kris Oprisko, als Comic-Autor längst kein Unbekannter mehr, hat sich der Sache angenommen und einen unheimlich spannenden, allerdings auch ziemlich harten Fall dargestellt, der durchaus mit der bekannten Vorgabe aus dem Fernsehen Schritt halten kann. Im hier vorliegenden Band handelt es sich dabei um eine zusammengefasste, fünfteilige Serie, die für den deutschen Markt in Romanlänge veröffentlicht wird, was natürlich sehr begrüßenswert ist. Allerdings trägt dies auch mit sich, dass zum Beginn eines jeden neuen Kapitels noch einmal kurz die bis dato erfolgten Ereignissen rekapituliert werden und die hier vorliegende Mordserie ein weiteres Mal scharf analysiert wird – was den Fluss leider manchmal ein wenig stört.

Dies ist jedoch bis auf Weiteres der einzige kleine (und natürlich leicht zu verkraftende) Schönheitsfehler in diesem Comic-Roman, der ansonsten sowohl inhaltlich als auch vor allem graphisch ein echter Leckerbissen ist. Ein besonderes Lob geht an Gabriel Rodriguez, der sich als Zeichner hier in allerlei Hinsicht bewährt hat. Speziell die seitens der Polizisten entworfenen Rückblicke der vermuteten Verbrechensabläufe werden vom Tuschezeichner super eingefangen und bieten einen herrlichen Kontrast zu den glänzenden Illustrationen des ’normalen‘ Inhalts, in denen der Mann die sechs Protagonisten des CSI-Teams recht realitätsnahe nachempfunden hat.

Bezogen auf den Inhalt fällt vor allem das hohe Erzähltempo auf; Oprisko geht absolut schonungslos mit seinen Lesern um und lässt ihnen kaum Zeit zum Luftschnappen. Ein Mord folgt dem nächsten, und bevor man sich überhaupt Gedanken über die Zusammenhänge machen kann, wird man auch schon wieder ins nächste Szenario geworfen, was zwischendurch auch schon mal für (beabsichtigte?) Verwirrung sorgt. Ein Nebeneffekt dessen ist, dass kaum Raum für ausführlichere Details bleibt und man als Leser kaum eigenständig Spekulationen über Mörder und Motive anstellen kann. Man ist stets auf die Ermittlungen der Spezialeinheit angewiesen und kann nicht, wie man sich dies manchmal bei derartigen Thrillern wünscht, selber in die Rolle des Detektivs schlüpfen. Doch dies kann man dem Autor dennoch nicht zum Vorwurf machen, denn die stetig wachsende Dramaturgie sowie das hohe Maß an Spannung sprechen ganz klar dafür, dass Oprisko die Sache richtig angepackt hat und weitere Ausschmückungen gar nicht nötig gewesen wären, eventuell sogar den Fortschritt der Handlung beeinträchtigt hätten. Keine Kritik also diesbezüglich.

Was bleibt also mehr zu sagen, als dass „Dominos“, so der Titel des zweiten Comic-Romans, ein wirklich gelungener, spannender und graphisch erstklassig umgesetzter Thriller geworden ist, dessen erfrischende Art neuen Wind in die mittlerweile leicht angestaubte CSI-Welt bringt. Speziell Fans der TV-Reihe sollten sich dieses kurzweilige Ereignis nicht entgehen lassen.

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Cleave, Chris – Lieber Osama

„Lieber Osama“ – ein Titel, der provoziert und der nicht nur „nach den jüngsten Anschlägen auf die Londoner U-Bahn, von Furcht erregender Aktualität“ ist, wie es auf dem Klappentext heißt. Schließlich liegen die Beinaheanschläge auf britische Flugzeuge und die beiden Kofferbomben in Deutschland noch nicht besonders weit zurück, wodurch Chris Cleaves Roman noch mehr an Brisanz gewonnen hat.

In seinem Debütroman inszeniert Cleave einen islamistischen Anschlag während eines Fußballspiels zwischen Arsenal und Chelsea. Während die charmant-naive Ich-Erzählerin ein kleines Techtel-Mechtel mit ihrem Nachbarn, dem reichen und egoistischen Journalisten Japser Black, hat, kann sie im Fernsehen beobachten, wie ihr Mann und ihr vier Jahre und drei Monate alter Sohn in die Luft fliegen. Schockiert von den Bildern, zwingt sie Jasper, sie zum Tatort zu fahren, wo sie sich im zerstörten Arsenalfanblock auf die Suche nach ihren Liebsten macht. Doch alles, was sie findet, ist Mr. Rabbit, das Kuscheltier ihres Sohns.

