Andreas Eschbach – Die gläsernen Höhlen (Das Marsprojekt 3)

Bei Erscheinen von Andreas Eschbachs erstem Jugendroman „Das Marsprojekt“ hätte noch niemand erwartet, dass er daraus eine spannende Serie entwickeln würde. Die Geschichte um die Marskinder nimmt an Faszination zu, je mehr Geheimnisse der Mars freigibt.

Das Marsprojekt geht weiter!

Im vorliegenden dritten Band der fünfteilig geplanten Serie stößt man auf weitere Artefakte, kleine, scheinbar aus geschmolzenem Sand bestehende Scheiben, die nun aber mit Namen versehen sind. Die Kinder behalten ihre Entdeckung vorläufig für sich, zumal bisher nur ihre Namen erscheinen.

Carl nimmt an einer Expedition teil, die sich um den Ursprung der geheimnisvollen untermarsischen Röhrengangsysteme kümmern will. Er ist den Wissenschaftlern als Marsgeborener eine Hilfe bei der Beurteilung der Wegsamkeit ihrer Route. Schließlich entdecken sie eine gigantische Ruinenlandschaft, die ebenfalls, gleich den blauen Türmen, unter einem von oben undurchdringlichen Tarnfeld liegt. Ein Sandsturm, der durch illegale Aktivitäten der anderen Kinder nicht rechtzeitig bemerkt wird, trennt Carl vom Team und treibt ihn zu einem überhängenden Felsen. Überraschend entdeckt er dort eine Trennwand aus demselben glasartigen Material, aus dem die Türme bestehen. Ein (Wind?-)Stoß drückt ihn dagegen – und hindurch! Die beschrifteten Artefakte entpuppen sich als Schlüssel zu den fremden Bereichen. Carl macht die umwälzendste Entdeckung des Jahrtausends: In einer dieser Höhlen liegen konservierte Aliens …

Neben der eigentlichen Handlung beschäftigt Andreas Eschbach sich auch mit den zwischenmenschlichen Beziehungen, die einen Jugendlichen interessieren könnten, wie die Gefühle von Ariana und Urs zueinander, der Weg bis zum gegenseitigen Eingestehen, erste Küsse etc.

Die Geschichte ist spannend erzählt, allerdings war das Auftauchen wirklicher außerirdischer Wesen sehr überraschend. Hinterlassenschaften, Roboter, Welten … alles fügt sich zusammen, aber die Wesen selbst kommen unerwartet.

Carl, der durch Urs‘ Auftauchen etwas in den Hintergrund gedrängt wurde, bekommt wieder mehr Gewicht durch seine Teilnahme an der Expedition. Er entdeckt die gläsernen Höhlen und einen Sinn in den Artefakten, er entdeckt die fremden Wesen und betritt als Erster ihren Bereich, und er erlebt als Erster den Transfer zwischen weit entfernten Orten ohne Zeitverlust. Dafür kommt Ronny, der Jüngste der Gruppe, wieder etwas zu kurz, aber so bekommt jeder der Romane seinen schwerpunktmäßigen Charakter.

Die Beschreibungen von physikalischen, technischen und astronomischen Details gelingt Eschbach auf jugendfreundliche und interessante Weise, und auch für Erwachsene bieten sie Hintergrundinformationen genug, um den Roman realistisch zu gestalten. Eschbach bewegt sich weitgehend im vorstellbaren Bereich, auch wenn bestimmte Dinge wie Kernfusionsreaktoren noch echte Wunschträume sind. Für die plötzlich im 21. Jahrhundert erfolgte Einigung der Menschheit durch einen Umschwung im Denken liefert er einen mysteriösen, im Bezug auf die Science-Fiction-Geschichte aber glaubwürdigen oder zumindest interessanten Erklärungsansatz: Ist der Einfluss von Außerirdischen, die die Menschen auf einen Kontakt mit sich vorbereiten wollen, wirklich auszuschließen?

Insgesamt greift Eschbach viele, auch alte Themen der SF auf und verarbeitet sie in jugendfreundlicher und aktueller Form. Damit legt er bei seiner Zielgruppe den Grundstock eines SF-Verständnisses, quasi als Einstieg in die großartigen Tiefen des Genres. Und dass er dabei auch gute Geschichten erzählen kann, dürfte bekannt sein. Etwas Besseres kann man sich kaum wünschen.

gebunden, 324 Seiten
Originalausgabe

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Heller, Frank (Chefredakteur) – Cthuloide Welten Jubiläumsausgabe

Zu vielen Rollenspielen gibt es regelmäßig erscheinende Fan-Magazine. Als das wohl qualitativ Hochwertigste hat sich das Magazin für das „Cthulhu“-Rollenspiel, die „Cthuloide Welten“, einen Namen gemacht. Das halbjährig erscheinende Magazin feiert jetzt gleich ein dreifaches Jubiläum, denn 2006 jährt sich das Erscheinen von „Call Of Cthulhu“ (erstes „Cthulhu“-Rollenspiel auf Englisch) zum 25. Mal und deren deutscher Übersetzung „Auf Cthulhus Spur“ zum 20. Mal. Zudem erscheinen nun auch die „Cthuloide Welten“ zum zehnten Mal, Grund genug, um eine Jubiläumsausgabe zu kreieren.

Und diese hat es in sich, denn auf den über 110 Seiten wird einiges geboten:

Neben einer Abhandlung „Die Geschichte von Cthulhu in Deutschland von 1986-1998“, die äußerst interessant ist (Stichwort: Verlagspolitik), enthält die Ausgabe einige weitere Schmankerl, wie etwa das Abenteuer „Das Gelbe Zeichen“ oder das nicht ganz ernst gemeinte Fußball-Abenteuer „Endspiel“, in dem man beim Finale der WM 2006 die Welt retten soll (als Fußballspieler, versteht sich).

Desweiteren enthält die Jubiläumsausgabe einen Report über die Verwendung von Tarotkarten bei „Cthulhu“, eine kleine Geschichte der Fotographie, einen Bericht über kuriose Ausrüstungsgegenstände aus den 1920ern (mit tollen Fotos), eine Kurzbiographie des Erfinders Nikola Tesla, einen Nachruf über den „Psycho“-Autor Robert Bloch und noch einige weiter nützliche Dinge.

Sehr lesenswert sind außerdem das Interview mit dem Chefredakteur der „Cthuloide Welten“, Frank Heller, der sich den Fragen von Roman- und Rollenspielautor Thomas Finn („DSA“/“Cthulhu“/“Der Funke des Chronos“ etc.) stellte, sowie die Vorstellung des kompletten Cthulhu-Teams.

Man spürt einfach bei jeder Seite des Lesens, dass sich die Autoren der „Cthuloide Welten“ mit Hingabe ihrem Magazin widmen. Da findet man für ein nicht ganz ernst gemeintes Abenteuer wie „Endspiel“ einen Spielplan und Spielfiguren zum Rauskopieren oder Fotos von etwaigen skurrilen Ausrüstungsgegenständen aus den 1920ern. Die Artikel sind zudem durchgehend informativ und können eine Bereicherung für jeden „Cthulhu“-Spielleiter enthalten, sofern er solche Dinge wie etwa Tarotkarten in seine Spielrunde integrieren möchte. Insgesamt ist diese Jubiläumsausgabe qualitativ mit den Softcover-Quellenbänden etwaiger anderer Rollenspiele auf eine Stufe zu stellen, ohne mit einem Preis von 6 €uro auch nur annährend so viel zu kosten wie diese.

Von daher kann ich die „Cthuloide Welten“ nur jedem Freund dieses Spieles empfehlen. Es wäre schön, wenn andere Rollenspiele auch ein solch hochwertiges Fan-Magazin hätten.

http://www.cthuloide-welten.de/

Troisi, Licia – Im Land des Windes (Die Drachenkämpferin 1)

Mit gerade einmal 25 Jahren gehört Licia Troisi sicherlich zu den jüngsten Fantasy-Autorinnen weltweit, kann aber dennoch auf eine gehörige Reputation aufblicken, die ihr besonders ihre neue Trilogie „Die Drachenkämpferin“ eingebracht hat. Die Geschichte der Saga ist dabei aber auch ziemlich spektakulär. Noch während ihres Studiums im Bereich der Atomphysik arbeitete Troisi das Manuskript der Buchreihe aus, klopfte anschließend mal ganz vorsichtig bei einem Verlag an und verkaufte kurze Zeit später bereits mehr als 100.000 Einheiten der Geschichte um die junge Nihal. Und dies, den Eindrücken des ersten Bands „Im Schatten des Windes“ zufolge, verdientermaßen!

_Story_

Im zarten Alter von gerade mal 14 Jahren schlägt sich ein junges Mädchen namens Nihal mit ihren ausschließlich männlichen Freunden durch die Straßen von Salazar und hat wegen ihrer kämpferischen Raffinesse mittlerweile auch schon so etwas wie eine Anführerrolle übernommen. Aus der Reihe der Gleichaltrigen scheint ihr niemand gewachsen zu sein, und von Tag zu Tag kann Nihal den Status der Gefürchteten weiter ausbauen. Dann jedoch trifft sie auf den arroganten Sennar, der ihr die eigenen Grenzen aufzeigt. Er verfügt über magische Fähigkeiten und weist das Mädchen relativ schnell in die Schranken.

Nihal mag ihren neuen Gegner zwar nicht, ist aber dennoch von dessen Eigenschaften fasziniert. Entgegen des Wunsches ihres Vaters Livon, der sich seine Brötchen als Waffenschmied verdient, sucht sie ihre Tante Soana auf, die angeblich ebenfalls der Magie mächtig ist.

Soana ist ebenfalls nicht begeistert von der plötzlichen Ankunft Nihals. Um sie als Schülerin aufzunehmen, muss sie zunächst eine Prüfung in einem gefürchteten Wald auf sich nehmen. Dort trifft sie dann auch einen alten Bekannten wieder, der dieses Mal jedoch auf ihrer Seite steht und zu einem wichtigen Verbündeten wird: Sennar! Gemeinsam meistern sie die Situation und unterziehen sich fortan beide ihren Prüfungen bei Soana. Sennar als Anwärter auf eine Position im Rat der Magier, Nihal als angehende Zauberin, wobei sie zudem die Kunst des Schwertkampfes erlernen soll.

Eines Tages trifft sie dann auf den Drachenreiter Fen und ist sofort begeistert von dessen Ausstrahlung und Anmut. Er wird ihr nicht nur ein Vorbild, sondern vom ersten Tag an ist sie in den Hüter des erhabenen Tieres verliebt. In ihm erkennt sie auch die eigene Zukunft wieder. Gegen den Rat ihrer neuen Freunde beschließt sie, ebenfalls die harte Schule der Drachenreiter zu durchlaufen. In vielen ausgedehnten Trainingseinheiten erlangt sie hierzu die wichtigsten Fertigkeiten und bewirbt sich nach langem Zureden tatsächlich für die Akademie. Doch wiederum stößt sie auf wenig Gegenliebe. Rivan, Leiter der Schule akzeptiert keine Frauen in seiner Elitestätte, lässt sich aber schließlich doch auf Nihals stures Verlangen ein.

Und erneut setzt sie sich durch, übersteht die eigentlich umöglich zu bewältigende Aufnahmeprüfung und steht kurz vorm Ziel ihrer Träume. Als es dann aber in die erste Schlacht geht, muss Nihal die bitterste Niederlage ihres gesamten Lebens hinnehmen. Sie erfährt von ihrer tatsächlichen Herkunft, von ihrem Schicksal als die letzte verbliebene Halbelfe und muss zusehen, wie ihr Ziehvater Livon im Kampf von einem feindlichen Fammin niedergestreckt wird. Der Hass auf den Tyrannen, der seit geraumer Zeit die Länder der Aufgetauchten Welt plagt, steigt ins Unermessliche, und Nihals Entschluss, sich dem mächtigen Gegner im Krieg entgegenzustellen, steht fest. Als dann in einem schweren Gefecht auch noch ihr angebeteter Fen, gleichzeitig Soanas Gemahl, im Kampfe stirbt, gibt es für die niedergeschlagene Nihal kein Zurück mehr. Ihre Bestimmung besteht darin, als Drachenreiterin den Tyrannen zu vernichten und ihr Volk sowie ihre Verbündeten zu rächen. Doch schon bald muss die junge Halbelfe erkennen, dass Willenskraft und stures Verlangen hierzu nicht ausreichen …

_Meine Meinung_

Das Buch hat knapp 400 Seiten und wurde von mir innerhalb eines langen Abends goutiert. Eigentlich brauche ich jetzt schon nichts mehr darüber zu schreiben, denn das Tempo, mit dem ich dieses Buch verschlungen habe, sagt eigentlich schon genug über den fabelhaften Inhalt von „Im Land des Windes“ aus. Dabei war der Anfang alles andere als spektakulär, denn die Geschichte um das eigenartige Mädchen, das sich in der Gesellschaft von kampfeslustigen Jungs viel besser aufgehoben fühlt als unter ihresgleichen, bot relativ viele bekannte Zitate und schien noch auf der Suche nach einer eigenen Identität zu sein. Dann aber, mit zunehmender Entwicklung und gleichzeitig arg beschleunigtem Erzähltempo, sorgt die Autorin für fast schon dauerhaft anhaltende Gänsehautmomente, die sehr eng mit dem mysteriösen Schicksal der blauhaarigen Halbelfe verknüpft sind.

Doch wer ist diese Nihal, die seit Jahren in ihren Träumen von schrecklichen Visionen und beschwörenden Stimmen verfolgt wird? Was genau steckt hinter diesem Mädchen, dem immer wieder nur Steine in den Weg gelegt werden? Diese Frage gilt es in „Die Drachenkämpferin“ zu ergründen, denn diese kleine Lady hat so viele verschiedene Seiten, dass sie immer wieder mit unerwarteten, überraschenden Handlungen die gesamte Geschichte der Aufgetauchten Welt auf den Kopf stellt. Jedoch scheint ihr Weg trotz aller Hindernisse vorbestimmt, denn was immer sich ihr auch in den Weg stellt, die zurückgelassene Halbelfe hat stets eine schlagkräftigere Antwort parat und kann sich selbst gegen die gröbsten Widersacher durchsetzen. Dies mag dann ein Mangelpunkt sein, den man als Leser kritisieren darf, denn dass das junge Mädchen wirklich jeden Kampf früher oder später für sich entscheiden kann, macht die Geschichte in gewissen Punkten zu vorhersehbar. Dass sie Soanas Prüfung übersteht, geht ja noch in Ordnung, und dass sie in der Akademie der Drachenreiter eine Chance bekommt, ebenfalls, doch schon an der Stelle, wo sie ganzen zehn erfahrenen Drachenkämpfer in der Arena den Garaus macht, fragt man sich, wann Nihal mal ernsthafte Rückschläge im Kampf erleben wird. Immerhin ist die junge Dame bis dorthin immer noch minderjährig und ihre maskulinen Kontrahenten sind zumeist weitaus muskulöser und kampferprobter …

Dafür muss Nihal dann aber andere Rückschläge einstecken, und die sind im Grunde genommen noch schwerwiegender als die vergleichsweise kleinen Niederlagen, die ihr sonst blühten. Jedoch stehen all diese negativen Ereignisse nicht in ihrem Einfluss. Der Tod von Fen, das Schicksal ihres niedergemetzelten Volkes, der Tod ihres Ziehvaters, die vergebene Liebe zu Fen, die selbst vor ihrem Tod aussichtslos war. Kann sie die Dinge hingegen selber anpacken, geht sie stets siegreich hervor, und das ruft zwischenzeitlich einige (bzw. die einzigen) Zweifel auf den Plan.

Ihre Entwicklung ist jedoch dennoch wirklich toll beschrieben. Aus dem freudigen, lebenslustigen Mädchen wird eine ernste, nachdenkliche, bisweilen auch ängstliche junge Frau, der das Leben trotz der vielen Erfolge sehr oft übel mitspielt. Auf selbst erlangte Fortschritte folgen meist fremd beeinflusste Niederlagen, und so gilt es für Nihal erst einmal, ihren eigenen Weg zu finden, bevor sie in den Kampf ziehen kann. Ihr neuer Lehrer Ido zeigt ihr mit ernüchternder Ehrlichkeit auf, wo Nihal ihre Defizite hat und weist sie gleich mehrfach zurück. Obwohl diese weiß, dass Ido Recht behält, kommt sie mit der Kritik nicht klar, kann sie nicht akzeptieren. Sie ist schließlich die starke Person, das Mädchen, das sich gegen alle durchgeboxt hat, und ausgerechnet der verwegene Gnom soll ihr dabei Grenzen setzen? Doch Nihal erkennt, dass sie im Unrecht ist und denkt über ihre Rolle nach. Immer mehr isoliert sie sich von ihrer Umwelt, kämpft für ihre eigenen, vom Hass getrieben Ideale und rennt dabei gegen eine Wand an. Noch hat sie Erfolg mit ihrer eigensinnigen Art, doch sie weiß auch, dass ihr das Glück nicht immer hold sein kann.

Diese Misere zu umschiffen, ist Nihals größte Prüfung. Sie muss lernen, das Leben zu lieben und sich selber gegenüber nicht gleichgültig zu sein. Es gilt ihre Motive zu überdenken, nicht blindwegs in den Tod zu laufen und ihren Hass zu kanalisieren. Im Kampf gegen den Tyrannen kann sie nur dann zur ausschlaggebenden Waffe werden, wenn sie lernt, ein Teamspieler zu werden. Und das, obwohl die letzten Jahre ganz im Zeichen der Einzelkämpferin Nihal standen …

Was Licia Troisi aus dieser Figur macht, ist einfach nur ganz große Klasse. Als vereinsamtes, ungeliebtes Kind des Schicksals gibt Nihal die perfekte Hauptfigur eines Fantasy-Romans ab und bleibt in ihrem Wesen dabei ähnlich undurchdringlich wie die Geschichte selber. Es gibt noch so viel zu ergründen, so viele Geheimnisse aufzudecken, und zum Ende hin offenbart sich „Im Land des Windes“ sogar als Beginn einer noch größer angelegten Serie. Der Umfang wird immer größer, die Verstrickungen immer tiefer und die Atmosphäre immer dichter – dieses Buch hat bis zum Ende all das zu bieten, was man von einem fesselnden Serienauftakt erwartet, und noch ein bisschen mehr. Mir tut es zwar schon ziemlich weh, dass ich mich jetzt bis 2007 bzw. 2008 gedulden muss, um die Fortsetzungen zu lesen, aber die hier in kürzester Zeit aufgesogenen Eindrücke sind so tief durchgedrungen, dass ich die Person Nihal und ihr tragische Schicksal bis dahin sicherlich nicht vergessen werde. Nein, dafür habe ich mich zu sehr in diese sture Heldin verliebt.

