Brigitte Blobel – Mörderherz

Daniel Panetta, 52 Jahre alt, verheiratet und Leiter der öffentlichen Bibliothek in Washington, leidet seit mehreren Jahren an immer stärker werdenden Herzbeschwerden. Eines Tages eröffnet ihm sein Arzt Professor Grady, dass seine einzige Chance in einer Herztransplantation liegt. Ohne ein neues Organ hat er vermutlich kein Jahr mehr zu leben. Panettas Name kommt auf die Empfängerliste und ein banges Warten beginnt. Sein Allgemeinzustand verschlechter sich immer weiter, seine Arbeit hat er bereits aufgeben müssen, die Ehe mit seiner attraktiven und erfolgreichen Frau Martha leidet.

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Interview mit Markus Heitz

Am 16. Dezember 2005 fanden sich um 20 Uhr knapp dreißig Gäste in der Julius-Springer-Schule in Heidelberg ein, um einer Lesung von Markus Heitz, dem Autor von „Die Zwerge“, beizuwohnen. Die Lesung, organisiert und präsentiert vom Buchladen [Fun-Fiction,]http://www.fun-fiction.de stand unter dem Titel „Die Rache der Zwerge“ des gleichnamigen dritten Teils der Zwergen-Saga um den Zwerg Tungdil. Ein sichtlich gut gelaunter Markus Heitz führte die Hörer durch fünf sehr passend ausgesuchte Textstellen, die er aber zum Schluss, natürlich an der spannendsten Stelle, mit den Worten beendete: „Hier kann ich aus dramaturgischen Gründen leider nicht weiterlesen!“ Das war allerdings nicht weiter schlimm, denn durch die vertretenen Textauschnitte kam jeder auf seine Kosten, denn sowohl lustige Szenen als auch Schlachtensequenzen kamen nicht zu kurz, so dass eigentlich nur entsprechend gut gelaunte Besucher zu sehen waren.

Die Möglichkeit zum anschließenden Plausch mit dem Erfolgsautor und die Chance, ihre Bücher signieren zu lassen, nahmen dann so viele Besucher ausführlich war, dass wir uns entschlossen, das geplante Interview zunächst zu verschieben und es zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Da es bereits zahlreiche Interviews gab, in denen es um die „Ulldart-Saga“ ging, beschäftigten wir uns ausführlicher mit den Zwergen und den daraus entsprungenen Publikationen. Doch lest selbst:

_Martin Schneider_:
Servus Markus, wie fühlt man sich so, wenn man momentan als der „Shootingstar“ des Fantasy-Genres bezeichnet wird?

_Markus Heitz_:
Viele Leute schreiben, ich wäre der „Shootingstar“. Ich bin aber immer noch der gleiche Autor wie zu meinen Anfängen bei „Ulldart“ und fühle mich auch nicht als ein Star. Ich tue das Gleiche wie vor einigen Jahren, nur dass jetzt glücklicherweise mehr Menschen meine Romane lesen. Das freut mich dann schon.

_Martin_:
Wie kam es dazu, dass „Die Zwerge“ entstanden sind?

_Markus_:
Es gab einen anderen Band, der hieß [„Die Orks“, 624 von einem Engländer namens Stan Nicholls. Der hat in Deutschland ordentlich eingeschlagen.

Und als ich dann gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, über ein klassisches Fantasyvolk zu schreiben, habe ich mir die Zwerge ausgesucht, weil ich mich mit den Zwergen besser identifizieren kann; weil sie Ecken und Kanten haben – im Gegensatz zu den Elfen.

_Martin_:
Wie findest du die Darstellung von Gimli in den „Herr der Ringe“-Filmen?

_Markus_:
Vorweg: Jackson hat gute Arbeit geleistet. Aber Gimli bekam die Rolle des Clowns, der zu viele Lacher auf seine eigenen Kosten fabrizieren musste.

Es gibt einige Stellen davon im Film (der Sturz vom Pferd, Unterliegen beim Wetttrinken mit dem Elben uvm.), aber den Hammer fand ich die Schlacht bei Helms Klamm. Man erinnere sich an die Kamerafahrt: Millionen von Orks auf der einen Seite, Schwenk rüber, vorbei an unrasierten Menschen, gestylten Elben und dann … eine Helmspitze hinter einer Zinne. Klar, wieder der lustig-naive Zwerg!

Jetzt mal ehrlich: Würde sich ein Zwerg vor einer Schlacht an eine Stelle der Mauer begeben, wo er nichts, aber auch gar nichts von dem sieht, was auf ihn zukommt?

Nein, würde er nicht!!!

Spätestens da war mir klar: Die Zwerge haben dringend ein eigenes Buch verdient, in dem sie so dargestellt werden, dass sie immer noch Humor, aber mehr Grips und Würde besitzen.

_Martin_:
War die Reihe von Anfang an auf mehrere Bände ausgelegt?

_Markus_:
Im ersten Band habe ich mir ein kleines Hintertürchen offen gelassen, aber nicht damit gerechnet, dass der Zuspruch so hoch ausfallen würde. Als ich den zweiten Band anging, habe ich ihn so angelegt, dass es einen dritten geben könnte.

Tja, und irgendwann wird es auch einen vierten geben. Aber das wird noch ein bisschen dauern, da ich den Zwergen und mir ein bisschen Zeit geben will.

_Martin_:
Beschreibe den Lesern, die noch nicht mit diesem Zyklus vertraut sind, doch bitte einmal kurz die drei Teile („Die Zwerge“, „Der Krieg der Zwerge“ und „Die Rache der Zwerge“).

_Markus_:
Grob zusammengefasst, ist der erste Teil Zwerge für Einsteiger. Für Leute, die die Zwerge aus dem „Herr der Ringe“ kennen – und hiermit meine ich in erster Linie die Filme. Sie wissen nicht sehr viel über dieses Volk, und daher nehme ich sie bei der Hand und führe sie mit der Hilfe von Tungdil in mein Zwergenreich. Tungdil ist ein Zwerg, der bei Menschen aufwuchs und nach und nach in die fünf Zwergenreiche des Geborgenen Landes hineinschnuppert. Man kriegt mit seinen Augen mit, wie die verschiedenen Zwerge sind und was er alles erlebt. Vom Anfängerzwerg wird er dabei zum Heldenzwerg.

Und mit diesem Heldenzwerg Tungdil gehen wir dann in den zweiten Band „Der Krieg der Zwerge“. Der erste Band war Zwerge für Einsteiger, der zweite Band ist Zwerge für Fortgeschrittene. Da wird beleuchtet, wie vielschichtig die Zwergenkultur ist, und wo auch die Reibungspunkte zwischen den verschiedenen Zwergenvölkern und Stämmen liegen.

