Burgwächter, Till – Sorry, aber so isses! – Böse Texte für den Rest der Welt

Das Lieblingslexikon für Onliner namens Wikipedia lehrt uns über den Witz, dass dieses Wörtchen vom Althochdeutschen stammt, wo wizzi gleich Wissen hieß. Gemeint ist mit dem Witz als solchem ein kurz formulierter Sachverhalt, der in der „Pointe“ die plötzliche Option eröffnet, der angebotenen Information nicht mehr mit dem gebotenen Ernst zu begegnen – wobei die Betonung auf „plötzlich“ liegt.

Warum Heavy-Metal-Humorist Till Burgwächter diese Definition des Witzes einmal lesen sollte? Seine Satiren in „Sorry, aber so isses! – Böse Texte für den Rest der Welt“ sind zwar annehmbar für Leute, die sich ein wenig lustig machen wollen über das Treiben auf der Erde und dabei einfach einmal ihre eigenen Vorurteile bestätigt wissen möchten – aber im eigentlichen Sinne komisch schreibt er nicht. Burgwächters Texte sind zu vorhersehbar. Die Pointen lächeln schon Zeilen vorher um die Ecke und basieren ausschließlich auf Klischees. Da geht es gegen Rentner in ihren langsamen Autos. Gegen Beamte. Gegen Gospelchöre. Gegen Polizisten. Gegen alte Damen in Cafés. Eben gegen Menschen, die sich sowieso nicht wehren können und wunderbare Opfer für jeden Stammtisch sind – die alle zieht Burgwächter mal mehr, mal weniger gelungen durch den Kakao. Auch Sportler oder Schauspieler bekommen bei so einem Rundumschlag ihr Fett weg, keine Frage. Doch wirkt Burgwächter in seinen Texten nie souverän, sondern eher wie jemand, der sonst keinen Spaß in seinem Leben hat und deshalb möglichst sarkastisch, mitunter sogar zynisch gegen das wettert, was ihm an seinem Dasein nicht passt.

Damit ist er weit entfernt von den Qualitätsstandards, die einst etwa ein Dieter Hildebrandt in seinem unvergessenen „Scheibenwischer“ setzte, aber auch noch lange nicht an dem genialen Punkt, den heute etwa die Satirezeitschrift „Titanic“ durch ihre absolute Überhöhung des Sarkasmus mit jeder Ausgabe erreicht. Ein Vergleich tut da Not: Ein „Titanic“-Redakteur etwa raucht locker einen Joint und schreibt dabei über das neue Projekt von „DIE PARTEI“ – die Partei, die es auch wirklich gibt und die laut ihrem Programm die Mauer zwischen Ost und West wieder mit den Steinen der niederzureißenden Dresdner Frauenkirche aufbauen will. So etwas ist cool, das hat provokativen Stil. Burgwächter dagegen schreibt von der Bundeswehr, wie blöde alle sind, die dort arbeiten – das mag für ein Klischee stimmen und wohl auch in Wirklichkeit so sein. Aber was ist an dieser Erkenntnis witzig oder neu?

Das ist denn auch das Hauptproblem an „Sorry, aber so isses!“ – die meisten Themen sind zu oft schon durch den Kakao gezogen worden, Burgwächter überrascht kaum mit neuen Sichten auf die Welt. Freilich, an sich sind seine Texte recht anschaulich beschrieben, seine Sprache abwechslungsreich und ausdrucksstark. Dennoch langweilt Burgwächters Buch auf Dauer; manchmal, wenn die Weltsicht des Autoren zu sehr von der eigenen Meinung abweicht, ist es sogar regelrecht ärgerlich – und manches Gesabbel wie „Nur die Liebe zählt …“ oder „Die Dritten“ ist schlicht so an den Haaren herbeigezogen, dass es nicht mehr glaubwürdig klingt. Burgwächter ist damit wie sein satirelnder Gothic-Autoren-Kollege Christian von Aster bei dem Versuch gescheitert, gelungene Glossen eben nicht nur über die eigene Musik zu schreiben – schade eigentlich.

Andreas Gruber – Der Judas-Schrein

Der Wiener Kripobeamte Alex Körner steckt in Schwierigkeiten. Sein erster Fall als Chefinspektor endete durch seine Fahrlässigkeit in einem Desaster mit mehreren Verletzten. Zur Rehabilitierung wird er auf den Mordfall eines Mädchens in einer Dorfdisko angesetzt. Beim abgelegenen Grein am Gebirge handelt es sich um Körners einstige Heimatstadt, in der er die ersten vierzehn Jahre seines Lebens verbrachte. Nach dem Tod seiner Eltern bei einem Hausbrand zog er nach Wien und brach jede Verbindung zu seinem alten Leben ab. Wider Willen muss Körner jetzt nach fast dreißig Jahren in seine Heimat zurückkehren. Als Unterstützung steht ihm die Polizeipsychologin Dr. Sonja Berger zur Seite. Den Rest des Ermittlerteams bilden seine Ex-Freundin Jana Sabriski als Gerichtsmedizinerin, der zurückhaltende Polizeifotograph Kralicz, von den anderen nur liebevoll „Basedov“ genannt, und der sarkastische Spurensicherer Rolf Philipp.

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Stewart, Paul – Twig im Auge des Sturms (Die Klippenland-Chroniken III)

Band 1: [Twig im Dunkelwald 1936
Band 2: [Twig bei den Himmelspiraten 1999

Die „Klippenland-Chroniken“ gehen in die dritte Runde und kommen dieses Mal auch um einiges actiongeladener und effektreicher daher, als dies noch bei den beiden direkten Vorgängern der Fall war. Hierfür ist vor allem der weitaus mehr in den Vordergrund gerückte Sound von Olaf Normann verantwortlich, der einem schon in den ersten Szenen entgegenschießt. Doch auch sonst hat die Geschichte des jungen Himmelspiraten Twig wieder so einiges zu bieten. „Twig im Auge des Sturms“ verspricht jedenfalls wieder mehr als fünf Stunden tolle Atmosphäre, eine superbe Erzählstimme und Spannung pur.

_Story_

Noch immer ist Twigs Vater, der legendäre Himmelspirat Wolkenwolf, nach dem Unglück auf seinem Himmelsschiff verschwunden. Nachdem Sanktaphrax in letzter Minute gerettet werden konnte, macht sich Twig daher auch wieder auf die Suche nach dem bereits totgeglaubten Captain und findet ihn schließlich auch wenige Augenblicke vor dessen Dahinscheiden. Fernab von Twigs neuer Heimat kann dieser ihn gerade noch vor dem gewaltigen Muttersturm warnen, der schon sehr bald wieder das Klippenland aufsuchen soll, um so wieder die berüchtigten weißen Sümpfe zum Leben zu erwecken.

Auf dem Weg dahin soll der fürchterliche Wind auch über Sanktaphrax hinwegfegen und die Stadt vom Erdboden tilgen. Twig hat gar keine Zeit mehr, sich von seinem Erzeuger und Lehrmeister zu verabschieden und begibt sich mit dem |Klippentänzer| auf dem direkten Weg zurück in die Stadt der Akademiker, gerät aber dabei direkt in einen unheimlichen Wirbelsturm, der die gesamte Besatzung des Schiffes in alle Winde verstreut.

Twig wacht kurze Zeit später in Unterstadt auf und kann sich nur bruchstückhaft an die Geschehnisse erinnern. Sein Schiff ist anscheinend endgültig vernichtet, und von seinen Kameraden gibt es keine Spur. Statt mit dem berühmten Himmelsschiff nach Sanktaphrax zu fliegen und die dort lebenden Menschen vor dem drohenden Unglück zu warnen, muss sich Twig nun zunächst auf die Suche nach seiner alten Crew machen, doch dies gestaltet sich weitaus schwerer, als er sich das vorgestellt hatte …

_Meine Meinung_

Bei „Twig im Auge des Sturms“ geht es wirklich ordentlich zur Sache. Wie schon oben angedeutet, spielt die Action im dritten Teil der Saga eine gewichtige Rolle und kommt auch in keinem Abschnitt der Handlung zu kurz. Dafür verzichtet Autor Paul Stewart auch fast gänzlich auf eine Einleitung und setzt das vorab Geschehene bereits als bekannt voraus, was er aber prinzipiell auch darf. So gerät man sofort mit Twig in den großen Muttersturm hinein, den Soundmann Olaf Normann hier auch sehr opulent in Szene gesetzt hat. Als das Schiff der Himmelspiraten getroffen wird, kommt das schon einem richtigen Donnerschlag gleich, und auch später nutzt Normann sämtliche Gelegenheiten aus, um Musik und Effekte flächendeckend unterzubringen.

Die Geschichte selbst glänzt ebenfalls durch ein leicht gesteigertes Erzähltempo, das nach dem rasanten Beginn auch beibehalten werden soll. Das eigentliche Abenteuer beginnt allerdings erst nach dem Absturz des |Klippentänzers|, denn von dort an werden auch wieder neue Charaktere vorgestellt, es müssen neue Hürden in unbekannten Regionen bewältigt werden und anders als sonst ist Twig dieses Mal komplett auf sich alleine gestellt. Die Hauptfigur der Geschichte wächst immer weiter in ihre von Anfang an erdachte Heldenrolle hinein und kommt mit dieser auch immer besser zurecht. Aus dem hilflosen kleinen Kerl ist eine echte Persönlichkeit geworden, und auch dies macht einen Unterschied zu den ersten beiden Erzählungen aus, bei denen Twig noch recht jugendlich wirkte.

Von der überraschenden Härte des letzten Hörbuchs ist man bei „Twig im Auge des Sturms“ jedoch wieder ein wenig abgewichen. In erster Linie ist die Geschichte nämlich auch hier wieder auf ein etwas jüngeres Publikum zugeschnitten, und auch wenn es mitunter manchmal (im übertragenen Sinne) etwas heftiger zur Sache geht, ist die Erzählung dennoch recht leichtfüßig und kommt ohne jegliche zweifelhafte Szene aus. Vorbildlich wie immer!

Über den Erzähler möchte ich an dieser stelle indes nicht mehr viele Worte verlieren. Volker Niederfahrenhorst verstellt seine Stimme auch hier wieder in den unterschiedlichsten Tonlagen und hat spürbar Spaß an seiner Arbeit – Spaß, der sich auch auf den Hörer überträgt. Die Atmosphäre ist erneut prächtig, die Handlung sehr fließend gestaltet und die Charaktere nach wie vor einzigartig in ihrer Erscheinungsweise. Hier lohnt sich auch ein Blick ins Booklet, das neben einigen kurzen Hintergrundinformationen noch einen Mini-Almanach mit Erklärungen zu den Wesen aus dem Klippenland mitliefert und dazu auch noch einige ausgewählte Illustrationen seitens Chris Riddells enthält, der ja auch die Buchfassung der „Klippenland-Chroniken“ mit seinen hübschen, humorvollen Skizzen bereichert.

Alles in allem ist dieser dritte Teil also eine sehr gelungene und spannende Fortsetzung, für die man dieser Tage gerne noch sein überschüssiges Weihnachtsgeld ausgeben kann.

Feige, Marcel – Inferno – Ruf der Toten

Der Berliner Autor Marcel Feige wagt sich mit seinem vierten Roman „Inferno – Ruf der Toten“ an eine Trilogie, die – soweit man dies nach dem vorliegenden ersten Band beurteilen kann – nichts Geringeres als das Ende der Menschheit heraufzubeschwören scheint. Eine Menschheit, die mit großen Schritten auf die Apokalypse zusteuert, auf einen Zusammenstoß von Imagination und Wirklichkeit, von Vergangenem und Gegenwärtigem, von Leben und Tod. Und eines möchte ich gleich vorwegschicken: Nach den letzten Sätzen von „Inferno – Ruf der Toten“ möchtet ihr am liebsten sofort wissen, wie die Geschichte weitergeht und alles zusammenhängt. Garantiert! Kein Zweifel!

_Unheilvolle Vorboten_

Nach einer durchgefeierten Drogen-Nacht kollabiert Philip auf den Straßen Berlins. Das beängstigende Nahtoderlebnis, das er in diesem Moment hat, ist nur der Beginn einer Reihe von merkwürdigen Visionen, die ihn von nun an heimsuchen sollen und ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Irgend etwas scheint mit ihm nicht in Ordnung zu sein …

London: Beatrice, eine völlig normale, 22-jährige junge Frau, erleidet wie aus heiterem Himmel einen Herzinfarkt. Im Krankenhaus kann ihrem zukünftigen Ehemann Paul wenig später nur noch die Nachricht des Todes seiner Verlobten überbracht werden. Als dieser sich in der Leichenhalle ein letztes Mal von Beatrice verabschieden will, macht er eine schockierende Entdeckung: Seine Freundin ist spurlos verschwunden.

An anderer Stelle Londons: Beatrice erwacht in einer dreckigen Gasse und kann sich nicht mehr an ihre Identität erinnern. Der obdachlose Elonard, der in allerletzter Sekunde verhindern kann, dass sie von ein paar schmierigen Typen vergewaltigt wird, ist ihr behilflich, ihr Leben zu rekonstruieren.

In Rom tritt eine geheime Versammlung von Würdenträgern des Vatikans zusammen, um über Maßnahmen zu beraten, wie eine sich durch verschiedene Zeichen andeutende Katastrophe für die Menschheit abgewendet werden kann …

_Beurteilung_

Marcel Feige lässt von Beginn seines Romans keinen Zweifel daran, dass es ihm mit seiner „Inferno“-Trilogie absolut ernst ist und er vor allem das Talent hat, eine etwas komplexere Geschichte nicht in einem Sumpf aus Überambition und Orientierungslosigkeit versickern zu lassen. Kontinuierlich steigert er die Spannung, so dass der Leser zusammen mit den Figuren in einen Strudel der Ereignisse gesogen wird. Dabei lässt Feige mehrere Handlungsstränge parallel zueinander ablaufen, deren Zusammenhänge in „Inferno – Ruf der Toten“ lediglich angedeutet werden und für die beiden kommenden Bände noch einiges hoffen lassen.

Die Hauptfiguren des Romans sind zudem so angelegt, dass sie dem Leser – wenn man den fantastischen Hintergrund der Geschichte außer Acht lässt – ein leises „Das könnte dir auch passieren“ einflüstern. Denn sowohl der junge Fotograf Philip, der zwischen Verantwortungsbewusstsein im Job und drogengeschwängerten Partys hin- und hergerissen ist, als auch Beatrice, eine 22-jährige Studentin, sind absolute Durchschnittsmenschen, wie sie einem jeden Tag auf der Straße über den Weg laufen. Beide schickt Feige auf einen sehr schmerzvollen Trip, auf dem der Tod ein ständiger Begleiter ist.