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Moers, Walter – Stadt der Träumenden Bücher, Die

Zugegeben, der Aufmacher des Klappentextes zu Walter Moers‘ Roman „Die Stadt der Träumenden Bücher“ wirkt etwas reißerisch: |“Bücher können alles – sogar töten!“| Dabei ist das in Anbetracht des Inhalts gar nicht mal übertrieben. Wer zuvor schon „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ gelesen hat, der weiß natürlich, dass man bei Walter Moers mit allem rechnen muss. Moers‘ Zamonien-Romane haben nicht von ungefähr einen gewissen Kultstatus. Dafür ist auch „Die Stadt der Träumenden Bücher“ ein erstklassiger Beleg – und ein schöner Trost, nachdem mich „Ensel und Krete“ ein wenig am Moers’schen Genie hat zweifeln lassen.

Zamonien also wieder einmal. Hat man davon nicht eigentlich schon genug? Ich würde sagen, solange Walter Moers seine Leserschaft weiterhin mit so absurd-genialen Einfällen belustigt, ist zumindest mein persönlicher Bedarf noch lange nicht gedeckt. Wie schon „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“, ist auch „Die Stadt der Träumenden Bücher“ ein grandioses Feuerwerk an Ideen. Ein Roman, der unterstreicht, dass Moers ein absoluter Ausnahmeautor ist.

„Die Stadt der Träumenden Bücher“ ist ein astreiner Abenteuerroman, dessen Hauptfigur den Zamonien-erprobten Leser zunächst einmal die Stirn runzeln lässt: Hildegunst von Mythenmetz, war das nicht dieser sonderbare Dichter? Der soll sich als Held eines Abenteuerromans eignen? So viel sei vorweggenommen: Hildegunst von Mythenmetz ist eine hervorragende Hauptfigur, die unverhofft von einem haarsträubenden Abenteuer ins nächste schlittert.

Die Geschichte beginnt auf der Lindwurmfeste, auf der Hildegunst zu Hause ist und zu einem großen Schriftsteller heranreifen soll. Als Dichtpate hat ihn Danzelot von Silbendrechsler unter seine Fittiche genommen, der allerdings gleich im ersten Kapitel das Zeitliche segnet. Im Nachlass seines Dichtpaten findet Hildegunst ein Manuskript, das einst ein junger Dichter an Danzelot geschickt hatte, um seinen Rat einzuholen. Dieses Manuskript ist so makellos und von so überragender schriftstellerischer Qualität, dass es Hildegunst nicht mehr loslässt. Er will das Geheimnis des Textes ergründen und seinen Verfasser ausfindig machen.

Eine erste Spur führt Hildegunst nach Buchhaim, in die Stadt der Träumenden Bücher. In Buchhaim dreht sich erwartungsgemäß alles nur um Bücher. Hier tummeln sich Verleger, Autoren und Antiquare. Ganz Buchhaim mutete wie ein überdimensionaler Buchladen an. Hildegunst ist gleich hin und weg von der Stadt, die auch seine ganz eigenen Hoffnungen auf ein Leben als großer Schriftsteller nährt.

Doch die Stadt birgt auch viele Geheimnisse, die in den dunklen Katakomben unterhalb der Straßen Buchhaims verborgen liegen. Ehe Hildegunst sich versieht, steckt er selbst auch schon mittendrin, in der labyrinthischen Welt Buchhaims, mit all ihren Merkwürdigkeiten und Gefahren. Er trifft Bücherjäger, die längst verschollen geglaubten Büchern nachjagen, die merkwürdigen Buchlinge, die ihren eigenwilligen Schabernack treiben, und er kommt dem Geheimnis um den mysteriösen Schattenkönig auf die Spur, der tief in den Katakomben Buchhaims regieren soll. Hildegunst stolpert von einem Abenteuer in das andere und riskiert dabei mehr als nur einmal sein Leben …

Wie vielgestaltig die Welt Zamoniens ist, weiß man seit „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“. „Die Stadt der Träumenden Bücher“ greift sich aus diesem Universum einen Ort heraus, der dem Leser bislang noch unbekannt ist: Buchhaim. Eine Stadt in der sich alles nur um Bücher dreht, dürfte der Traum einer jeden Leseratte sein. In jeder Gasse reiht sich Buchhandlung an Buchhandlung, überall werden Lesungen abgehalten, an jeder Ecke warten Verleger darauf, den nächsten großen Autor zu entdecken.

Moers stattet diese Welt mit so ziemlich allem aus, was das Leserattenherz begehrt. Es gibt den Friedhof der vergessenen Dichter, auf dem abgehalfterte Dichter auf Zuruf Verse reimen. Es gibt die „Giftige Gasse“, die berüchtigte Straße der gedungenen Kritiker, wo selbsternannte Literaturkritiker gegen Geld vernichtende Verrisse schreiben. Kurzum, jede Facette der literarischen Welt findet in Moers‘ Buchhaim ihre Entsprechung und genau deswegen werden wohl alle, die Bücher lieben, auch „Die Stadt der Träumenden Bücher“ lieben.

Doch es ist nicht nur die Grundidee Buchhaims, die zu überzeugen weiß. Moers glänzt wie schon in vorangegangen Werken auch hier wieder mit einer unbeschreiblichen Liebe zum Detail und mit einer schier unerschöpflichen Phantasie in der Namensgebung. Absurde Romantitel, ulkige Autorennamen – für Moers alles kein Problem. Und so schmunzelt man immer wieder über Namen wie Dölerich Hirnfidler, Sanotthe von Rhüffel-Ostend oder T.T. Kreischwurst.

Auch der Einfallsreichtum, mit dem Moers die verschiedenen Epochen der zamonischen Literaturgeschichte entwirft, ist äußerst faszinierend und hochgradig unterhaltsam. Da gibt es beispielsweise den so genannten Gagaismus, eine Bewegung der zamonischen Literatur, in der man Sprachfehler als besonderes Stilmittel verwendete. Für Moers ist keine Idee zu absurd. Alles fügt sich zu einem liebenswert-ulkigen Gesamtbild zusammen und man möchte am liebsten noch Dutzende von Seiten damit füllen, indem man seine Lieblingseinfälle des Buches zum Besten gibt. Aber wir wollen hier ja nicht alles vorwegnehmen.

Auch im Erschaffen neuer Lebensformen beweist Moers Einfallsreichtum. Der Schattenkönig ist ein wahrhaft beeindruckende Gestalt, aber besonders die Schrecklichen Buchlinge bleiben im Gedächtnis haften. Sie sind buchbesessene Gestalten der Unterwelt Buchhaims, die eine nicht zu leugnende Ähnlichkeit mit Mike Glotzkowski von Pixars „Monster AG“ haben. Sie mauserten sich im Verlauf des Romans zu meinen absoluten Lieblingsfiguren.

Positiv bleibt auch wieder einmal Walter Moers‘ Erzählstil im Gedächtnis, der aber eigentlich gar nicht sein Erzählstil ist, da er laut eigenem Bekunden nicht der Autor des Romans ist, sondern nur derjenige, der dieses Werk der Mythenmetzschen Biographie aus dem Zamonischen ins Deutsche übersetzt hat. Wir wollen aber nicht verschweigen, dass auch die Übersetzung des Textes absolut herausragend ist. Walter Moers dürfte damit als der bedeutendste Übersetzer des Zamonischen in die Geschichte der deutschsprachigen Literatur eingehen. Erst er hat die herausragenden Werke der zamonischen Literatur schließlich überhaupt einem größeren Publikum zugänglich gemacht, und dafür sei ihm an dieser Stelle ausdrücklich und von ganzem Herzen gedankt.

Mythenmetz (der mir bis zur Lektüre dieses Buches immer eher als etwas steifer und gekünstelter Kerl im Gedächtnis war) erzählt locker und packend zu gleich. Er spricht den Leser immer wieder direkt an und sorgt so für eine enge Bindung zwischen Leser und Autor. Die Geschichte bekommt dadurch etwas Unmittelbares und der Leser hat das Gefühl, ganz dicht am Geschehen dabei zu sein.

Immer wieder gerät Mythenmetz in brenzlige Situationen, die Leib und Leben des dichtenden Lindwurms in höchstem Maße gefährden. Das erhöht die Spannung und lässt den Leser von der Lektüre kaum noch loskommen, wenngleich der Faktor Zufall oft eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Über eventuell dadurch bedingte Spannungsabfälle kann Mythenmetz aber dank seiner augenzwinkernden und absolut lässigen Erzählweise hinwegtrösten.

Moers leistet über die Übersetzung hinaus noch einen weiteren Beitrag zum positiven Gesamteindruck des Romans. Immer wieder streut er Illustrationen ein, die die Geschehnisse begleiten und einen plastischeren Eindruck von den Figuren vermitteln. Das ist nicht nur anschaulich, sondern teils gar in höchstem Maße erheiternd und unterstreicht damit den Lesegenuss.

Kurzum: „Die Stadt der Träumenden Bücher“ ist wieder einmal ein Prachtexemplar eines Walter-Moers-Romans und Zamonienfreunden ohnehin schon ausdrücklich ans Herz zu legen, aber auch für Quereinsteiger in die zamonische Literatur durchaus geeignet. Nachdem „Ensel und Krete“ mich nicht so sehr vom Hocker gehauen hat, kann Moers mit diesem Werk wieder an die Hochform, die er mit „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ erreicht hat, anknüpfen. Hochgradig phantasievoll, hochgradig unterhaltsam, trotz seines Umfang nicht eine Sekunde langatmig und ganz nebenbei auch noch eine liebenswerte Huldigung an das Lesen. Fazit: Dringend zur Lektüre empfohlen!

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Fasman, Jon – Bibliothek des Alchemisten, Die

Im Jahre des Herrn 1154 schickt Roger II., der wissenschaftlich stark interessierte König von Sizilien, seinen Geografen al-Idrisi auf eine heikle Mission: Der arabische Gelehrte soll eine Karte der bekannten Welt zeichnen. Roger hat den richtigen Mann für diese Aufgabe gefunden. Al-Idrisi gilt nicht grundlos als genialer Forscher und brillanter Kartograph. Der König bot seinem Gast sämtliche Möglichkeiten zur Forschung. Al-Idrisi dankte es seinem Herrn mit bemerkenswerten Entdeckungen. Die Begeisterung des Arabers über den aktuellen Auftrag hält sich freilich in Grenzen. Seine Reise ist höchst gefährlich und wird ihn viele Jahre seinem Labor fernhalten.

Außerdem sind da bestimmte Experimente, über die al-Idrisi lieber schweigt. Er betätigt sich auch als Alchemist, was ihn als Magier verdächtigt machen und die gefährliche Aufmerksamkeit der Kirche wecken könnte. So hat er ein Rezept entdeckt, das sein Leben weit über das übliche Maß verlängert. Hinweise darauf geben einige Instrumente und Artefakte, die in al-Idrisis Labor zurückblieben. Dort hat sich der Dieb Omar Iblis seine Abwesenheit zu Nutze gemacht, ist in sein Labor eingebrochen und hat die unersetzlichen Objekte gestohlen. Sie werden im Laufe der nächsten Jahrhunderte vor allem in die Weiten der späteren UdSSR zerstreut.

Al-Idrisi hatte einige Alchemistenkollegen in sein Geheimnis eingeweiht. Diese gründeten einen Bund, den sie seiner Bewahrung weihten. Skrupellose Männer trugen das Verlorene wieder zusammen. Der letzte Hüter erwies sich als Verräter, was einen erbitterten Kampf im Verborgenen ausgelöst hat: Die Alchemisten wollen ihren Schatz zurück – um wirklich jeden Preis!

Von alledem ahnt der junge Paul Tomm gar nichts. Er arbeitet als Journalist für eine kleine Wochenzeitschrift, die im Städtchen Lincoln im neuenglischen US-Staat Connecticut über die alltäglichen Vorfälle in einem recht verschlafenen Ort berichtet. In dieses Muster passt Tomms aktuelle Recherche: Er soll einen Nachruf für den just verblichenen Jaan Pühapäev schreiben, der an der Universität im nahen Wickenden sehr unauffällig als Linguist und Professor für baltische Geschichte tätig gewesen ist. Tomms Interesse erwacht, als er herausfindet, dass Pühapäev weit mehr war als ein weltfremder Bücherwurm. Offenbar gehört er einem Orden oder einer Sekte an, die (s. o.) nach gewissen Objekten fahndet. Paul gerät den Alchemisten in die Quere, aber was zunächst wie die Story seines Lebens aussieht, droht ihn bald genau jenes zu kosten …

(Randbemerkung: Sage ich zu viel über die Handlung? Nun, meine Idee war es nicht, dieses Buch im Deutschen „Die Bibliothek des Alchemisten“ zu nennen und damit bereits im Titel zu verraten, wer hinter dem mysteriösen Geschehen steckt …)

Ein dunkles Geheimnis aus ferner Vergangenheit wirft in der Gegenwart bedrohliche Schatten: Auf diese wenigen Worte lässt sich der Plot von „Die Bibliothek des Alchemisten“ reduzieren. Geht man von der alten Hollywood-Weisheit aus, dass sich eine richtig gute Story auf der Rückseite einer Streichholzschachtel skizzieren lassen muss, darf man zwar nichts Neues aber trotzdem Großes = Spannendes von diesem Roman erwarten.

Es setzt auch erfreulich, wenn auch gemächlich ein. „Die Bibliothek …“ startet zwei Handlungsstränge, die zunächst nichts miteinander zu tun haben – die kommentierte Geschichte diverser Gegenstände aus al-Idrisis Labor sowie der Bericht von Paul Tomm, der von einem autobiografischen Abriss mit zahlreichen „coming of age“-Elementen langsam (sehr langsam) in eine Thriller-Handlung übergeht. Allmählich kristallisieren sich diverse Zusammenhänge zwischen Vergangenheit und Gegenwart heraus; Verfasser Fasman weiß hier geschickt die Spannung zu schüren, indem er jedem Artefakt eine „Karteikarte“ zuordnet, die es als Museumsobjekt zu beschreiben scheint. Entscheidende Episoden aus der Historie der Stücke werden erzählt; sie enthüllen eine endlose Kette von Gräueltaten, die im Laufe von Jahrhunderten um ihren Besitz begangen werden. Diese Rückblicke bleiben unkommentiert. Wer schreibt sie, was ist der Grund? Es bleibt offen, der Leser muss sich selbst einen Reim darauf machen.

Die eigentliche Handlung ist ihm keine große Hilfe. Während Fasman die historischen Vignetten sehr gut gelingen, geht ihm im Paul-Tomm-Strang die Puste aus. Er kommt einfach nicht auf den Punkt. Mehr als hundert Seiten vergehen, ehe überhaupt etwas geschieht, das den Thriller andeutet. Leider wird das nicht besser, sondern geht ebenso behäbig weiter. Fasman scheint lieber vom Alltag eines jungen Mannes – sein Alter Ego? – zu erzählen, der nach seinem Platz in dieser Welt sucht. Die entsprechenden Fragen mögen ihn, der noch recht jung ist (Jahrgang 1975), stark beschäftigen, doch im Rahmen eines Thrillers drücken sie in dieser epischen Breite auf Tempo und Spannung. Fasman hätte lieber den Handlungsmotor mit mehr Hirnschmalz schmieren sollen: Als es endlich ein wenig lebhafter wird, wirken die Thrillerelemente hausbacken und ungelenk.

Die meisten alchemistischen Artefakte tauchen in der historischen UdSSR bzw. in deren Nachfolgestaaten auf. Das ist kein Zufall, sondern lässt sich mit Fasmans Biografie erklären; der Autor hat einige Jahre in Moskau gelebt und gearbeitet und dort auch „Die Bibliothek …“ geschrieben. Als Journalist steht er in den Passagen, die in allerlei exotischen Winkeln des versunkenen Sowjetreiches spielen, auf spürbar sicherem Boden. Hier bietet der Roman eine Qualität, die man in der Haupthandlung schmerzlich vermisst.

Als das Rätsel des Alchemisten endlich gelüftet wird, ist das Interesse an diesem Roman fast erloschen. Das letzte Kapitel schreibt Hannah Rowe – es gibt da noch eine ganze Reihe von offenen Fragen, die abschließend zu klären sind: Kein gutes Zeichen, wenn solche Erklärungen einem Roman quasi angeklebt werden. Als Leser ist man bei der Lektüre geblieben, weil man nach vielen Stunden noch wissen will, wie es ausgeht, und weil Fasman anders als allzu viele „Schriftsteller“, welche den aktuell so beliebten „Da-Vinci-Code“-Quark in den Buchläden der Welt breit treten, immerhin schreiben kann. Damit hievt der Autor sein Werk jedoch nur auf Mittelmaß: Zufriedenheit und Enttäuschung halten sich mühsam die Waage. Fasman hat sich viel vorgenommen, aber nur wenig erreicht.

Werfen wir einen näheren Blick auf die Figuren. Über Paul Tomm wurde bereits weiter oben geklagt. Dies ließe sich hier fortsetzen. Ihr Rezensent bittet Sie allerdings, ihm dies zu erlassen und zu glauben, dass Mr. Fasman die Schaffung eines jungen, unerfahrenen Charakters allzu gut gelungen, aber Paul als glaubhafter Handlungsträger kaum tauglich ist. Auch sonst treten nur Chargen auf, die mit viel Klischeewolle gestopft wurden. Väterlicher Freund des Helden, kantiger Bulle mit Herz aus Gold, schwarzhumoriger Pathologe, weltfremder Universitätsdozent … Sie alle sind fest verankert in der modernen Unterhaltung, sollten jedoch nicht so eindimensional daherkommen wie hier.