Im dritten Band öffnen wir dann die Tür für ganz neue Zwerge und ganz neue Herausforderungen, indem wir einen Schritt über die Landesgrenzen hinaus gehen, und einen Blick in das „Jenseitige Land“ werfen, das eben außerhalb des „Geborgenen Landes“ liegt. Dort treffen wir völlig andere Zwerge, die wenig mit denen gemeinsam haben, die im Geborgenen Land leben. Das reicht vom Aussehen bis zur Kultur.

_Martin_:
Im dritten Teil bist du auch ein Risiko eingegangen, indem du Magie und Technik verbunden hast. Was hast du dir von diesem Schritt erwartet?

_Markus_:
Mir war von Anfang an klar, dass der klassische Fantasyleser das kritisch sehen wird. Viele dieser Leute möchten ausschließlich das ihnen Bekannte. Das ist nicht schlimm, vergleichbar mit einem eingefahrenen Musikgeschmack. Jeder hat seine Vorlieben, und das akzeptiere ich.

Fantasy lebt aber auch davon, dass man immer wieder neue Sachen erfindet und kombiniert, sonst wäre es für mich auch als Autor sehr langweilig, immer das Gleiche zu schreiben.

Deswegen kombiniere ich Dinge, die es bisher so – auf jeden Fall in meinen Romanen – nicht gab und biete dem Leser völlig neue Betrachtungsweisen.

Das fasziniert die einen, und ein anderer Teil sagt: „Nee, das ist wohl Fantasy, aber für mich zu viel davon.“ Mir war das Risiko aber von Anfang an klar, und ich habe es in Kauf genommen. Ich bleibe dabei: Das Fantasy-Genre braucht neue Impulse.

_Martin:_
Wie kamst du auf die Idee, Hybridwesen aus Albae, Orks und Maschinen zu erschaffen?

_Markus_:
Die kam einfach so. Ich überlegte mir, was wohl das Schlimmste wäre, was den Helden passieren kann. Das musste ein Gegner sein, der verschiedene Eigenschaften beinhaltet. Er sollte einigermaßen gewitzt sein, Magie beherrschen oder mit ihr aufgeladen worden sein und auch noch die Technik zur Verfügung haben. Und das macht die Hybriden zu Gegnern, die das „Geborgene Land“ so noch nicht gesehen hat.

_Martin_:
Denkst du, es kann im „Geborgenen Land“ überhaupt noch weitergehen? Oder wirst du eher ins „Jenseitige Land“ expandieren?

_Markus_:
Es kann sehr wohl noch im „Geborgenen Land“ weitergehen. Und ich weiß auch schon, wie … (lacht)

_Martin_:
Gehe ich richtig in der Annahme, dass du uns nicht erzählen willst, was am Ende von „Die Rache der Zwerge“ mit Tungdil passiert ist?

_Markus_:
Nein, das ist zu gefährlich. Aus dramaturgischen Gründen kann ich an dieser Stelle, wie es so schön heißt, nichts sagen.

_Martin_:
Wie kam dir die Idee, Tassia als Gegenstück zum Unglaublichen Rodario einzubauen?

_Markus_:
Rodario war ja als Schauspieler immer der Weiberheld, und jede Frau war für ihn eine Trophäe, eine Beute sozusagen. Wie wäre es denn, wenn er ein Gegenstück kriegt? Und zwar eine Frau, die genauso ausgebufft ist wie er!

Das hat schon sehr, sehr viel Spaß gemacht, ihm eine Frauenfigur gegenüberzustellen, die genauso denkt wie er und ihm sogar ein Stück weit überlegen ist.

_Martin_:
Leider ist sie dann auf einmal verschwunden und taucht auch nicht mehr auf.

_Markus_:
Das war gewollt, sonst wären es am Ende des Buches zu viele Personen gewesen, und sie spielt ja nicht die tragende Rolle. Sie sollte auftauchen und zeigen: Jawohl, es gibt Frauen, die es mit Rodario aufnehmen können. Sie wird im vierten Band wieder dabei sein.

_Martin_:
Wie war das mit der Reaktivierung des Magus Lot-Ionnan, war sie von Anfang an geplant?

_Markus_:
Ja. Ich war mir nur nicht ganz im Klaren darüber, wann ich sie einsetzen kann. Im zweiten Band war mir noch nicht so ganz wohl dabei, aber im dritten wusste ich dann: Es wird Zeit!

_Martin_:
Dein „Heldenausschuss“ ist relativ hoch, welche Überlegungen führen dich zu dieser hohen Sterberate?

_Markus_:
Auch Helden sterben. Es gibt Bücher, in denen Helden alles überleben, das finde ich ein bisschen schade. Gut, der Leser will natürlich, dass seine Sympathieträger überleben, aber ich finde, es macht nichts, wenn auch mal ein paar Helden fallen. Das zeigt auch, dass sie schlichtweg erstens sterblich sind und zweitens auch nicht jeden Kampf überleben.

_Martin_:
Was hältst du von dem Vermarktungsprinzip von |Heyne| & |Piper|, dass die Verlage viele neue Fantasybücher pauschal „Die Zwerge“, „Die Elfen“ oder „Die Drachen“ etc. nennen?

_Markus_:
Es zeigt dem Leser plakativ, was er von dem Buch zu erwarten hat. Wenn vorne „Die Orks“ draufsteht, sind auch Orks drin, wenn „Die Zwerge“ draufsteht, sind Zwerge drin. Das ist eine klare Ansage. Aus Marketingsicht ist das sicher nicht schlecht.

_Martin_:
Besteht aber nicht auch die Gefahr, dass der Leser denkt a) die Bücher gehören zusammen und b) sie haben auch alle den gleichen Stil?

_Markus_:
Das kann passieren, aber als Autor hat man wenig Einfluss. Die Mitarbeiter des Verlages werden dafür bezahlt, dass sie sich diese Gedanken im Vorfeld machen. Und wenn sie der Meinung sind, das das alles so funktioniert, kann ich nichts dagegen sagen.

Ab und zu sagen mir dann auch Leute, was sie von „Die Orks“ oder „Die Elfen“ halten. Stan Nicholls kenne ich nicht persönlich, aber Bernhard Hennen kenne ich und daher richte ich ihm das Lob aus. Das macht man unter Kollegen.

_Martin_:
Kommen wir zu „Die dritte Expedition“. Wie kam die Idee zu diesem Solospielbuch?

_Markus_:
Diese Solospielbücher gab es in der Mitte der 80er. Die kamen damals aus England, waren in Deutschland sehr erfolgreich, und sehr viele ältere Rollenspieler werden sich noch ziemlich genau daran erinnern. Mir haben die damals sehr gut gefallen

_Martin_:
Wie sieht es mit Fortsetzungen aus?