Neben diesen zentralen Personen erhoffe ich mir persönlich noch viel von den beiden dubiosen Vatikan-Schergen Lacie und Cato, die für die altehrwürdigen Eminenzen unliebsame Probleme auf eine hässliche, aber konsequente Art und Weise lösen. Da stehen uns für die kommenden Bände sicherlich noch einige Zeugenbeseitigungsaktionen ins Haus.

„Inferno – Ruf der Toten“ ist alles in allem ein wirklich lesenswertes Buch, das locker und sprachlich versiert geschrieben ist – vor allem gelingt es Marcel Feige, mit nur wenigen Worten, die verschiedenen Situationen lebhaft vor dem geistigen Auge des Rezipienten entstehen zu lassen – und einige Vorfreude auf die 2006 erscheinenden Bände zwei und drei weckt.

Temporeich, spannend und ziemlich kickend!

http://www.festa-verlag.de/
http://www.dasinferno.de/

Bolik, Martin – Open Sky

_Besetzung_

Erzählerin LAIKA – Daniela Ziegler
Weltraumhund GO – Reent Reins, Franz Josef Steffens
Computerfloh – Monika Maria Ullemeier
ALOHA – Ulrike Englisch
Jazzmusikerhund Phil – Christian Eitner
In weiteren Rollen: Inga Quistorf und Volker Adam
Übersetzer (hundetelepathisch/deutsch) – Ringo (Hund)

_Inhalt_

Kurz vor der Wende zum fünften Jahrtausend wird LAIKA von einem Notruf geweckt. Die Nachfahrin der ersten Raumfahrtpionierin aus dem Jahre 1957 und Psychologin auf der Hundekolonie Proxima Centauri sieht sich plötzlich mit der Zerstörung ihres Planeten konfrontiert. Und dabei kommt der plötzliche Hilferuf zu einem Zeitpunkt, an dem das Leben für LAIKA völlig harmonisch verlief; erst gestern hatte sie ihren Therapiehund GO in einer weiteren Sitzung behandelt, und nun droht ihr und der gesamten Kolonie das Ende.

Gerade noch rechtzeitig gelingt ihr die Flucht, bevor der Planet komplett vernichtet wird, und sobald sich LAIKA gefangen hat, merkt sie auch, dass ihre Umwelt sich völlig verändert hat. Sie befindet sich nicht mehr im Jahre 3999, und auf der Suche stößt sie auf einen Hilferuf, der direkt vom Weltraumhund GO ausgeht. Als LAIKA dann in einer fremden Zeit und Welt die Dinge auf den Kopf stellt, hat das für die Nachwelt gravierende Auswirkungen. Sie wird von der Zeitpolizei wegen der verbotenen Korrektur der Historie verhaftet, landet in einem Gefängnis, von wo aus sie davon berichtet, dass sie verdächtigt wird, den Präsidenten GO umgebracht zu haben. In dieser beklemmenden Umgebung entspringt schließlich auch die Erzählung als solche …

_Meine Meinung_

Ich habe mich mit diesem Hörspiel unheimlich schwer getan, weil es nun mal alles andere als gewöhnlich ist. Hört man sich „Open Sky“ zum ersten Mal an, wird man gerade zu Beginn nur wenig Sinn in den wirren Schilderungen der Erzählstimme LAIKA erkennen. Was geht hier eigentlich ab? Erst nach und nach ergibt das Ganze einen Sinn, wobei die Geschichte dabei schon so viele spirituelle Nuancen aufweist, dass man schon einmal klar sagen kann, dass „Open Sky“ nur einem limitiertem Publikum vorbehalten und zum nebenher laufenden Zwischenkonsum ganz und gar nicht geeignet ist. Außerdem wirkt die oben beschriebene Geschichte rückblickend auch nur als Aufhänger für weitschweifige Grundsatzdiskussionen auf philosophischer Ebene, die ja ebenfalls nicht jedermanns Fall sein sollen.

Innerhalb der Erzählung tauchen neben vielen obskuren Weisheiten nämlich immer wieder Fragen auf, die sich nach der altbekannten Thematik, worin der Sinn des Lebens eigentlich besteht, richten. Mich persönlich hat „Open Sky“ zum Ende hin verdächtig an „Per Anhalter durch die Galaxis“ erinnert, nur eben dass der Humor von Douglas Adams dort im Vordergrund stand und die Geschichte immer dann, wenn es erforderlich war, auflockerte. Solche Passagen vermisst man indes bei diesem Hörspiel, wo man sich lieber gereifter und intellektueller geben möchte. Direkt am Anfang wird so zum Beispiel der Name Goethe ins Rennen geworfen, und statt eines normalen Soundtracks hat sich Regisseur Martin Bolik für klassische Musik von Tschaikowski, Holst und Korsakow entschieden. Der Knackpunkt hierbei ist, dass gerade diese sehr künstlich aufgebauschte Aufmachung der Atmosphäre des Hörspiels den Halt nimmt. Nicht nur, dass die maschinellen Stimmen und die sehr kalte Grundstimmung einem den Einstieg und auch die Konzentration für die Folgezeit erschweren; auch die grundlegende Atmosphäre will über die komplette Spielzeit nicht aufkommen und raubt der Geschichte nicht nur die Spannung, sondern letztendlich auch den ersuchten Tiefsinn.

Dass „Open Sky“ demzufolge wohl auch kaum für die jüngere Generation geeignet ist, sollte klar sein, und überhaupt scheint sich Martin Bolik nicht an das ‚einfache Volk‘ gerichtet zu haben. Hier verschmelzen esoterische Elemente mit spacigem Flair, leider aber eben nicht so atemberaubend, wie man sich das vielleicht gewünscht hätte. Und trotzdem ist das Gesamtunterfangen jetzt nicht wirklich schlecht zu bewerten. Mitunter mag es auch an meiner persönlichen Erwartung im Hinblick auf ein modernes Hörspiel liegen, dass ich mit „Open Sky“ nur wenig anfangen kann. Festzuhalten bleibt für mich daher auch lediglich, dass die Geschichte nur selten spannend ist, die Stimmen einem nach einiger Zeit auf die Nerven gehen und dass „Open Sky“ trotz vieler offensichtlicher Parallelen zum Gesamtwerk von Douglas Adams nicht einmal annähernd an den tollen Stil des britischen Kultautors heranreicht.

Der Grundansatz war dementgegen recht viel versprechend; zwei CDs, bei denen es prinzipiell keine Rolle spielt, in welcher Reihenfolge sie gehört werden (wobei Anfängern die chronologische Abfolge zu empfehlen ist), und eine sehr interessante Background-Geschichte, erzählt aus verschiedenen Perspektiven und basierend auf verschiedenen Einstellungen. Und auch die vielen Ideen und Gesprächsthemen, die auf den Tisch gebracht werden, haben es definitiv in sich. Dritter Weltkrieg, kalter Krieg, religiöse Macht, ganz schön pikant, was hier zur Sprache kommt. Tja, gescheitert ist das Ergebnis lediglich an der Umsetzung, denn ohne eine entsprechende Atmosphäre funktioniert ein solches Hörspiel nicht. Und trotz klassischer Musik und Quertendenzen zu diversen Space-Opern ist diese bei „Open Sky“ nicht ersichtlich bzw. wahrnehmbar.

Williams, Tad – Shadowmarch: Die Grenze

Tad Williams gehört definitiv zu den anspruchsvollsten Fantasy-Autoren der Gegenwart. Insbesondere sein Epos um die Welt Osten Ard ist ein Juwel in der Veröffentlichungsflut, welches durch glaubwürdige Figuren und einen stimmigen Plot sowie liebevoll ausgearbeiteten Hintergrund besticht. Während andere Autoren oft nicht über das bloße Aneinanderreihen von Textbausteinen und Stereotypen hinauskommen, scheint Osten Ard vor Leben geradezu zu pulsieren. Mag J.R.R. Tolkien aufgrund seiner Fachkompetenz in Sachen Philologie und nordischer Mythologie auch der tiefere Weltenschöpfer gewesen sein – Williams hat ein besseres Gespür für die Grauschattierungen der menschlichen Seele.

Sein nächster großer Wurf – die „Otherland“-Saga – ist zwar ungleich populärer, hat mich aber persönlich weniger überzeugen können. Das Grundkonzept (ein virtuelles Multiversum aus fantastischen Einzelwelten) hätte an sich bereits völlig ausgereicht, um eine gute und frische Story zu produzieren. Williams hat aber mehr gewollt – und „Otherland“ letztlich mit einer zweistelligen Anzahl von Hauptfiguren und Nebenplots völlig überfrachtet. Da ist von der lesbischen, aus Australien stammenden Polizistin griechischer Herkunft bis zum schwulen schwarzen Butler aus Südafrika alles dabei, und spätestens ab der Mitte der Story hat Williams deutliche Schwierigkeiten, die einzelnen Handlungsfäden zu verknüpfen. Das zeigt sich zum einem an den immer rasanter folgenden Szenenwechseln und zum anderen an den Schlussdialogen, welche alles aufklären müssen, was Williams bis zum Showdown nicht fertig bekommen hat. Unterm Strich weist die Reihe dennoch eine überdurchschnittliche Qualität auf, was erahnen lässt, welches schriftstellerische Potential noch in diesem Autoren schlummert.

Umso mehr freue ich mich, dass Williams mit seinem nächsten Projekt „Shadowmarch“ wieder in die Fantasy-Gefilde zurückgekehrt ist. Ursprünglich hat Williams die Geschichte als TV-Serie konzipiert, was sich narrativ immer noch in der Wahl eines dominierenden Schauplatzes (der „Südmarkfeste“) widerspiegelt. Nachdem das TV-Projekt scheiterte, wollte Williams zunächst Pionierarbeit leisten, indem er den Beginn von „Shadowmarch“ als Fortsetzungsroman im Internet publizierte. Die Leser sollten gegen Bezahlung den Roman abonnieren, d.h. in bestimmten Abständen neue Kapitel übers Netz erhalten. Aber auch dieser zweite Anlauf ist letztlich gescheitert (wiewohl sich aus http://www.shadowmarch.com eine lebendige, bis heute bestehende Online-Community entwickelt hat), weshalb die Geschichte nun als reguläre Buchreihe erscheint.

Auf der ersten Innenseite des Einbandes prangt (wie schon beim „Drachenbeinthron“) eine Karte, welche die neu von Williams ersonnene Welt auszugsweise darstellt. Im Wesentlichen spielt sich die Handlung zunächst auf dem Kontinent „Eion“ ab; vom südlichen Kontinent „Xand“ ist nur die Nordspitze zu sehen. Eion ist erst vor vergleichsweise kurzer Zeit (wenige Jahrhunderte) von Menschen besiedelt worden, während Xand seit Jahrtausenden durch das Imperium von Xis beherrscht wird.

Die fiktive Hochkultur der Xander wurde offensichtlich durch die Reiche der alten Ägypter und südamerikanischen Indianer inspiriert. Von den Eionern erfahren wir leider wenig außer der Tatsache, dass sie Polytheisten sind, sich auf verschiedene Königreiche bzw. „Marken“ verteilen und technologisch irgendwo an der Schwelle zur Renaissance stehen. Die „Südmark“ und die „Markenlande“ scheinen kulturell aber eher „abendländisch“ zu sein, während „Hierosol“ einen leicht maurischen Touch hat.

Zwischen den beiden Kontinenten herrschte lange Zeit Funkstille, aber dieser Zustand ist nun im Wandel begriffen. Der neue Autarch, eine Art Gottkönig der Xander, scheint seine Kräfte für eine mögliche Invasion von Eion zu mobilisieren. Aber auch die geheimnisvollen Ureinwohner von Eion, welche über die Jahrhunderte hinweg systematisch von den Menschen verfolgt wurden, rühren sich wieder. Die so genannten „Qar“ haben sich schließlich in die „Zwielichtlande“ im Norden von Eion zurückgezogen und einen magischen, schattigen Nebel erzeugt, welcher Menschen in den Wahnsinn treiben kann. Solcherart vor weiteren Angriffen geschützt, haben die Qar eine bislang fixe „Schattengrenze“ gesetzt.

Diese „Schattengrenze“ des geheimnisvollen Nebels bewegt sich nun aber immer weiter auf die Südmarkfeste zu – grob vergleichbar mit dem „Nichts“ aus Michael Endes „Unendliche Geschichte“, welches sich langsam durch Phantásien zum Elfenbeinturm der Kindlichen Kaiserin durchfrisst.

Die politische Ausgangslage ist somit für die Menschen der Südmark und der Markenlande – der Heimat der eionischen Protagonisten – denkbar ungünstig: Vom Norden her droht das „Elbenvolk“ der Qar, welches seinen ursprünglichen Mutterboden (inklusive der Südmarkfeste) wieder zurückerobern will. (Kenner der „Osten Ard“-Saga werden hier Parallelen zum Hochhorst und den ebenfalls vertriebenen Elbenvölkern der Nornen und Sithi sehen.) Vom Südkontinent Xand aus infiltrieren bereits Handlanger des Autarchen die Südmarkfeste. Die Bewohner dieser Burg müssen sich also eventuell auf einen Zweifrontenkrieg gefasst machen – was für sie zugleich der erste große Krieg seit Jahrhunderten wäre.

Als wäre das nicht bereits genug, liegt die Königsfamilie der Südmarkfeste auch noch mit dem benachbartem Königreich Hierosol im Clinch. Der König von Hierosol hat König Olin von der Südmarkfeste entführen und inhaftieren lassen, so dass Südmark und Markenlande nun ohne ihr Staatsoberhaupt auskommen müssen. Die vakante Stelle wird zunächst behelfsmäßig von Kendrick, Olins ältestem Sohn, besetzt. Der Prinz ist dieser Verantwortung jedoch nicht gewachsen und schlittert unaufhaltsam auf eine Katastrophe zu.

Kendrick wird durch eine unbekannte Person ermordet, aber es gibt bereits einen Hauptverdächtigen: Der persönliche Kampftrainer der Königskinder, welcher sich aber aufgrund eines persönlichen Schwurs nicht selbst entlasten kann. Die Südmarkfeste fungiert nun als begrenzter Schauplatz, und Williams fügt der Handlung ein typisches „Who dunnit?“-Motiv à la Agatha Christie hinzu.

Da die alte Königin tot und Olins aktuelle Gemahlin hochschwanger ist, bleiben nur noch die Zwillinge Barrick und Briony – Kendricks jüngere Geschwister – in der Thronfolge übrig. Der Prinz und die Prinzessin sind grade mal fünfzehn Jahre alt, was nicht unbedingt für eine Steigerung im Vergleich zu Kendricks Politik zu sprechen scheint. Zwar werden die beiden Protagonisten vermutlich dennoch ihren Weg irgendwie meisten (wie man das von Wiliams leidgeprüften Helden eben kennt), aber dafür verhalten sie sich auch nicht glaubhaft wie Fünfzehnjährige.