Wieso sich Hannah in Paul „verliebt“, wird uns nachträglich aufdringlich erläutert. Zu ihrem Glück ist das Opfer keine Leuchte, denn als Agentin taugt Hannah ganz sicher nicht. Damit der Leser merkt, dass sie verdächtig ist, lässt Fasman sie etwa so diskret handeln wie Mata Hari in einem Stummfilm der 1920er Jahre. Dass mit der guten Hannah Rowe, die sich so bereitwillig in Pauls Bett ziehen lässt, etwas faul ist, merkt so, wie Fasman an die Sache herangeht, selbst der inzwischen schläfrig gewordene Leser. Nur der gute Paul ist wie gesagt mit einer Blindheit geschlagen, die man ihm gern durch einen kräftigen Tritt in den Hintern austreiben möchte. Neu-England muss ein Ort sein, der dem menschlichen Verstand nicht sehr zuträglich ist …

Die Alchemisten-Schurken in unserem Spektakel konzentrieren sich glücklicherweise auf ihren Job. Sie suchen und killen und treten primär in den Rückblenden auf. Das bekommt ihnen gut, denn sie müssen nicht hilflos im Sumpf der Fasman’schen Trivialcharakterisierungen versinken. Erst im großen Finale – das sich auf eine lächerliche Prügelei und umständliches Geschwätz beschränkt – kommt der Chefgauner aus seinem Loch. Er enthüllt einen Masterplan, über dessen „Sinn“ man lieber nicht nachdenken sollte, weil man sich sonst nachträglich ärgern würde, diesem Roman so viele Stunden gewidmet zu haben, und entfernt sich zwecks weiterer Spinntrigen (aber hoffentlich nicht in Vorbereitung einer Fortsetzung!) in die weite Welt.

Jon Fasman wurde 1975 in Chicago geboren. Er wuchs in Washington, D.C., auf und studierte in Rhode Island Englische Literatur der Renaissancezeit. Anschließend arbeitete er für eine kleine Wochenzeitschrift. Die Heirat mit einer aus Russland gebürtigen Frau veranlasste ihn, dieser nach Moskau zu folgen, wo er – ein Fremder in einem fremden Land – für die „Moscow Times“, eine englischsprachige Zeitung, tätig wurde und genug Muße zur Niederschrift seines ersten Romans fand. „The Geographer’s Library“ entstand nach eigener Auskunft als Zeitvertreib und verarbeitete, was sein Verfasser über die Verhältnisse und die Geschichte seines neuen Heimatlandes lernte. Später fand das Manuskript seinen Weg zum renommierten |Penguin|-Verlag in New York, wo es 2005 als Fasmans Debütwerk erschien.

Der Autor hat Moskau inzwischen verlassen und leben in London, wo er für „The Economist“ schreibt. Er arbeitet an einen neuen Thriller mit fantastischen Elementen, der wiederum im fiktiven Wickenden spielt, das dem realen neuenglischen Providence nachempfunden wurde.

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Nix, Garth – Abhorsen (Das alte Königreich 3)

Band 1: [„Sabriel“ 1109
Band 2: [„Lirael“ 1140

Lirael und Sam haben es bis ins Haus der Abhorsen geschafft, wo sie allerdings bald von den Sklaven einer größeren Toten belagert werden. Um das Haus verlassen zu können, müssen sie einen unterirdischen Tunnel benutzen, was nicht ganz ungefährlich ist. Auch sonst müssen sie sich einige Tricks und Kniffe einfallen lassen, um ungeschoren den roten See zu erreichen, wo Sams Freund Nick sich aufhält und das Grauen ausgräbt. Bei ihrer Ankunft stellen sie mit Schrecken fest, dass die beiden silbern schimmernden Hemisphären, um die es geht, bereits auf Kähne verladen werden. Obwohl es Lirael gelingt, Nick aus dem Lager zu holen, kann sie nicht verhindern, dass er sich von ihr losmacht und zu Hedge zurückkehrt, und dass die Hemisphären abtransportiert werden. Auch die Überwindung der Mauer kann sie nicht verhindern. Jetzt bleibt nur noch, die Blitzfarm in Ancelstierre zu vernichten, ehe die Hemispären dort eintreffen. Doch die Zeit läuft Lirael und ihren Freunden davon …

|Charakterreifung und Enthüllungen|

Im letzten Band gelingt es Lirael endlich, sich von ihrem verzweifelten Wunsch nach einem Leben als Clayr zu lösen und sich selbst und ihre wahre Aufgabe zu akzeptieren. Zwar ist sie nicht frei von Angst bei dem, was sie tun muss, doch wie so oft hat sie als Heldin weder eine Wahl noch die Zeit, überhaupt darüber nachzudenken. Am Ende der Ereignisse fehlen allerdings die Bitterkeit und das Selbstmitleid, welche die Erkenntnis, dass sie keine echte Clayr ist, stets begleitet haben. Lirael ist erwachsen geworden.

Ebenso Sam. Seit sich herausstellt hat, dass er gar nicht der Abhorsen-Nachfolger ist, sondern das Blut der Mauermacher trägt, jener Chartermächte, die sich mit den Steinen der Mauer zwischen Ancelstierre und dem alten Königreich verbanden und darin aufgingen, ist der Druck einer Bürde, für die er nicht gemacht ist, von ihm abgefallen. Auch er hat immer noch Angst, aber jetzt, wo er weiß, dass er seiner Aufgabe auch gewachsen ist, fällt es ihm leichter, die Angst zu beherrschen. Er ist sogar bereit, sich Hedge zu stellen! Sein gestärktes Selbstbewusstsein ist für Lirael eine große Hilfe.

Aber nicht nur Lirael und Sam sind innerlich gewachsen, auch Hedges Macht hat außerordentlich zugenommen, seit die Hemisphären ans Tageslicht gelangt sind. Gleichzeitig verschiebt sich der Schwerpunkt des Kampfes von Hedge weg. Obwohl noch gefährlicher als zu Anfang, ist Hedge jetzt endgültig nur noch der Handlanger einer weit größeren Macht, die immer selbstständiger agiert, je näher sie ihrem Ziel kommt.

Die größte Überraschung waren Moggets wahre Identität sowie die der fragwürdigen Hündin. Wobei die Enthüllung Letzterer nicht ganz so überraschend war, eher wie ein Déjà-vu, das mich schmunzeln ließ.

|Die Magie des alten Königreichs|

Diese Enthüllungen gehörten unter anderem auch zu den Puzzleteilen, die das Bild von der Magie des alten Königreiches weiter vervollständigten. Der Zusammenhang zwischen den Glocken und der Charter, das Rätsel um die Neun und die Entstehung der Welt sind nun geklärt. Trotzdem gibt es noch unbeantwortete Fragen, zum Beispiel die nach dem Geschlecht der Mauerbauer. Auch fragte ich mich, warum im ersten Band weder Mogget noch Touchstone über die Charter reden konnten. Bei Mogget ist es inzwischen nachvollziehbar, nicht aber bei Touchstone. Allerdings schätze ich, diese Fragen werden wohl unbeantwortet bleiben. Da es schwierig werden dürfte, eine Bedrohung zu ersinnen, die noch umfassender ist als die eben Bezwungene, ist in diesem Fall wohl nicht unbedingt mit einer Fortsetzung zu rechnen. Einerseits schade. Andererseits soll man immer dann aufhören, wenn es am schönsten ist!

Am schönsten trifft es in diesem Zusammenhang vielleicht nicht ganz, aber am besten. Während in Band zwei die Spannung zugunsten der Charaktere ein wenig nachgelassen hatte, zieht sie in Band drei wieder massiv an. Wer bei Nicks Entführung durch Lirael und der Erfüllung der Sicht der Clayr schon glaubte, die Entscheidung stünde kurz bevor, der hatte sich kräftig verrechnet. Stattdessen knickt der Autor die Handlung ab, lässt Nick fliehen und fängt damit quasi noch einmal von vorne an, nur diesmal unter größerem Zeitdruck. Und je größer der Zeitdruck wird, desto mehr Zeit lässt sich der Autor. Wieder mal wünscht sich der Leser eine Peitsche, die er knallen lassen kann, um die Handlung anzutreiben. Dabei kann man Lirael nicht vorwerfen, dass sie trödeln würde. Diesmal liegt es eher daran, dass auf den letzten paar Seiten mehr Handlungsstränge gleichzeitig ablaufen als im gesamten Zyklus! Gekonnt lässt Nix den Leser beobachten, wie die Vorbereitungen zum Countdown ablaufen, schön langsam, aber offenbar immer noch schneller als alles, was Lirael und ihre Gefährten unternehmen, um es zu verhindern. So, wie in Band eins Kerrigor ins College eindringt, bevor sein Körper zerstört ist, so ist auch diesmal der Bösewicht befreit, bevor irgendjemand etwas dagegen unternehmen konnte. Und genau wie in Band eins nimmt der Kampf auch diesmal eine unerwartete Wendung …

|Abschlussbetrachtung|

Garth Nix ist es gelungen, einen spannenden und düsteren Zyklus zu schaffen, ohne seine Erzählung besonders auszuschmücken oder in unappetitlichen Details zu versinken, was sich auch in der relativen Kürze von ca. vierhundert Seiten der einzelnen Bände zeigt. Der Schwerpunkt liegt größtenteils auf der Handlung und der Magie rund um den Tod und die Totenbeschwörung. Erstaunlicherweise führt |Amazon| Band zwei und drei in der Kategorie Jugendbuch, was bei Band eins nicht der Fall ist. Meiner Meinung nach gehört der Clayr-Zyklus nicht unbedingt in die Jugendbuchsparte. Nicht, weil er „nicht jugendfrei“ wäre – alles, was hier mit Liebe zu tun hat, ist kaum mehr als die Andeutung einer Randerscheinung – sondern weil der finstere Tenor des Buches und die starke Betonung der Nekromantie stellenweise doch recht starker Tobak sind.

Also nichts für Liebhaber romantischer Fantasy, sondern eher für Leute, die es gern dunkel und ein wenig gruselig mögen. Für Letztere allerdings gilt: unbedingt lesen!

Sehr angenehm war das nahezu fehlerfreie Lektorat. Auch die Karte ist gut lesbar, was bei Taschenbuchausgaben nicht unbedingt immer der Fall ist. Zusätzlich hat |Lübbe| gegenüber der gebundenen Ausgabe von |Carlsen| einen Knacks bereinigt, sodass Lirael jetzt auf beiden Einbänden von Teil zwei und drei gleich aussieht. Dafür ist die Grundstimmung des Buches nur beim dritten Cover einigermaßen getroffen, in dieser Hinsicht hat |Carlsen| die bessere Ausführung.

Garth Nix ist gebürtiger Australier und war nach dem Studium in den verschiedensten Bereichen der Buchindustrie tätig, ehe er selbst zu schreiben begann. Außer seinem Zyklus |Clayr| stammen von ihm die Jugendbuch-Zyklen |Seventh Tower| und |Keys to the Kingdom|. Letzterer ist noch nicht abgeschlossen – Band fünf ist für März nächsten Jahres vorgesehen. Auf Deutsch erhältlich sind bisher nur |Clayr| und |Seventh Tower|.

Jordan, Robert – Rückkehr des Drachen, Die (Das Rad der Zeit 3 – Das Original)

Band 1: [„Die Suche nach dem Auge der Welt“ 700
Band 2: [„Die Jagd beginnt“ 730

_Story_

In der Schlacht von Falme hat sich Rand al’Thor endgültig als die Reinkarnation des Drachen offenbart, doch er fühlt sich dieser Aufgabe derzeit noch nicht gewachsen. Er sucht in den Bergen Unterschlupf und möchte dort lernen, mit der verfluchten männlichen Seite der Wahren Quelle umzugehen. Da er bevorzugt, alleine weiterzureisen, beseitigt er sämtliche Spuren und wähnt sich bereits in Sicherheit, ahnt jedoch nicht, dass Moiraine, Perrin und Lan ihm auf den Fersen sind.

Rands Weggefährten haben jedoch auch einige harte Kämpfe zu bestehen. So leidet Mat immer noch unter den Folgen des Fluchs des gestohlenen Dolchs. Zurück in Tar Valon, sucht er die heilende Rettung bei den Aes Sedai, die ihn schließlich auch von seiner Last befreien können. Doch schon kurze Zeit später wird Mat eine weitere Bürde auferlegt: Er ist die ausgewählte Person, die als einzige das Horn von Valere blasen kann und somit im strategischen Kriegsgeplänkel das Zünglein an der Waage darstellt.

Sein Freund Perrin hingegen ringt weiter mit dem Schicksal der Wölfe, das unmittelbar mit seiner Person verknüpft ist. Die Magie erfüllt ihn mit den Realträumen der Wölfe, und während Perrin damit beschäftigt ist, ihre Hintergründe zu erforschen, muss er sich gleichzeitig darum kümmern, dass seine Begleiter nichts von den ihn plagenden Visionen erfahren. Doch Moraine kann man nur schwerlich etwas vorenthalten …

Auf ihrem Weg zur Aes Sedai erleben Nynaeve, Egwene und Elayne einen ersten ernsthaften Rückschlag. Nachdem sie einer Hinterlist der schwarzen Ajah zum Opfer gefallen sind, wird ihnen eine harte Strafe auferlegt, aber weil die Novizinnen für die Gilde der Magierinnen unverzichtbar sind, werden sie nicht aus dem Lehrstuhl entlassen. Stattdessen sollen sie Tar Valon nach der bösen Seite der Aes Sedai ausspionieren. Doch ihre Spur weist in die Festung Tear, in welcher der Sage nach das kristallerne Callandor beherbergt wird, ein magisches Schwert, mit dem der wiedergeborene Drache ein für allemal die bösen Mächte aus der Welt vertreiben soll. Rand macht sich alsbald auch auf den Weg, um die Prophezeihung zu erfüllen, doch wiederum plant die schwarze Ajah einen Hinterhalt. Nur seine Freunde können Rand nun noch vor der Falle bewahren und den Untergang des Dunklen Herrschers in die Wege leiten …

_Meine Meinung_

Nachdem der letzte Band der „Rad der Zeit“-Saga sich zunehmend konfuser gestaltete, spinnt Robert Jordan die Fäden in „Die Rückkehr des Drachen“ wieder in geordnete Gewebe und löst viele offene Handlunseinheiten schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt auf. Ruhe lässt der Autor den Lesern allerdings nicht, denn schon wieder gilt es für Rand und seine Wegbegleiter, neue Abenteuer zu bestehen, neue Hürden zu bewältigen, weiterhin aber dieselben alten Gegner zu bekämpfen. Besonders die schwarze Ajah wird in diesem Buch zu einer sehr mächtigen Gegenspielerin, der alle Mittel recht sind, um den einzig würdigen Widersacher ihres Herrschers in die Schranken zu weisen. Und dies scheint ihr auch zu gelingen; jedenfalls schreibt Jordan die Geschichte teilweise aus einer sehr pessimistischen Perspeketive, aus der Rand heraus trotz scheinbar optimaler Voraussetzungen quasi in die Falle tappen muss. Er hat sich selber die Bürde auferlegt, die Prophezeihung im Alleingang zu erfüllen, doch ausgerechnet diese Engstirnigkeit soll ihm anschließend zum Verhängnis werden – zumindest wenn die geheimnisvolle Ajah ihre Pläne verwirklichen kann …

Andererseits ist der dritte Band der Werkausgabe gespickt mit den persönlichen Schattenseiten der Hauptcharaktere. In diesem Sinne rückt auch der bislang etwas abseits agierende Perrin immer weiter in den Vordergrund. Ebenso wie seinem alten Freund aus Emondsfeld, Mat Cauthon, liegt auch seinem zukünftigen Weg eine Prophezeihung zugrunde, deren tatächliche Bedeutung er jedoch noch nicht abschätzen kann. Stattdessen muss er sich erst einmal mit den magischen Realträumen der Wölfe beschäftigen und sie analysieren, was ihm angesichts der kritischen Situation um Rand al’Thor noch um einiges erschwert wird.

Mat hingegen blickt optimistisch voraus. Er ringt noch mit dem Tode, doch er hat wieder Hoffnung, denn die Aes Sedai scheinen mächtig genug, um ihn vom Fluch der Schatten zu befreien. Die Magierinnen wissen jedoch auch um den Wert des jungen Kriegers. Ohne ihn kann das Horn von Valere nämlich nicht geblasen werden, was für die Gilde im Falle des Krieges einen erheblichen Nachteil nach sich ziehen würde.

Die Hauptfigur wird dafür in „Die Rückkehr des Drachen“ ziemlich stark an den Rand gedrängt. Dieses Mal sind es die anderen Helden, um die sich das Geschehen dreht, denn neben den beiden Jungen aus Emondsfeld übernehmen auch die drei angehenden Aes Sedai einen sehr wichtigen Part. Zum ersten Mal seit Beginn der Saga wird ihnen eine gewisse Verantwortung zugesprochen, und ähnlich wie ihre Kollegen wissen sie damit auch umzugehen. So entwickeln sich auch die letzten vordergründigen Charaktere aus der umfangreichen Serie ein ganzes Stück weiter, zumal sie auch in ihrer Lehre erhebliche Fortschritte machen.

Die Geschichte lässt also mal wieder keine Wünsche offen, ist aber durch den gradlinigeren Aufbau auch wieder angenehmer zu lesen. Durch den Abschluss verschiedener Nebenstränge kann Jordan außerdem wieder sehr fokussiert arbeiten und lässt parallel neben der Flucht von Rand al’Thor nur noch zwei weitere Einheiten laufen, was den Überblick über die hier schon unheimlich breit gefächerte Geschichte enorm erleichtert. Das heißt aber nicht, dass sich zum Ende des Buches nicht schon wieder unzählige neue Möglichkeiten ergäben. In diesem Punkt ist sich der Autor nämlich voll und ganz treu geblieben.