_Markus_:
Es werden nach und nach neue Solospielbücher kommen, immer abwechselnd eines von den Zwergen und eines aus „Ulldart“.

_Martin_:
Planst du auch, das in ein richtiges Rollenspiel einzubetten?

_Markus_:
Ich bin damals zur Spielemesse in Essen an den |Pegasus|-Stand gegangen und habe gefragt: „Wie sieht’s mit einem Ulldart-Rollenspiel oder einem Zwerge-Rollenspiel aus?“

Und die Profis von |Pegasus| meinten, dass es momentan auf dem Pen&Paper-Rollenspielmarkt nicht ganz so gut aussieht, aber man könnte es mit Solospielbüchern versuchen, um das Interesse zu testen. Die Idee: die jüngere Generation, die momentan nichts mit Rollenspielen am Hut hat, über die Solospielbücher langsam wieder an die klassischen Rollenspiele heranführen.

Das wird nicht leicht. Im Gegensatz zu früher ist das sonstige elektronische Unterhaltungsangebot wesentlich höher als Mitte der 80er. Das Rollenspiel hatte damals einen viel stärkeren Reiz auf die Jugendlichen und Kinder.

Wir versuchen es, die Leute über diese Plattform wieder zum Rollenspiel hinzuführen, um ihnen zu zeigen, dass die Solospielbücher für die Anfänger gedacht sind und es auch noch eine Steigerung dazu gibt. Na ja, wir werden sehen, was daraus wird.

_Martin_:
Bei deiner Lesung waren auch einige jüngere Leute, freust du dich besonders, wenn du die Kids erreichst?

_Markus_:
Ich finde das sehr gut! „Die Zwerge“ ist zwar nicht als Kinder- und Jugendbuch konzipiert gewesen, aber ich bekomme häufig E-Mails von jungen Lesern, der Spitzenreiter hatte gerade elf Jahre auf dem Buckel. Ist doch klasse, wenn Kinder sagen: Okay, wir nehmen uns diese 800 Seiten vor, und danach lesen wir das nächste und noch eines.

Es geht mir nicht darum, dass sie unbedingt meine Bücher lesen, sondern dass sie überhaupt lesen. Dass sie dann gleich richtig dicke Bücher anpacken, freut mich umso mehr.

_Martin_:
Kommen wir zum neuen Jahr. Im April 2006 erscheint dein neuer Roman „Ritus“. Die Verlagsinfo zu diesem Roman erinnert sehr an den Film „Packt der Wölfe“. Zufall oder gewollt?

_Markus_:
Das liegt daran, dass die Geschichte aus „Ritus“ auf einer in Frankreich sehr bekannten Geschichte basiert. Was in England Jack the Ripper ist, ist in Frankreich die Bestie von Gévaudan. Diese Geschichte kommt, glaube ich, in jedem Schulbuch vor, wenn es um Heimatkunde geht.
Das Ganze basiert eben auf historisch belegbaren Fakten. Fakt ist, dass 1764-1767 in Südfrankreich in besagtem Gebiet Gévaudan irgendetwas unterwegs war, das Leute angefallen und grausig zerfetzt und verstümmelt hat.

Bis heute weiß man eben nicht genau, was es war. Der „Pakt der Wölfe“ nimmt diese populäre Geschichte zum Anlass und baut seine Theorie auf.

Da das Geheimnis bis heute nicht geklärt ist, ist es der perfekte Anlass für einen Schriftsteller, eine eigene Erklärung zu liefern. Ich habe mich mit der Materie auseinandergesetzt und einige Bücher darüber gelesen: Welche Meinungen es gibt, welche Personen beteiligt waren und so weiter. Das war furchtbar spannend, und heraus kam „Ritus“.

_Martin_:
Nächstes Jahr erscheint auch noch ein Buch namens „Sanctum“ von dir …

_Markus_:
Das ist die Fortsetzung. „Ritus“ macht den Anfang und „Sanctum“ führt das fort, was in „Ritus“ offen geblieben ist.

_Martin_:
Was ist noch für 2006 zu erwarten?

_Markus_:
Abgesehen von verschiedenen kleinen Solospielbüchern, wird es im Sommer „Ulldart – Zeit des Neuen: Brennende Kontinente“ geben.

Und zur Buchmesse wird wieder ein neues Fantasyprojekt erscheinen. Aber das ist alles noch geheim, darüber kann ich noch nichts sagen.

_Martin_:
Bei Amazon stand ein „Shadowrun“-Roman namens „Schattenjäger“ im Sortiment, von dem du, laut einer Anmerkung auf deiner Homepage, nichts wusstest.

_Markus_:
Das hat sich mittlerweile geklärt. Der |Heyne|-Verlag bringt meine insgesamt sechs „Shadowrun“-Romane in zwei Sammelbänden neu heraus. Also dieser „Schattenjäger“ ist kein neuer Roman, sondern enthalten sind die ersten drei Romane von mir.

_Martin_:
Dann bedanke ich mich ganz herzlich für das nette Interview, wünsche dir schöne Weihnachten und einen gute Rutsch. Möchtest du noch ein Abschlusswort an unsere Leser richten?

_Markus_: Seid kreativ!

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http://www.ulldart.de/

_Rezensionen zu Titeln von Markus Heitz bei |Buchwurm.info|:_
[„Schatten über Ulldart“ 381 (Die Dunkle Zeit 1)
[„Trügerischer Friede“ 1732 (Ulldart – Zeit des Neuen 1)
[„05:58“ 1056 (Shadowrun)
[„Die Zwerge“ 2941 (Lesung)
[„Die Zwerge“ 2823
[„Der Krieg der Zwerge“ 3074
[„Die Rache der Zwerge“ 1958
[„Die dritte Expedition“ 2098
[„Ritus“ 2351
[„Ritus“ 3245 (Lesung)
[„Sanctum“ 2875

Reichs, Kathy – Totgeglaubte leben länger

Was, wenn Jesus nicht am Kreuz gestorben wäre?

Bibelthriller zwischen Fakten und Fiktion haben seit Dan Brown Hochkonjunktur – da wollte Bestsellerautorin Kathy Reichs wohl nicht zurückstehen. Zumindest haben wir es hier mit einer Fachfrau zu tun: Ihre Serienheldin, die Gerichtsmedizinerin Tempe Brennan, hat schließlich ihre Wurzeln in der forensischen Archäologie – ebenso wie die Autorin übrigens.