Die Zwillinge sind permanent mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, weshalb der oben beschriebene Plot dann doch nicht wirklich in die kriminalistische Richtung geht. Zwar finden die beiden nach und nach heraus, dass jeder in der Burg sein eigenes Süppchen kocht, aber sie „ermitteln“ nicht. Briony etwa verbucht die Ermordung ihres älteren Bruders einfach unter „sehr verwirrend“ und wendet sich persönlichen Machtkämpfen am Hof zu. Barrick wiederum kränkelt während des Großteils der Handlung; am Ende führt er als Feldherr die Schlacht gegen die Qar.

Das größte Rätsel der Geschichte besteht vorerst in dem Auftauchen eines kleinen Jungen, welcher aus den Zwielichtlanden „angespült“ worden zu sein scheint – und darüber sein Gedächtnis verloren hat. Wie wir aus dem Prolog erfahren, wurde er wohl vom König der Qar selbst in das Reich der Menschen zurückgeschickt. Er trägt ein geheimnisvolle Artefakt bei sich und soll später bei einem mysteriösen „Spiegelpakt“ eine wichtige Rolle spielen. Zunächst wird er aber von einem alten Funderlings-Pärchen in der Nähe der Südmarkfeste quasi adoptiert.

Das politische Intrigenspiel in der Südmarkfeste ist bei Williams – soweit mir bekannt – etwas Neues. Zwar nimmt es keine Ausmaße wie z.B. in Frank Herberts „Dune“-Zyklus an, aber es fügt der Story auf jeden Fall ein paar interessante Aspekte hinzu. Ansonsten bleiben die meisten Figuren jedoch etwas farblos, weil Williams den Hintergrund diesmal weniger detailverliebt und eher skizzenhaft beschreibt.

Eine schöne Ausnahme ist hier jener Nebenplot, welcher sich in Xand abspielt. Die dekadent-exotische Gesellschaft am Hofe des Autarchen wirkt im Vergleich zu den Schauplätzen von Eion deutlich plastischer. Insbesondere die Beschreibung des riesigen Haremkomplexes (inklusive transsexueller Eunuchen), welchen der Autarch sein eigen nennt, hat mir sehr gut gefallen.

Interessant ist aber auch das Volk der Qar, welches nicht viel mit den traditionellen Fantasy-Elben zu tun hat. Tatsächlich ist „Qar“ nur ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Völkern, welche allerdings alle demselben Königspaar unterstehen. Williams hat sich hier wohl von den keltischen Feen-Geschichten inspirieren lassen. Somit kopiert er im Gegensatz zu vielen anderen Autoren Tolkien nicht, sondern schöpft aus derselben Quelle wie dieser.

Die anderen Völker – u.a. Däumlinge bzw. „Dachlinge“ und kleine Bergarbeiter namens „Funderlinge“ – wirken weniger mystisch, sondern eher blass. Aber vielleicht wird sich das ja in den Folgeromanen noch ändern.

Tad Williams schreibt aus der Perspektive eines auktorialen Erzählers, weshalb im Text Dialoge und innere Monologe dominieren. Leider merkt man Williams an dieser Stelle an, dass er längst mit dem Schreiben seine Brötchen verdient. Das Handwerk beherrscht er aus dem Effeff – gute Unterhaltung ist somit garantiert.

Das Konzept „viele Figuren mit vielen Problemen = viel Handlung“ wird mir aber etwas zu routiniert abgehandelt. Das „gewisse Etwas“ fehlt hier noch, weil die Figuren diesmal zu leicht zu durchschauen sind. Früher hat es bei Williams immer recht lange gedauert, bis überhaupt klar war, wo die einzelnen Figuren bezüglich ihrer wahren Motive und ihrer Bedeutung für die Handlung eigentlich stehen. Abgesehen davon ist auch die Sprache des Romans etwas verflacht, was aber auch an der Übersetzung liegen kann.

Alles in allem kann ich den ersten Teil von „Shadowmarch“ durchaus empfehlen. Williams-Fans sollten aber lieber ihre Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Ich persönlich bin gespannt auf den nächsten Teil, aber ich bin etwas skeptisch, ob Williams hier an die alten Erfolge wirklich anknüpfen kann. Der erste Teil von „Shadowmarch“ ist für sich betrachtet sicherlich immer noch überdurchschnittlich gute Fantasy, aber mit Sicherheit kein Meisterwerk. Ich hoffe, dass Williams sich für die nächsten Romane mehr Zeit nehmen wird.

http://www.tadwilliams.de/

Don-Schauen, Florian / Herz, Britta / Hlawatsch, Ralf / Römer, Thomas – Schwarze Auge, Das (Basis-Box; DSA4)

_Allgemein_

„Das Schwarze Auge“, kurz DSA, ist das wohl erfolgreichste Pen&Paper-Rollenspiel Deutschlands und spielt in einer klassischen Fantasywelt namens Aventurien. Ganz genau gesehen, ist Aventurien nur ein Kontinent, aber das ist hier nicht weiter von Belang (ich spiele jetzt schon einige Jahre DSA und war noch auf keinem anderen Kontinent). In dieser „Das Schwarze Auge 4“-Basisbox sind die Grundregeln enthalten. Daher ist sie für das Spielen unverzichtbar.

Neben verschiedenen Menschenvölkern kann der Spieler sich auch entscheiden, Elfen oder Zwerge und mit der Erweiterungsbox „Schwerter und Helden“ auch Orks, Goblins und Echsenmenschen (Achaz) zu spielen. Natürlich gibt es auch verschiedene Professionen. Neben den klassischen wie Magier, Krieger, Söldner und Hexe warten auch noch eine Reihe anderer Berufe auf die Helden.

Aber Aventurien ist auch eine gefährliche Welt, in der Oger, Drachen, Untote und noch einiges Schlimmeres lauert. In vielen Jahren Arbeit, sowohl von Autoren als auch Fans, wurde Aventurien immer detaillierter beschrieben und genauer ausgearbeitet, was dazu führte, dass es mittlerweile nur noch wenige „weiße Flecken“ auf der Karte gibt.

Dies ist einerseits von Vorteil, da es eine genaue Beschreibung und rollenspielerische Tiefe ermöglicht. Der Nachteil ist natürlich, dass so dem Spielleiter weniger Handlungsspielraum bleibt, wenn er eine erfahrene Rollenspielergruppe vor sich hat.
Dadurch, dass aber alle zwei Monate der „Aventurische Bote“ (eine Zeitschrift über DSA, die sich mit den neuesten Ereignissen in dieser Welt beschäftigt) erscheint, entwickelt sich Aventurien sowohl politisch als auch geographisch immer weiter, was wiederum eine Menge Anreiz auch für alte DSA-Hasen bietet.

So, das war DSA und Aventurien in groben Zügen. Kommen wir zum Boxeninhalt.

_Inhalt_

– „Das Schwarze Auge: Die Basisregeln“
– „Der Weg ins Abenteuer“
– „DSA die Vierte“
– „Archetypen“
– Gebrauchsanleitung
– Poster: „Kulturschaffende Aventuriens“
– Weltkarte „Aventurien“
– Heldendokumente
– Glossar auf vier (gleichen) Karten
– Fünf Würfel (3W20 und 2W6)

Neben einigen Gimiks, wie den Würfeln, dem Glossar, einer Aventurienkarte sowie dem Poster, sind vor allem „Das Schwarze Auge: Die Basisregeln“, „Der Weg ins Abenteuer“ und „DSA die Vierte“ für eine nähere Betrachtung interessant.

|1. „Das Schwarze Auge: Die Basisregeln“|

Hier sind die Grundregeln enthalten. Nach einer grundsätzlichen Einführung in das Thema Rollenspiel, einer knappen Beschreibung Aventuriens und einer Kurzerläuterung der Regeln wird schnell zur Heldengenerierung übergegangen.

Denn anders als beim Vorgänger bekommt der Spieler so genannte Generierungspunkte und muss sich mit diesen seinen Helden zusammenkaufen. Es müssen die Rasse, die Kultur und die Profession bezahlt werden. Diese kosten dann, je nachdem, welche Vorteile und Talente sie bringen, unterschiedlich viele Generierungspunkte. Von den verbleibenden Generierungspunkten können dann noch die Eigenschaften (Attribute), Vorteile und Talentpunkte erworben werden. Schlechte Eigenschaften und Nachteile geben hier aber auch wieder Generierungspunkte zurück.

Leider sind in diesem Grundregelwerk wirklich nur die grundlegendsten Rassen, Kulturen und Professionen enthalten. Wer etwas mehr als einen 08/15-Helden spielen möchte, muss sich auf jeden Fall noch die weiterführenden Boxen wie „Schwerter und Helden“ sowie „Zauberei und Hexenwerk“ anschaffen. Auf die Charaktererschaffung folgen dann noch die ausführlichen Regeln, eine Zusammenfassung der Magie sowie Tipps für Spieler und Spielleiter.

Die Zusammenfassung der Magie ist aber wirklich nur als rudimentär zu bezeichnen. Hier ist Vorsicht geboten, denn für tiefgründigere Magieregeln wird einige Male auf die Box „Götter und Dämonen“ verwiesen. Diese befinden sich aber in „Zauberei und Hexenwerk“.

|2. „Der Weg ins Abenteuer“|

„Der Weg ins Abenteuer“ ist ein Abenteuerband, der sowohl das vierteilige Einsteigerabenteuer „Efferdors Fluch“ als auch ein Soloabenteuer namens „Auf Leben und Tod“ enthält. „Efferdors Fluch“ ist speziell für Einsteiger gedacht und kann dank der Regelerklärung innerhalb des Textes ohne vorheriges Studium des Grundregelwerkes sofort gespielt werden. Dafür sind auch die in der Box enthaltenen „Archetypen“ gedacht. Erfahrene DSA-Spieler müssen halt so gut es geht über die Erklärungen hinweglesen, denn die Story ist herrlich märchenhaft.

|3. „DSA die Vierte“|

In diesem achtseitigen Heftchen sind für Spieler der Vorgängerversionen grob die Regeländerungen zusammengefasst.

So gibt es jetzt als Eigenschaft/Attribut die Konstitution (Ko). Auch der Sozialstatus (So), der den meisten schon aus der Box „Fürsten, Händler, Intriganten“ ein Begriff sein sollte, wurde fest integriert, also nicht mehr nur optional, und ist nun sozusagen zur Pflicht geworden. Die schlechten Eigenschaften gibt es jetzt nicht mehr automatisch, sondern nur noch, wenn man sie als Nachteil erwirbt.

Die Talente haben sich dergestalt verändert, dass man nur noch die Basistalente grundsätzlich beherrscht und die anderen Talente, wie etwa Töpfern oder Zweihänder, von der Profession aus vorgegeben werden oder teuer erkauft werden müssen.

Auch beim Kampf ist einiges geändert worden. Zuallererst hat sich die Regelung der Lebensenergie deutlich verändert. Sie ist von Anfang an viel geringer angesetzt und auch nur noch bis zu einem bestimmten Maximallevel zu erhöhen. Endlich gibt es auch eine richtige Initiativeregel, diese berechnet sich nämlich aus einem Initiative-Grundwert (ähnlich dem Attacke- oder Paradegrundwert), einem Modifikator für die Waffe und einem Würfelwurf. Besonders interessant sind die Sonderfertigkeiten, wie Rüstungsgewöhnung oder Schildkampf, die mit Abenteuerpunkten gekauft werden können. Aber auch hier ist der Boxeninhalt sehr beschränkt und es wird auf „Schwerter und Helden“ verwiesen.

Eine grundlegende Änderung ist die der Steigerung. Die Stufen gibt es zwar immer noch, doch erhält man nicht mehr wie früher beim Erreichen einer Stufe automatisch Lebenspunkte, Attributpunkte etc. hinzu. Diese Dinge muss man sich jetzt mit seinen teuer erkämpften Abenteuerpunkten erkaufen, deren Kosten man in der Steigerungskosten-Tabelle ablesen kann.

Auch eine Konvertierungsanleitung ist enthalten, doch ist diese leider sehr kurz.

_Mein Eindruck_

Mit der Einführung der Generierungspunkte ist DSA deutlich gerechter geworden. Zu viel hing in der Vorgängerversion schon bei der Charaktererschaffung vom (Würfel-)Glück ab. Auch ist die Charaktererschaffung deutlich individueller geworden. Nach den alten Regeln waren sich alle Stufe-1-Helden der gleichen Profession ähnlich. Dadurch, dass man sich zwischen verschiedenen Boni bei der Wahl einer Profession entscheiden kann, und durch die Einführung der Basistalente wurde dem Spieler viel mehr Freiraum bei der Gestaltung seines Helden gewährt.

Die Regelung mit den Basistalenten ist meiner Meinung nach allgemein sehr sinnvoll denn was will mein Krieger mit einem Töpfern-Talent oder mein Zwerg mit einem Talent Zweihänder? Mal ganz davon abgesehen, dass man früher auch die Talentproben mit einem negativen Wert relativ leicht geschafft hat. Nicht so bei DSA 4: Wer ein Talent nicht hat, kann auch keine Probe darauf ablegen.

Auch die Realitätsnähe hat deutlich zugenommen. Wichtigster Faktor ist hier sicherlich die Reduzierung der Lebensenergie sowie deren Begrenzung. Ich meine, jedem sollte doch klar sein, dass ein Held, welcher Stufe er auch sein mag, niemals so viele Lebenspunkte haben wird wie zum Beispiel ein Elefant oder ein Drache (und da sind mir auf Rollenspielconventions schon so einige untergekommen), zumal es auffällig viele Spieler gab, die bei 19 von 20 Steigerungen der Lebensenergie (angeblich) eine sechs gewürfelt haben, so dass sich Laplace eigentlich hätte im Grabe umdrehen müssen.

Es gibt aber auch einige Nachteile an der neuen Edition. Zuerst einmal ist DSA deutlich komplizierter geworden. Alleine die Charakterschaffung dauert jetzt ein Vielfaches länger als vorher, von den Zusatzregeln und Sonderfertigkeiten innerhalb des Spieles ganz zu schweigen. Es kommt mir ebenfalls so vor, als habe DSA ein wenig seinen eigentümlichen Charme eingebüsst. So ist es nicht verwunderlich, dass sich DSA 4 auf Conventions noch nicht richtig gegen die alte Version durchgesetzt hat. Vielen altgedienten Spielern ist DSA zu sehr in die Nähe von „Shadowrun“ gerutscht, was die Attitüde betrifft.