Nach den ersten drei Bänden frage ich mich daher auch, warum die Serie so stark kritisiert wird, denn bis auf die etwas übertrieben komplexe Herangehensweise aus dem zweiten Buch der Originalausgabe kann ich keine wesentlichen Angriffspunkte ausmachen. Da im hier vorgestellten Band nun auch noch die Ähnlichkeiten zu „Der Herr der Ringe“ größtenteils beseitigt wurden, kann ich mich nur voll des Lobs über „Das Rad der Zeit“ äußern. Und daher noch ein weiteres Mal die Empfehlung: Wer die erforderliche Zeit aufbringen kann, sollte sich möglichst schnell mit dieser Materie auseinander setzen!

http://www.piper.de

Heidrun Jänchen – Nach Norden!

Elfen, Zwerge, Trolle … Gestalten, die in standardisierter Form die vielzähligen Welten der Fantasy bevölkern. Heidrun Jänchen zeigt in einer erfrischenden Auffassung von den Möglichkeiten der Fantasy das Potenzial des Genres jenseits der abgegriffenen Völker, Kriege, Schauplätze und Charaktere af. »Nach Norden!« erzählt auf spannende und unterhaltsame Art, mit mehr als nur einem zwinkernden Auge an der einen und anderen Stelle, die Geschichte von zwei Außenseitern auf der gemeinsamen Suche nach einem Zuhause oder einer Identität. In einer Welt voll Mythen, Göttern und Helden, die sich am Ende in ihrem Wesen von der unseren kaum unterscheidet, sind es ganz besondere Charaktere – mit Schrullen und Kanten und gerade dadurch lebendig. Es macht Spaß, sie auf ihrem Weg nach Norden zu begleiten, ihre Ängste zu begreifen und unter Spannung ihre Hoffnungen zu verfolgen.

Frett ist der eigentliche Protagonist des Romans. Er ist der Charakter aus dem Romandebüt »Der eiserne Thron« des Autorentrios Jänchen, Savoy, Tillmanns, dessen sich Heidrun Jänchen schon damals vordringlich annahm. Damals stand er auf der falschen Seite im Kampf um die Macht, er musste seine Wahlheimat im Süden des Landes verlassen und fliehen. Sein Weg führt ihn im vorliegenden Roman anfangs nach Süden, bis er auf die ebenso geheimnisvolle Elra trifft. Ihr Geheimnis ist für Frett keins: Er assistierte bei ihrer Geburt und erkannte sie als Gestaltwandlerin. Elra war ebenfalls in die Wirren um den »Eisernen Thron« involviert, doch für sie begann damit ein neues Leben. Sie ist auf der Suche nach ihrem verfolgten Volk, das man gemeinhin im Norden vermutet. Frett fühlt in ihr die gleichen Probleme, die ihn unruhig von einem Ort zum nächsten treiben. Sie ist heimatlos wie er, eine Außenseiterin, die ihr wahres Wesen vor der Welt verstecken muss. Es ist die Angst der Menschen, die sie zu einer Waffe im Kampf um den eisernen Thron machte: ihre Fähigkeit der Gestaltwandlung, in der die Menschen eine Bedrohung sehen. Frett führt sie auf ihrem Weg nach Norden, und in ihre Reise mischt sich auch die Gegenseite ein: ein Mann, der ebenfalls auf der Suche nach den Wandlern ist, aber seine Triebkraft ist der Hass. Er will die Wandler umbringen.

»Nach Norden!« ist ein eigenständiger Roman, der nur über wenige Berührungspunkte mit dem oben erwähnten »Eisernen Thron« in Verbindung steht. Die fehlenden Informationen verschafft Jänchen ihren Lesern über luftige Rückgriffe, ohne sich dabei von den damaligen Geschehnissen fesseln zu lassen. Dadurch entsteht die erfreuliche Feststellung, dass die Lektüre des »Throns« keine Voraussetzung für das Verständnis dieser Geschichte ist.

Heidrun Jänchen benutzt eine ungezwungene Sprache und erzählt die Geschichte in einem Fluss, dem der Leser für die Bedürfnisse seines realen Lebens künstliche Sperren in den Weg setzen muss. Es ist nicht nochmals in Worte zu fassen, aber es ist der Stil der Autorin, der ihre Erzählung zu einem wunderbaren Erlebnis macht.

»Frett stellte fest, daß er in seiner Hast die Jacke des Mannes geprügelt hatte. Vermutlich war sie bewußtlos […]«
(»Nach Norden!«, Seite 91, Zeile 8f)

Derlei überraschende Wendungen sorgen für den letzten Pfiff im Text. Jänchen setzt sie dosiert ein und erzielt damit die beste Wirkung. Es gibt keine zwanghaften Witzeleien, man kann nach der Lektüre nicht sicher sagen, ob man überhaupt alle humorvollen Stellen bewusst erlebt hat – ungeachtet der Frage, ob eine solche Trennung möglich ist. Es ist Kunst, der Roman ist ein kunstvolles Geflecht, das erst in seiner Gesamtheit die ganze Wirkung entfaltet, aber nicht um seiner selbst Willen, sondern immer nur als Träger der Geschichte. Man vergisst sofort, dass es sich erst um den zweiten Roman der deutschen Autorin handelt, noch dazu aus einem Kleinverlag. Es ist das Werk einer echten Schriftstellerin, selbst wenn sie nebenbei noch einen anderen Beruf ausübt.

Gegen die anderen Veröffentlichungen des Verlags fällt auf, dass der Roman in der alten Rechtschreibung vorliegt. Auch eine Möglichkeit, mit den Konflikten dieses Themas umzugehen: Die Formen der Rechtschreibung als Stilmittel …

Ein Wort zum Titelbild von Ernst Wurdack: Es ist eine Tatsache, dass bei Buchbesprechungen die Titelbilder und ihre Künstler in der Regel zu kurz kommen. Das hat möglicherweise seinen Grund, denn Rezensenten behandeln die Literatur, nicht den Einband. Manche mögen sogar sagen, dass sie nichts von Bildkunst verstehen und die Kritik an Bildern lieber einem anderen Fachkreis überlassen. Nun ja. Aber das Titelbild von »Nach Norden!« ruft das Gefühl hervor, schon lange kein wirkliches Titelbild mehr gesehen zu haben, eines, das zu seinem Roman passt, das den Roman abrundet. Das nicht reißerisch im Regal stehen will und HIER ruft, indem es sich durch möglichst große Abgefahrenheit von den Mitbewerbern absetzt. Es setzt sich ab, keine Frage, aber es fängt das vom Roman vermittelte Gefühl ein und ist damit ein gleichwertiger Bestandteil des Gesamtbildes.

»Nach Norden!« ist einer der beachtenswertesten Romane des Jahres und ein Aushängeschild für Autorin und Verlag.

broschiert, 220 Seiten
ISBN-13: 978-3938065099

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Lauenroth, Frank – Simon befiehlt

„Simon says“ (zu Deutsch: Simon befiehlt) ist ein beliebtes Spiel, das sicher jeder noch von vergangenen Kindergeburtstagsfeiern kennt. Prinzip des Spiels besteht darin, dass der Spielführer Simon seinen Mitspielern Befehle erteilt, die diese ausführen müssen, sofern der Befehl mit „Simon says“ eingeleitet wird. Befehle ohne diesen Zusatz sind wirkungslos und dürfen nicht befolgt werden. Dieses beliebte Spiel hat sich der deutsche Autor Frank Lauenroth zum Thema seines preisgekrönten Romans „Simon befiehlt“ gemacht, wobei er uns eine deutlich erwachsenere Version des Kinderspiels präsentiert, das eher an den berühmten Film „The Game“ mit Michael Douglas erinnert als an ein harmloses Spiel vom Kindergeburtstag. Doch erst einmal hübsch der Reihe nach …

Zunächst lernen wir den Filmkolumnisten Trevor Man kennen, der sich mit rasendem Herzen und einer Urne mit der Asche seiner Mutter auf das Empire State Building begibt, um von dort oben in einem unbemerkten Moment die Asche verstreuen zu können. Dieser merkwürdige letzte Wunsch seiner Mutter kostet Trevor fast das Leben, da Man unter so genanntem Stressasthma leidet, das bei körperlicher Anstrengung oder Aufregung ausbricht und Trevor eiskalt erwischt, als es plötzlich einen Feueralarm gibt und der Bedienstete des Empire State Buildings mit Trevor den Abstieg aus dem 80. Stockwerk zu Fuß antritt. Trevor wird ohnmächtig und überlebt nur durch den beherzten Einsatz der hübschen Notärztin Fiona, in die Trevor sich auf den ersten Blick verliebt.

Doch der Tod seiner Mutter hält noch weitere Überraschungen für Trevor parat, muss er doch erfahren, dass er nicht nur 42 Millionen Dollar geerbt hat, von deren Existenz er nichts geahnt hatte, sondern auch die Mitgliedschaft im geheimnisvollen Simon-Club. Das Geld ist für Trevor der Weg zu einem sorgenfreien Leben ohne den Inhalator gegen sein Asthma, denn von Fiona erhält er den Tipp, dass es ein geheimes Forschungslabor gibt, in dem mysteriöse Geckos gezüchtet werden. Diese kleinen Tierchen leben schließlich in Symbiose mit den Patienten und verabreichen ihnen durch einen Biss die lebensrettende Medizin gegen den Asthma-Anfall.

So könnte Trevor Man endlich sein Leben genießen, wäre da nicht der Simon-Club. Was es damit auf sich hat, erfährt Trevor früher, als ihm lieb ist, denn verpflichtender Teil des Clubs ist das Spiel „Simon befiehlt“, bei dem die Club-Mitglieder zusammen mit einigen Assistenten einen gefährlichen Auftrag ausführen müssen, der offenkundig einem guten Zweck dient. Als aber nach und nach die Mitspieler ums Leben kommen, erkennt Trevor, dass mehr hinter diesem Spiel steckt …

So weit auf der rein inhaltlichen Ebene, die schon für genug Zündstoff in dem 280-seitigen Thriller sorgt. Doch „Simon befiehlt“ bietet seinen Lesern noch mehr: Schon die Einstiegsszene fesselt den Leser an das Buch; hier erleben wir gleich zu Anfang eine lebensbedrohliche Situation mit unserem Hauptprotagonisten Trevor Man mit, der nur knapp seinen Asthma-Anfall überleben kann. Die Schilderung dieser dramatischen Situation ist dabei auf der einen Seite so nüchtern, auf der anderen so packend, dass es einem beim Lesen eiskalt den Rücken herunterläuft, weil wir Zeuge von Trevors letzten Gedanken werden, bevor er ohnmächtig wird. Hautnah bekommen wir Trevors Gedanken zu lesen, der weiß, dass er den Abstieg vom Empire State Building nicht überleben kann, und obwohl wir Trevor gerade erst kennen gelernt haben, fiebern wir bereits mit ihm mit und wünschen ihm, dass er diese Situation überstehen möge.

Im Grunde genommen sind es altbekannte Elemente, die hier verwendet werden, um Spannung aufzubauen, diesmal allerdings zu einem überzeugenden Ganzen zusammengesetzt sind und „Simon befiehlt“ so lesenswert machen. Lauenroth erzählt nicht nur die Geschichte um Trevors aktuelles Leben, sein Asthma und den Tod seiner Mutter, er entführt uns auch in Trevors Vergangenheit, als dieser durch Zufall die reiche Familie McGuiness kennen lernt, und zum dritten werden wir mitgenommen zu einem mysteriösen Casting, bei dem der hinkende Alfred van Houten fünf Spezialisten für einen nicht näher bekannten Auftrag sucht. Der Leser tappt dabei lange Zeit im Dunkeln und kann die Verbindung zwischen den drei Geschichten nicht erkennen; es bleibt unklar, welche Informationen aus Trevors Vergangenheit wichtig sind für die aktuelle Entwicklung, aber noch undurchsichtiger ist die Verbindung zwischen van Houten und Trevor Man.

Erst spät enthüllt Frank Lauenroth uns die Zusammenhänge, die schließlich zum großen Aha-Erlebnis führen werden. Geschickt macht der Autor mehrere Handlungsebenen auf, die parallel weitererzählt werden, die Geschichte auf verschiedenen Ebenen weiterführen und dem Leser neue Informationen liefern. Viele Details können wir schwer einsortieren, wie beispielsweise Trevors Asthma oder seinen Gecko, doch am Ende erkennen wir, dass jede Information ihre Berechtigung hatte, alles genau durchdacht ist und jede Kleinigkeit Sinn ergibt.

Frank Lauenroths Schreibstil ist dabei schlicht und nüchtern, nie schreibt er um den heißen Brei herum, seine Sätze sind knapp und leicht verständlich. Gleichzeitig schafft der Autor es aber auf hervorragende Weise, uns gefährliche Situationen so ausführlich und packend zu schildern, dass unser Herz schneller schlägt und wir geneigt sind, vor Nervosität an unseren Fingernägeln zu knabbern.

Die Protagonisten aus „Simon befiehlt“ passen sich wunderbar in das Gesamtgefüge ein; allen voran ist hier Trevor Man als tragischer Held zu nennen, der immer wieder durch sein Asthma ausgebremst wird, aber auf der anderen Seite als erfolgreicher Kolumnist und gut aussehender Frauenheld auftritt. Auch Trevors neue Freundin Jazz verbirgt hinter ihrer selbstbewussten Art ihre eigene Verletzlichkeit, außerdem müssen wir erfahren, dass sie von einem Unbekannten erpresst wird. Ganz allmählich lässt Lauenroth uns hinter die Fassaden seiner handelnden Charaktere blicken, sodass wir schließlich erkennen müssen, dass in ihnen mehr steckt, als wir geahnt haben.

„Simon befiehlt“ ist ein gut durchkonstruierter Science-Fiction-Thriller, der von Anfang an ein hohes Tempo anschlägt und seine Leser sogleich fesselt. Geschickt verwebt Frank Lauenroth seine Handlungsstränge miteinander und enthüllt ihre Verbindungen erst recht spät. So bleibt am Ende festzuhalten, dass „Simon befiehlt“ absolut lesenswert ist – eigentlich die ideale Lektüre für einen dunklen Winterabend, doch dieser Thriller unterhält auch an einem sonnigen Frühlingstag nicht minder gut, wenn man sich auf die eingestreuten Science-Fiction-Elemente einlässt und sich von Frank Lauenroth nach New York entführen lässt.

Mehr über Frank Lauenroth unter http://www.franklauenroth.de/

Bionda, Alisha / Kleugden, Jörg – Schattenkelch, Der (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 5)

Band 1: [„Der ewig dunkle Traum“ 1899
Band 2: [„Kuss der Verdammnis“ 1900
Band 3: [„Die Kinder der fünften Sonne“ 1949
Band 4: [„Blutopfer“ 1977

Nach Antediluvians Tod bricht unter den Vampiren ein blutiger Kampf um die Vorherrschaft aus. Derweil errichtet Coyolxa unter dem Pseudonym Luna ein gigantisches Wirtschaftsimperium. Doch die Ziele der Mondgöttin sind gänzlich anderer Natur; sie will in den Besitz des sagenumwobenen Schattenkelchs kommen, mit dem Vampire gegen das tödliche Wasser immun werden können. Doch darüber hinaus ist Luna auch an Dilara, der sie verblüffend ähnlich sieht, und deren Gefährten Calvin interessiert. Diese befinden sich ebenfalls auf der Suche nach dem Kelch, denn Calvins Vater ist ein hohes Mitglied eines Geheimbundes, der den Gral verehrt.

Dilara erinnert sich in diesem Zusammenhang an ein Erlebnis, welches sie 1914 nach Frankreich zu der Seherin Geneviève führte. Dilara wollte bei einer spiritistischen Sitzung mehr über ihre Vergangenheit erfahren. Doch unter den Gästen befanden sich auch zwei Vampire, welche die Seherin entführten. Sie sollte den Aufenthaltsort des Schattenkelchs verraten, damit die Vampire endlich die Vorherrschaft über die Menschen antreten können. Dilara folgte den Untoten und geriet selbst in Gefangenschaft. Doch mit Hilfe von Zigeunern, zu denen auch Genevièves Ehemann gehörte, gelang den beiden Frauen die Flucht.

Fast hundert Jahre später erinnert sich die Vampirin an den Bruder der Seherin. Der erzählt ihr und Calvin von dem Zigeunerwallfahrtort Les Saintes Maries-de-la-Mer. Die beiden Vampire machen sich auf den Weg, gefolgt von den Spionen Lunas …

Nahtlos setzt sich die „Schattenchronik“ fort und beginnt mit der Jagd nach dem Schattenkelch mit einem neuen Kapitel, welches eng mit der Vergangenheit Calvins verknüpft ist. Luna scheint eine interessante Gegnerin zu werden, welche skrupellos und unbeirrbar ihre Ziele verfolgt. Die Rolle der Konzernchefin steht dabei fast stellvertretend für die menschlichen Firmenbosse unserer Zeit, die oftmals nicht minder gefühlskalt ihren Geschäften nachgehen.

Besonders spannend ist, wie eigentlich immer, die Erinnerung Dilaras an vergangene Zeiten. Dieses Mal wird der Leser in das Frankreich kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges entführt. Aber auch die anderen Handlungsebenen werden von den Autoren gekonnt weiterverfolgt und entwickelt.

Viel Wert legen die Verfasser auf die Gefühlswelt und Gedankengänge ihrer Protagonisten und deren Gegenspielern, was zu einer tief gehenden Charakterisierung führt, die ihresgleichen sucht. Man merkt den Romanen das Herzblut regelrecht an, das die Autoren hineinfließen lassen. Mit den Zeitangaben droht man hingegen schnell durcheinander zu kommen, denn während Dilara und Calvin sich bereits im Juni dieses Jahres tummeln, sitzen Mick und Cassandra noch mitten im März in der Wohnung der Polizistin. Im Ganzen betrachtet, sind dies aber Punkte, die durch gute Lesbarkeit und einen spannenden Plot wettgemacht werden.

Die Innenillustrationen stammen, wie immer von [Pat Hachfeld,]http://buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=66 der sich wieder mächtig ins Zeug legte, um die Atmosphäre der jeweiligen Kapitel einzufangen. Gelungen ist auch das vielfarbige Cover, welches Calvin mit dem Schattenkelch in der Hand darstellt. Bedauerlicherweise wurde bei der Gestaltung des Titels und der einzelnen Kapitel-Überschriften auf den antiquierten Schrifttyp verzichtet, welcher die ersten vier Bände auszeichnete.