Daraufhin fällt sie für drei Tage ins Koma und verbringt geraume Zeit in der Psychatrie, wo sie im Radio vernimmt, wie die Opferzahlen des 1. Mai täglich nach oben korrigiert werden. Sie erhält Besuch von Prinz William und kotzt ihm auf die Schuhe. Schließlich kommt auch Jasper Black zu Besuch, und nachdem sie ihn zuerst abweist, entwickelt sich so etwas wie eine Beziehung zwischen den beiden. Wenn da nicht Petra wäre, Jaspers gefühlslose, karrieregeile Freundin, die nicht davor zurückschreckt, ihre Freunde auszuspielen, als sie erfährt, dass die Ich-Erzählerin, die im Übrigen in dem ganzen Buch nicht einmal beim Namen genannt wird, an sensible Informationen über den ersten Mai kommen kann

Chris Cleave‘s Roman ist ein wirklich erfrischendes Debüt. Woher kommt überhaupt dieser Titel?, fragt man sich mit berechtiger Gespanntheit, wenn man das erste Mal von diesem Buch hört. Die Antwort ist simpel. Die namenlose Ich-Erzählerin, die dem Leser durch ihre charmant-naive Schreibweise sehr sympathisch ist, addressiert die Geschichte direkt an Osama, dem sie die Schuld am Tod ihres Mannes und Sohns gibt. Immer wieder spricht sie unseren Lieblingsterroristen im Buch direkt an, fragt ihn, wie er gehandelt hätte oder ob er sich das vorstellen kann. Anders als erwartet, ermüdet sich dieser Witz nicht im Laufe des Buchs, weil Cleave ihn sparsam und an den richtigen Stellen einsetzt.
Überhaupt ist die ganze Geschichte von einem zynischen, aber unaufdringlichen Humor durchzogen, der oft sehr lakonisch daherkommt, was perfekt in die Geschichte und zur Hauptperson passt.

|“Dann zündeten deine Männer die Bomben. 6 von ihnen trugen Splitterbomben am Leib, die restlichen 5 Brandbomben. Nach Meinung der Experten war so was noch nie zuvor gemacht worden, es seien überhaupt die schrecklichsten Selbstmordbomben in der Geschichte der Menschheit gewesen. Zwar müssen die Bombenpakete unter den Arsenal-Trikots riesig gewesen sein, aber offenbar hat niemand was gesagt, außer vielleicht: Boah, guck dir mal den Fettsack an. Bierbäuche gibt‘s nämlich bei den Arsenal-Fans die Menge. Jetzt vielleicht nicht mehr ganz so viele.“| (Seite 72/73)

Cleave benutzt diesen feinen Humor auch, um Kritik am eigenen Land zu üben. Nach dem Attentat verwandelt sich England mehr und mehr in eine Hochsicherheitsfestung mit Ausgangssperre am Abend und Hubschrauberpatrouillen. Gleichzeitig geraten alle Moslems ins Visier der Ermittler, darunter auch der Hauptperson Lieblingskrankenschwester Mena.

|“Am nächsten Morgen tauchte zwar wie immer die Sonne auf, aber keine Mena. Stattdessen kam eine neue Schwester, eine Australierin. Blond und betont gut drauf. Wenn man sie sah, dachte man unweigerlich: 19-JÄHRIGES PARTY-GIRL SHARLENE BEI KLINIK-BUMS ERWISCHT.
– Hallo. Was ist denn mit Mena?
– Sie darf hier nicht mehr arbeiten, sagte die neue Krankenschwester.
– Wie bitte?
– Sie war doch Moslem, oder?, sagte die Neue. Sicherheitsrisiko. Seit Mitternacht sind alle Moslems beurlaubt. Endlich schnallen sie es in diesem Land. Also, ich will ja nichts sagen, meiner Meinung nach sind 99 % aller Moslems ganz okay, aber wenn du ein paar von ihnen nicht trauen kannst, kannst du keinem trauen, ist doch so, oder?“| (Seite 85/86)