_Fazit_

Für Neueinsteiger ist die „Das Schwarze Auge 4“-Basisbox und damit DSA allgemein wirklich sehr empfehlenswert, jedoch bietet sie, bis auf die unverzichtbaren neuen Grundregeln, wenig bis gar nichts Neues für die Spieler der alten Edition. Für die wird es dann erst in den Boxen „Schwerter und Helden“ sowie „Zauberei und Hexenwerk“ richtig interessant. Alles in allem ist die vierte Edition ein deutlicher Schritt nach vorne und DSA nach wie vor führend unter den deutschen Rollenspielen.

http://www.fanpro.de

Lovecraft, Howard Phillips – Vom Jenseits (Erzählungen)

Wer kennt ihn nicht, den Meister des kosmischen Grauens? Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) ist ganz sicher einer der meistzitierten, wichtigsten und zweifelsohne auch besten Horror-Autoren aller Zeiten und hat zu Lebzeiten eine Vielzahl von Klassikern geschrieben, die auch heute immer wieder bemüht werden, weil sie auch ein knappes Jahrhundert nach ihrer Entstehung nichts von ihrer beklemmenden Ausstrahlung verloren haben. Lovecraft gilt als Erfinder eines Horror-Stils, dessen bedrohliche Grundhaltung direkt dem Kopf des Lesers entspringt. Hierzu möchte ich auch den Buchrücken zitieren, auf dem es heißt, dass dem Meister die ‚Fähigkeit entspringt, in seinen Erzählungen nicht nur Momentaufnahmen, sondern ganze Panoramen des Grauens zu entwerfen‘. Dem gibt es wohl kaum noch etwas hinzuzufügen. Lovecraft ist kein einfacher Geschichtenerzähler; er dringt bis tief ins Innerste des Lesers ein, spielt quasi mit dessen Vorstellungskraft und schafft es manchmal auch, sein Publikum innerhalb einer seiner Kurzgeschichten in den Wahnsinn zu treiben. Ein Klassiker ist eben ein Klassiker, und mal abgesehen von Edgar Allan Poe gibt es in der US-amerikanischen Literatur-Historie wohl auch keinen weiteren Schriftsteller, der ähnlich intensive Dramen zu entwickeln imstande ist oder war.

In „Vom Jenseits“ hat der |area|-Verlag nun die meisten der Lovecraft’schen Kurzgeschichten gesammelt und in einem Band veröffentlicht. Ganze 32 beklemmende Werke sind in diesem Buch enthalten, darunter natürlich auch die bekanntesten Stücke „Cthulhus Ruf“ und „Die Katzen von Ulthar“, „Die Ratten im Gemäuer“ oder „Das Grauen von Dunwich“. Nie zuvor gab es das Lebenswerk des berühmten und speziell in letzter Zeit viel beachteten Autoren in so kompakter und derart umfassender Form, was natürlich ganz klar für dieses Buch spricht – zumal der Preis mit einem Gesamtbetrag von weniger als 10 €uro natürlich mehr als einladend ist. „Vom Jenseits“ enthält zwar nicht alle Stücke, die Lovecraft verfasst hat, aber definitiv die wichtigsten, und auch wenn ich dahin tendiere zu behaupten, dass man wirklich alles von diesem legendären Schriftsteller kennen muss, kann ich nur nachhaltig unterstreichen, dass dieses Sammelwerk vollkommen ausreicht, um die Magie, die von Howard Phillips Lovecraft ausgeht, zu begreifen und sein poetisches Können und seine Ausstrahlung in sich aufzusaugen.

Diesbezüglich möchte ich noch einen kleinen Tipp geben. Die meisten Geschichten sind relativ kurz gehalten, deswegen kann man sie auch immer wieder zwischendurch lesen. Bei mir persönlich hat sich allerdings herausgestellt, dass die 32 Werke vor allem zu später Stunde ihre wohl gruseligste und grausamste Wirkung auf die eigene Stimmung haben. Daher habe ich mir fast einen Monat lang kurz vorm Einschlafen immer wieder ein bis zwei Geschichten aus dem Buch herausgesucht und gelesen und dabei festgestellt, welch großen Unterschied es macht, bei welcher Atmosphäre man sich auf Lovecraft einlässt. Probiert es einfach selber mal aus, ich bin mir sicher, ihr werdet es merken!

Damit gehe ich auch schon davon aus, dass man das Buch zwingend kaufen sollte. Aber mal ganz ehrlich: Wenn man nicht schon im Besitz dieser Kurzgeschichten ist, wäre alles andere ein Frevel wider den Großmeister der düsteren Poesie. Howard Phillips Lovecraft’s Werke sind zeitlos genial, und das ist ein unumstößlicher Fakt.

Der Inhalt von „Vom Jenseits“:

Pickmanns Modell
Die Katzen von Ulthar
Die Musik des Erich Zann
Die Anderen Götter
Cthulhus Ruf
Der boshafte Geistliche
In der Gruft
Die Ratten im Gemäuer
Hypnos
Iranons Suche
Das Weiße Schiff
In den Mauern von Eryx
Kühle Luft
Jenseits der Mauer des Schlafs
Der Alchemist
Das Mond-Moor
Gefangen bei den Pharaonen
Polaris
Vom Jenseits
Der Schreckliche Alte Mann
Das Grab
Der Baum
Das Tier in der Höhle
Das Verderben, das über Sarnath kam
Das Unbeschreibliche
Celephais
Das Grauen von Dunwich
Der Leuchtende Trapezoeder
Die Aussage von Randolph Carter
Der Silberschlüssel
Durch die Tore des Silberschlüssels
Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath

http://www.area-verlag.de/

Joe R. Lansdale – Sturmwarnung

Das geschieht:

Galveston, eine Stadt an der Ostküste der USA: An einem Septembertag steht „Lil‘ Arthur“ John Johnson vor der härtesten Herausforderung seines 22-jährigen Lebens. Der talentierte Nachwuchsboxer hat den Champion des örtlichen Boxclubs besiegt und den Meistertitel gewonnen – an sich ein sportliches Ereignis, doch Johnson ist schwarz, und der Gegner war weiß. Im Texas des Jahres 1900 gilt dieser Sieg als ungeheuerliche Niederlage der „überlegenen weißen Rasse“, die es unbedingt zu tilgen gilt. Ronald Beems, Präsident des „Sporting Clubs“, muss sich vor seinen rassistischen weißen Clubmitgliedern ‚rehabilitieren‘. Dafür gilt es den verhassten Johnson, der seine Krone behalten will und sogar vom sportlichen Aufstieg träumt, nicht nur zu besiegen sondern zu vernichten.

Beems meint das buchstäblich: Er heuert den brutalen Schläger John McBride an, der Johnson im Ring totschlagen soll. Die Polizei ist geschmiert, sie wird den illegalen ‚Kampf‘, der ohne Boxhandschuhe, d. h. mit den blanken Fäusten und ohne Regeln auszutragen ist, nicht verhindern. Johnson ist sich der Tatsache durchaus bewusst, dass man ihn nicht boxen, sondern sterben sehen will. Ehrgeiz und Stolz verbieten ihm vom Fight zurückzutreten.

Die gesamte Gemeinde fiebert dem öffentlichen Ende des „Niggers“ entgegen. Darüber entgeht den Bürgern, dass sich über der Küste zum Golf von Mexiko Schlimmes zusammenbraut. Das Barometer fällt, der Wasserpegel steigt. Doch man bleibt unbesorgt, denn diese Vorzeichen wollen zu einem Sturm noch nicht passen. Also werden keinerlei Maßnahmen getroffen. Aber man fühlt sich zu sicher. Während McBride und Johnson zum Kampf auf Leben und Tod antreten, nähert sich über dem Meer der Sturm des Jahrhunderts, der die Stadt und die meisten ihrer Bewohner auslöschen wird …

Boxkampf als Rassenkampf

Historische Eckpfeiler stützen das Handlungsgerüst dieses Kurzromans. Da ist primär die Rassendiskriminierung in den Südstaaten der USA um 1900. Die Zeit der Sklaverei liegt gerade dreieinhalb Jahrzehnte zurück, bis zur (zumindest gesetzlichen) Gleichstellung von Schwarz und Weiß wird noch mehr als ein halbes Jahrhundert vergehen. Die meisten Schwarzen stehen sich eher schlechter als die ehemaligen Sklaven. Seit sie nicht mehr als „bewegliches Gut“ gelten, das zum Zwecke der optimalen Arbeitsausnutzung ‚geschont‘ werden muss, betrachtet sie die weiße Mehrheit auf dem Arbeitsmarkt als Konkurrenten und gesellschaftlich als Bedrohung.

Gleichzeitig wächst eine neue schwarze Generation heran, die sich wie Arthur John Johnson nicht mehr mit der Rolle des bescheidenen, ausgebeuteten Tagelöhners und Arbeiters begnügen will, sondern mehr vom Leben fordert – für die weißen Rassisten, die keinesfalls von ihrer Macht und ihren wirtschaftlichen Privilegien auf Kosten der Schwarzen lassen wollen, eine unerträgliche Herausforderung. So ist das Zusammenleben der Rassen geprägt von Misstrauen und latenter Gewalt, die immer wieder offen ausbricht; die Leidtragenden sind fast ausschließlich von schwarzer Hautfarbe.

Vor diesem Hintergrund gewinnt der Kampf zwischen McBride und Johnson eine ganz neue Dimension. Der sportliche Aspekt ist Nebensache. Tatsächlich steht hier „Weiß“ gegen „Schwarz“ im Ring; Sieg oder Niederlage stützen oder stürzen Weltbilder. Verstärkt wird die Konfrontationssituation durch die besondere Variante des Boxkampfs, die in Galveston gewählt wird. Während in der offiziellen Welt des Sports schon seit 1867 die „Regeln für das Boxen mit Handschuhen“ des Marquess von Queensberry gelten, zieht eine brutalisierte Zuschauerminderheit den ‚ehrlichen‘ Kampf mit blanken Fäusten und ohne Regeln vor. Da dabei der Boxer schwer verletzt oder getötet werden kann, ist diese Art des Boxens verboten. Deshalb müssen solche Kämpfe illegal organisiert und heimlich ausgefochten werden.

Der Sturm des Jahrhunderts

Nicht grundlos spielt in diesem Roman das Wettergeschehen eine wichtige Rolle. Schon mehrfach fielen Hurrikans und Wasserwände über die Südostküsten der USA her, versenkten wie New Orleans ganze Großstädte, richteten Milliardenschäden an und kosteten Menschenleben. So war es auch im Jahre 1900, als ein Sturm unerhörten Ausmaßes Kurs auf Galveston nahm und die Stadt dem Erdboden gleichmachte. So absolut war die Zerstörung, dass niemals festgestellt werden konnte, ob nun 6000 oder 12000 Menschen der Katastrophe zum Opfer fielen. „Isaacs Sturm“ nannte der Schriftsteller Erik Larson sein bereits klassisches Buch über das Desaster von Galveston, das durch den Meteorologen Isaac Cline mitverschuldet wurde, der die Vorzeichen falsch deutete und auf dessen Fachwort man sich verließ, bis es zu spät war.

In dieser Geschichte geht es wie gesagt um mehr als einen Boxkampf. Autor Lansdale präsentiert uns eine Parabel: So wie Galveston und seine Bürger untergehen, weil sie ihrer Probleme nicht Herr werden können und den großen Sturm unbeachtet lassen, so kann es der Gesellschaft insgesamt ergehen, wenn sich die ethnischen, religiösen oder anderweitig differenzierten Gruppen nicht zusammenraufen. Insofern ist Lansdales Galveston ein Symbol und eine Ankündigung dessen, was im gerade angebrochenen 20. Jahrhundert folgen wird. Die Last der Vergangenheit wird zur Hypothek auf die Zukunft, die nie wirklich beginnen kann, solange die Beems auf dieser Erde das Sagen haben.

Lansdale-typisch kommt diese Lektion ganz und gar nicht trocken daher. Drastischer als er vermag kaum jemand eine brutalisierte, verkommene, erbarmungslose Welt in Szene zu setzen. Seine Protagonisten sind verroht, ihr Handeln und Denken beschreibt Lansdale ohne Rücksicht auf feinfühlige Leser. Sex oder Gewalt, Sex und Gewalt; in der schwülen Ruhe vor dem Sturm brodelt es in Galveston wie in einem Dampfkochtopf. Dass Lansdale diese Sprache bewusst als Stilmittel einsetzt, verraten jene Kapitel, in denen er den Sturm und sein Toben beschreibt. Hier schöpft er aus einem völlig anderen Wortschatz, schafft eindrucksvolle Stimmungsbilder, weiß die unwirkliche Apokalypse sicht- und spürbar zu machen.

Der große Gleichmacher

Die Welt ist schlecht und weil dem so ist, wird sie von entsprechenden Menschen bevölkert. Zumindest auf Galveston trifft dies zu. Keine der Hauptfiguren ist wirklich sympathisch. Auch John Johnson, der doch prädestiniert wäre für die Rolle des schwarzen Helden, der die Bande sprengt, die seine finsteren Zeitgenossen ihm übergeworfen haben, ist vor allem ein ganz normaler Mensch, der seinen eigenen Vorteil im Auge hat. Zwar denkt er auch an seine Familie doch als diese auf seine Hilfe angewiesen ist, lässt er sie im Stich, um seinem Stolz zu frönen.

Leicht macht es Lansdale seinen Lesern auch nicht mit den ‚Bösen‘. McBride ist ein egoistischer Mistkerl, der alle negativen menschlichen Eigenschaften in seiner Person vereinigt. Dennoch er ist kein Dummkopf, und ein großer Teil seiner Rücksichtslosigkeit basiert auf dem genauen Wissen um die gesellschaftlichen Realitäten seiner Epoche. Auch McBride wird niemals zur geachteten Oberschicht gehören. Seine momentane Prominenz verdankt er einzig seinen Fäusten. Deshalb kostet er die Privilegien, die ihm geboten werden, nach Herzenslust aus und verachtet jene, die sie ihm bieten.

McBride verprügelt seine Sparringspartner, seine Ringgegner, seinen Auftraggeber Beems. Er scheint nur an sich zu denken, doch als der Leser ihn richtig hasst, sieht man ihn plötzlich mit Johnson ein Baby aus den Trümmern von Galveston retten: Seinen Kontrahenten im Ring hasst McBride nicht; ihn zu verprügeln war nur ein Job. Der hat durch den großen Sturm sein Ende gefunden, also gibt es für McBride keinen Grund mehr, sich mit Johnson zu schlagen.