Fazit: Dark Fantasy, die mehr auf Atmosphäre baut als auf blutige Action.

http://www.blitz-verlag.de/

_Florian Hilleberg_

Andrea Tillmanns – Der dritte Armreif

Andrea Tillmanns zählt mit über 300 veröffentlichten Texten zu den produktivsten Nachwuchsautorinnen Deutschlands. Zusammen mit Heidrun Jänchen und Christian Savoy verfasste sie den Fantasyroman „Der eiserne Thron“ als Preisgewinnerin bei der Storyolympiade. Die vorliegende Sammlung von Fantasystorys und modernen Märchen ist ihre erste Einzelpublikation.

Die Geschichten wie „Wenn das Tier erwacht“ erzählen von mythisch erscheinenden Begebenheiten, die uns unglaublich anmuten, durch ihr verhüllendes Ende aber wie phantastische Thriller einen Hauch von „könnte es nicht doch … ?“ ausstrahlen. Andere Erzählungen wie „Der dritte Armreif“ sind echte moderne Märchen, deren phantastische Komponente (in dem gewählten Beispiel) in der unerklärlichen Vorwegnahme von Begebenheiten liegt. „Die Insel der Delphine“ konfrontiert uns eindringlich mit der tragischen Rolle der Delphine in der Erdengeschichte und unserer menschlichen Schuld an der rückgehenden Zahl so intelligenter Tiere. Die Geschichte konfrontiert nur, benutzt dabei zwar Tillmanns stark ausgeprägte Einfühlsamkeit, verzichtet aber auf moralische Zeigefinger.

Allen Geschichten ist die sehr gefühlvolle Stimmung gemein, anzuerkennen als hohe Kunst der Autorin, die mit den wenigen Absätzen, aus denen die Geschichten bestehen, ein eindringliches Gefühlsbild zu erschaffen vermag und mit jedem einzelnen der sieben Stücke die sprichwörtlichen Saiten im Leser zum Schwingen bringt.

Aufgrund des Umfangs der Sammlung fehlen füllende Texte, die Lektüre fühlt sich an wie ein Stück ausgesuchter Qualität, mit der die Autorin die verschiedenen Felder der Phantastik beleuchtet. Einzig „Ein letzter Wunsch“ entzieht sich meinem direkten Verständnis, allerdings bleiben auch hier der emotionale Eindruck und das sinngemäße Verständnis der Erzählung unberührt.

Es ist dem Augenschein nach ein unscheinbares Heftchen, in dem sich aber sieben fesselnde Geschichten von hoher Qualität verbergen, die nicht nur unterhalten, sondern im selben Maße zum Nachdenken anregen.

Rennie Airth – Orte der Finsternis

Der ehemalige Polizist John Madden wird im Spätsommer 1932 gegen seinen Willen in einen grausamen Mordfall verwickelt: Nahe Highfield, einem Dorf in der südenglischen Grafschaft Surrey, entdeckt man in einem Waldstück die gut versteckte Leiche der zwölfjährigen Alice Bridger. Das Mädchen wurde vergewaltigt und erwürgt, ihr Gesicht mit einem Hammer völlig zerschmettert. Will Stackpole, ein einfacher Constable, ruft Madden, der sich inzwischen als Farmer niedergelassen hat, zur Hilfe. Auch Detective Inspector Wright, der die Ermittlung offiziell übernimmt, hat nichts gegen den Rat Maddens einzuwenden, der als Kriminalist einen legendären Ruf genießt und dessen Kündigung in Scotland Yard noch immer bedauert wird.

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Nix, Garth – Lirael (Das alte Königreich 2)

Band 1: [„Sabriel“ 1109

Sabriel ist inzwischen mit Touchstone verheiratet und damit nicht nur die Abhorsen, sondern auch Königin des alten Königreiches. Sie hat zwei fast erwachsene Kinder, die sie zu ihrem Leidwesen fast nie sieht, da sie ständig unterwegs ist, um gegen die Toten zu kämpfen. Vor allem in neuester Zeit braut sich ganz offensichtlich etwas zusammen! Deshalb hofft sie auf Unterstützung durch ihren Sohn Sameth.

Sameth allerdings hat seit einem alptraumhaften Erlebnis jenseits der Grenze massive Angst vor dem Tod und vor einem Nekromanten namens Hedge. Er bringt es weder fertig, das Buch der Toten zu studieren, noch die Glocken zu benutzen. Allein ihr Anblick ist ihm unerträglich. So nimmt er einen Brief seines Freundes Nick aus Ancelstierre zum Anlass, sich aus dem Schloss zu stehlen. Denn Nick, der aufgrund seiner Herkunft keinerlei Sinn für Magie hat, ist ganz offensichtlich in massiven Schwierigkeiten, weil er allein mit einem verdächtigen Mann die Grenze zum alten Königreich überschritten hat. Schon bald stellt sich heraus, dass Nicks Probleme auch nicht größer sind als Sameths.

Zur selben Zeit erhält im Norden unter dem Gletscher der Clayr die junge Lirael die Erlaubnis, als Bibliotheksgehilfin zu arbeiten. Das ist nur ein schwacher Ersatz dafür, dass sie bereits eine junge Frau ist, aber noch immer nicht die Sicht hat. Dass sie dafür eine ungewöhnlich gute Chartermagierin ist, scheint sie ebenfalls nicht entschädigen zu können. Eines Tages jedoch entdeckt sie in einem geheimen – und für sie eigentlich verbotenen Bereich – einen Gang, der „Liraels Pfad“ heißt. Er führt zu einer Höhle mit einem Buch, einer Panflöte und einem Spiegel. Und kurz darauf erhält sie von den Sprecherinnen der Neuntagewache den Auftrag, einen jungen Mann zu finden, der zum einen selbst in Gefahr ist, zum anderen das ganze Königreich ins Unglück zu stürzen droht. Lirael bleibt nichts anderes übrig, als den Gletscher zu verlassen und sich auf die Suche zu machen …

|Charakterzeichnung|

Diesmal ist also die nächste Generation am Zug. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Lirael und Sameth.
Lirael ist ein intelligentes Mädchen, aber auch ein wenig stur und verbohrt. Sie ist kaum dazu zu bringen, sich auf ihre wertvollen Talente zu besinnen, weil sie ständig damit beschäftigt ist, dem nachzuweinen, was sie nicht hat. Einerseits verständlich, da sie sowohl durch ihr Aussehen als auch den fehlenden Blick auf die Zukunft zur Außenseiterin geworden ist und nicht einmal eine Familie hat. Andererseits für ein so neugieriges und aufgewecktes Mädchen auch ungewöhnlich. Wer ständig nach Neuem und Unerforschtem sucht, sollte doch auch in der Lage sein, für sein Leben etwas Neues zu wagen. Trotzdem geht sie nur, weil sie weiß, dass sie nicht anders kann, denn schließlich haben die Clayr ja gesehen, dass sie gehen wird. Erstaunlich, dass sie so sehr an einem Ort hängt, an dem sie gar nicht glücklich war. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Sameth geht es keinen Deut besser. Zwar hat er Eltern, von denen er weiß, dass sie ihn lieben, aber sie sind so selten da, dass er kaum etwas von ihnen hat. Außerdem drückt ihn seit seinem Erlebnis im Tod die ungeheure Bürde der Erwartung: dass er der Abhorsen-Nachfolger werden soll. Mehrmals nimmt er Anlauf zu der Erklärung, dass er das einfach nicht kann, wird aber jedesmal abgewürgt. Die Tatsache, dass seine Mutter Unterstützung braucht, macht ihm ein ungeheuer schlechtes Gewissen, dennoch kann er sich nicht überwinden zu tun, was alle von ihm erwarten. Dabei ist er keineswegs eine Memme! Bei dem Angriff auf sein Cricket-Team in Ancelstierre hat er bewiesen, dass er Mum hat und auch Führungsqualitäten.

Beide sind anfangs noch ein wenig weinerlich, wachsen aber im Laufe der Handlung zunehmend in ihre Rollen hinein. Auch wenn sie noch gar nicht wissen, welche das eigentlich sind …

Gelungen ist auch der Charakter der so genannten fragwürdigen Hündin, die Lirael sich ursprünglich als Sendling erschaffen wollte, um nicht so allein zu sein. Irgendwie hat der Zauber sich selbstständig gemacht und dabei ein Wesen geschaffen, das weit wirklicher ist als ein Sendling, und vor allem weit mächtiger. Die Hündin ist, wie Mogget für Sameth, die Stimme der Vernunft, Berater und Wächter. Allerdings ist sie nicht so zickig wie die Katze.

Da Kerrigor von Sabriel gebannt wurde, tritt auch ein neuer Bösewicht auf, ein Nekromant namens Hedge, einst ein Diener von Kerrigor. Ein äußerst gefährlicher Mann; nicht nur, weil er ein mächtiger Nekromant ist, sondern auch, weil er flexibel ist und in der Lage, auch aus einem Fehlschlag noch etwas für sich herauszuschlagen. Dennoch ist er nur ein Diener von etwas weit Mächtigerem und Gefährlicherem, das er offenbar unbedingt befreien will.

|Handlungsfortschritt|

Die Handlung ging diesmal etwas langsamer voran als im ersten Band, was auch daran liegen mag, dass der Autor sich diesmal nicht auf eine einzelne Protagonistin konzentriert und diese durch das halbe Land gejagt, sondern zwei Charaktere allmählich aufeinander zugeführt hat. Auch wurde vieles weiter ausgebaut, was im ersten Band aufgrund mangelnder Erklärung noch für ein wenig Verwirrung gesorgt hat. Nix geht diesmal genauer auf die Eigenarten der Charter ein. Während im ersten Band als Träger des Charterbluts die Abhorsen im Vordergrund standen, sind es diesmal die Clayr, die Seher. Gleichzeitig nutzt er diesen Ausbau für Hinweise auf die neue Bedrohung, die hinter Hegde steht und in ihrer Dimension offenbar selbst Kerrigor weit übersteigt.

Der Spannungsbogen ist deshalb in diesem zweiten Band weit weniger straff gespannt als bei seinem Vorgänger. Nix hat sich diesmal Zeit gelassen. Es ist klar, dass Lirael erst den jungen Mann aus der Vision der Clayr finden muss, ehe es zum Showdown kommen kann, sodass diesmal der Gedanke „nun mach schon endlich“ vollkommen fehlt. Der Zeitdruck überfällt den Leser schließlich im Epilog, wo erwähnt wird, dass das gefährliche Ding schon beinahe ausgegraben ist, und transportiert den letzten Spannungsschub dadurch hinüber in den nächsten Band. Teil zwei ist nämlich nicht in sich abgeschlossen, im Gegensatz zu Teil eins.

Der Wechsel der Handlungsstränge hat mehrere kleinere Spannungsbögen anstelle eines großen, durchgehenden zur Folge – auch weil Nix im Gegensatz zu Clemens seine Szenen erst dann wechselt, wenn die Gefahr überstanden ist -, dennoch ist die Erzählung frei von Längen oder Durchhängern.

Sie ist auch weitgehend frei von logischen Fehlern. Das Einzige, was ich mich fragte, war, wie Lirael den Stilken in einer Glasflasche dauerhaft einsperren kann. Zwar hat sie den Korken mit einem mächtigen Charterspruch versiegelt. Wenn aber ihr ebenso mächtiger Spruch, mit dem sie die Tür zu dem Gang versiegelt hatte, von dem Stilken langsam aber sicher zerstört werden konnte, warum dann nicht auch der auf dem Korken? Müsste der Stilken nicht, um tatsächlich gebannt zu sein, so in Glas eingeschlossen werden, dass dieses keine Öffnung hat, sozusagen eingeschmolzen?

|Insgesamt|

Obwohl es in diesem Band weit geruhsamer zuging als im ersten, fand ich ihn durchaus gelungen. Er hat einige wichtige, grundlegende Fragen geklärt, bietet detailierte, interessante Charaktere und durchaus Spannung, wenn auch nicht ganz so viel, sowie einen interessanten Ausblick auf die Fortsetzung. Es steht zu erwarten, dass es darin wieder weit heftiger zur Sache geht. Band zwei war wohl sozusagen die Ruhe vor dem Sturm!

Garth Nix ist gebürtiger Australier und war nach dem Studium in den verschiedensten Bereichen der Buchindustrie tätig, ehe er selbst zu schreiben begann. Außer seinem Zyklus |Clayr|, dessen erster Band „Sabriel“ ist, stammen von ihm die Jugendbuch-Zyklen |Seventh Tower| und |Keys to the Kingdom|. Letzterer ist noch nicht abgeschlossen – Band fünf ist für März nächsten Jahres vorgesehen. Auf Deutsch erhältlich sind bisher nur |Clayr| und |Seventh Tower|.

Andreas Brandhorst – Die Trümmersphäre (Perry Rhodan PAN-THAU-RA Band 2)

Band 1: Die Lebenskrieger
Band 3: Die Quantenfestung

In dem Versuch, aus der antiquierten Romanheftszene heraus zu treten und erneut Fuß in Form von Taschenbüchern zu fassen, konzipieren die Macher der großen Science-Fiction-Serie „Perry Rhodan“ seit ein paar Jahren erfolgreich neue Abenteuer, die aus der Hauptserie ausgekoppelt eigenständig lesbar sind. Verlegt werden diese Romane vom Heyne-Verlag, außerdem kommen regelmäßig Schriftsteller zum Zuge, die sich nicht oder selten bei Perry Rhodan blicken lassen. Der aktuelle PAN-THAU-RA-Zyklus, bestehend aus drei Paperbacks, bildet die Spielwiese von gleich zwei vor allem außerhalb der Serie bekannten Autoren.

Andreas Brandhorst ist der Autor des vorliegenden zweiten Bandes. Er arbeitete die letzten Jahre vor allem als Übersetzer, derzeit verlegt er den Schwerpunkt seiner Arbeit wieder mehr zu Gunsten eigener Romane. So erschien bei Heyne seine Trilogie um die „Kantaki“, die als hervorragende deutsche Space-Opera gilt und ab Oktober 2006 Sprungbrett für eine weitere Trilogie bilden soll.

Nähere Informationen finden sich in unserem Interview mit Brandhorst.

In den ersten Jahren der Einkehr der Loower, ihrer Sesshaftwerdung um den Planeten Alkyra II und des Verlustes ihres Tiefenbewusstseins äußerten sich verschiedene Persönlichkeiten gegen diesen Weg des Volkes. Karn-Terg, Pilot eines interstellaren Raumschiffes, wird von der neuen Ordnung verurteilt und zum Kinderwart degradiert, bei den Loowern die niederste Aufgabe, die vorstellbar ist. Doch seine Kommandantin schickt ihm kurz vor ihrem Tod eine Nachricht: Seine Aufgabe ist wichtig für die Zukunft der Loower, wichtiger, als er bisher ahnt. Er kann diese Worte noch nicht deuten, doch in seinem langen Leben wird ihm klar, dass damit sein Einfluss auf den Nachwuchs der Gesellschaft gemeint ist, denn er erzählt den Kindern ergreifende Geschichten über die glorreiche Zeit vor der Einkehr.

Größten Erfolg hat er bei einem Zwillingspaar. Die Brüder sind hochintelligent, entwickeln sich aber in ganz unterschiedliche Richtungen. Kilan-Gerp wird heißer Verfechter einer neuen Idee, den Weg zu den Sternen erneut zu wagen und den höheren Mächten, von denen die Loower verbannt wurden, den Krieg zu erklären (für das Leben des Universums). Hisk-Mekang wird erster Konstrukteur des Volkes und bietet Kilan die Stirn. Er vertritt die andere Seite, die an der Einkehr und dem neuen Leben festhält und im Krieg gegen die hohen Mächte den Weg in den Untergang sieht. So kommt es zur Eskalation, als die beiden Brüder mit ihren Anhängern die Schiffe der Loower wieder flott machen, aus dem Verbund der Trümmersphäre, einer gigantischen Stadt um den Planeten, lösen und in einen Bruderkrieg stürzen.

Zwischen die Fronten gerät die Liga Freier Terraner, deren Oberhaupt Perry Rhodan verschollen ist. Während seine Getreuen auf der Suche nach ihm mehr über die Absichten der Loower erfahren, findet er sich in der Gefangenschaft von Hisk-Mekang wieder. Er soll den Loowern gegen Kilan-Gerp helfen, ehe die hohen Mächte eingreifen. Mal wieder fokussiert sich das Geschehen um den unsterblichen Terraner …

Nachdem Frank Borsch im ersten Band der Trilogie die undankbare Aufgabe hatte, einen spannenden Roman zu schreiben, in dessen Verlauf Perry Rhodan verlustig geht und ein Licht auf den Krieg der Loower geworfen wird, um den Boden für die Vorgeschichte zu bereiten, befasst sich Brandhorst nun mit eben dieser Vorgeschichte und wenig mit der Gegenwart. Trotzdem oder gerade deshalb erhält der Leser viele neue Informationen, die die Absichten der Loower deutlich aufdecken und den unnachvollziehbaren Krieg aus dem ersten Roman in eine verständliche Perspektive rücken.

Nach wie vor bleibt allerdings die Erzählung um die Loower, in diesem Fall die Erzählung des Kinderwarts Karn-Terg und seines Einflusses auf den Werdegang der loowerischen Gesellschaft, der weitaus unterhaltsamste und interessanteste Teil des Romans. Die Figur des Perry Rhodan bleibt dagegen blass und stellenweise sogar unglaubwürdig, wenn er trotz seiner jahrtausendelangen Erfahrung mit sich umspringen lässt wie ein Schuljunge. Zur Verteidigung muss noch gesagt werden, dass eine Überfigur wie der strahlende Titelheld der 45-jährigen Serienhandlung mittlerweile schwer geschildert werden kann, will man ihm weiterhin die Menschlichkeit lassen. Von daher packt Brandhorst die Sache richtig an, indem er sich der Darstellung neuer, unverbrauchter Charaktere widmet und um sie eine dichte Erzählung strickt, die die Geschichte in einer straffen Weise voranbringt. So kommt es endlich mal in einer Trilogie vor, dass die Geheimnisse nicht krampfhaft bis zum letzten Teil gehütet werden und dadurch die Frustration in den ersten Teilen hervorruft, sondern dass man durch die Aufdeckung der Informationen bei der Stange gehalten wird, denn nun ist die Auflösung der Geschichte der Knackpunkt, nachdem der Hintergrund deutlich dargestellt ist.