Diesmal ermittelt Tempe Brennan im Gelobten Land. Wie kommt es dazu? Der jüdische Antiquitätenhändler Avram Ferris ist ermordet worden und liegt auf Tempes Obduktionstisch, während ihr Geliebter Ryan und seine Polizeikollegen bereits ermitteln. Kurz nach der Obduktion spielt ein Fremder Tempe ein Foto zu, welches scheinbar mit Ferris’ Ermordung in Zusammenhang steht: Das Bild zeigt ein korrekt angeordnetes Skelett, daneben Fußabdrücke im Staub und einen Pinsel als behelfsmäßigen Kompass. Tempe geht davon aus, dass das Foto von einer archäologischen Grabung stammt und wendet sich Hilfe suchend an ihren ehemaligen Kollegen, den Archäologen Jake Drum. Der findet heraus, dass das Foto von Grabungen im israelischen Masada stammt und möglicherweise etwas zeigt, das auf dem heiligen Tafelberg nach jüdischer und christlicher Glaubensgeschichte nicht hätte existieren dürfen.

Tempe und Ryan reisen gemeinsam nach Israel. Während Tempe mit Jake eine sensationelle Entdeckung um die Familiengruft Christi macht, lassen ihnen religiöse Fundamentalisten verschiedenster Couleur kaum eine ruhige Minute, die Funde eingehend zu untersuchen.

|Hochspannung mit Schönheitsfehlern|

Der Name Kathy Reichs steht für Hochspannung. Das Thema fasziniert, der zwischen Gegenwart und Vergangenheit angesiedelte Plot ist manchmal ein bisschen wirr, fesselt aber trotzdem bis zur letzten Seite.

Positiv ist anzumerken, dass Kathy Reichs ohne billige Effekte eine spannende und geradlinige Geschichte zu erzählen vermag; mit klassischen Krimizutaten und gar nicht so viel Blutvergießen, wie man es von einem Gerichtsmedizin-Thriller erwarten würde. Die unvermeidbare Liebesgeschichte zwischen Tempe und Ryan ist zugleich ein geschickter Kunstgriff, um unsere Heldin an den gegenwärtigen Ermittlungen ebenso teilhaben zu lassen wie an den Ausgrabungen. Es handelt sich genau genommen auch eher um einen Archäologie-Thriller; wie üblich bei Kathy Reichs fand die Geschichte ihren Ursprung in einem realen Fall: Ihr Freund und Kollege James Tabor untersucht seit 2000 das so genannte Jakobus-Ossuar aus dem ersten Jahrhundert und fragte Reichs, ob sie ihn begleiten und die Geschichte für einen neuen Tempe-Brennan-Fall verwenden wolle. Kathy Reichs war Feuer und Flamme.

Ob nun tatsächlich real oder Verschwörungstheorie – ähnlich wie bei Dan Brown eignet sich die Fiktion hervorragend als Spielplatz, um verschiedene Varianten, wie es durchaus hätte sein können, durchzuspielen. War Jesus tatsächlich kein Einzelkind, war er sogar verheiratet und hatte selbst Kinder? Hat er seine eigene Kreuzigung überlebt und wurde 80 Jahre alt? So ganz hundertprozentig werden wir es nie erfahren, auch wenn es historische Hinweise darauf gibt. Wegen dieser kaum überbrückbaren Kluft zwischen Glauben und Wissen sind solche Bücher wohl so erfolgreich. Von brennender Aktualität sind dagegen die Verweise auf religiöse Fundamentalisten, deren Alleinansprüche auf Wahrheit es immer und in allen Religionen gegeben hat. Die Amerikanerin Kathy Reichs bleibt dabei relativ neutral, bis auf eine Ausnahme. Zitat: „Wütender Mund. Stechender Blick. Der ungestutzte Bart eines islamischen Fundamentalisten.“ (S. 292). Wenn es so einfach wäre, islamische Extremisten auszumachen, hätten die USA mit ihrem „Krieg gegen den Terror“ mehr Erfolg gehabt.

Während der Plot selbst zwar manchmal haarsträubend, aber doch gut recherchiert ist, scheint das Buch jedoch mit heißer Nadel gestrickt worden zu sein. Das ist schade, denn das schmälert manchmal das Lesevergnügen. Wir wollen bei einem Krimi nicht schulmeisterlich werden, doch in Sachen Stil und Satzbau hat Kathy Reichs manchmal den Charme einer gehetzten Wissenschaftlerin, die sich nebenher Notizen macht. Vielleicht ist das ja auch so? Die forensische Archäologin Kathy Reichs hat sicher viel aus ihrem Berufsleben zu erzählen, aber als Bestsellerautorin und Vollbeschäftigte vermutlich auch nicht die Zeit, Bücher am Fließband zu produzieren. Wirklich gut Ding will Weile haben – doch das Buch sollte wohl noch rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft erscheinen.

Was bleibt, ist ein überdurchschnittlich spannender Thriller mit Schönheitsfehlern. An Dan Browns [„Sakrileg“ 1897 jedenfalls, das hier ganz sicher Pate stand und sogar ein paarmal erwähnt wird, reicht Kathy Reichs Roman nicht heran.

Boyle, Rob (Hrsg.) – Shadowrun 4.01D

_Alte Bekannte_

Das Jahr 2005 war eindeutig das Jahr der alten Bekanntschaften im Bereich der Rollenspiele. White Wolf legte seine komplette |World of Darkness|-Reihe neu auf, von Green Ronin und Black Industries wurde uns eine exzellente Neuauflage des |Warhammer|-Fantasy-Rollenspiels geschenkt und eine Reihe von anderen, mehr oder weniger unbekannten Rollenspielen zierten mit ihren Regelbüchern in neuen Gewändern die Bücherregale.

Besonders interessant war es jedoch, wenn der Blick, den man durch die Regale schweifen ließ, auf ein Buch mit grünem Einband fiel. Interessant vor allem deswegen, weil auf dem Buchrücken in schönster Blockschrift stand: „Shadowrun 4.01 D“. Kaum ein Rollenspiel hat wohl im Laufe des Jahres 2005 einen derartigen Aufruhr verursacht wie dieses lang ersehnte Werk, was schon alleine dadurch zu beweisen ist, dass bereits eine Woche nach dem Erscheinen der englischen Originalausgabe diese als vergriffen galt und neu aufgelegt werden musste.

Auffällig ist hierbei auf den ersten Blick, dass das Buch zum ersten Mal in der Geschichte des Shadowrun-Rollenspiels keinen Einband in Schwarz aufwies. Man mag nun durchaus zu viel in derartige Trivialitäten hineininterpretieren, jedoch wird recht schnell beim Durchblättern der Seiten gewahr, dass die Version 4.01 D eindeutig eine neue Ära in dieser Rollenspielreihe einläuten soll. Man kann den Wechsel der Einbandfarbe einfach als das erste Signal werten, das eben diesen Wechsel ankündigen soll.