Im Verlauf des Buchs entwickelt sich daraus ein beinahe utopisches Szenario, das zwar dank Überspitzung für Erheiterung sorgt, gleichzeitig aber zum Nachdenken anregt. Könnte es eines Tages wirklich so bei uns aussehen? Würde Elton John tatsächlich einen Song mit dem schönen Titel „England‘s heart is bleeding“ schreiben, der schließlich in jedem hippen Frisiersalon als Clubremix läuft? In diesem Zitat kann man zudem ein weiteres „Stilmittel“ erkennen, das im Buch immer wieder auftaucht. Der Autor streut des Öfteren diese Schlagzeilenüberschriften à la BILD ein, wodurch er die einzelnen Situationen sehr bissig auf den Punkt bringt.

Die Handlung an und für sich ist natürlich fiktiv, allerdings läuft es dem Leser an manchen Stellen kalt den Rücken hinunter, wie nahe derartige Szenarien sein können. Während sich der Anfang hauptsächlich mit dem Attentat und dem Klinikaufenthalt der Ich-Erzählerin beschäftigt, geht es später nur noch um ihr neues Leben und vor allem um die Beziehung zu Jasper Black und seiner Freundin sowie ihrem neuen Chef, einem hohen Tier bei Scotland Yard. Trotzdem schimmert das Terror-Thema immer wieder durch.

Inwiefern der Anschlag als Auslöser für die Folgehandlung gesehen werden kann, ist zweifelhaft. Ohne Frage können derartige Ereignisse das Leben eines Menschen sehr aus der Bahn werfen, doch an manchen Stellen geht der Autor einen Schritt zu weit und das Buch versinkt im wattigen Selbstfindungsjargon (allerdings immer mit unschlagbarem Humor). Manchmal ist die Geschichte ein wenig zu abgedreht, obwohl die meisten Zusammenhänge und Ereignisse sehr alltäglich wirken.

Doch das Über-die-Stränge-Schlagen sei Cleave vergeben. Schließlich hat er das Buch nicht mit dem Anspruch geschrieben, einen humorlosen Schinken zu veröffentlichen. Bissigkeit, Übertreibung und Überspitzung sind schließlich die ständigen Begleiter des Lesers, eingepackt in einen wundervollen, sehr eigenständigen Schreibstil mit einer sehr sympathischen Working-class-Heldin der Herzen. „Lieber Osama“ ist auf jeden Fall ein literarischer Leckerbissen 2006 und sei jedem ans Herzchen gelegt, der humorvolle Literatur mag und vor Zynismus keine Angst hat.

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Reynolds, Alastair – Ewigkeit

_Lesers Freud ist ESAs Leid._

Die European Space Agency hat mit Alastair Reynolds nämlich einen Astrophysiker verloren, der sein Know-How lieber in faszinierenden Science-Fiction-Storys unterbringt, als sie in Fachpapieren zu veröffentlichen. Mittlerweile lebt der vierzigjährige Waliser in Norwegen und widmet sich voll und ganz seinem Schriftsteller-Dasein. Veröffentlicht hat er bisher sechs Romane, von denen fünf beim |Heyne|-Verlag erschienen sind: „Unendlichkeit“, „Chasm City“, „Die Arche“, „Offenbarung“ und eben „Ewigkeit“. Dazu sei gesagt, dass sich alle Romane (und der Kurzgeschichtenband „Träume von Unendlichkeit“), im „Revelation Space“ Universum abspielen. Bis auf „Ewigkeit“. Nun denn.

_Slasher gegen Stoker._

Wir befinden uns im 23. Jahrhundert. Die Erde ist unbewohnbar geworden nach dem so genannten „Nanocaust“. Alle Aufzeichnungen und Datenspeicher wurden dabei gelöscht und den Menschen ist damit die eigene Geschichte verloren gegangen. Wegen dieses Ereignisses haben sich die Überlebenden in zwei ideelle Gruppen aufgespalten: Die Stoker, welche technischen Weiterentwicklungen nur mit höchster Skepsis entgegentreten, und die Slasher, die behaupten, die Wiederholung einer solchen Katastrophe könne nur dadurch verhindert werden, dass man den technischen Fortschritt vorantreibt, so schnell es nur geht.