Es bleiben natürlich ein paar Rätsel für den letzten Band zurück, so zum Beispiel die Frage nach den Monaden, den offenbar geknechteten Wesen aus einem anderen Universum. Und wie der visionäre Kilan-Gerp zu einem anscheinend durchgedrehten und rücksichtslosen Fanatiker hat werden können.

Der Roman ist eine gelungene Fortsetzung der Reihe und baut wunderbar auf die Erzählung aus dem ersten Teil auf, beleuchtet die Geschichte von einer anderen Seite. Noch ist offen, was der merkwürdige Shon Leehan Perry Rhodan erzählt hat, um ihn zu einem Angriff auf die Loower zu veranlassen und entgegen seiner sonstigen Art das Leben vieler Millionen Menschen zu gefährden. Rhodan sitzt erstmal fest und seine Freunde vermeiden bisher den Konflikt mit den Loowern.

Fazit:

Der Roman ist eine wunderbare Erzählung über ein Einzelschicksal und seine Verknüpfung mit dem Schicksal eines Volkes. Dabei führt er die große Handlung spannend und unterhaltsam weiter und bereitet den Boden für das Finale, das den Zyklus vielleicht zum bisher besten Spin-off-Zyklus der Serie machen wird.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Hagenau, Rudi – Kick Off Drums

Lernvideos für angehende Musiker sind meist nicht sehr billig, weshalb es sich auf jeden Fall lohnt, vorher intensiv zu recherchieren, bevor man am Ende 50 € und mehr in den Sand gesetzt hat, ohne einen entsprechenden Gegenwert für sein Geld bekommen zu haben. Diesbezüglich ist übrigens auch darauf hinzuweisen, dass die allseits beliebten Profivideos bekannter Musiker erst dann zu empfehlen sind, wenn man auch schon über gewisse Kenntnisse verfügt, was ja leider oft fehlinterpretiert wird.

Um diese Grundkenntnisse dann jedoch zu erlernen, braucht es Stoff, der einem das Spiel – egal nun an welchem Instrument – von der Pieke an zeigt, das heißt vom Aufbau über die ersten Gehversuche bis hin zum semi-professionellen Spiel. Erfahrenen Musikern erzähle ich hiermit zwar jetzt sicher nichts Neues, aber ich wollte es eingangs noch mal kurz erwähnt haben, denn zu viele sind schon auf derartige Veröffentlichungen hereingefallen.
Nun, die Bosworth Music GmbH hat vor kurzem auch einige solcher Lernvideos auf den Marmkt gebracht, darunter auch das hier vorliegende „Kick Off Drums“, welches einem die ersten Schritte am Schlagzeug näher bringt und auch sehr gut verständlich vermittelt. Rudi Hagenau, seines Zeichens professioneller Drummer seit mehr als anderthalb Dekaden, erklärt wirklich jeden Schritt, den es zu berücksichtigen gilt, angefangen bei der Wahl seines Instruments bis hin zur gekonnten Bedienung – und dies alles in einem sehr gemäßigten Tempo, dem selbst Kinder problemlos folgen können sollten.

Hagenau beginnt seine Moderation, indem er die Zielsetzung und das Konzept der DVD erklärt und einiges über seine Erfahrungen als Schlagzeuger erzählt und beginnt auch schon alsbald mit der Erklärung der grundlegenden Informationen. Hierunter fallen neben den Namen der einzelnen Kessel auch zugehörige die Bespannung und die Anordnung bzw. die jeweilige Funktion. Bis man sich zu diesem Punkt durchgearbeitet hat, weiß man schließlich schon fast alles, was man an Basiswissen benötigt.

Weiter geht’s dann mit der richtigen Haltung der Stöcke und den ersten Schlägen, bevor Hagenau dann mit seinem bewusst albernen Kollegen mit Notenlehre und ersten Grundrhythmen beginnt. Dabei zeigt er immer wieder Beispiele von ganz jungen Nachwuchsmusikern, die bereits im Alter von sieben Jahren ihre Rhythmen halten können. Diesen Aspekt finde ich insofern sehr wichtig, als dass der Moderator hier auch praktisch zeigt, dass man das Schlagzeugspiel in wirklich jeder Altersklasse erlernen kann.

Und so steigert sich die Sache dann immer mehr; die Grundrhythmen werden leicht variiert, immer weiter ausgebaut und Schritt für Schritt werden Schlagzahl und Anforderung erhöht – bis man dann am Ende einige Songs, die hier auch auf einer extra beigefügten Audio-CD enthalten sind, schon komplett begleiten kann. So einfach, und vor allem so schnell geht das!

Für meinen Geschmack hat Rudi Hagenau hier ein richtig gutes Lehrvideo zusammengestellt. „Kick Off Drums“ baut auf einem angemessenen Tempo auf und schließt so auch aus, dass der angehende Schlagzeuger bei seinen Studien überfordert wird. Außerdem gefällt die simple, dafür aber umso verständlichere Art der Erklärungen. Hagenau lässt zwar hier und dort einige Fachbegriffe einfließen, bleibt aber letztendlich sprachlich auf einem Level, dem auch Anfänger problemlos werden folgen können. Und auch die Tatsache, dass der Lehrer seine Schüler erst dann ans Instrument lässt, wenn alle erforderlichen Nebenkenntnisse erlernt sind, finde ich lobenswert, denn so gibt er der Zielgruppe nicht nur Struktur, sondern läuft auch nicht Gefahr, sich irgendwie überschlagen zu müssen. Kurzum: sehr gut gemacht!

Wenn es an der DVD dann aber doch noch etwas auszusetzen gibt, dann die etwas bescheidene Bildqualität. Das Material wurde über einen Zeitraum von zehn Jahren aufgezeichnet und kommt leider in den älteren Aufnahmen ohne dezente Flimmereffekte nicht aus. Und auch der Wechsel zwischen den alten und neuen Einstellungen wirkt anfangs ein wenig verwirrend, doch nach kurzer Zeit hat man sich daran gewöhnt. Der Fluss des Lernens wird durch diese kleinen Schönheitsfehler aber eigentlich nicht beeinträchtigt.

Fazit: Gute Lernvideos gibt es viele auf dem Markt, wirklich effektive Releases für Beginner jedoch leider nur selten. In Sachen Drums gehört „Kick Off Drums“ daher ganz klar zur Referenzklasse, trotz, oder vielleicht doch gerade wegen seiner simplen Aufmachung. Zusammen mit der beiliegenden Audio-CD und dem gehaltvollen Booklet, in dem die Theorie noch einmal schwarz auf weiß nachzuarbeiten ist, sollte es hier jedem halbwegs talentierten Nachwuchsmusiker spielerisch gelingen, die Basics für das Schlagzeug zu erlernen. Und deswegen spreche ich dem hiermit angesprochenen Publikum auch ganz klar meine Empfehlung für dieses DVD/CD-Set aus.

Interview mit Pat Hachfeld

Pat(rick) Hachfeld, 1969 in Wolfsburg geboren, ist Illustrator und bebildert unter anderem die Serien „Larry Brent“, „Macabros“ und „Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik“ für den |BLITZ|-Verlag. Florian Hilleberg hat sich mit dem Künstler unterhalten:

_Florian Hilleberg:_
Hallo Pat, wie bist du eigentlich zum Zeichnen gekommen?

_Pat(rick) Hachfeld:_
Also, ich bin hundertprozentig überzeugt, dass mein Onkel dafür die Verantwortung trägt! Er hat früher immer echt geile Comicfiguren gezeichnet; Silver Surfer, Spiderman, Hulk usw. Und da dachte ich mir als Fünfjähriger: Hey, was der große Mann da kann (er war 17 Jahre), das musst du auch versuchen. Tja, und so kam der erste Kontakt mit diesen „langen dünnen Dingern“ zustande. Ich malte und malte … und irgendwann, nach gefühlten 80 Jahren, sind dann die ersten erkennbaren Figuren entstanden.

_Florian Hilleberg:_
Ist das Zeichnen dein Hauptberuf?

_Pat Hachfeld:_
Mh, wenn man das, was ich mache, als Beruf bezeichnet (Beruf klingt fast immer nach ungeliebter Arbeit), kann ich sagen: „Ja“. Wobei ich das Zeichnen – ob Illustration, Portrait, Wunschportrait, oder private Auftragszeichnungen – |nicht| als Arbeit bezeichnen möchte. Dafür hat es für mich eine viel zu persönliche Bedeutung, und ich verdanke dem Zeichnen sehr, sehr viel!

_Florian Hilleberg:_
Orientierst du dich beim Zeichnen an bestimmten Stilrichtungen, hast du Vorbilder?

_Pat Hachfeld:_
Als ich die Comicfiguren „im Sack“ hatte, bekam ich die erste LP von |IRON MAIDEN| zwischen meine Finger. Ich war circa 11 Jahre „alt“, und das Cover fand ich einfach so |hammergeil| – es war der gute alte „Eddi“ – dass ich |den| auch zeichnen wollte.
Also begann ich damit und raffte alles zusammen, was diese für mich damals |härteste| Heavy-Band der Welt so hatte. Und so entdeckte ich für mich, dass mir das Zeichnen von etwas düsteren und morbiden Bildern viel mehr Spaß machte als die „schöne heile Welt“.
Später wurde ich sicherlich von H. R. Giger und Paul Booth (Tattoowierer aus den USA) inspiriert.

_Florian Hilleberg:_
Mittlerweile bist du wohl der produktivste Künstler, der für den [BLITZ-Verlag]http://www.BLITZ-Verlag.de arbeitet. Wie kam der Kontakt zustande?

_Pat Hachfeld:_
Das war eigentlich kein großes Ding. Ich habe den Suchbegriff „Fantasie und Autoren“ eingegeben, und das Suchergebnis war dann Bernd Rothe (für Bernd habe ich auch die Fantasy-Anthologie „Rattenfänger“ illustriert, sie erschien ebenfalls im BLITZ-Verlag). Ich habe seine HP angeklickt und ihm eine E-Mail mit drei meiner Zeichnungen geschickt.
Bernd hat dann Alisha Bionda angeschrieben, ob sie noch einen Illustrator sucht. Alisha schaute sich dann auf meiner HP um, und so bin ich zu meiner ersten Buchillustration „Der ewig dunkle Traum“, Band 1 von „Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik“ gekommen, die Alisha Bionda zusammen mit Michael Borlik herausgegeben hat.

_Florian Hilleberg:_
Woher nimmst du deine Inspirationen?

_Pat Hachfeld:_
Wenn ich Bilder für meine [DUNKELKUNST]http://www.dunkelkunst.de zeichne – diese Motive werden bald im Shop als T-Shirts erhältlich sein -, kommen die Ideen ganz von selbst und aus meinem tiefen Inneren. Da die Bilder sehr „finster“, „morbid“ und „detailverliebt“ sind, und wegen der steigenden Anzahl der Aufträge, kommt es vor, dass ein Bild schon mal bis zu seiner Vollendung an die sechs Monaten braucht. Aber, wie gesagt, bedingt durch die Auftragsarbeiten habe ich |für mich| das letzte Mal vor circa zwei Jahren gezeichnet.

_Florian Hilleberg:_
Kennst du eigentlich die Romane, die du illustrierst, oder gibt dir der Verlag Vorgaben, nach denen du die Motive zeichnest?

_Pat Hachfeld:_
Das ist unterschiedlich. Bei den Anthologien, z. B. „Der ewig dunkle Traum“, „Rattenfänger“, „Wellensang“ (herausgegeben von Alisha Bionda und Michael Borlik, erschienen im |Schreiblust|-Verlag) oder aktuell eine Katzenanthologie (Hrsg. Frank W. Haubold & Alisha Bionda), bekomme ich die gesamten Geschichten zugeschickt. Ich picke mir dann eine Story raus, mache mir beim Lesen kleine Notizen, und meistens bilden sich dann schon die ersten Illus in meinem Kopf.
Bei den Dan-Shocker-Serien „Macabros“ und „Larry Brent“ oder der Fortsetzung von „Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik“ im |BLITZ|-Verlag bekomme ich von Alisha Bionda grobe Illustrationswünsche, die ich dann versuche umzusetzen. Und damit fahren wir eigentlich sehr gut.

_Florian Hilleberg:_
Wie weit lässt dir der Verlag in der Interpretation Freiraum?

_Pat Hachfeld:_
Der Freiraum, den mir der Verlag (den ich aber auch brauche) lässt, ist nahezu grenzenlos! Ich habe festgestellt – durch die vielen Illustrationen, die ich bisher für den |BLITZ|-Verlag erstellt habe -, dass ich mit Alisha, bezogen auf die Bilder, geschmacklich sehr nahe beieinander liege. Sie muss mich manchmal sogar etwas zügeln, weil ich sehr detailverliebt bin, und hier und dort noch eine Kleinigkeit hinzeichnen möchte.

_Florian Hilleberg:_
Wie auf deiner Homepage zu lesen ist, zeichnest du auch Portraits und nimmst Auftragsarbeiten an. Dagegen wirken die Illustrationen zu „Larry Brent“ und „Macabros“ recht surreal. Welche Motive zeichnest du am liebsten?

_Pat Hachfeld:_
|Das| ist das Faszinierende an Kunst! Man kann „düster“, „morbid“ und „hart“ zeichnen, je nach Vorlage der Geschichte oder der Serien, und seiner Fantasie freien Lauf lassen. Wobei es mir sehr, sehr wichtig ist, dass die Illustrationen |nicht| „billig“ und „flach“ wirken. Ich versuche also immer, „noch einen Hauch“ Ästhetik mit einfließen zu lassen.
Und dazu steht dann das Portraitzeichnen im krassen Gegensatz – alles sehr feine Linien und sehr weiche Übergänge.
In mir ist die Frage aufgetaucht, ob ich nicht meinen Stil, also das „Düstere“, in die Weichheit des Portraitzeichnens einfließen lassen kann.
Und dadurch bin ich auf die Idee des „Wunschportraits“ gekommen.
Das heißt, wenn beispielsweise jemand Fan, egal ob Weiblein oder Männlein, des Fantasiespiels „Warhammer“ ist, und so wie eine Figur aus dem Spiel gezeichnet werden möchte, dann zeichne ich den Auftraggeber so. Aber auch als verführerische Hexe, oder als Zombie. Entscheidend dabei ist allerdings, dass der, der sich portraitieren lassen möchte, seiner Phantasie freien Lauf lässt! Da bin ich dann sogar etwas abhängig von der Vorstellungskraft meines Auftraggebers!
Daher: Ich bin immer bestrebt, mich zeichnerisch weiterzuentwickeln, so dass ich |nicht| sagen kann, welche Motive ich am liebsten zeichne.

_Florian Hilleberg:_
In welchem Umfeld arbeitest du am liebsten?

_Pat Hachfeld:_
Am liebsten zu Hause. Ich habe mir im Dachgeschoss unserer Maisonettewohnung einen kleinen Platz geschaffen, wo alles in meiner Nähe ist, was mir wichtig ist – meine Verlobte Angie, unser grüner Leguan Jabba, die Musikanlage (ohne Musik geht echt nix!, ich liebe |System of a Down|, |Slipknot|, |Rammstein| usw.) und natürlich Fernseher.

_Florian Hilleberg:_
Gibt es bestimmte Tageszeiten, zu denen du besonders kreativ und produktiv bist?

_Pat Hachfeld:_
Ich muss sagen, dass ich am produktivsten in den frühen Morgenstunden bin. Soll heißen, dass ich gegen sechs Uhr aufstehe, nach oben gehe, mir meinen frischen Guten-Morgen-Kaffee schnappe, ins Wohnzimmer wanke, mir eine Zigarette drehe (Kaffee und Zigarette gehören zusammen), den Fernseher anschalte, um Nachrichten (Euro News) zu sehen, und beginne so gegen 6 Uhr 30 mit dem Zeichnen, was ich dann zwei bis drei Stunden am Stück mache.

_Florian Hilleberg:_
Was für Projekte hast du für deine nähere Zukunft geplant?

_Pat Hachfeld:_
Neben dem Wunschportrait, was sehr gut angenommen wird, arbeite ich (hier allerdings reines Portraitzeichnen) neuerdings mit Schauspielern aus einer TV-Serie, die auf RTL im Vorabendprogramm ausgestrahlt wird, zusammen. Sie schicken mir ihre Fotos zu, welche ich dann auf DIN A3 zeichne. Bis jetzt ist das ziemlich interessant und aufregend für mich, weil es absolutes Neuland ist, bezogen auf das Zeichnen von Schauspielern aus dem TV.
Dann illustriere ich die Horroranthologie „Blutmond“ (wo ich auch Mit-Herausgeber bin) für Bernd Rothe. Die Katzenanthologie „Fenster der Seele“ mit Alisha Bionda läuft auch noch zeitgleich. Die beiden Serien „Larry Brent“ & „Macabros“ für den BLITZ-Verlag. Hier und da private Auftragszeichnungen (vor kurzen einen japanischen Drachen auf DIN A3 für ein Geburtstagsgeschenk) oder ein schönes Familienportrait. Und bald starten auch die Illustrationen für die nächsten „Schattenchronik“-Bände.

_Florian Hilleberg:_
Lebst du vom Zeichnen oder hast du noch einen Brotjob?

_Pat Hachfeld:_
Ich denke, ich kann sagen: „Ja, ich lebe davon“; zwar noch sehr wacklig, aber es geht. Es müssen halt mehrere „Zahnräder“ ineinander greifen: Portrait, Wunschportrait, Buch und Romanillustrationen, Auftragszeichnungen – z. B. Tattooflashs – entwerfen.

_Florian Hilleberg:_
Da du durch die enge Zusammenarbeit mit Alisha Bionda und dem BLITZ-Verlag ja überwiegend literarische Projekte illustrierst, drängt sich die Frage auf: Was liest du? Welche Autoren bevorzugst du?