_Konzept und Prinzip_

Doch worin besteht nun der Unterschied zwischen dieser Version von Shadowrun und allen vorherigen?

Diese Frage zu beantworten, bedarf es natürlich einer eingehenden Betrachtung des vorliegenden Grundregelwerks. Aber wie schon erwähnt, ist bereits ein schnelles Durchblättern des Buchs für jeden Kenner des Spiels ein Augenöffner, teils in positiver Hinsicht, teils in negativer.

Nur die Inhaltsangabe des Buchs betrachtend, wird man keinerlei Auffälligkeiten feststellen, denn die Struktur wie auch die generelle Aufmachung sind erhalten geblieben.

Wir starten bei der üblichen Kurzgeschichte, die auch für den Shadowrun-Anfänger eine Einführung darstellen soll und auf einigen kurzweilig geschriebenen Seiten die Mission eines Shadowrunner-Teams beschreibt.

Direkt aus diesen kurzen Seiten ist eine Menge für den unbedarften Neuling zu erfahren, sie lesen sich sehr flüssig und sind recht interessant geschrieben. Man erfährt, was Shadowrunner eigentlich sind, nämlich der Abschaum der Gesellschaft, der für Geld die Aufträge erledigt, die anderen Leuten zu dreckig und kriminell sind.

Und hierum geht es bei Shadowrun, man spielt einen so genannten Runner, der in den Schatten – also dem kriminellen Untergrund – der Metropolen der Zukunft die Drecksarbeit für kriminelle Organisationen, reiche Geschäftsleute oder auch riesige Mega-Konzerne durchführt. Es obliegt alleine dem Shadowrunner, also dem Spieler, zu entscheiden wo er selbst seine moralisch bedingte Grenze zieht. Macht er zum Beispiel bei einer Entführung mit? Ist er ein Detektiv, der einfach nur Informationen sammelt, oder Leibwächter? Würde er einen Menschen für Geld töten? Diese Fragen machen einen essenziellen Teil des Charakters aus, insbesondere die Einstellung zum Töten ist wichtig für das Konzept der Charaktererschaffung. Da die Spieler-Charaktere grundsätzlich nur die dreckigen und scheinbar unmöglichen Aufträge zugeteilt bekommen – sie gelten immerhin als Spezialisten für derartige Problemfälle –, sollten sie immer damit rechnen, auf einige schwer bewaffnete Wachleute zu treffen. Wählen sie hierbei den einfachen Weg und töten sie leichtfertig, geraten sie damit aber schnell auf die Abschussliste von Konzernen, Sicherheitsdiensten und der Polizei. Wählen sie hingegen die schwierigere Methode, also heimlich vorzugehen und nur im Notfall zu schießen und selbst dann mit Betäubungsmunition, die weniger effektiv ist, so entsteht dabei aber auch ein wesentlich professionellerer Ruf des Teams.

Insofern hat sich also nichts an dem eigentlichen Konzept von Shadowrun geändert. Die Charaktere sind nachwievor die oben umschriebenen Spezialisten für schwierige Probleme.

Auch die Fortführung der Zeitleiste und der Ereignisse in Shadowrun war immerhin zu erwarten, denn wie in jeder neuen Version ist die Zeit etwas weiter geflossen und wir befinden uns nun im Jahr 2069, wobei, wie auch sonst üblich, alle bisherigen Ereignisse im Grundbuch auf zwölf Seiten zusammengefasst werden. Wer hierbei allerdings tiefer greifende Informationen benötigt, wird nicht umhin kommen, etwas Zeit dem Studium der einzelnen Teile der Romanreihe, die zu diesem Spiel erschienen ist, zu widmen. So wird nur der Leser, der z. B. die Drachenherz-Triologie gelesen hat, wissen, warum Dunkelzahn, Drache und ehemaliger Präsident der United Canadian and American States (der Norden der ehemaligen USA zusammen mit Kanada; ja, genau, die USA gibt es nicht mehr, aber schon seit der ersten Edition, und Drachen gibt es auch in Shadowrun, dazu später mehr), ermordet wurde. Der bloße Rollenspieler, der die Romane nicht kennt, wird aber nicht so schnell bei einigen Ereignissen durchblicken, die sich im Laufe der Zeit ereignet haben.

Die Neulinge werden schnell die einmalige Kombination aus Fantasy- und Cyberpunk-Elementen bei Shadowrun feststellen, denn in der Vorgeschichte wird schön beschrieben, wie es dazu kam, dass wieder Elfen und Zwerge, Orks und Trolle und diverse andere Fabelwesen auf Erden wandeln; und auch die Magie ist zurückgekehrt. Es gibt also auch wieder Zauberer und Shamanen, die wohl im Laufe der Zeit zu einem wichtigen Bestandteil des Alltags geworden sind.

Die Schwierigkeit beim Überblicken der Vorkommnisse ist aber, so denke ich zumindest, gewollt, denn viele von ihnen sind durch diverse Intrigen, sowohl zwischen Konzernen als auch Regierungen, bewirkt worden. Der alte Veteran des Spiels wird sicher nur einen interessierten Blick auf die letzten Ereignisse werfen, da wohl jeder gerne wissen möchte, wie die Konzernkriege in Version 3 und die durch Dunkelzahns Ermordung ausgelösten Ereignisse die Welt verändert haben.

_Vom Decker zum Hacker_

Da die bisherigen Elemente des Grundregelwerks keineswegs ein wirkliches Novum darstellen, wollen wir nun aber auf die wesentlich interessanteren Änderungen eingehen. Die Welt von Shadowrun bzw. die Autoren des Spiels haben sich eindeutig an die technischen Begebenheiten in unserer heutigen Welt angepasst, und das ist eine der wirklichen Neuerungen. Gewiss war es bisher auch immer so, dass in diesem Spiel immer der aktuelle technische Stand der Dinge, wie man so schön sagt, beachtet wurde, aber dieses Mal haben die rasanten Entwicklungen im Bereich von Internet, Netzwerktechnik, Autoindustrie und Nanotechnologie der letzten paar Jahre dazu geführt, dass einige der Konzepte in Shadowrun komplett neu gestaltet wurden. Die Matrix, wie wir sie kannten, existiert nur noch bedingt. Sie ist nach wie vor eine „Virtuelle Realität“ und der Nachfolger des Internets, aber das Konzept wurde um einige Details erweitert. So gibt es weder Rigger noch Decker in der Version 4, beides wird nun unter dem Begriff Hacker zusammengefasst. Mittlerweile ist alles mit Schnittstellen zur so genannten AR – Augmented Reality – ausgestattet, angefangen vom Auto und dem Handy bis hin zum Sicherheitssystem einer Bank und sogar dem Jackett, das man am Leib trägt, wie auch dem neustem Cyberauge, das man sich transplantieren ließ. Da außerdem die Matrix in ihrere neuen Version 2.0 nun komplett wireless ist, um diese technischen Anglizismus des Jahres zu benutzen, und jeder Gegenstand, der ein AR-Modul besitzt, auch gleichzeitig in der Realität wie auch in der Matrix vertreten ist und persönliche Daten hinausfunkt, bieten sich hier komplett neue Möglichkeiten für den Hacker von Morgen.