Somit ist der eigentliche Schurke der Rassist Ronald Beems? Lansdale foppt uns auch hier: Beems ist vor allem ein Schwächling, der panisch seine unterdrückte Homosexualität gleichzeitig zu leben und zu verbergen trachtet. Vordergründig hasst er Johnson, gleichzeitig begehrt er ihn. Trotz seiner Position in der Gesellschaft von Galveston ist Beems wie Johnson ein Gefangener, dem schriftlich fixierte und unausgesprochene Gesetze und Regeln ein selbst gestaltetes Leben versagen.

Eine ganze Anzahl von Nebenfiguren lässt Lansdale neben dem Dreieck Johnson – McBride – Beems auftreten. Sie bilden einen Querschnitt durch die Bevölkerung von Galveston. Knapp skizziert der Verfasser Figuren, die im Gedächtnis bleiben. Sie stehen stellvertretend für die vielen Opfer, die der Hurrikan von 1900 forderte. Der Sturm macht keinen Unterschied zwischen ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Menschen; sie sterben ohne Unterschied oder überleben durch manchmal absurde Zufälle. Dieser Verzicht auf ein Schwarz-Weiß-Schema, das die Figuren allzu vieler Romane oder Filme in zwei Gruppen teilt, komplettiert die erfreulich lange Liste positiver Argumente, die sich für eine Lektüre von „Sturmwarnung“ anführen lassen.

Anmerkung

„Sturmwarnung“ basiert auf die zum Roman erweiterte Novelle „Der große Knall“, die 1997 Douglas E. Winters große Anthologie „Millennium“ (dt. „Offenbarungen“) einleitete, die sich literarisch mit den großen Veränderungen des 20. Jahrhunderts beschäftigte.

Autor

Joe Richard Harold Lansdale wurde 1951 in Gladewater im US-Staat Texas geboren. Als Autor trat Lansdale ab 1972 in Erscheinung. Gemeinsam mit seiner Mutter veröffentlichte er einen Artikel, der viel Anerkennung fand und preisgekrönt wurde. Mitte der 1970er Jahre begann er sich der Kurzgeschichte zu widmen. Auch hier stellte sich der Erfolg bald ein. Lansdale wurde ein Meister der kurzen, knappen Form. In rasantem Tempo, mit einer unbändigen Freude am Genre-Mix und am Auf-die-Spitze-Treiben (dem „Mojo-Storytelling“) legte er Story um Story vor.

Texas, sein Heimatstaat, war und ist die Quelle seiner Inspiration – ein weites Land mit einer farbigen Geschichte, erfüllt von Mythen und Legenden. Lansdale ist fasziniert davon und lässt die reale mit der imaginären Welt immer wieder in Kontakt treten. In seinen Geschichten ersteht der Wilde Westen wieder neu. Allerdings kann es durchaus geschehen, dass dessen Bewohner Besuch vom Teufel und seinen Spießgesellen bekommen. Es könnten auch Außerirdische landen.

Nach zwei Lansdale-Kurzgeschichten entstanden Kurzfilme („Drive-In Date“, „The Job“). Kultstatus erreichte Don Coscarellis Verfilmung (2002) der Story „Bubba Ho-tep“: Ein alter Elvis Presley und ein farbiger John F. Kennedy jagen eine mordlustige Dämonen-Mumie. Lansdale schrieb außerdem Drehbücher für diverse Folgen der Serien „Batman: The Animated Series“ und „Superman: The Animated Series“.

Der private Joe R. Lonsdale lebt mit seiner Frau Karen und den Kindern heute in Nacogdoches, gelegen selbstverständlich in Texas. Er schreibt fleißig weiter und gibt ebenso fleißig Kurzgeschichtensammlungen heraus. Außerdem gehören Lansdale einige Kampfsportschulen, in denen diverse Künste der Selbstverteidigung gelehrt werden.

Homepage von Joe Lansdale

Paperback: 166 Seiten
Originaltitel: The Big Blow (New York: Subterranean Press 2000)
Übersetzung: Hannes Riffel
Cover und Innenillustrationen: Marcus Rössler

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)

Dark, Jason / Döring, Oliver – John Sinclair – Die Eisvampire (Folge 33) (Hörspiel)

Nach über einem Jahr Wartezeit erscheinen nun zwei neue Hörspiele aus der John-Sinclair-Reihe, nämlich die Folgen 33 und 34. Das erste davon, „Die Eisvampire“, ist dabei ein Wiedertreffen mit alten Bekannten: Der ehemalige Dämon Myxin taucht wieder auf, die bösartige Asmodina kommt wieder zur Worte und der Geisterjäger bekommt es dieses Mal erneut mit Auswüchsen der Mordliga zu tun. Vielversprechend und ausgezeichnet – die Serie bekam unlängst den Deutschen Phantastik Preis 2005 – geht es endlich weiter mit einer der besten Hörspielreihen aller Zeiten, und die Story hält auch mal wieder, was sie verspricht.

_Story_

Der auf die gute Seite übergetretene Dämon Myxin und sein alter Gefährte Kogan stehen sich gegenüber und reden über eine mögliche Kooperation. Während Myxin die Gelegenheit nutzen will, um Informationen über Asmodina und die Mordliga zu bekommen, lässt der Vampir sich nicht täuschen und versucht Myxin zu töten. Was Kogan allerdings nicht weiß: Einer seiner eigenen Anhänger ist der Geisterjäger John Sinclair, der durch einen gezielten Schuss das Blatt wendet und so die nötigen Infos aus dem fiesen Vampir herauspresst.

Kogan erzählt eine Geschichte aus der fernen Vergangenheit und macht Sinclair mit der Legende der Eisvampire bekannt, die vor hunderten von Jahren in die Eishöhlen des Drachensteingebirges vertrieben und dort eingefroren wurden. Die Eisvampire besaßen besondere Kräfte, und die Folgen ihres Bisses waren verheerend. Nun soll es Asmodina gelungen sein, diese besondere Vampirspezies zu neuem Leben zu erwecken.

Sinclair, sein Kollege Suko und Myxin reisen daraufhin sofort nach Österreich ins Drachensteingebirge, kommen aber schon zu spät, um das erste Attentat der Eisvampire abzuwenden. Die Blutsauger haben sich des soliden Familienmenschen Tonie Berger bemächtigt, der nun seit einiger Zeit vermisst wird. Sinclair und seine Gefährten machen sich auf die Suche nach dem infizierten Berger und versuchen, Schlimmeres abzuwenden, doch das Drama der Familie Berger hat da gerade erst angefangen …

_Meine Meinung_

Mehr als ein Jahr Wartezeit ist eine ganze Menge und unter Umständen auch mehr, als die eingeschworene Fanschar des Geisterjägers verkraften kann. Daher war es für den Verlag auch dringend notwendig, mit einem echten Paukenschlag zurückzukehren, und das ist schließlich (und glücklicherweise) auch gelungen. „Die Eisvampire“ bietet typische Sinclair-Gruselstimmung, jedoch dieses Mal eingebunden in eine komplett neue Umgebung.

Ein Brite in Österreich, irgendwie scheint das nicht zu passen, und tatsächlich tut sich der Bedienstete von Scotland Yard auch unheimlich schwer in seinem neuen Umfeld. Max Berger, Sohn des Verschollenen Toni Berger, traut dem plötzlich auftauchenden, geheimnisvollen Engländer nicht und blickt sofort durch, dass Sinclair nicht wie angegegeben ein Geologe ist. Anfangs bringt er den Geisterjäger sogar direkt mit dem Verschwinden seines Vaters in Verbindung, was der Geschichte eine zusätzliche, wertvolle Nuance verleiht, denn die neuen Charaktere bleiben bis zuletzt unberechenbar und die Geschichte wird dadurch natürlich nicht weniger spannend. Ganz im Gegenteil! Von Anfang an beeindruckt ‚der neue Sinclair‘ mit einer herrlich düsteren Atmosphäre, die sofort beim anfänglichen Duell zwischen Myxin und Kogan für Gänsehautmomente sorgt (wirklich superb in Szene gesetzt) und sich so auch über Bergers Begegnung mit den Vampiren in den dunklen Eishöhlen bis hin zum abschließenden Showdown im Haus des Neu-Vampirs zieht. Dazu geizt das Hörspiel auch nicht mit Action: Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen den Blutsaugern und ihren Kontrahenten, und auch hier haben |Lübbe Audio| und das Team von |Wort Art| ganze Arbeit geleistet und die Erzählung mit tollen Soundeffekten ausgestattet.

John Sinclair ist endlich wieder zurückgekehrt, und „Die Eisvampire“ bietet für die ewig lange Wartezeit auch die entsprechende Entschädigung. Das neue Hörspiel überzeugt mit gewohnt starker Leistung der Sprecher und einer spitzenmäßig inszenierten Handlung. Dazu kommt eine ganz spezielle Atmosphäre, ausgelöst durch die neue Umgebung, in der die Erzählung spielt. Kurzum: genau der richtige Stoff für die Sinclair-Fraktion, und deshalb kann man auch Episode 33 blind abgreifen!

_Die Sprecher_
John Sinclair – Frank Glaubrecht (Pierce Brosnan; Kevin Costner; Jeremy Irons; Al Pacino …)
Erzähler – Jochim Kerzel (Dennis Hopper; Jack Nicholson; Harvey Keitel; Dustin Hoffman; Anthony Hopkins …)
Suko – Martin May
Myxin – Eberhard Prüter (Ian McKellen)
Max Berger – Philipp Schepmann (Lesungen u. a. zu „Die Chroniken von Narnia“, „Stravaganza“, Ken Follett)
Hanni Kerner – Alexandra Wilcke (Miranda Otto)
Toni Berger – Thomas Danneberg (Dan Akroyd; John Travolta; Arnold Schwarzenegger; Sylvester Stallone; Nick Nolte; John Cleese …)
Clara Berger – Marianne Groß (Meryl Streep; Angelica Houston)
Kogan – Nicolas Böll (Emilio Estevez; Owen Wilson)
Josef Sprengler – Helmut Krauss (Marlon Brando; Samuel L. Jackson)
Hans – Hans-Jürgen Dittberner (Christopher Reeve)
Fahrer – Jörg Döring (Colm Meany)
Ansage – Fred Bogner

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

Sullivan, Mark T. – Toxic

„Toxic“ hatte eigentlich schon gewonnen, da hatte ich noch nicht einmal die erste Seite des Buches aufgeschlagen. Die positiven Rezensionen, die das Buch überall zuvor bekommen hat und die Auszeichnungen, mit denen sich Autor Mark T. Sullivan schmücken darf, waren vorab bereits ein Garant für einen packenden Thriller. „Der Thriller des Jahres“, so steht es auf dem Cover, genau das soll „Toxic“ sein. Aber man weiß ja, wie so etwas dann meistens endet. Die hohe Erwartungshaltung schlägt in blanke Enttäuschung um, der Sticker auf der Vorderseite stellt sich als schlechter Witz heraus, und selber ärgert man sich erneut darüber, dass man so einfach auf die Ankündigungen aus dem Vorfeld der Veröffentlichung hereingefallen ist.

_Story_

Mary Aboubacar, ein Zimmermädchen in einer kalifornischen Kleinstadt macht beim Antritt ihres alltäglichen Dienstes eine schreckliche Entdeckung. Inmitten eines blank geputzten Schlafzimmers findet sie die Leiche eines Mannes, dessen Erscheinungsbild die afro-amerikanische Bürgerin darauf schließen lässt, dass der Mann an Ebola erkrankt ist. Zum Glück für die dunkelhäutige Dame hat sie sich jedoch in ihrem Urteil geirrt, denn der junge Mann, der brutal ans Bett gefesselt und gefoltert wurde, ist am Biss einer giftigen Schlange gestorben und hatte keine ansteckende Krankheit.

Sergeant Shay Moynihan wird beauftragt, sich um den mysteriösen Fall zu kümmern, ist aber gleichzeitig auch sehr intensiv mit seinem Privatleben beschäftigt. Seine Ex-Frau kritisiert sein mangelndes Verantwortungsgefühl und macht ihn dafür verantwortlich, dass ihr gemeinsamer Sohn Jimmy gegen alle guten Ratschläge rebelliert. Doch Shay bleibt wegen seines pikanten Jobs nichts anderes übrig als die Prioritäten zugunsten der Polizeiarbeit zu verschieben, was zwangsläufig dazu führt, dass sein Sohn und er sich von Tag zu Tag weiter auseinander leben.

Mitten in diese persönliche Misere stößt nun dieser seltsame Mordfall. Nicht nur, dass die ‚Mordwaffe‘ höchst ungewöhnlich ist; auch die Bibelzitate, die der Attentäter am Spiegel seines Opfers hinterlassen hat, geben dem Sergeant Rätsel auf. Die Ermittlungen kommen kaum voran, und während Moynihan einen Schlangenexperten aufsucht, taucht auch schon das zweite, übel zugerichtete Opfer auf. Wohl wissend, dass hier eine ganze Serie von brutalen Sexualmorden ins Rollen kommt, begibt sich Shay daran, den gerissenen Mörder in die Hände zu bekommen, doch der ist ihm wiederum voraus und hat auch schon ein weiteres Opfer in Sicht …

_Meine Meinung_

So, so, das ist also der „beste Thriller des Jahres“. Sind denn sonst keine anderen Bücher mehr erschienen? Oder denke ich einfach zu kompliziert, so dass mich diese leichtfüßige und weitestgehend zu simpel gestrickte Story nicht aus den Socken hauen kann? Nun, die Geschichte ist wirklich nicht der Renner und gerade mal dazu geeignet, als kurze Zwischenmahlzeit zwischen den tatsächlich gewichtigen Hauptgängen serviert zu werden – wenn überhaupt …

Sullivan macht es sich eigentlich ziemlich leicht. Er sucht einfach ein paar mysteriöse wirkende Themenschwerpunkts aus, kombiniert diese halbwegs schlüssig und glaubt, nun den perfekten Thriller erschaffen zu haben. Liest sich ja auch auf dem Backcover toll, wenn da von bizarren Sexualverbrechen, tödlichen Schlangenbissen und einer geheimnisvollen Botschaft des Täters die Rede ist. Doch bei all den Klischees vergisst der Autor offensichtlich, dass einzelne Elemente noch nicht die Bürgschaft für eine mitreißende Story liefern. Und genau das bekommt der Leser dann auch zu spüren. Die Geschichte geht nämlich fortlaufend so schleppend voran, dass man oftmals einfach die Motivation zum Weiterlesen verliert.

Das beste Beispiel sind die ersten hundert Seiten: Dort wird vom familiären Chaos des Sergeants Moynihan erzählt, ohne dass in irgendeiner Weise Tiefgang vorläge. Dann kommt natürlich der erste Mord ins Visier, doch auch der wird so oberflächlich beschrieben, dass man sich bereits hier fragt, wie denn überhaupt Spannung in die Angelegenheit hineinkommen soll. Als Letztes wird dann nach den Motiven gesucht, das allerdings auch so plump, dass man nur mit dem Kopf schütteln kann. Nach dem ersten Viertel ist man schließlich genauso schlau wie vorher, und das kann ja wohl nicht die Intention des Autors sein.