_Pat Hachfeld:_
Also, ich lese sehr gerne John Grisham und Brad Meltzer und mag ihre Schreibweise. Ich finde es sehr gut, dass bei John Grisham ein überschaubarer Personenkreis mitwirkt und dass die Personen leicht verständliche Namen erhalten, so dass man nicht ständig sieben bis zehn Seiten zurückblättern muss, um nachzulesen, was oder wer „Mister X“ war, bzw. so gemacht hat. Ich mag sehr gerne Thriller oder Geschichten, die vor Gericht spielen („Die Jury“).
Außerdem lese ich sehr gerne historische Romane. Aktuell lese ich „Die Rächer“ von Aaron J. Klein über das Attentat auf die Israelis während der Olympischen Spiele 1972 in München. Ab und zu ziehe ich mir auch mal den guten alten |Larry Brent| rein.

_Florian Hilleberg:_
Was gibt es noch über den |Menschen| Patrick Hachfeld zu sagen? Was ist dir wichtig? Welche Wertigkeiten hast du? Welche Menschen sind dir, neben deinem direkten privaten Umfeld, über das du ja schon gesprochen hast, wichtig?

_Pat Hachfeld:_
Mh, was gibt es über mich zu sagen? Mir ist Ehrlichkeit sehr, sehr wichtig! Dass ich sehr viel Wert darauf lege, Freundschaften zu pflegen, und sei es auch nur ein kurzes Telefongespräch. Mit der Zeit hat sich auch eine freundschaftliche Beziehung mit Alisha Bionda und Bernd Rothe entwickelt, und mit Bernd habe ich mich auch schon drei-, viermal privat getroffen. Er lebt ja nun mal in meiner Lieblingsstadt Hameln, die ich schon von meinen früheren Besuchen auf der „Hameln-Tattooconvention“ her kenne und deren Ruhe und Altstadt ich sehr zu schätzen gelernt habe.

_Florian Hilleberg:_
Welche Projekte würdest du gerne noch machen? Was würdest du gerne selbst initiieren?

_Pat Hachfeld:_
Ich möchte mich noch stärker, bezogen auf das Wunschportraitzeichnen, in die Gothic-Szene einbinden lassen. So kann ich meinen Stil mit dem Portraitzeichnen verbinden. Außerdem möchte ich mit meinen Illustrationen aus der DUNKELKUNST wieder verstärkt an Ausstellungen teilnehmen. Zwar nicht hier in Wolfsburg, sondern mehr die Richtung Ruhrpott, Gelsenkirchen, Essen usw.

_Florian Hilleberg:_
Gibt es dabei Menschen/Kollegen/Verlage, mit denen du bevorzugt arbeiten würdest? Oder zählt für dich nur die „Auftragslage“?

_Pat Hachfeld:_
Abgesehen von dem BLITZ-Verlag, wo ich mich sehr wohl fühle, ist es mir eigentlich (fast) egal, mit welchen Verlagen oder Menschen ich zusammenarbeite. Ich versuche einfach, jeden Auftrag so umzusetzen, dass nach Erledigung der Zeichnung die Leute oder der Verlag sagen: „Ja, war eine prima Zusammenarbeit, hat echt Spaß gemacht“. Und so baut man(n) sich gleichzeitig wieder neue Brücken.

_Florian Hilleberg:_
Vielen Dank für das Interview.

_Pat Hachfeld:_
Ich habe zu danken für die interessanten Fragen. Ich hoffe, ich habe nicht zu umfassend geantwortet. Hat mir echt großen Spaß gemacht, und wenn jemand Interesse an einem Portrait, Wunschportrait oder Ähnlichem hat, so kann er ganz zwanglos und locker mit mir Kontakt aufnehmen. Ich freue mich sehr!
In diesem Sinne, „mit einem Segen auf den Lippen“ – alles Gute und danke!

Bye, Pat
http://www.dunkelkunst.de/

Jordan, Robert – Suche nach dem Auge der Welt, Die (Das Rad der Zeit 1 – Das Original)

„Das Rad der Zeit“ ist die wohl umfangreichste und aus diesem Grunde auch oft am heftigsten kritisierte Fantasy-Serieauf dem gesamten weltweiten Buchmarkt. Knapp 30 Bände zählt Robert Jordans englischsprachige Originalausgabe bereits, und nach aktuellem Stand ist auch noch immer nicht ganz klar, wann das Rad seine Rotation beenden wird. Aus diesem Grunde sollte man sich schon sehr gut überlegen, ob man die Geduld und vor allem die Zeit hat, um sich dieser Zerreißprobe auszuliefern, und dabei auch die gelegentliche Kritik nicht außer Acht lassen. 10.000 Seiten und mehr sind nun mal kein Pappenstiel, und mittendrin aufzuhören, ist ja auch nicht das erklärte Ziel des Fantasy-Lesers. Nachdem ich nun den ersten Band der Serie in der Originalzusammenstellung ziemlich rasch verschlungen habe, plädiere ich aber definitiv dafür, Zeit und Umwelt sich selbst zu überlassen und dem Riesenprojekt zu folgen. Warum? Nun, bitte weiterlesen:

_Story_

Jedes Jahr wieder feiern die Bewohner des Dörfchens Emondsfeld das traditionsreiche Frühlingsfest Bel Tine. Auch Rand al’Thor und sein Vater Iam sehen den bald anstehenden Festlichkeiten mit großer Vorfreude entgegen und nehmen rege an der Vorbereitung der üppigen Feier teil. Bevor es jedoch losgehen kann, ereignen sich seltsame Dinge in und um Emondsfeld. Seltsame schwarze Reiter werden gesichtet und verbreiten unter manchen Bewohnern des Ortes Unruhe. Und auch der gerne gesehene Händler Padan Fain zeugt nicht gerade von Optimismus, als er seinen Freunden von den düsteren Geschehnissen aus der Ferne berichtet. Padan Fain weiß von einem bevorstehenden Krieg und berichtet auch von einem versteckten Drachen, der in wahrer Gestalt die einzige Person sein soll, die die befürchtete Herrschaft des aus der Gefangenschaft entflohenen Dunklen Königs aufhalten kann. Als dann auch noch Lady Moiraine Damodred und ihr Leibwächter Lan Mandragoran in Emondsfeld auftauchen, ist der Gemeinderat zutiefst verunsichert. Die Lady ist zwar ein willkommener Gast, doch meist verbirgt sich hinter ihrer Ankunft auch ein besonderer Zweck. Und der scheint nach den jüngsten Begebenheiten kein erfreulicher zu sein …

Auf dem Weg zurück zur Hütte der Familie al’Thor lässt Rand die Ereignisse der letzten Stunden Revue passieren und erinnert sich dabei vor allem an die mehrfach gesichteten schwarzen Ritter. Und seine Sorge soll sich alsbald auch als berechtigt herausstellen, denn sein Vater und er werden in der Dunkelheit von den mysteriösen Trollocs überfallen, seltsamen Hybridwesen, die dem Jungen bisher nur aus Sagen bekannt waren. Iam wird dabei schwer verletzt und bedarf dringender Hilfe, die ihm nur noch die Magierin Moiraine gewähren kann. Diese hat nämlich den gleichzeitig gestarteten Angriff auf das Dorf mit der Kraft ihrer magischen Formeln – sie gehört der verachteten Gruppe der Aes Sedai an – gerade noch abwenden und die völlige Zerstörung verhindern können und besitzt als Einzige die Möglichkeit, Rands Vater zu heilen. Doch der Preis ist hoch: Moiraine fordert von Rand, dass er sie in die Stadt Tar Valon begleitet, und verspricht, dass sie dort Hilfe finden werden. Sie eröffnet ihm, dass er eine der drei jungen Personen ist, die vom Dunklen Herrscher und dessen Mächten gesucht werden. Die übrigen sind Rand ebenfalls nicht unbekannt; es sind seine beiden besten Freunde Perrin und Mat, die sich der neu geformten Gemeinschaft widerstandslos anschließen und gemeinsam mit Egwene al’Vere, der Tochter des Dorfvorstehers, dem komischen Barden Thom Merrlin und der Seherin Nynaeve al’Meara die lange Reise antreten.

Geplagt von den schrecklichen Zuständen in Emondsfeld geht die Gruppe ihren Weg, wird dabei allerdings von weiteren Rückschlägen heimgesucht. Rand muss sich damit auseinander setzen, dass der zurückgebliebene Iam nicht sein wahrer Vater ist und wird zudem von Alpträumen und Visionen geplagt. Doch eine nähere Auseinandersetzung ist vorerst nicht möglich, denn auf ihrer Flucht in die scheinbare Sicherheit sind ihnen die Trollocs und ihre Befehlshaber, die Myrdraal, dicht auf den Fersen. Mit der List der Aes Sedai und ihrer neuen Gehilfin Egwene gelingt es dem Trupp mehrfach, den feindlichen Attacken zu trotzen, bis sie dann in den Ruinen von Shagar Logoth in einen weiteren Hinterhalt geraten und schließlich getrennt werden. Geführt von Rand, der Aes Sedai und Egwene suchen die Kleingruppen ihren eigenen Weg nach Tar Valon, bestehen dabei gefährliche Abenteuer und finden wieder zusammen. Denn nur gemeinsam können sie den Dunklen Herrscher davon abhalten, das Auge der Welt zu blenden. Und wäre dies nicht schon Last genug, muss sich Rand auch noch seinem eigenen Schicksal stellen …

_Meine Meinung_

Es ist schon der helle Wahnsinn. Da schreibt man schon eine ellenlange Inhaltsangabe und deckt damit trotzdem nur gut die Hälfte der tatsächlichen Erzählung in diesem ersten Band ab. Robert Jordans Welt um die bemerkenswerten Helden Rand, Mat und Perrin ist bereits hier so umfassend eingeleitet worden, dass man schon erahnen kann, welche Dimensionen das „Rad der Zeit“ eines Tages annehmen würde. Natürlich nutzt Jorden den Umfang der Geschichte aber auch dazu, seine Charaktere sehr eingehend vorzustellen. Wirklich jede Person unterliegt einer sehr genauen Betrachtung, und obwohl man in den vielen Dialogen unheimlich viel über die Hauptpersonen erfährt, wird das Wissen auch in späteren Passagen immer noch durch sehr wichtige Nuancen ergänzt. Und dennoch hat man den Eindruck, als stünde man gerade erst am Anfang damit, die einzelnen Personen kennen zu lernen.

Die Kunst dabei ist zweifelsohne, den Plot nicht mit den großzügigen Darstellungen zu ersticken, und diesbezüglich scheint Jordan ein absoluter Meister seines Faches zu sein. Der Autor nimmt sich Zeit, viel Zeit, baut das Ganze aber so geschickt auf, dass er den Leser nicht mit zu vielen Informationen erdrückt. Die Mischung aus Action, Hintergrundinformationen, Zwischenmenschlichem und handlungstechnischer Weiterentwicklung ist exzellent ausgewogen und hält den Leser durchgehend bei der Stange. Selbst nach der überlangen Einleitung, die an manch anderer Stelle schon dazu geführt hätte, dass man das Buch auf Nimmerwiedersehen beiseite gelegt hätte, ist die Neugier nach dem Fortschritt der Geschichte unheimlich groß und kann trotz der Masse an Inhalt kaum befriedigt werden. Man fühlt sich geradezu überwältigt von der Legende des Drachen und dem fortwährenden Kampf gegen den Dunklen Herrscher, und selbst wenn dieser erste Band (bei sage und schreibe knapp 900 Seiten!) mehr oder weniger nur die Einleitung zu einem gewaltigen Epos ist, findet man sich schon sehr schnell in der großen Welt um das Rad der Zeit (bzw. hier um das Auge der Welt) zurecht. Bis zum Ende hält die Neugier an, und selbst die schon bald zu erahnende Ernüchterung über die vielen offen bleibenden Handlungsabschnitte, die in irgendeinem Folgeband wieder aufgegriffen werden müssen, stört nicht.

Den Autor gilt es schließlich auch noch deswegen zu loben, weil er bei all den Möglichkeiten dennoch nicht auf ziellose Komplexität setzt. Der Plot ist zielstrebig geschrieben, allerdings nur sehr umfangreich ausgeschmückt worden. Wer also hier den Faden verlieren sollte, hat entweder nur halbherzig die Geschichte verfolgt oder ist der Fantasy-Welt Jordans nicht würdig.

So, tief durchatmen, denn bei aller Genialität des ersten Buches (wir sprechen bei „Die Suche nach dem Auge der Welt“ übrigens über einen neu veröffentlichten Sammelband in Originalumfang, in dem die beiden vorherigen deutschen Ausgaben „Drohende Schatten“ und „Das Auge der Welt“ zusammengefasst wurden), darf man aber auch nicht über die Kehrseite hinwegsehen. Und an der werden sich vor allem die Geister der Tolkien-Anhänger scheiden. Bei wohl keinem anderen Fantasy-Zyklus – gut, ich spreche hier vom eröffnenden Buch – sind die Parallelen zum Vaterwerk „Der Herr der Ringe“ so deutlich wie hier. Sowohl bei den verschiedenen Hauptfiguren als auch im Hinblick auf den weiteren Verlauf der Story findet man so viele Ähnlichkeiten, dass sich der Autor wohl kaum den Vorwürfen des Ideenklaus widersetzen können wird. Auch hier tritt eine zunächst aussichtslose Ansammlung von stillen Helden eine lange Reise an, wird zwischendurch getrennt, von furchtbaren schwarzen Reitern getrennt, durch eine Magierin beschützt und in den Kampf gegen den Dunklen Herrscher getrieben. In diesem Sinne hätte Jordan seine Charaktere auch Gandalf, Frodo und Sauron, die Reiter Nazgul und die Welt Mittelerde nennen können. Aber lassen wir das.

Festzuhalten bleiben enorm starke Übereinstimmungen, an denen man sich aber nur dann stoßen wird, wenn man sich nicht wirklich auf den Plot einlassen möchte. Ich wage nämlich einfach mal zu behaupten, dass einen die Erzählung bei neutraler Herangehensweise mit sofortiger Wirkung beeindrucken wird und man sich mit solchen Stolpersteinen schließlich auch nicht mehr aufhalten wird. Penible Gemüter, und nur diese, sollten daher die Finger von diesem Monster-Zyklus lassen! Alle anderen, sollten sie die erforderlichen Wochen und Monate aufbringen und investieren können, dürfen indes nicht am „Rad der Zeit“ vorbeisehen – was ja schließlich auch kaum möglich ist, wenn man mal bedenkt, wie viel Platz die Serie mittlerweile in den Regalen der Händler einnimt. Mein erster Eindruck ist jedenfalls durch und durch positiv, und dies bezieht sich auf wirklich alles, was in „Die Suche nach dem Auge der Welt“ geschieht. Gott, was freue ich mich auf die Fortsetzung!

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Jackson, Lisa – Ewig sollst du schlafen

|Um sie herum herrscht tiefe Dunkelheit. Ein süßlicher, unangenehmer Geruch nimmt ihr fast den Atem, als die junge Frau aus tiefer Bewusstlosigkeit erwacht. Gedämpft hört sie das Prasseln von Erde und ein grausames Lachen – und erkennt in plötzlicher Panik, dass sie lebendig begraben wird. Sie wird nicht das letzte Opfer des sadistischen Killers bleiben.

Dessen verstörende Taten sind für die Journalistin Nikki Gillette zunächst nichts weiter als neuer Stoff für die Titelseiten. Sie ahnt noch nicht, dass der Mörder einen kranken Plan verfolgt, in dem sie eine Schlüsselrolle spielt … |

_Die Autorin_

Lisa Jackson arbeitete nach ihrem Studium zunächst einige Jahre im Banken- und Versicherungswesen, bevor sie das Schreiben für sich entdeckte. Mittlerweile zählt Jackson zu den amerikanischen Top-Autorinnen, deren Romane regelmäßig die Bestsellerlisten der „New York Times“, der „USA Today“ und der „Publishers Weekly“ erobern. Lisa Jackson lebt in Oregon.

_Rezension_

Pierce Reed – attraktiver Detective bei der Polizei von Savannah, mit Augen, denen nicht viel entgeht, und dessen Archillesferse Frauen sind – und die Reporterin Nikki Gillette werden in perverse Mordfälle verwickelt, deren roter Faden ein Prozess zu sein scheint, an dem sie vor zwölf Jahren beteiligt waren.
Verurteilt wurde damals LeRoy Chevalier, der im Verdacht stand, seine Lebensgefährtin und zwei ihrer drei Kinder getötet zu haben, nachdem er sie vorher missbraucht und gezwungen hatte, miteinander zu schlafen. Jetzt, zwölf Jahre später, ist er wegen eines Verfahrensfehlers wieder auf freiem Fuß.
Und just da beginnt die Verbrechensserie.

Das besonders Perfide: der Mörder begräbt seine Opfer lebendig, nackt, zusammen mit einem bereits Bestatteten, dessen Sarg er wieder ausgräbt und für seine Zwecke nutzt, versieht die Begrabenen mit Mikros und hört ihnen beim Sterben zu, was ihn sexuell erregt. Erstes Opfer ist Barbara Jean Marx, die ein Verhältnis mit Reed hatte und – wie die Obduktion ergibt – von ihm schwanger war.

Aufgrund ihrer Affäre wird Reed wegen Befangenheit von dem Fall abgezogen, den seine platinblonde, viermal geschiedene Partnerin und Mutter zweier Kinder Sylvie Morrisettes mit einem neuem Partner weiterführen soll. Cliff Siebert, der ebenfalls bei der Polizei von Savannah seinen Dienst versieht, zu Highschoolzeiten der beste Freund von Nikkis verstorbenem Bruder war und die Reporterin aus ehemaliger Verliebtheit mit Insiderinformationen versorgt, wirkt sonderbar verschlossen.

Nikki Gillette, ehrgeizig, mit einer Faszination für Verbrechen und Tochter des Richters Ronald |Big Ron| Gillette, arbeitet für den |Savannah Sentinel| und will durch den Fall endlich die Exklusivstory landen! Von da ab wird es turbulent in ihrem Leben, in dem zeitgleich auch ihr gut aussehender, draufgängerischer Ex-Freund Sean Hawke auftaucht. Doch da sie nicht an die Wiederbelebung einer Beziehung glaubt, ist sie nicht erpicht darauf, Sean wiederzusehen. Viel zu sehr ist sie mit dem Fall des „Grabräubers“, wie sie den Mörder bezeichnet, beschäftigt.