Sicher ist es jedem Menschen möglich, die AR-Stufen zu regulieren, doch unter bestimmten Umständen ist es sinnvoll, einen so genannten offenen oder privaten Modus dem versteckten vorzuziehen. Zwar ist man da in der Matrix sichtbar, genießt aber auch einige Vorteile, so kann z. B. das Team ständig Daten über Position und Befinden austauschen.

Diese Offenheit stellt natürlich auch eine Möglichkeit für Matrixangriffe durch einen Hacker dar; der kann somit ein Auto übernehmen und steuern – und das besser als ein Normalsterblicher, da er immerhin das Auto über Gedanken kontrolliert, sofern er direkt in die Matrix eingestöpselt ist, und dadurch über eine wesentlich genauerer Kontrolle über den Wagen und über schnelle Reflexe verfügt. Der Hacker kann theoretisch sogar den Cyberarm eines Gegners übernehmen oder das Sicherheitssystem eines Gebäudes, und das, während er gerade mit dem restlichen Team unterwegs ist. Das alte Problem, dass ein Decker, der in einer Gruppe gespielt wird, eigentlich die Hälfte der Zeit herumsitzt, weil er nicht interagieren kann und immer an die Matrix angeschlossen ist, somit also nur schwer seine Position wechseln kann, fällt weg. Die neuen Hacker nämlich sind mobil, die Matrix ist schließlich drahtlos.

Durch die ständige Möglichkeit, die interaktiven Eigenheiten der Umgebung bis ins Kleinste ausnutzen zu können, wird aus dem sonst so schwerfälligen Decker ein Hacker, den man durchaus auch Technomagier nennen könnte – um diesen durchaus gängigen Neologismus zu nutzen –, denn einige Tricks, die man nun durch die Matrix bewirken kann, müssen für Außenstehende wirklich eher wie Magie wirken.

_Building of a Character_

Auch die Charaktererschaffung an sich wurde radikal geändert. Zunächst merkt man, dass man an das Aufbaupunkte-System angeknüpft hat, das bisher immer in den SR-Kompendien der jeweiligen vorhergegangenen Versionen vorzufinden war. Man musste also früher ein extra Regelwerk kaufen, andernfalls war man gezwungen, das sogenannte Prioritätensystem zu benutzen, was stark einschränkend war, da man nur 4 bzw. 5 Werte vergeben konnte, um Startkapital, Rasse, Fertigkeiten, Attribute und Magie zu bestimmen. Daraus ergaben sich erst Punkte zum Verteilen.

Dies fällt nun komplett weg. Die Punkte werden direkt von Anfang an festgelegt und können direkt verteilt werden, was eine wesentlich flexiblere Generierung der Charaktere ermöglicht.

Die üblichen Modifikationen der Attribute, abhängig von der gewählten Rasse, bleiben bestehen, werden nun aber einfach als die jeweiligen Startwerte der Attribute angegeben anstatt als Bonusmodifikatoren.

Die Rassen sind geblieben wie bisher. Es gibt also Menschen, Elfen, Zwerge, Trolle und Orks, die man spielen kann, alle mit ihren Stärken und Schwächen.

Auch die Einteilung von Fertigkeiten bleibt wie gehabt. Es gibt Aktions- und Wissensfertigkeiten sowie Sprachen, wobei eine Aktionsfertigkeit ebenso der Umgang mit einer Pistole und das Heranschleichen an einen Gegner sein kann wie auch das Hacken in der Matrix oder der Umgang mit elektronischen Spielereien. Wissensfertigkeiten wiederum repräsentieren üblicherweise die theoretische Ergänzung zu den Aktionsfertigkeiten, können aber auch einfach Fähigkeiten widerspiegeln, die man durch ein Hobby erlernt hat. Damit es keine Überschneidungen gibt, sind die Aktionsfertigkeiten genauestens in einer Tabelle definiert. Die meisten Wissensfertigkeiten kann man sich hingegen selber ausdenken, sie sollen den Charakter vornehmlich lebendiger gestalten und somit sind sie im Detail eher den Spielern überlassen.

Auch die Freunde aller Spieler und Spielleiter sind nun endlich direkt im Grundbuch vorzufinden; immerhin hat es drei Editionen gedauert, aber nun gibt es Gaben und Handicaps direkt hier verzeichnet, anstatt in einem extra Quellenband. Auch die Möglichkeit, ein paar nette Boni herauszuschlagen oder den Charakter etwas lebendiger zu gestalten, ist gegeben. Beispielsweise, indem man sich gegen ein paar Punkte einen Feind zulegt oder auch eine Allergie, aber auch Charakterstärken und Schwächen wie Mut und Feigheit sind zu kaufen. Wer im Übrigen einen Magier oder einen Adepten spielen will, der wird nun einfach eine entsprechende Gabe auswählen können. Dies fügt sich nun auch logisch in das Konzept von Gaben und Handicaps ein, denn was ist die Fähigkeit Magie zu wirken anderes als eine spezielle Gabe.

_Und noch mehr Neuheiten_

Den wirklichen Schock für altgediente Spieler von Shadowrun wird wohl das Regelsystem an sich darstellen. Ist bei der Charaktererschaffung das vorherrschende Prinzip jenem, das wir aus den Kompendien kennen, doch sehr ähnlich, so reicht ein Blick auf das Charakterblatt, um diesen Eindruck des Altbekannten nahezu vollkommen zu vernichten.

Einige Attribute haben sich geändert, es gibt nun Logik und Intuition anstatt Intelligenz. Reaktion wird nicht mehr errechnet, sondern gilt als eigenständiges Attribut. Ansonsten bestehen die Attribute aus einer durchaus übliche Zusammenstellung von körperlichen (Konstitution, Geschick, Stärke und Reaktion) sowie eher geistigen (Willenskraft, Logik, Intuition, Charisma) Eigenschaften.