Jedenfalls zanken sich jene Gruppen um die Erde und die Geschichte, die unter ihren eisigen Massen begraben liegt. Verity Auger ist Archäologin der Stoker und lebt ihre Wut gegen die Slasher mit Inbrunst aus. Dumm nur, dass sie auf einer Ausgrabungsexpedition das Leben eines jungen Mannes aufs Spiel setzt und deswegen vor die Wahl wenig wünschenswerter Alternativen gestellt wird: das Exil – wenn nicht sogar die Todesstrafe – oder eine gefährliche, hochbrisante Geheimmission. Nicht schwer zu erraten, für welche Alternative Verity sich entscheidet.

Und die zweifelhaften Freuden wollen nicht enden. Ausgerechnet ihr Ex-Mann ist einer der Hauptkoordinatoren der Mission. Er hat sich mit der Erforschung des Hypernetzes befasst, einem brachliegenden Transportnetz, das von einer fremden, verschollenen Rasse errichtet wurde, und bei diesen Erkundungen ist ihm eine Art Kapsel aufgefallen, die einen Planeten enthält, der verdächtig nach der Erde aussieht. Tatsächlich ist dem auch so, eine Erde, deren Zeitrechnung sich gerade im Jahr 1959 befindet, auf der es keinen zweiten Weltkrieg gegeben hat und auf der die technologische Entwicklung aus diesem Grund noch nicht so weit vorangeschritten ist.

Verity Auger wird aber nicht die erste Reisende sein, die sich auf diese mysteriöse Zwillingserde begibt. Vor ihr hat Susan White die Expedition ins Unbekannte angetreten, um Informationen zurückzuschicken, vor allem Schallplatten, Zeitungen und Bücher. Über die genauen Motive von Susans Forschungen wird Verity nicht eingeweiht, wohl aber, dass sie ermordet wurde und einen Packen handschriftlicher Korrespondenz zurückgelassen hat, deren Beschaffung Veritys ausgemachtes Ziel sein wird …

_Der Detektiv und die Büchse der Pandora._

Was uns zum zweiten Handlungsstrang führt. Parallel-Erde, Paris, im Jahre 1959: Wendell Floyds Detektei leidet unter chronischer Auftragsarmut, und so nimmt er sich gezwungenermaßen eines Mordfalls an; nämlich dem von Susan White. Der Vermieter der jungen Frau will nicht an Selbstmord glauben und gewährt dem Privatdetektiv Zutritt zur Wohnung und allem, was er wissen muss. Neben dem seltsamen Drang, Schallplatten und Bücher aus Paris herauszuschaffen, will sich nichts Verdächtiges zeigen, nur ein scheinbar defektes Radiogerät und eine Enigma-Maschine erwecken den Verdacht des Schnüfflers. In einem Frankreich, das unter aufkeimendem Faschismus zu leiden hat, wird einer Leiche mit derartig zweifelhaftem Besitz sofort der Spion-Stempel auf die verstorbene Stirn gedrückt. Fall erledigt, eigentlich. So richtig wollen sich die Fakten aber nicht ineinander fügen. Dazu waren Susans internationale Kontakte zu mannigfaltig, die Objekte ihrer Nachforschungen zu abstrus und ihre Briefkorrespondenz zu seltsam. Noch dazu taucht da plötzlich eine junge Frau auf, die diese Briefe für sich beansprucht. Ihr Name, erklärt sie Wendell Floyd, sei Verity Auger.

Von da an schaukeln sich die Dinge hoch. Die faschistisch unterwanderte Polizei macht Floyd die Nachforschungen zur Hölle, er wird verfolgt und Verity Auger ist bei weitem nicht diejenige, für die sie sich ausgibt. Er findet keine Lösungen bei seinen Nachforschungen, sondern immer verstörendere Fragen, unheimliche Kinder lauern an den Orten seiner Ermittlungen und allmählich wird klar, dass er eine Verschwörung aufzudecken im Begriff ist, die nicht nur für seine Welt verheerende Auswirkungen hätte …

_Science Fiction Noir._

Das ist John Clutes Bezeichnung für das, was Alastair Reynolds hier abgeliefert hat, und der Begriff sitzt. Auf der einen Seite haben wir die klassische Detektiv-Geschichte, auf der anderen Seite haben wir den Entwurf einer Gesellschaft, deren Geschichte abhanden gekommen ist und deren Splittergruppen sich in kalten und heißen Kriegen aufreiben. Reynolds hat diese beiden Extreme sehr gekonnt miteinander vermengt und die Stimmungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, tatsächlich unter einen Hut gebracht.