Mit fortlaufender Handlung kann Mark T. Sullivan zumindest an diesem Manko etwas ändern. Es gibt so zur Mitte des Buches hin einen Knackpunkt, von welchem an die Story endlich mal in die Gänge kommt, wobei man aber auch von diesem Zeitpunkt an kaum Versatzstücke eines spannenden Romans findet. Klar, wenn man einmal so weit gekommen ist, will man natürlich auch wissen, was hinter der rätselhaften Mordserie steckt bzw. wer der Mörder ist, aber die dringende Lust, schnellstmöglich Ergebnisse zu bekommen, verspürt man dennoch nicht.
Das Familiendrama hingegen kommt nie so richtig in Fahrt und wirkt letztendlich auch ziemlich aufgesetzt. Wenn Sullivan hierbei bezweckt hat, der Geschichte einen dramatischen Beigeschmack zu verleihen, ist er jedenfalls gescheitert.

Gescheitert ist er insgesamt auch an der hohen Vorgabe, mit welcher der Roman beworben wird. „Toxic“ ist alles andere als Weltklasse. Sowohl die Charaktere als auch die Handlung sind bestenfalls mäßig, und die hohen Erwartungen können innerhalb der Geschichte nie befriedigt werden. Genre-Freunde werden deshalb auch nur dann Freude an diesem Roman gewinnen, wenn sie auf Tiefgang, durchgängige Spannung und Obskures gerne verzichten. Wem hingegen altbekannte Klischees und langweilige Akteure völlig ausreichen, der kann das Buch mal testen. Aber wer gehört schon zu dieser Kategorie …?

Paul Chambers – Die Archaeopteryx-Saga. Das Rätsel des Urvogels

Kleiner Vogel – große Wirkung

In 15 Kapiteln informiert Verfasser Paul Chambers populärwissenschaftlich über die Stammesgeschichte der Vögel. Als ‚Aufhänger‘ dient ihm dabei der Archaeopterix, der als erster „Urzeitvogel“ 1861 im bayrischen Solnhofen als Versteinerung gefunden (Kap. 1: „Der Glücksfund des Doktors“) und zum ‚Leitfossil‘ für die Rekonstruktion des Vogel-Stammbaums wurde. Der Archaeopterix stellte für die Zeitgenossen vor ein Rätsel, da er die Merkmale eines Reptils und eines Vogels vereint.

Er tauchte in einem Augenblick auf, als die Forscherwelt sich in einem religiös begründeten Streit zusätzlich entzweite. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Theorie einer Evolution der Arten nicht nur neu, sie widersprach auch der kirchlichen Lehre, wonach Gott Tiere (und Pflanzen) wie in der Bibel beschrieben geschaffen habe und diese unveränderlich seien. Das ‚Mischwesen‘ Archaeopterix verkörperte jenen Widerspruch, den die Anhänger der Evolution erwartet und deren Gegner gefürchtet hatten (Kap. 2: „Das fehlende Glied“; Kap. 3: „Der gefiederte Rätsel“). Paul Chambers – Die Archaeopteryx-Saga. Das Rätsel des Urvogels weiterlesen

Iggulden, Conn – Imperator: Das Feld der Schwerter (3)

Das Jahr 60 vor Christi Geburt: Ein Mann in der Blüte seines Lebens, den Kopf voller Träume, Ziele und Ideologien, verlässt mit tausenden von Männern die spanischen Küsten. Gaius Julius Cäsar hält nichts mehr in dem Land am Mittelmeer. Als Prätor wurde er in die römische Provinz entsandt, um mit seinen Männern den Einfluss des Stadtstaates in westlicher Ausdehnung zu sichern und die Mächtigen des römischen Senats mit spanischem Gold zu speisen. Doch seine Ideen haben Flügel, erheben sich weit über die Grenzen Spaniens und die ihm dort gegeben Möglichkeiten. Er will etwas verändern, die Gedanken des Revolutionärs Marius aufgreifen und in seinem Rom verwirklicht sehen.

Doch die grausame Ermordung seiner Frau erstickt jeden Funken von Leidenschaft im Herzen des Cäsar. Schließlich hatte er durch sein Amt in Spanien Abstand zu diesem Schicksalsschlag gewinnen können, doch genau wie sein Gut und seine Familie hatte er auch seinen Enthusiasmus in Rom zurückgelassen. Bis zur Erschöpfung hatte er sich der Verwaltung Spaniens verschrieben, sich ein unmenschliches Maß an Arbeit aufgebürdet, doch Bedeutung hatte es nur wenig für ihn. Gemeinsam mit seinem besten Freund Brutus und seinem Neffen Octavian hatte er wenigstens die Trauer über den grausamen Mord an seiner Frau in Rom verdrängen können und Abstand zu den immer wiederkehrenden Bildern in seinem Kopf geschaffen.

Schließlich hat er in den Weiten Spaniens sogar den Funken für neuen Lebensmut in den Armen einer Frau wiederentdeckt. Eine tüchtige Geschäftsfrau namens Servilia, die Mutter des Brutus, fasziniert ihn vom ersten Augenblick an und eine knisternde Spannung liegt zwischen den beiden. Ihre Leidenschaft und Hingabe schaffen es, die Mauern des später größten Mannes Roms einzureißen und seine Begeisterung freizusetzen.

Er setzt sich zum Ziel, seinem Vorbild Alexander dem Großen nachzueifern und den Ruhm des Römischen Reichs zu mehren, neue Welten zu entdecken und Gerechtigkeit zur Maxime der Politik zu machen. Diesen ehrgeizigen Ambitionen steht in erster Linie der Machthunger der römischen Optimaten entgegen. Sie fürchten Einbuße an Einfluss, sollten die Popularen, die Volksfreundlichen, die Entscheidungsgewalt im Staat innehaben.

So muss sich Cäsar, nach Rom zurückgekehrt, in den wenigen Tagen bis zur Wahl der Konsuln an allen Fronten behaupten: Einerseits will er das Volk mit Ehrlichkeit von sich überzeugen, andererseits um die Unterstützung der scheidenden Amtsinhaber buhlen, denn mit Crassus und Pompeius stehen ihm der Wohlhabendste und Einflussreichste Roms gegenüber. Während Crassus sich fast ein wenig zu schnell zu Cäsar bekennt, hadert Pompeius lange, und selbst als er ihm seine Unterstützung zusichert, ist er dem aufstrebenden Mann aus dem Geschlecht der Julianer nicht besonders zugetan. Mit Schwertkämpfen, der Zerschlagung der Verschwörung des Catilina, Reden vor dem Volk, Gerichtsfällen und seiner dominanten Präsenz schafft es Cäsar letztlich, für das nächste Jahr das Amt des Konsuls zu gewinnen.

Noch vor der ersten Senatssitzung beschließen Pompeius, Crassus und Cäsar in einer geheimen Vereinbarung die Aufteilung der Macht und der größtmöglichen Durchsetzung der Ziele jedes Einzelnen. Zum einen erhält der geldgierige Crassus das Handelsmonopol Roms, Pompeius kann seine vorherige Macht als Konsul weiterhin geltend machen und auch Cäsar zieht folgenschwere Vorteile aus diesem Triumvirat: Nach der halben Amtszeit, in der er grundlegend verändernde Beschlüsse durchsetzen will, beendet er seine Tätigkeiten in Rom und erhält das Recht, ohne Rechenschaft ablegen zu müssen mit seinem Heer Gallien zu erobern. Nie zuvor hatte in der römischen Geschichte ein Feldherr so freie Hand gegenüber dem Senat. Die Verwirklichung der jeweiligen Ziele ist den drei Männern nur möglich, da Cäsar die pikanten Vorlieben seines Amtskollegen Bibulus nicht verborgen bleiben und er ihn so vollkommen in der Hand hat.

Der Reise über die Alpen in das vollkommen unbekannte Gebiet im Norden steht nun nichts mehr im Weg. In beeindruckender Weise erobert er die Regionen Galliens und es dauert nicht lange, bis ganz Gallien in Aufruhr ist. Die gallischen Stämme sind verzweifelt und fürchten, von dem eindrucksvollen Heer aus Rom überrannt zu werden. Diese Furcht ist keineswegs unbegründet, doch erst der Stammesführer der Arverner, Vercingetorix, wagt es, Cäsar die Stirn zu bieten. In einem eindrucksvollen, lang währenden Gefecht kämpfen nicht nur Armeen gegeneinander, sondern vor allem auch zwei stolze Männer. So ist es auch Vercingetorix, der Cäsar erstmals gefährlich nah an den Rand einer totalen Niederlage führt …

Spätestens zu diesem Zeitpunkt im Buch meint man, die Gallischen Kriege, die Wahlen der Konsuln oder Cäsars Verwaltungszeit in Spanien am eigenen Leib miterlebt zu haben, so bildgewaltig präsentiert Autor Conn Iggulden die Ereignisse im ersten Jahrhundert vor Christus. Es ist nicht nur ein historischer Schmöker, es ist ein Roman voller Abenteuer, Liebe, Freundschaft und Politik, so ansteckend mitreißend und lebendig, obwohl die Helden der Vergangenheit angehören.

Der Leser fühlt sich mit dem größten Imperator aller Zeiten menschlich verbunden und erlebt Geschichte hautnah, anstatt nur darüber zu lesen. Dies liegt insbesondere auch daran, dass der Autor auf die Erwähnung von Daten verzichtet und die Ereignisse nicht mit Begriffen der Geschichtsforschung belegt. Beim Lesen spürt man die ungehaltene Freude des Autors an dem historischen Stoff. In mancherlei Hinsicht hat Iggulden sicherlich die Lücken der Geschichte mit den Freiheiten eines Autors ausgefüllt, aber dies stärkt nur den Charme des Buches. Dort, wo in den Lexika der Bibliotheken nichts über das Liebesgeflüster zwischen Cäsar und seiner geliebten Servilia steht, wo die Feste im Kreise der Freunde nicht dokumentiert wurden, dort verbindet Iggulden meisterlich Fiktion und Fakt.

© _Stefanie Borgmann_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.X-Zine.de/ veröffentlicht.|

Robert Louis Stevenson/Lloyd Osborne – Der Ausschlachter

Stevenson Ausschlachter Cover kleinZwei unerfahrene Freunde kaufen ein Wrack, an dessen Bord sie einen Schatz vermuten. Finstere Konkurrenten, die Südsee-Fremde und andere Schwierigkeiten bescheren ihnen statt eines Vermögens vor allem immer neue Abenteuer … – Der von Autor Stevenson und seinem Stiefsohn verfasste Roman ist ein vergnügliches, Komplikation auf Verwicklung häufendes Abenteuer mit sachter Sozialkritik.
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Edgar Wallace – Bei den drei Eichen (Folge 2)

_Die Sprecher: _
Chronist/Erzähler: Eckhart Dux
Detective Socrates Smith: Achim Schülke
Lexington Smith: Till Endemann
John Mandle: Kai Hendrik Möller
Bob Stein: Volker Bogdan
Molly Templeton: Tanja Dohse
Frank Weldon: Marc Bremer
Mr. Jetheroe: Wolfgang Hartmann

_Das Team:_
Regie: Hans-Joachim Herwald
Musik: Alexander Ester
Buch: Mik Berger
Bearbeitung: Hans-Joachim Herwald
Illustration: Timo Wuerz

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David Weber – Der Schwur (Schwerter des Zorns 1)

Bei dem Namen David Weber denkt man zwangsläufig an Science-Fiction-Romane rund um die starke Kommandantin Honor Harrington. Doch diesmal entführt er seine Leser in eine an Robert E. Howards hyborische Welt erinnernde Zeit.

Seine Verwandschaft mit Conan kann Webers Held Bahzell Bahnakson nicht verleugnen. Probleme löst auch er am liebsten auf die handgreifliche Art. Doch im Gegensatz zu Howards Conan ist der unheimlich sture Bahzell ein moralischer Charakter mit ausgeprägtem Gerechtigkeitsempfinden.

Als Hradani gehört Bahzell einer der ursprünglichen fünf menschlichen Rassen (desweiteren gibt es Zwerge und „Rote Lords“, Halbelfen) seiner Welt an. Die fuchsohrigen Hradani sind bekannt für ihre hünenhafte, über zwei Meter große Gestalt, Körperkraft und ihr gewalttätiges Temperament. Das machte sie zu idealen Soldaten der Dunklen Götter, deren Hexerei sie mit der Blutrunst verfluchte: einem unkontrollierbaren, berserkerhaften Blutrausch, in dem sie jegliche Kontrolle verlieren. Diesem können sie im Zorn, besonders im Kampf, jederzeit anheimfallen.

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Herbert, Brian / Anderson, Kevin J. – Schlacht von Corrin, Die (Der Wüstenplanet: Die Legende 3)

[Butlers Djihad 827 (Der Wüstenplanet: Die Legende 1)
[Der Kreuzzug 853 (Der Wüstenplanet: Die Legende 2)
[Das Haus Atreides 1621 (Der Wüstenplanet: Die frühen Chroniken 1)
[Das Haus Harkonnen 1622 (Der Wüstenplanet: Die frühen Chroniken 2)
[Das Haus Corrino 1623 (Der Wüstenplanet: Die frühen Chroniken 3)
[Der Wüstenplanet 1662 (Dune 1)
[Der Herr des Wüstenplaneten 1637 (Dune 2)
[Die Kinder des Wüstenplaneten 1634 (Dune 3)

Genau ein Jahr ist es jetzt her, dass ich mit der Vorgeschichte zum Wüstenplaneten Dune, sprich mit der „Legende des Wüstenplaneten“ begonnen habe, und auch wenn die Trilogie bis dato bei weitem nicht so stark war wie die Bücher, die in der Zeit danach spielen, so hatten sie immerhin ihren Reiz und vor allem auch ihre Daseinsberechtigung. Dies kann man bezüglich des letzten Bandes „Die Schlacht von Corrin“ allerdings nicht mehr behaupten. Die beiden Autoren Brian Herbert und Kevin J. Anderson ziehen die Geschichte unnötig in die Länge und führen das Buch fernab jeglicher Spannung auf das eh schon vorherbestimmte Ende zu. Was ich nach dem zweiten Band „Der Kreuzzug“ schon befürchtet hatte, bewahrheitet sich nun endgültig: Man hätte „Die Legende des Wüstenplaneten“ ebenso in zwei Bänden abhandeln können und so nicht gewaltig am guten Ruf der Serie gekratzt!