Ein Konzept, das mitunter wohl durch Shadowrun bereits von Anfang an in der Rollenspielwelt eingeführt wurde, ist uns erhalten geblieben, auch wenn der Name sich leicht verändert hat. Das Attribut „Edge“ stellt eine Fähigkeit dar, wie wir sie mittlerweile auch von Warhammer, einigen D20-Derivaten, Fading Suns usw. unter anderem Namen kennen. Doch bei Shadowrun nahm alles seinen Anfang. Damals noch Karma genannt, dienen die Würfel, die Edge zur Verfügung stellt, dazu, den Charakter besonders heldenhafte Aktionen durchführen zu lassen. Zusätzliche Erfolge oder zusätzliche Würfel können erworben werden, um Aktionen besonders spektakulär zu machen, beziehungsweise den Charakteren, die ja nun mal die Helden sein sollen, zu ermöglichen, immer aus der Menge herauszuragen. Edge stellt theoretisch ein Konzept dar, das es erlauben soll zu simulieren, dass das Schicksal den Spielern – in ihrer Rolle als Protagonisten der Story – immer etwas gewogener ist als den Antagonisten.

Um eine Fertigkeitsprobe abzulegen, wird grundsätzlich immer in der Kombination von einer Fertigkeit und dem zugehörigen, gerade für die Situation angemessenen Attribut gewürfelt. So würfelt ein Spieler zum Treffen des Gegners mit einer Pistole einfach sein Geschick + Fertigkeitswert von Pistolen und erhält somit einen nutzbaren Würfelpool. Auch dies ist also neu. In alten Versionen wurde nur die Fertigkeit oder das Attribut genommen, niemals aber beides.

Desweiteren fällt ein altes Problem unter den Tisch, was bisher oft zu hitzigen Diskussionen zwischen Spielern und Spielleiter führte. Von nun an ist die Schwierigkeit immer fest definiert. Jeder Würfel, der eine 5 oder 6 zeigt, ist ein Erfolg, man würfelt dabei mit den handelsüblichen und von Shadowrun seit jeher gewohnten sechsseitigen Würfeln. Die Schwierigkeit, eine Aktion durchzuführen, wird also nicht durch den üblichen Mindestwurf bestimmt, sondern durch die nötige Anzahl an zu erzielenden Erfolgen. So muss bei sehr einfachen Aktionen nur ein Würfel eine 5+ zeigen. Je schwieriger der Vorgang aber ist, umso mehr Würfel müssen Erfolge sein. Das Konzept sieht im Übrigen verdächtig nach dem neuen WoD-System von White Wolf aus. Allerdings: Bei der Masse an Rollenspielen und Büchern ist es eigentlich kein Wunder, dass sich irgendwann alles einmal ähnlich sieht.

Hat man erst einmal Rasse, Fertigkeiten, Attribute und den Rest festgelegt, bleibt vor allem nur noch eines: Man kann sich Ausrüstung zulegen. Für Nicht-Magier ergibt sich die Möglichkeit, das Fehlen jeglicher übernatürlicher Fähigkeiten mittels Cyberware, Bioware sowie Nanotechnologie zu kompensieren, ein Magier erhält dazu die Chance, sich seine Zauber zu erwählen, ein Adept seine besonderen magischen Kräfte.

Die Mischung aus eben dieser Ausrüstung und den Fertigkeiten macht den Unterschied in der Ausrichtung der einzelnen Charaktere aus. So wird ein Straßensamurai oder ein Söldner vollgepumpt sein mit Cyberware, die seine Reflexe, Körperkraft und Schadenstoleranz erhöht. Ein Hacker wird, je nach seiner Ausrichtung, eher Implantate besitzen, die seine Intelligenz erhöhen, seine Reflexe in der Matrix oder beim Eindringen in ein Fahrzeug bzw. Sicherheitssystem steigern und dergleichen. Adepten wiederum können durch ihre magischen Fertigkeiten zu Ninjas oder Kung-Fu-Kämpfern werden, wie man sie sonst nur aus recht übertriebenen Eastern kennt. Auf Magier muss ich wohl nicht näher eingehen, denn jeder Rollenspieler oder generell jeder Fantasy-Freund kann sich wohl die Fähigkeiten eines solchen „Zauberschleuderers“ vorstellen.

_Fazit_

Als Fazit lässt sich also festhalten, dass das Regelwerk gut strukturiert und sehr übersichtlich gestaltet ist. Besonders gut gefallen konnten hierbei die detaillierten Beschreibungen des Alltagsleben, die Zusammenfassung der Geschichte der Zukunft und die Beschreibung der Matrix. Das Regelsystem ist gewöhnungsbedürftig; ich kenne wie bereits erwähnt das neue WoD-System und war bereits von diesem nicht so wirklich überzeugt. Man mag dazu stehen, wie man will; offensichtlich unterliege ich einer Prägung der alten Schule, aus Zeiten, als man noch selber den Mindestwurf festlegte und durch eine vorbestimmte Mindest-Anzahl an Erfolgen eine zusätzliche Komplexität eingefordert wurde.

Für Neulinge mag das Grundbuch ausreichend sein, um sich in Shadowrun einzufinden, doch diejenigen, die mit dem Spiel bereits länger vertraut sind, werden wahrscheinlich, so wie ich, einen bitteren Beigeschmack verspüren, wenn sie den Umfang des Buchs betrachten. Niemand kann natürlich mehr verlangen als 350 Seiten, die das Regelbuch ausmachen, doch irgendwie schleicht sich eine unterschwellige Frustration ein. Allerdings sind aus vielen der alten Quellenbücher aus der vorherigen Version 3.0 zusätzliche Gedanken eingeflossen, die der Ausführlichkeit diverser Themen dienlich sind; so werden im Kapitel „Magie“ Initiaten besprochen, in der Ausrüstung finden wir auch Bioware vor und unter Fahrzeuge und Matrix sind viele zusätzliche Materialien zu verzeichnen, die wir normalerweise nur in Zusatzbüchern finden. Es fällt hierbei aber auf, dass alles sehr knapp bemessen und vor allem unvollständig ist. Das Schlimmste ist hierbei aber der Systemwechsel. War es bisher immer möglich, alte Materialien zu nutzen und schnell zu konvertieren, wird man hier wohl längere Zeit warten müssen, bis man die nötigen neuen Regelwerke hat, da die Version 3 zu Version 4 inkompatibel ist. Für diejenigen, die schon länger Shadowrun spielen und wissen, was alles möglich ist und was man alles noch z. B. mit Magie erreichen kann, ist das wohl enttäuschend. Cyberware kann man natürlich provisorisch konvertieren, doch auch hier sieht man schnell, dass diverse Kleinigkeiten, angefangen von den Kosten, sich stark geändert haben. So kostet ein neuer Arm nur noch ein Zehntel von dem, was einmal üblich war.