Dabei streut er seine Informationen geschickt aus. Ständig ist man selbst am Grübeln, welche Hintergründe Susan Whites Tod denn nun haben könnte. Spannung ist außerdem ein wichtiges Element: Auf der einen Seite haben wir französische Nazi-Soldaten, die Wendell Floyd ans Leder wollen, auf der anderen Seite muss sich Verity Auger beeilen, diese Parallelwelt zu verlassen, denn die Hypernetz-Verbindung, durch die sie in ihre Welt zurückkehren kann, ist von äußerst instabiler Struktur. Pulverdampf und ins Gesicht gezogene Polizeihüte gibt es also genauso wie atemberaubende Verfolgungsjagden durch das hochfaszinierende Hypernetz.

Es gibt Spionage und Verrat, Intrigen und unerwartete Verbündete, es gibt abgefahrene Zukunftsentwürfe, beeindruckende Technologien und Gedankenexperimente auf Hardcore-Niveau. Dabei verschwimmen die Figuren nicht zu Statisten hinter einem astrophysikalischen Ideengebilde, im Gegenteil: Verity Auger hat eine wunderbar zynische Art und ist mit einer riesigen Klappe gesegnet, die sie in pfiffigen Dialog-Duellen gnadenlos einsetzt. Ihre Vorurteile gegen die Slasher fußen alleine auf Sturheit, und dementsprechend fällt es ihr so gar nicht leicht, dass ihr Schicksal mehr als einmal von diesen hochgezüchteten Techno-Großkotzen abhängt. Der Leser hat natürlich seinen Spaß dabei.
Wendell Floyd dagegen ist ein Detektiv, wie er im Buche steht. Obwohl ihm Verity von Anfang an sympathisch ist, denkt er gar nicht daran, über die Lücken in ihrer Geschichte hinwegzusehen, und fühlt ihr ständig auf den Zahn, trifft auch einen Nerv nach dem anderen dabei und bleibt selbst dann am Ball, als ihm aufgeht, dass die komplette Wahrheit nicht unbedingt seine bevorzugte Geschmacksrichtung haben dürfte.

Jedenfalls liest sich die 800-seitige Schnitzeljagd wie im Flug. Zwar kann man manche Hintergründe erraten, wenn man sorgfältig genug nach Indizien Ausschau hält, aber das spricht ja nur für eine gewissenhaft gebastelte Storyline, die auf erzwungene Wendungen verzichtet. Und wenn sich dann das Geheimnis hinter allem offenbart hat, zieht die Spannungskurve noch mal so richtig an, besonders der Flucht durch das instabile Hypernetz wird alles an Spannungspotenzial abgewrungen – intensiv!

Reynolds ist mit „Ewigkeit“ ein flockiger, unverkrampfter Wanderer zwischen den Welten geglückt. Im wahrsten Sinne des Wortes: Parallel-Welt-Roman, Science-Fiction und Detektiv-Thriller vereinigen sich zu einem kurzweiligen Lesevergnügen, das auch mit augenzwinkernden Anspielungen nicht hinterm Berg hält – Slasher-Roboter etwa, die stolz darauf sind, nicht nach den Asimovschen Gesetzen programmiert worden zu sein. Ein erfrischender Genremix, den man sich guten Gewissens auf den Einkaufszettel pinseln kann.

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|Ergänzend unsere Rezensionen zu:|
[„Unendlichkeit“ 503
[„Chasm City“ 540
[„Die Arche“ 541

Baker, Keith – Stadt der Türme, Die (Die Träumende Finsternis 1)

Die Welt Eberron erzittert unter den Kriegen fünf großer Nationen auf dem Kontinent Khorvaire, die aus dem ehemaligen Königreich Galifar entstanden sind. Diese als „Letzter Krieg“ bezeichneten Nachfolgekriege kommen vorübergehend zum Stillstand, als nach knapp einhundert Jahren eine Nation, Cyre, durch eine schockierende magische Katastrophe unbekannten Ursprungs völlig vernichtet wird. Ein unruhiger Frieden, der jederzeit brechen kann.