_Story_

Der einst von Serena Butler eingeleitete Djihad ist auch Jahrzehnte später noch immer in vollem Gange. Denkmaschinen und Menschen liefern sich an den verschiedensten Schauplätzen nach wie vor erbitterte Kämpfe, und von Zeit zu Zeit ist die eine oder andere Partei sich fast siegessicher, muss dann aber wieder feststellen, dass sie die endgültige Vernichtung des Gegners doch nicht realisieren kann.

An der Spitze der menschlichen Rebellen befindet sich als einzig verbliebener Anführer noch Vorian Atreides, der aufgrund einer lebensverlängernden Maßnahme, die ihm einst sein mechanischer Vater zugefügt hat, seine einstigen Verbündeten überlebt hat. Mit seinen Faltraumschiffen fliegt er auch weiterhin gegen die von der künstlichen Intelligenz Omnius besetzten Planeten und sprengt die dort vorherrschende Roboterübermacht in die Luft. Doch auch die Maschinen sind nicht untätig und versklaven ganze Völker und nehmen ständig wieder neue Planeten ein. Omnius ist sich seiner Sache immer sicherer und beschließt letztendlich, die Heimatwelt der Menschen, Salusa Secundus, anzugreifen. Mit einer schier übermächtigen Riesenflotte attackiert er die Menschenwelt.

Und so geht der Kampf hin und her, bis Vorian Atreides schließlich bis auf einen Omnius sämtliche künstlichen Intelligenzen ausgerotte hat. Doch der letzte Omnius, der sich auf Corrin befindet, lässt sich nicht so einfach vernichten, und so kommt es zu einer alles entscheidenden Schlacht auf dem Planeten Corrin …

Man mag es der kurzen Beschreibung schon entnehmen können: Besonders viel Handlung gibt es in „Die Schlacht von Corrin“ nicht mehr. Die erste Hälfte des Buches zieht sich dabei wie Käse: Es ist ja ohnehin schon klar, was passieren wird, und dennoch steigern sich die beiden Autoren in ein belangloses Hin und Her hinein, bei dem einem die Details mehr und mehr auf die Nerven gehen. Es werden ziemlich lange Überlegungen angestellt, wie genau man nun die künstliche Intelligenz auslöschen kann, und die Sprache kommt dabei immer wieder auf Atomwaffen. Währenddessen geht der viel zitierte Kampf natürlich immer weiter, und irgendwie wünscht man sich relativ bald, dass Herbert und Anderson endlich mal die Kurve bekommen und die Geschichte zum Abschluss bringen. Der Haken für den Leser: Wenn man schon 1500 Seiten gelesen hat, will man natürlich auch wissen, wie es jetzt zu Ende geht, und so schleppt man sich mühselig durch den letzten Band, durch zahllose Diskussionen und Kämpfe, die das Buch nicht mehr voranbringen können, und schließlich durch eine Endlösung, die irgendwie lächerlich wirkt, weil sie in dieser Form schon längst hätte in die Tat umgesetzt werden können. Aber nein, da kann man ja auch drei Bücher schreiben und den Leser am Ende mal so richtig schön enttäuschen … Man verzeihe mir den Sarkasmus, aber ich hatte sehr große Erwartungen an diese Ausgabe und habe kopfschüttelnd hinnehmen müssen, wie die beiden Autoren die Konsequenzen des Butler’schen Djihad ad absurdum führen.

Die teils sehr uninspirierte, fast schon lustlose Art und Weise, mit der die Geschichte erzählt wird, setzt dem Ganzen dann im negativen Sinne die Krone auf. Zu neuen und eigentlich wichtigen Personen wie zum Beispiel Abulurd Harkkonen oder Gilbertus, dem Schützling des eigenwilligen Roboters Erasmus, findet man so ebenfalls keinen Zugang mehr, und weil fast alle Hauptakteure dieses Buches gänzlich neu sind, ist die Auswirkung all dessen schon verheerend.

Wenigstens die Überleitung zur späteren Geschichte hat man noch ganz ordentlich hinbekommen, aber hier gab es ja auch feste Vorgaben, an die sich Brian Herbert und Kevin J. Anderson halten mussten. Abgesehen hiervon ist „Die Schlacht von Corrin“ daher auch eine riesige Enttäuschung, die dem sonst so guten Ruf der „Wüstenplanet“-Reihe eher schadet als nützt und die Diskussionen, ob dieser Zyklus überhaupt hätte entstehen sollen, wieder von neuem entfachen wird. Ich persönlich schließe mich jedenfalls mittlerweile dem Gedanken an, dass man sich diese Trilogie – zumindest mit so einem unterdurchschnittlichen Abschluss – definitiv hätte schenken können!

Heitz, Markus – dritte Expedition, Die

„Die Dritte Expedition“ von Markus Heitz ist ein Abenteuer-Spielbuch im Stile der erfolgreichen englischen Solospielbücher der 80er Jahre. Es spielt im „Geborgenen Land“, wie die erfolgreichen Romane „Die Zwerge“, „Krieg der Zwerge“ und „Die Rache der Zwerge“.

_Inhalt_

„Die Dritte Expedition“ bewegt sich chronologisch im ersten Band der Zwergen-Saga, nämlich an der Stelle, wo die zwei Gruppen von Tungdil und Gandogar aufbrechen, um die Axt Feuerklinge zu erschaffen. Da man selbstverständlich einen Zwerg spielt, setzt man alle Hebel in Bewegung, um einen der beiden Kontrahenten zu begleiten. Doch zunächst ohne Chance, denn entweder ist man nicht stark genug, nicht trinkfest genug oder schlicht und einfach nicht gut genug (zumindest war das bei meinen bisherigen Versuchen so).

Doch da die Zwerge bekanntermaßen überaus beharrlich und dickköpfig sind, lässt man sich von solchen Widrigkeiten natürlich nicht abschrecken und startet seine eigene Expedition, und zwar, wen wird es wundern, „Die dritte Expedition“, um die Zwergenreiche vor dem bösen Magier Nod`onn zu retten.

_Wie spielt man ein Solospielbuch? _

Erfahrene Rollenspieler, die die so genannten Soloabenteuer schon aus Publikationen des „CTHULHU-Rollenspiels“ oder von „Das Schwarze Auge“ kennen, können diesen Abschnitt getrost überspringen. Doch da „Die dritte Expedition“, laut Markus Heitz, auch dazu gedacht ist, Spieler an das Rollenspiel heranzuführen (siehe unser Interview), die noch gänzlich unerfahren sind, halte ich es hier für wichtig, zu erklären, worum es sich bei einem Solospielbuch eigentlich handelt und wie man damit umgeht.

Neben den relativ einfachen Regeln ist „Die dritte Expedition“ in 408 nummerierte Abschnitte unterteilt. Mit der Eins wird selbstverständlich angefangen.

Am Ende eines jeden Abschnittes stehen dann Verweise auf einen oder meistens mehrere andere Abschnitte. So kann man beispielsweise von Abschnitt Nummer 1 entweder weiter zur Nummer 114 (wenn man Gandogar begleiten will) oder zur 63 (wenn man Tungdil begleiten will). Die Geschichte nimmt also mit jeder getroffenen Entscheidung eine andere Wendung. Allerdings hat man nicht immer die freie Wahl, denn ab und an werden auch Würfelwürfe gefordert. Wer keinen sechsseitigen Würfel besitzt, kann auch sechs Münzen werfen oder das Würfelblatt auf der letzten Seite benutzen. Bei diesen Würfeln entscheidet dann der Ausgang des Wurfes, wie es weitergeht.

Ob man das Abenteuer bestehen wird oder nicht, hängt von den getroffenen Entscheidungen ab sowie von etwas Würfelglück. Wer aber denkt, er könne schummeln, der sei gewarnt, denn es sind einige Schummlerfallen eingebaut!

_Mein Eindruck_

Eigentlich bin ich kein Freund von Soloabenteuern, da sie meistens nur dazu dienen, einen Charakter „aufzupowern“, sprich ihn auf eine höhere Stufe zu bringen und einen Haufen Heiltränke und magische Artefakte zu bekommen. Bei „Die dritte Expedition“ ist das anders, da dieses Solospielbuch ja nicht in ein richtiges Rollenspiel eingebettet ist, sondern für sich alleine steht. Auch was den Umfang betrifft, überragt dieses Spiel alle, die mir bisher in die Hände gefallen sind. Flacht meine Aufmerksamkeitspanne bei normalen Soloabenteuern schnell ab, ist das bei „Die dritte Expedition“ nicht der Fall. Zum einen, weil der Schreibstil des Autors sehr unterhaltsam zu lesen ist und es für Fans der Romane einfach toll ist, in dieser Welt zu spielen, und zum anderen, weil die über 400 Abschnitte ein großes Maß an Abwechslung bereithalten. Ich habe das Spiel jetzt schon dreimal durchgespielt und muss sagen, ich habe immer wieder etwas Neues entdeckt, mich nicht einmal gelangweilt und dabei drei völlig unterschiedliche Endergebnisse erzielt. Daher hat „Die dritte Expedition“ eine für solche Publikationen völlig untypische „Langzeitmotivation“, die durch die noch zu erwartenden weiteren Solospielbücher noch erhöht wird. Da sich dieses Solospielbuch in mehreren Komponenten deutlich positiv von der Masse abhebt, kann man es nur als sehr gelungen bezeichnen.

_Ein kleiner Fehlerteufel_

Beim Durchlesen der Regeln für „Die dritte Expedition“ ist mir aufgefallen, dass bei der normalen Regelerklärung der Tragkraft diese mit Konstitution (Ko) minus 3 angegeben ist. Bei der Regelzusammenfassung allerdings mit Ko/2, was bei einer Mindestkonstitution von fünfzehn ein gehöriger Unterschied ist.

Auf Nachfrage beim Autor wurde mir gesagt, dass die Regel mit Ko-3 die richtige ist. Doch der gewitzte Spieler kann diesen Fehler positiv für sich nutzen. Indem er die nicht reguläre Vorgabe benutzt, kann der Spieler die Schwierigkeit beträchtlich erhöhen und sich so das Spiel interessanter machen. Hier hat der |Pegasus|-Verlag also unabsichtlich zwei Schwierigkeitsstufen eingebaut.

_Fazit:_ „Die Dritte Expedition“ ist ein sehr gelungenes Solospielbuch mit „Langzeitmotivation“, das Zwergen-Fans hilft, das „Geborgene Land“ noch plastischer zu erleben.

|Mehr von Markus Heitz bei Buchwurm.info:|

[Interview mit Markus Heitz]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=56
[Die Rache der Zwerge 1958
[Schatten über Ulldart 381 (Die Dunkle Zeit 1)
[Trügerischer Friede 1732 (Ulldart – Zeit des Neuen 1)
[05:58 1056 (Shadowrun)

Murphy, Pat – Geisterseherin, Die

Beinahe 20 Jahre ist es her, dass dieser preisgekrönte Roman von Pat Murphy unter dem Titel „The Falling Woman“ veröffentlicht wurde, und genau so lange hat es dann auch gedauert, bis der Titel, der einst den |Nebula Award| erhielt, den Weg in die deutschen Buchhandlungen gefunden hat. Wobei hiermit nicht die klassische Buchhandlung gemeint ist. „Die Geisterseherin“, so der deutsche Titel, bildet nämlich den Auftakt der 2004 gestarteten |Magic Edition| des |BLITZ|-Verlags und ist in der limitierten Auflage von gerade mal 999 Exemplaren nur über die [Homepage]http://www.BLITZ-Verlag.de des jungen Verlagshauses sowie einige ausgewählte Händler wie |amazon.de| erhältlich.

_Story_

Elizabeth Butler arbeitet schon seit mehr als einer Dekade in Mexiko als Archäologin und hat dort inmitten ihres jungen Teams mittlerweile auch eine neue Familie gefunden. Doch nicht nur das Graben nach alten Schätzen erfüllt sie; auch als Autorin versucht sich Liz und bezieht dabei ihr Wissen über das Volk der Maya und natürlich die fundierten Kenntnisse über ihre Arbeit mit ein. Ihre Vergangenheit hat Mrs. Butler gänzlich hinter sich gelassen. Mehr als 15 Jahre ist es nun her, dass sie nach einem Selbstmordversuch in die Psychatrie eingewiesen wurde und sich schließlich von ihrem Mann trennte. Die unglückliche Ehe mit dem langweiligen Robert kümmert sie nicht mehr – bis eines Tages ihre Tochter Diane auftaucht und sie wieder mit den Dämonen der Vergangenheit konfrontiert.

Diane Butler ist völlig am Boden zerstört: Ihr geliebter Vater ist vor zwei Wochen gestorben, und auch die Beziehung zu ihrem verheirateten Freund, der gleichzeitig auch ihr Chef war, ist kürzlich in die Brüche gegangen. Bei ihrer Mutter in Mexiko hofft sie, den inneren Frieden zu finden, weiß aber nicht so recht, was sie dabei erwartet. Bei ihrer Ankunft wird sie dementsprechend auch skeptisch beäugt. Elizabeth scheint es gar nicht recht zu sein, dass ihre Tochter plötzlich auf der Matte steht, doch widerwillig gewährt sie ihr für eine unbestimmte Zeit Unterschlupf. Diane integriert sich fortan immer mehr in das Archäologenteam ihrer Mutter und freundet sich auch ziemlich schnell mit der jungen Barbara an. Trotzdem ist sie unschlüssig, was ihre Zukunft anbelangt. Sie ist sich nicht im klaren darüber, was sie wirklich in Mexiko will bzw. was sie sich von ihrem Besuch bei Elizabeth erhofft. Bei Barbara kann sie dann schließlich ihre Sorgen loswerden und über das gestörte Verhältnis zu ihrer vor 15 Jahren verschwundenen Mutter reden, doch dieses Verhältnis wird dadurch dennoch nicht besser.