Der Grabräuber, der sich selbst |der Überlebende| nennt, nimmt sowohl zu Reed als auch zu Nikki Kontakt auf und schickt ihnen seltsame Botschaften. Der Sonderling besitzt eine Sammlung aus Hunderten von Filmen über Helden, die es geschafft hatten, trotz allen möglichen Härten des Lebens zu überstehen, und die selbst für Gerechtigkeit sorgten.

In dem Keller eines Hauses, dessen Besitzerin nicht weiß, dass er über einen Schlüssel zu dem abgelegen Teil des alten Gebäudes verfügt, hält er unter anderem sein „Heiligtum“, eine alte Kommode, versteckt, deren obere Schublade er niemals öffnen will, weil sie intim und unantastbar ist. In den anderen Laden bewahrt er die Dessous seiner Opfer, an denen er sich aufgeilt und befriedigt, ebenso wie an dem Grauen und Sterben der lebendig Begrabenen, deren Todeskampf er aufzeichnet und mitanhört.
Dann fühlt er sich mächtig.
Stark.

Nikki versucht an Reed, der Reporter – besonders aber Nikki Gillette – wie der Teufel das Weihwasser meidet, heranzukommen und stellt fest, dass das ungefähr so einfach ist wie mit einem Stachelschwein zu schmusen. Für Nikki ist Reed halsstarrig, mürrisch und grob, und für ihn ist sie wiederum genau die unheilvolle Kombination, um die er sonst einen Boden macht: attraktiv und intelligent. Doch die Mordfälle führen sie unweigerlich zusammen, weil der Täter zu ihnen beiden Kontakt aufgenommen hat und sie sich Informationen vom anderen erhoffen.

Als der Grabräuber sogar in Nikkis Wohnung einsteigt, spitzt sich die Situation zu und Nikki erfährt zum ersten Mal, wie es ist, auf der anderen Seite zu stehen: von den Medien gejagt und benutzt zu werden, und sie fühlt, wie ihre kämpferische Selbstsicherheit immer mehr bröckelt. Das gegenseitige Misstrauen zwischen ihr und Reed schwindet durch die zuerst widerwillig eingegangene Zusammenarbeit, und die beiden kommen sich immer näher.

Dann verschwindet Simone Everly, Nikkis beste Freundin und die Frau, die Nikkis verstorbener Bruder heiraten wollte. Schnell wird allen bewusst, dass auch sie in die Fänge des Grabräubers geraten sein muss.

Wird es Nikki Gillette und Pierce Reed gelingen, Simone Everly zu befreien? Und vermögen sie es, sich nicht weiter in dem Netz des Überlebenden zu verfangen, das dieser immer enger um sie herum spinnt?
Denn der Überlebende ist bereit für den |coup de gráce|!

_Fazit:_Ein kurzweiliger, flott geschriebener Krimi, der auf stolzen 600 Seiten erstaunlich wenig „Längen“ aufweist und der |die| Prise Sex & Crime beinhaltet, die ein gutes Unterhaltungsbuch dieses Genres bieten sollte. Sehr schnell meint man sich auf der richtigen Fährte, und ist am Ende doch überrascht, dass es alles ein wenig anders ist, als man dachte! Wer sich gut unterhalten will, ist hier an der richtigen Adresse!

|Aus dem Amerikanischen von Elisabeth Hartmann|
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Kastner, Jörg – Engelsfürst

Mit „Engelsfürst“ legt der deutsche Autor Jörg Kastner bereits seinen dritten Vatikanthriller rund um den ehemaligen Schweizer Gardisten Alexander Rosin und die engagierte Vatikanjournalistin Elena Vida vor. In den beiden Vorgängerromanen „Engelspapst“ und [„Engelsfluch“ 808 standen sowohl der reformerische Papst Custos als auch der Geheimorden Totus Tuus im Zentrum der Erzählung. Über zwei Jahre ist es her, seit Alexanders geliebter Onkel ermordet wurde und Papst Custos an die Macht kam, der über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt und daher unter dem Namen Engelspapst bekannt wurde. Aber auch der Gegenpapst Lucius, der sich in „Engelsfluch“ einen Namen gemacht hat, besitzt heilende Fähigkeiten und stammt von einem bekannten Engel ab. Im Engelsfürsten nun regieren beide Päpste in trauter Zweisamkeit, bis das Übel seinen Lauf nimmt …

Zu Beginn des vorliegenden Buches begibt Elena Vida sich zu später Stunde an einen abgelegenen Treffpunkt, um sich dort mit dem stellvertretenden Direktor der Vatikanbank, Monsignore Picardi, zu treffen, der am Telefon nervös klang und offensichtlich geheime Informationen für Elena hat. Doch am vereinbarten Treffpunkt wartet nicht Picardi auf Elena, sondern zwei gefährliche Männer, die Elena bewusstlos schlagen. Kurz darauf findet Elena Vida sich in Polizeigewahrsam wieder, da sie neben der Leiche Picardis gefunden wurde und nun des Mordes verdächtigt wird.

Alexander Rosin dagegen wird in den Vatikan gerufen, um dort ebenfalls unglaubliche Neuigkeiten zu hören. Kardinal Mandume nämlich ist nicht, wie offiziell bekannt gegeben, an einem Herzschlag gestorben, sondern er ist durch die so genannte Selbstverbrennung gestorben, bei der innerhalb von Sekunden oder wenigen Minuten von einem Menschen nur noch ein Häuflein Asche übrig bleibt. Als Alexander dann auch noch erfahren muss, dass Elena, von der er inzwischen getrennt lebt, nur knapp einem Anschlag entkommen konnte und nun selbst des Mordes verdächtigt wird, befindet sich auch Rosin mitten in der Geschichte.

In einem zweiten Handlungsstrang treffen wir auf Enrico, den Sohn des zweiten Papstes Lucius, der sich in einem Kloster in San Gervasio aufhält und von merkwürdigen Träumen heimgesucht wird. Der Abt des Klosters bietet Enrico an, eine Rückführung zu versuchen, damit Enrico seine Träume besser deuten kann und vielleicht herausfindet, ob es sich dabei nicht vielmehr um eigene Erinnerungen aus einem früheren Leben handelt. Bei seinen Sitzungen mit dem Abt muss Enrico schließlich feststellen, dass er vor 2000 Jahren tatsächlich bereits unter dem Namen Vel gelebt hat und er aus diesem Leben schreckliche Erinnerungen ans Tageslicht holen wird …

In zwei parallelen Handlungssträngen erzählt Jörg Kastner temporeich die Geschichte des Engelsfürsten. Während recht schnell Elenas Unschuld bewiesen ist und Alexander Rosin ebenfalls nur knapp einem Mordanschlag entkommen kann, versuchen Stelvio Donati und Alexander zusammen herauszufinden, welche Zusammenhänge es zwischen den beiden toten Kirchenmännern Picardi und Mandume gibt. Umrahmt wird die Erzählung durch die tragische Liebesgeschichte zwischen Alexander und Elena, die ein Ende fand, als Alexander aus Neid vor Elenas journalistischen Erfolgen eine Affäre begann. Doch damit nicht genug, erfährt Alexander nun auch noch, dass Elena ein Kind von ihm erwartet. Die Beziehung der beiden ist somit gespickt von Streit, Zwistigkeiten und Eifersucht. Elena kann Alexander seine Untreue einfach nicht verzeihen, obwohl dieser seinen Fehler gerne ungeschehen machen würde. Aber für viel Liebesgeplänkel ist glücklicherweise nicht viel Zeit, da sich im Kloster von San Gervasio etwas Schreckliches zusammenbraut.

Nach gleichem Strickmuster schon wie in „Engelsfluch“ lässt Kastner den besiegt geglaubten Geheimorden Totus Tuus wieder auferstehen, der mächtige Männer auf den Plan treten lässt, die ähnlich prominente Ahnen haben wie Papst Lucius und sein Sohn Enrico, die vom Engel Uriel abstammen und daher als Engelssöhne bezeichnet werden.

Schnell wird klar, dass das so genannte Engelsfeuer entfacht werden soll, um den Engelsfürsten auferstehen zu lassen, doch mit welchen Mitteln dies geschehen soll und worum es sich dabei genau handelt, das enthält Jörg Kastner uns über weite Strecken des Buches vor. Doch wer sich noch an den Vorgängerband erinnern kann, wird einige Parallelen entdecken, die ziemlich offensichtlich sind. Insbesondere beim Showdown erwartet den Leser ein unangenehmes Déjà-vu – man meint, fast genau die gleiche Szene bereits zu kennen.

Nun ja, ein paar neue Komponenten sind durchaus enthalten und es fehlen auch nicht die atemberaubenden Verfolgsjagden und Mordanschläge, die immer wieder die Spannung steigen lassen und das Tempo anziehen, obwohl Jörg Kastner durch die steten Schauplatzwechsel von vornherein ein ziemlich hohes Erzähltempo anschlägt. So bleibt dem Leser wenig Zeit zum Durchatmen und glücklicherweise oft auch wenig Zeit zur Reflektion über das gerade Gelesene, was dem Roman sicher zugute kommt.

Insbesondere die personellen Schwächen sind schnell aufgedeckt, denn wir treffen wieder auf unsere alten Bekannten, den ehemaligen Gardisten Alexander Rosin und seine nunmehr Exfreundin Elena Vida, die beide unerschrocken zu Werke gehen und sich von keinem Killer den Mut nehmen lassen. Immer wieder stürzen sie sich in gefährliche Situationen und treffen daher mehrfach auf die beiden unbekannten Mörder. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch permanent Elenas Sorge um den ungeborenen Sohn anhören. Natürlich vergisst Kastner es auch nicht, immer wieder Alexanders Schuldgefühle auszubreiten, von denen er aufgrund seiner Untreue heimgesucht wird, aber wer hätte es nicht geahnt? Am Ende – so viel sei verraten, ohne zu viel preiszugeben – erwartet unsere beiden Helden natürlich ein schmalztriefendes Happyend, das ebenso gut aus der Feder einer Rosamunde Pilcher hätte stammen können.

Doch bleiben wir beim Inhalt – und da hat Jörg Kastner leider wenig Neues zu bieten; es treten kaum Charaktere auf, die wir nicht bereits aus den Vorgängerbänden kennen, auch ist der Roman nach exakt dem gleichen Schema konstruiert wie sein Vorgänger und dadurch zu leicht durchschaubar. Thematisch entfernt Kastner sich rein gar nicht von seinem eingeschlagenen Pfad, sondern geht gerade mal ein, zwei Schritte weiter, um einige winzige neue Aspekte ins Spiel zu bringen, die aber wenig Sensationelles zu bieten haben. Als dann schließlich die Söhne verschiedener Engel im großen Finale aufeinander treffen, hoffen wir eigentlich nur noch eins: und zwar, dass Totus Tuus nun endlich ausgerottet sein möge, damit kein weiteres Feuer entfacht werden kann.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Kastner mit „Engelspapst“ ein überzeugender Start in seine Vatikanreihe gelungen ist, die er leider mit dem zweiten Band nicht völlig gelungen fortgesetzt hat, „Engelsfürst“ ist nun nur noch ein müder Abklatsch von „Engelsfluch“ und damit der schwächste der drei bisher erschienenen Bände. Natürlich ist das Buch rasant geschrieben, nett zu lesen und auch ganz unterhaltsam, aber man sollte schon einen Hang zum Mystischen haben, um diesem Buch etwas abgewinnen zu können; logische Gedanken und der Wunsch zur Realitätsnähe sind hier fehl am Platze.

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Tokarczuk, Olga – Letzte Geschichten

Drei Geschichten erzählt Olga Tokarzuk in ihrem neuen Roman. Drei letzte Geschichten – Geschichten vom Tod, vom Sterben, vom davor, danach und währenddessen. Mit ihrer einfühlsamen Sprache lässt sie den Tod zurück in unser Leben; einen Exilanten, der so gern tabuisiert oder schlicht verdrängt wird.

Im ersten Teil des Romans, „Das reine Land“, kommt die Reiseführerin Ida vom rechten Weg ab. Sie ist auf dem Weg zum Haus ihrer Kindheit. Jahre zuvor hatte sie es nach dem Tod ihrer Eltern verkauft, doch nun ist sie in der Nähe und verspürt plötzlich so etwas wie Neugier, Nostalgie, Heimweh gar. Der geliehene Wagen kommt jedoch im Schneegestöber von der Straße ab und verwandelt sich in einen Haufen teuren Schrott. Ida bleibt unverletzt und sucht bei einem Rentnerehepaar Unterschlupf, bis sie die Polizei und die Besitzerin des Wagens informieren kann.

Doch etwas hält sie bei dem gastfreundlichen Ehepaar. Die Tage verstreichen, ohne dass sie die nötigen Telefonanrufe getätigt hätte. Wie in einer Luftblase lebt sie plötzlich dahin, neben der Zeit schwebend, während ihr Leben innehält und abwartet. Statt sich fortzubewegen, weiterzumachen, verfällt Ida in Stillstand. Oder ist das vielleicht nur ein Irrglaube?

Denn auch wenn das alte Ehepaar scheinbar von den Wirren der äußeren Realität unberührt bleibt, so helfen sie doch bedüftigen Kreaturen auf den Weg. Sie sind Reiseführer anderer Art, nehmen todkranke Haustiere bei sich auf und lassen sie sterben: in ihrem eigenen Tempo. Die beiden Alten stehen an der Tür zwischen Leben und Tod, sie bereiten dem Sterben einen Ort und eine Zeit. Und Ida, die Großstädterin, nimmt für ein paar Tage teil an diesem Prozess.

Im zweiten Teil, „Parka“, ist es Idas Mutter, deren Umgang mit dem Tod wir beobachten. Wir befinden uns in einem einsamen Haus in den Bergen. Im Sommer kommt unter Umständen mal die Post und regelmäßig wird auf Vorrat eingekauft. Doch im Winter ist das alte Ehepaar eingeschneit – selbst der Fernseher zeigt nur Schneeflocken. Petro, über 90, stirbt in diesem Winter, und da seine Frau keine Möglichkeit hat, das Dorf zu verständigen, schiebt sie Petros Bett (mitsamt Petro selbstverständlich) schließlich auf die Veranda. Das Leben geht weiter wie bisher. Sie fragt Petro um Rat, beschwert sich über sein Schweigen, rasiert seine Bartstoppeln und schneidet die Fingernägel. Sie lebt mit der Leiche, und schlussendlich scheint es kaum einen Unterschied zu machen, ob Petro nun tot oder lebendig ist. Der tote Ehemann auf der Veranda ist ein Anlass zur Reflektion und Erinnerung und wir erfahren von dem tiefen Keil, den die Repatriierung zwischen die beiden getrieben hat. Aus der Ukraine sind sie gekommen, damals nach dem Zweiten Weltkrieg. Paraskewia kann in Polen keine Wurzeln schlagen, doch die ehemalige Heimat in der Ukraine bleibt ihr ebenfalls verschlossen. Tokarczuk beschreibt hier ein herausgerissenes Leben, einen abgesägten Baum.

Und dann ist da im letzten Teil „Der Magier“ Maja, Idas Tochter. Mit ihrem Sohn bereist sie eine asiatische Insel. Sie arbeitet, sagt sie. Maja schreibt nämlich Reiseführer. In der tropischen Hitze liegt sie da, während Insekten sie plagen und die Geräusche des Dschungels ihr den Schlaf rauben. Ein Buch aus der Heimat verschafft ihr Linderung, es beschreibt die Stadt im Norden, mit ihrer balsamischen Kühle und all den bekannten kleinen Dingen, die einem sagen, man ist zu Haus.

Und doch ist Maja losgelöst, eine treibende Seele in dieser globalisierten Welt. Sie ist überall, doch nirgends zu Hause. Während Maja in der Schwermut versinkt, die Tokarczuk so liebevoll über ihr Südseeparadies legt, freundet sich ihr Sohn mit einem todkranken Magier an. Der bringt dem Jungen ein paar Taschenspielertricks bei (darunter die klassische zersägte Jungfrau) und vollführt am Ende das größte magische Kunststück überhaupt: Er stirbt.

In einem Interview sagte Tokarczuk einmal, sie schreibe in Bildern. Als Autorin übersetze sie Bilder in Wörter. Diese sensible Herangehensweise an Sprache und die damit verbundene Verknüpfung von innerer mit äußerer Welt machen Tokarzcuks Erzählungen so lesenswert. Ob sie einen schreienden Affen an Majas Fenster beschreibt oder Paraskewias Umsiedlung nach Polen: Als Leser wird man nie das Gefühl los, dass selbst der kleinste Nebensatz, das nebensächlichste Bild noch auf größere Zusammenhänge verweisen kann. Träume sind für Tokarzcuk eine wichtige Inspiration, und wie im Traum kann auch in ihren Geschichten jede Kleinigkeit eine tiefere Bedeutung haben. Vor allem aber wirken diese kraftvollen und doch so leisen Bilder intuitiv auf den Leser. Ihre suggestive Sprache bohrt sich geradezu in die Erinnerung, setzt sich fest und erstrahlt irgendwann zu voller Blüte. Selbst wenn die Handlung stagniert (eigentlich „passiert“ kaum etwas in „Letzte Geschichten“), treibt die Sprache selbst den Leser immer weiter voran, tiefer in das Herz der Finsternis, hinein in die Erinnerungen, Ängste und enttäuschten Hoffnungen seiner Protagonisten.

Wie immer zeichnet Esther Kinsky für die Übersetzung verantwortlich, die seit Jahren Tokarczuk meisterlich ins Deutsche überträgt. Man muss nicht unbedingt ein Fan polnischer Literatur sein, um Tokarczuk zu mögen. Was sie beschreibt, ist universell. Es sind immer Menschen, die zwar lose in der polnischen Geschichte verankert sind. Doch letztendlich ist ihre Welt die unsere. Ihre Probleme sind die unsrigen.

Wer auf sprachliche Meisterschaft Wert legt und statt eines Glases Wein lieber einmal einen sorgfätig komponierten Roman genießen möchte, der ist bei Olga Tokarczuk immer gut aufgehoben. „Letzte Geschichten“ macht da keine Ausnahme.

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