Vier heimatlose Veteranen der Armee Cyres machen sich auf in die breländische Metropole Sharn, die größte Stadt Khorvaires, auch bekannt als die Stadt der Türme.

Die dem Drachenhaus Cannith angehörende Lei hofft in Sharn ihren Bräutigam Hadran zu heiraten. Hauptmann Daine sowie der Halbling-Heiler Jode und der Kriegsgeschmiedete Stoß begleiten sie und hoffen auf einen Neuanfang in Sharn. Doch Sharn entpuppt sich als eine düstere Metropole voller Ränkespiele und Schatten, aber auch Wunder.

Lei wird plötzlich und scheinbar grundlos von ihrem Haus ausgestoßen, das Schlimmste, was dem Träger eines Drachenmals widerfahren kann. Schlimmer noch, ihr zukünftiger Mann Hadran wurde ermordet. Um über die Runden zu kommen, tritt die Gruppe in die Dienste der hübschen Halbling-Magierin Alina Lyrris, hinter deren entzückendem Äußeren sich eine mächtige und skrupellose Kriminelle verbirgt. Die Suche nach einem Kurier Alinas, dem ein wichtiges Paket abhanden gekommen ist, bringt Lei auf die Spur einer Verschwörung, die im Zusammenhang mit ihrer Verfemung steht. Einer dunklen Verschwörung, die mehr als nur eine Nummer zu groß für die Gruppe und sogar Alina ist …

_Keith Baker und Eberron_

Der Autor Keith Baker ist gleichzeitig der Schöpfer der D&D-Kampagnenwelt Eberron, die 2002 von |Wizards of the Coast| aus über 11.000 Einsendungen für eine neue Fantasywelt ausgewählt wurde. Im Jahr 2004 wurde schließlich das [Eberron Kampagnenset]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3937255354/powermetalde-21 von Keith Baker, Bill Slavicsek und James Wyatt veröffentlicht, das auf großen Anklang bei den Fans stieß. Für die deutsche Übersetzung zeichnet der Verlag |Feder & Schwert| verantwortlich.

Eberron zielt auf eine jüngere Zielgruppe von D&D-Spielern, die mit klassisch mittelalterlich geprägten Welten wie den Vergessenen Welten, Greyhawk oder Drachenlanze weniger anfangen können. Das Szenario ist düsterer, an Agententhriller angelehnte Abenteuer und Technomagie, wie die magisch erzeugten Wolkenkratzer der Stadt Sharn oder die „Kriegsgeschmiedeten“, beseelte magische Konstrukte, sollen so gefördert werden.

Doch trotz vollmundiger Ankündigungen ist Eberron sehr klassisch, Orks, Elfen, Oger, Menschen und andere bekannte D&D-Monster gibt es auch in dieser Welt. Oft ist gerade die vermeintliche Nähe ein irritierender Störfaktor; so haben Goblins und Orks in dieser Welt nahezu nichts miteinander zu tun, im Gegensatz zu den Vergessenen Welten, und auch die Elfen unterscheiden sich vom gängigen D&D- oder Tolkien-Schema. Vier neue Rassen werden zudem eingeführt: Wechselbälger, Wandler (Halb-Werwesen), Kalashtar (Menschen, die mit einem Geist der äußeren Ebenen eine Verbindung eingegangen sind) und lebende Konstrukte wie die Kriegsgeschmiedeten.

Als neue Klasse kommt der Magieschmied hinzu, der unter anderem die Kriegsgeschmiedeten erschafft. Die Heldin Lei gehört dem Drachenhaus Cannith an, dessen Drachenmal ihnen erlaubt, derartige Magie zu wirken. Es gibt insgesamt dreizehn Drachenhäuser – eine magische Zahl in der Welt Eberron; Zwölf und Dreizehn sind oft vertreten, auch beim Götterpantheon und der Zahl der Monde. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass Keith Baker („Bäcker“) sich einen Scherz erlaubt hat: Die Zahl Dreizehn wird oft auch als „Bäckerdutzend“ oder eben „Baker’s dozen“ bezeichnet. Jedes Drachenhaus ist aus den Angehörigen einiger Familien hervorgegangen, die ein magisches Drachenmal auf ihrer Haut manifestierten. Dieses Drachenmal gibt ihnen spezielle magische Fähigkeiten, die die Ausrichtung und das Betätigungsfeld der Häuser bestimmen – im Falle des Hauses Cannith die Herstellung von Konstrukten, bei den Halblingen des Hauses Jorasco die Fähigkeit zur Heilung.