Elizabeth wird derweil von einer geisterhaften Erscheinung heimgesucht. Anfangs nur ein unklarer Schatten, sieht sie immer deutlicher die Umrisse der alten Mondgöttin Zuhuy-Kak. Diese hat damals zur Rettung ihres Volkes die eigene Tochter geopfert, um so die angreifenden Tolteken zu vertreiben, aber dennoch unterlag ihr Volk einst den übermächtigen Angreifern. Weil die Tolteken sich vor der Mondgöttin fürchteten, opferten sie Zuhuy-Kak im heiligen Cenote-Brunnen von Chichén Itzá. Doch die Dame überlebte den Sturz und wurde so zur Götterbotin, die sich fortan der Rache an den Tolteken widmete. Über ihr eigenes Opfer ist sie allerdings seitdem nie mehr hinweggekommen; zu tief sitzt der Schmerz über die verlorene Tochter. Deshalb sucht sie plötzlich auch den Kontakt zu Elizabeth und versucht diese dazu zu bewegen, ihre eigene Tochter als Opfer zu bringen, damit Zuhuy-Kaks Macht wieder erneuert werden kann …

_Meine Meinung_

Nach dem Anblick des Covers bzw. der Verinnerlichung des Titels erwartete ich von „Die Geisterseherin“ eine Fantasy-Horror-Story im Stile von Stephen King, nur eben etwas kürzer als die langen Epen der Horror-Legende. Doch der erste Teil der |Magic Edition| hat mit klassischem Horror, geschweige denn Fantasy nur wenig gemeinsam. Pat Murphy stellt vielmehr die ungewöhnliche Beziehung zwischen Mutter und Tochter in den Vordergrund und beweist so einmal mehr ihre Vorliebe für starke, weibliche Charaktere. Wer nun aber einen billigen Groschenroman berfürchtet, kann sofort beruhigt werden, denn die Autorin zeigt enorm viel Tiefgang bei der Beschreibung der beiden Butler-Damen, und weil sie die Geschichte im ständigen Wechsel aus der individuellen Perspektive der Hauptakteure schreibt, kommen so die beiden völlig unterschiedlichen Charaktereigenschaften und Einstellungen auch noch viel besser zum Vorschein.
Beide haben eines gemeinsam: Ihr Leben ist ziemlich chaotisch und voller dramatischer Schicksalsschläge. Elizabeth hatte eigentlich schon mit ihrem Leben abgeschlossen und sich nach dem Tod gesehnt, als ihr Mann sie auf dem Weg dorthin noch retten konnte. Sie wollte nur noch fliehen und ergriff mit ihrer Arbeit in Mexiko die Chance auf ein harmonisches, erfülltes Leben. Die Vergangenheit zählt nicht mehr, und weil die Kontakte gänzlich abgebrochen sind, erwartet sie von daher auch nichts mehr.

Diane hingegen hat nie so recht verstanden, warum ihre familiäre Situation so chaotisch war bzw. immer noch ist. Als ihre Mutter sie damals an einem Weihnachtsabend verlassen hat, konnte sie dies nicht verstehen, und auch heute noch ist ihr nicht bewusst, warum sie und ihr Vater im Stich gelassen wurden. Weil sie sich jedoch bei ihrem Dad gut aufgehoben fühlte, hegte sie erst gar nicht mehr den Wunsch, sich mit ihrer Mutter zu versöhnen. Nun aber, wo ihr dies der letzte Ausweg scheint, flieht sie nach Mexiko, um dort mit der nahen Vergangenheit abzuschließen und neue Hoffnung zu schöpfen – ähnlich wie damals ihre Mutter, die in der Heimat Los Angeles keinen Halt mehr fand.

Murphy gelingt es sehr gut, diese ständig unter Spannung stehende Beziehung zu beschreiben. So viel Nähe und doch eine so große Distanz, so definiert sich das Verhältnis zwischen Elizabeth und Diane, und obwohl das Umfeld der seltsamen Familie beide Seiten sehr gut nachvollziehen kann, ist doch keine der befreundeten Personen aus dem Archäologenteam in der Lage, zwischen den beiden zu vermitteln.

Eine solche Rolle kommt schließlich der schemenhaften Erscheinung der Mondgöttin Zuhuy-Kak zu, die den Kontakt zu Elizabeth sucht. Hier offenbaren sich schließlich unterschwellige Parallelen, denn in gewissem Sinne hat auch die alternde Butler damals ihre Tochter geopfert, um damit sowohl sich als auch ihre Familie (bzw. im übertragenen Sinne ihr Volk) zu retten. Doch statt eine Versöhnung zwischen den beiden zu ermöglichen, sticht sie mitten in die krisenhafte Beziehung hinein und benutzt die unschlüssige Elizabeth lediglich dazu, ihre alte Machtstellung wieder zurückzuerlangen. Sie kennt die Geschichte der zerstörten Familie nur allzu gut und findet in ihr schließlich das, was sie schon länger gesucht hat. Versucht insbesondere Diane zu retten, was noch zu retten ist, gerät ihre Mutter in eine immer kniffligere Zwickmühle, was ihre Tochter anbelangt, und wirkt letztendlich genauso hilflos wie damals, als sie versucht hatte, sich selbst umzubringen.

Zunächst einmal wirkt die Erzählung ein bisschen langatmig, weil man erst ziemlich spät herausfindet, worauf Pat Murphy eigentlich hinaus will. Vor allem die Motivation der zurückgekehrten Mondgöttin ist lange Zeit unklar, was aber – das weiß man jedoch erst am Ende – genau so auch richtig ist, denn somit bleibt der Autorin genügend Freiraum, um sehr tief in das Seelenleben der beiden Butler-Frauen einzudringen. Es sind jedoch nicht nur Elizabeth und Diane, die im Vordergrund der Handlung stehen; auch das direkte Umfeld spielt eine gewichtige Rolle, der man sich aber auch zunächst nicht bewusst ist. Der Alkoholiker Tony, die smarte Barbara, der Frauenheld Carlos – auch bei ihnen handelt es sich um Personen mit einer ziemlich langen Geschichte, die geradezu prädestiniert für den Umgang mit Elizabeth und Diane scheint. Auch hier hat Pat Murphy sehr gute Arbeit geleistet und die verschiedenen Personen sehr geschickt in das Drama einbezogen. Wenn es überhaupt einen Schwachpunkt gibt, dann ist es die Darstellung der Maya-Kultur, die stellenweise sehr oberflächlich wirkt, an anderer Stelle aber dann auch schon wieder so weit ausholt, dass die Handlung als solche nicht mehr vornan steht. Insofern gefallen mir auch die Passagen, in denen Elizabeth aus ihren Büchern referiert, nicht so gut und wirken für die Erzählung gerade in der ersten Hälfte eher hemmend als förderlich.

Sonst gibt es an „Die Geisterseherin“ allerdings rein gar nichts auszusetzen. Der Auftakt dieser Reihe ist vollends gelungen und bietet eine perfekte Mixtur aus zwischenmenschlichem Drama und einem Schuss historischer Magie. Wichtig ist lediglich, dass man sich vom Cover nicht auf die falsche Fährte locken lässt und sich bewusst macht, worum es in diesem Buch eigentlich geht. Wer nämlich den nächsten großen Schocker sucht, ist bei „Die Geisterseherin“ völlig fehl am Platze. Ansonsten: tolles Buch und der Anfang einer sehr vielversprechenden Reihe!

King, Stephen – Colorado Kid

Das geschieht:

Moose-Lookit ist eine kleine Insel vor der Küste des US-Staates Maine. Die wenigen Bewohner leben vom Sommertourismus, ansonsten bleibt man unter sich. Über die Ereignisse des Insellebens informiert seit einem halben Jahrhundert der „Weekly Islander“, der vom neunzigjährigen Vince Teague und seinem Partner Dave Bowie herausgegeben wird. In diesem Sommer gesellt sich ihnen die 22-jährige Praktikantin Stephanie McCann hinzu. Die junge Frau kommt gut mit den beiden alten Männern klar und zeigt als Journalistin echtes Talent.

Eines Tages hört Stephanie vom „Colorado Kid“. Als sie neugierig nachfragt, erzählen ihr Teague und Bowie vom größten ungelösten Rätsel ihrer langen Laufbahn. 25 Jahre zuvor hatte man am Strand die gut gekleidete Leiche eines unbekannten Mannes gefunden, der offenbar an einem Stück Steakfleisch erstickt war. Er trug keine Papiere bei sich, es gab keine Anzeichen für ein Verbrechen. Die Nachforschungen der Polizei blieben erfolglos, die Leiche ohne Identität, bis mehr als ein Jahr später zufällig Name und Herkunft des Mannes entdeckt wurden: Von seinem Arbeitsplatz im US-Staat Colorado war der Zeichner James Cogan eines Tages plötzlich verschwunden, hatte seine Familie verlassen und war auf unbekannte Weise und in Rekordzeit nach Maine gereist, wo er am Strand von Moose-Lookit gestorben war.

Oder hatte man ihn ermordet? Die Indizien ließen sich in dieser Richtung deuten, aber bestätigen konnten Teague und Bowie diesen Verdacht nie. Ein Vierteljahrhundert später diskutieren sie den Fall Cogan mit Stephanie McCann und ordnen die Fakten neu, um der Kollegin eine wertvolle Lektion über den Journalistenberuf zu erteilen …

Nicht jede Ausgrabung fördert Gutes zutage

Seltsame Ideen sind keine seltene Erscheinung auf dem modernen Buchmarkt, gilt es doch ein Medium lukrativ zu halten, das im digitalen Zeitalter ein wenig altmodisch geworden ist. Immer gern gedrückt wird die Nostalgie-Taste, denn früher war bekanntlich alles besser, auch der Kriminalroman. In unserem Fall soll die Erinnerung an die Pulps der 1940er und 50er Jahre geweckt werden: billig hergestellte, mit grellen Umschlägen versehene Krimireißer voller Sex & Gewalt, die oft von den Großen des Genres in Rekordzeit in die Tasten (damals noch von Schreibmaschinen) gehauen wurden. Nicht selten verbargen sich in diesem Ghetto des Schrillen und Brutalen echte Klassiker, denen die Eile gut bekam, die ihre Verfasser an den Tag legen mussten in einer Zeit, als nur Cents pro Wort gezahlt wurden.

Die Pulp-Tradition wurde 2004 in der US-Reihe „Hard Case Crime“ wiederbelebt. Mehr oder weniger bekannte Autoren schreiben neue Thriller der alten Art, die mit Titelbildern im plakativen Stil versehen und als Taschenbücher preisgünstig auf den Markt geworden werden. Auch Stephen King, der stets bestrebt ist, Marktnischen auszuloten, ließ sich anheuern. Mit „The Colorado Kid“ steuerte er im Oktober 2005 den 13. Band zur Serie bei.

Abergläubische Zeitgenossen könnten darauf hinweisen, dass dieses Experiment aufgrund der Unglückszahl scheitern musste. Das wäre freilich auch die Antwort eines verzweifelten King-Fans, für den der Meister einfach nichts falsch machen kann. Aber er kann, und er hat es hier eindrucksvoll – und glücklicherweise seitenschwach – unter Beweis gestellt.

Vom Rätsel über das Indiz zur Lösung

„Colorado Kid“ wird von King nicht als „hard boiled thriller“ angelegt, sondern ist eher ein philosophischer Exkurs über das Wesen des (journalistisch aufbereiteten) Rätsels. Drei Menschen unterhalten sich über einen Vorfall, der sich vor langer Zeit ereignete und ungeklärt blieb. Wie in einem ‚richtigen‘ Krimi werden Tatort, Indizien und Verdächtige präsentiert. Doch eine Auflösung bleibt aus. Wie so oft im realen Leben gibt es zu wenige Fakten, um das Puzzle zu vervollständigen. Stephanie McCann hat begriffen, was ihre Mentoren sie eigentlich lehren wollten: Ein Rätsel ohne Zugang ergibt keine Geschichte, sondern schafft nur Verdruss und sollte deshalb ungeschrieben bleiben.

Zu Kings Pech trifft Teagues & Bowies Lehrsatz auf auch „Colorado Kid“ voll und ganz zu. Selten ziehen sich knapp 180 großzügig bedruckte Seiten so in die Länge wie hier. Man kann und mag nicht glauben, dass wirklich Stephen King dieses Stückchen Nicht-Unterhaltung zu Papier gebracht hat. Er legt „Colorado Kid“ wie einen seiner epischen Romane an. Zwei Drittel des Buches sind bereits gelesen, und wir befinden uns immer noch in der Einleitung, dem durchaus gelungenen Stimmungsbild einer von der Zeit ein wenig vergessenen Maine-Insel und ihrer angenehm kauzigen Bewohner. Erst dann scheint King einzufallen, dass er ja eine Geschichte zu erzählen hat, nur dass da wie gesagt keine Geschichte ist. Diesen Widerspruch spannend aufzulösen ist ihm gänzlich misslungen.

Aus Figuren werden Menschen

Auf der anderen Seite ist „Colorado Kid“ keineswegs schlecht geschrieben. King, der geborene Geschichtenerzähler, der sich erfolgreich auch jenseits der Phantastik tummelt, hat nach wie vor ein Schreibhändchen für Figuren, die vor dem geistigen Auge Gestalt annehmen. Das ist eine echte Gabe, zumal sich die Handlung in diesem Büchlein auf ein Gespräch zwischen drei Personen beschränkt. Was sich ereignet hat, wird nur erzählt, und das nicht am Stück. Immer wieder unterbrechen Dialoge die Rückblenden ins Jahr 1980, dazu kommen Sprünge, wie sie für eine Unterhaltung typisch sind.

Dennoch ist King die schwierige Aufgabe gelungen, zwischen zwei alten Männern und einer jungen Frau eine besondere, von anzüglichen Untertönen völlig freie Beziehung zu schaffen. Hier diskutieren drei Profis, die sich miteinander wohl fühlen. Als ‚vierte Person‘ tritt Moose-Lookit dazu, die kleine Insel, die auf jene, die für ihr Flair anfällig sind, eine eigenartige Anziehungskraft ausübt. James Cogan musste, Stephanie McCann darf es erfahren, denn im Verlauf der Geschichte schält sich allmählich heraus, dass sie auf Moose-Lockit bleiben und als Journalistin arbeiten wird.

Solche literarischen Kabinettstückchen reichen unterm Strich aber nicht aus. „Colorado Kid“ bleibt eine langweilige, überflüssige Angelegenheit. Der Name Stephen King ist es, der dieses Büchlein verkauft. Dessen Preis ist niedrig aber für das Gebotene trotzdem zu hoch, „Colorado Kid“ weniger eine Weihnachtsüberraschung als ein Windei, das sich nur der King-Komplettist ins Nest legen lassen sollte.

Autor

Eine Biografie des Stephen King kann ich mir an dieser Stelle sparen. Über den Verfasser unzähliger Bestseller der Unterhaltungsliteratur informieren ausführlich und zum Teil vorbildlich viele, viele Websites, zu denen selbstverständlich auch des Meisters eigene (www.stephenking.com) gehört.

Impressum

Originaltitel: The Colorado Kid (New York : Mass Market Paperback 2005)
Übersetzung: Andrea Fischer
Deutsche Erstausgabe: Dezember 2005 (Ullstein Taschenbuchverlag/TB Nr. 26378)
159 S.
ISBN-13: 978-3-548-26378-6
Neuauflage: Mai 2009 (Wilhelm Heyne Verlag/TB Nr. 43396)
176 S.
EUR 7,95
ISBN-13: 978-3-453-43396-0
www.randomhouse.de/heyne
Als e-Book: PeP-Verlag
ISBN-13: 978-3-641-03284-5
EUR 7,95
www.randomhouse.de/pep