_Vier Helden in Sharn_

Mit der unerklärlichen und katastrophalen Vernichtung Cyres im Prolog und der folgenden Orientierungslosigkeit der vier Helden beginnt das Abenteuer in der Stadt Sharn. Leis zukünftiger Gemahl wird ermordet, sie verfemt, und keiner weiß, warum.

Diese Phase nutzt Keith Baker, um den Lesern seine Welt vorzustellen. Das düstere Ambiente Sharns und Eberrons im Allgemeinen bringt er sehr gut rüber, er überfordert den Leser auch nicht mit unnötigen Details, sondern entfaltet alles nach und nach. Ein gewisser Reiz liegt auch im Entdecken von Unterschieden zu älteren D&D-Welten; wie bereits erwähnt, ist die vermeintliche Nähe oft irreführend, allerdings sorgt dies auch für Überraschungen.

Als Inspiration zur Welt Eberron gibt Keith Baker unter anderem Filme und Bücher wie |Casablanca|, |Der Name der Rose| und |Der Malteser Falke| an; diese Ambitionen versucht er auch in diesem Roman umzusetzen. Die hübsche kriminelle Halblingmagierin Alina Loredan Lyrris passt vorzüglich in diese zwielichte Welt. Der magische High-Tech-Einschlag tritt erst spät in Erscheinung, anfangs ist er nur in Form der Kriegsgeschmiedeten und der fliegenden Türme Sharns vorhanden. Bis zum Ende des Buchs stellt Baker jedoch nach und nach alle neuen Rassen wie zum Beispiel die Kalashtar vor.

Eine Karte Sharns und zwei Anhänge, ein Glossar sowie ein Führer durch die Welt Eberron runden den Roman ab, der zudem sehr sorgfältig und fachkundig übersetzt wurde.

_Fazit:_

Die Welt Eberron wird zu Recht gelobt. Sie ist sorgfältig erdacht und bringt frischen Wind in das D&D-Genre; dabei bleibt sie klassisch genug, um alte Veteranen nicht zu verschrecken. So gut es Keith Baker aber gelungen ist, seine Welt zu entwickeln und vorzustellen, so unterentwickelt sind seine Charaktere und seine Erzählkunst.

Der bemühte Versuch, in Sharn einen Agententhriller abzuliefern, schlägt fehl; Keith Baker mag diese Art von Geschichten mögen, seine Stärke liegt jedoch eher im visionären Weltenbau denn im subtilen Thrillergenre, insofern gerät die Geschichte auch sehr lau und wenig mitreißend. Dasselbe kann man leider auch über die Charaktere sagen. Daine und Lei, bereits die Namen konnte mich nicht begeistern. Ein R. A. Salvatore mag für vieles kritisiert werden, seine Charaktere haben jedoch unverkennbare Charakterzüge und Charisma, einen Drizzt oder Jarlaxle, um nur zwei zu nennen, findet man bei Keith Baker leider nicht.

So scheitert „Die Stadt der Türme“ trotz vorzüglichem und faszinierendem Szenario an einer lauen Story mit ebenso lauen Charakteren. Da es sich jedoch um den ersten Teil der Trilogie „Die Träumende Finsternis“ handelt und die Welt viel versprechend ist, würde ich Keith Baker dennoch eine zweite Chance geben.

Band 2 „Das Zerstörte Land“ und Band 3 „Die Tore der Nacht“ erscheinen laut |Feder & Schwert| im September 2006 bzw. April 2007. Der nächste Roman spielt – etwas überraschend – nicht mehr in Sharn auf Khorvaire, sondern auf dem Kontinent Xen’drik, auf dem die Ruinen einer untergegangenen Kultur von Riesen zu bestaunen sind. Man sollte nicht vergessen, die Ursache der Katastrophe, die Cyre vernichtete, muss auch noch erforscht werden …

Eberron-Seite der Wikipedia mit vielen hilfreichen Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Eberron

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