Jedoch alleine für sich betrachtet, ist dies ein Werk, das man durchaus würdigen muss. Übersichtlich und mit genügend Details angefüllt, um ein paar erste Spiele wagen zu können, ist es auf jeden Fall. Und die neue Matrix und die Regeln für die Augmented Reality machen schon alleine Lust darauf, einmal eine Runde Shadowrun 4 zu wagen. Die Phantasie wird definitiv beflügelt.

http://www.fanpro.com

[Shadowrun 4.01D Erata]http://www.fanpro.com/sr/material/Shadowrun4__01D__Errata1__0.pdf
[Shadowrun 4.01D Konvertierungsregeln]http://www.fanpro.com/sr/material/SR4__Charakterkonvertierung.pdf
(Beides wird den neuen Auslieferungen ausgedruckt beigelegt.)

Clark, Mary Higgins – Mein ist die Stunde der Nacht

Dr. Jean Sheridan, eine erfolgreiche Historikerin Ende dreißig, kehrt zu ihrem zwanzigjährigen Abschlussjubiläum an der Stonecroft Academy in ihre Heimatstadt zurück. Bei einem groß angelegten Klassentreffen soll sie mit sechs anderen Absolventen für herausragende berufliche Leistungen geehrt werden. Doch das Treffen wird überschattet: Fünf ihrer Schulfreundinnen sind in den letzten Jahren ums Leben gekommen. Für Jean birgt das Treffen noch weitere düstere Erinnerungen: Kurz vor ihrem Abschluss starb ihr damaliger Freund bei einem Autounfall, Jean trug das gemeinsame Kind in aller Heimlichkeit aus und gab es zur Adoption frei. Auch heute noch trauert sie ihrer Tochter, die sie bei sich „Lily“ nennt, und ihrer verlorenen Liebe hinterher. Umso erschreckender sind die Faxmeldungen, die Jean in letzter Zeit erhält. Alle enthalten Drohungen gegen ihre Adoptivtochter. Jean hofft, dass es sich bloß um einen bösen Scherz handelt und versucht, sich auf dem Treffen abzulenken.

Sie ahnt nicht, dass die Todesfälle kein Zufall waren. Einer ihrer ehemaligen Mitschüler ist ein skrupelloser Mörder, der sich nach und nach an allen rächt, die ihn seinerzeit zurückgewiesen haben. Er nennt sich „die Eule“, nach seinem Spitznamen aus der Kindheit. Wie ein Raubvogel schlüpft er nachts in die Rolle des Jägers und überwältigt seine Opfer. Jean Sheridan, ihre Adoptivtochter und Jeans Freundin Laura sind die Letzten auf seiner Liste, an denen er seine Rache vollziehen will. Als Laura schließlich spurlos verschwindet, ahnt Jean, dass einer der ehemaligen Klassenkameraden dahinter steckt und die anderen Frauen ermordet wurden. Aber wer ist der Täter? Im Verdacht stehen vor allem der zynische Bühnenautor Carter Stewart, der schadenfrohe Komiker Robby Brent, der TV-Psychologe Mark Fleischerman, der unterkühlte TV-Manager Gordon Amory und der skrupellose Geschäftsmann Jack Emerson.

Verzweifelt versucht Jean, den Täter zu entlarven, bevor er sein Werk vollendet. Ihr zur Seite stehen Detective Deegan, ein älterer Polizeibeamter, sowie der vorwitzige Schülerzeitungsreporter Jake Perkins. Die Zeit drängt, denn es schwebt nicht nur Laura, sondern auch Jeans Tochter in höchster Gefahr …

*

Wen weder Titel noch Autorin reizen, der wird spätestens durch das Cover auf das Buch aufmerksam: Eine wunderschöne schneeweiße Eule in Großaufnahme, so dass nur mehr ihr Schnabel und ihr linkes Auge zu sehen sind, zieht den Betrachter in den Bann. Der Blick auf den Klappentext ist dann nur noch reine Formalität, denn der Name Mary Higgins Clark steht gewöhnlich für solide, wenn auch nicht außergewöhnliche Thrillerkost. Es sind auch hier wieder einmal bewährte Zutaten, auf die die Autorin zurückgreift und die sie in einen unterhaltsamen, allerdings nicht mehr als durchschnittlichen Roman umsetzt.

|Identifizierung durch Sympathiefiguren|

Wie so oft dreht sich die Handlung um eine junge, sympathische Frau, die ohne eigenes Verschulden in eine gefährliche Lage gerät. Auch Jean Sheridan hebt sich nicht weiter von dem Strickmuster anderer Higgins-Clark-Heldinnen ab. Die Protagonistin macht es dem Leser leicht, sich mit ihr zu identifizieren. Jean ist erfolgreich und ehrgeizig, dabei aber frei von Arroganz, sondern angenehm bodenständig. Obwohl zwanzig Jahre ins Land gegangen sind, trauert sie immer noch um ihre verstorbene Jugendliebe Reed, und die zur Adoption freigegebenen Tochter, die sie bei sich zärtlich „Lily“ nennt. Voller Zärtlichkeit denkt sie an ihre unbekannte Tochter, von der sie nicht einmal weiß, welchen Namen ihr ihre neuen Eltern gegeben haben. Der Roman ist somit nicht nur Thriller, sondern enthält auch einige melodramatische Komponenten und es kommt zumindest so viel Mitgefühl für die Hauptfigur auf, dass man ihr eine versöhnliche Begegnung mit ihrer verlorenen Tochter wünscht.

Die zweite Sympathiefigur ist der väterliche Detective Sam Deegan, zu dem Jean sofort Vertrauen fasst. Deegan ist mehr als ein unermüdlicher Ermittler; er steckt auch darüberhinaus viel persönliches Interesse in die mysteriöse Mordserie; nicht zuletzt deshalb, weil die Todesfälle offenbar in Zusammenhang mit einem ungeklärten Mord stehen, der ihm seit zwanzig Jahren keine Ruhe lässt …

Für Humor sorgt vor allem der junge Schülerzeitungsreporter Jake Perkins, der in seinen hartnäckigen Rechermethoden seinen älteren Kollegen in nichts nachsteht. Mit viel Witz und Genuss durchschaut er die arroganten Teilnehmer des Klassentreffens und bringt mit seinen forschen Fragen so manchen Interviewparter in Verlegenheit. Übertrieben wird dieses freche Auftreten nur am Schluss, als sich Jake selbst angesichts eines Wettlaufs auf Leben und Tod noch detailliert in seinen brisanten Informationen ergehen will.

|Jeder kann die Eule sein|

Um die Spannung zu erhöhen, greift Mary Higgins Clark tief in die Trickkiste: In fast jedem zweiten Kapitel wechselt der personale Erzähler von der Protagonistin Jean Sheridan zum Mörder hinüber, allerdings ohne dabei seine Identität preiszugeben. Der Killer ist nur „die Eule“, sein richtiger Name fällt nie. Dem Leser ist es kaum möglich, den Täter hinter diesem Decknamen vorzeitig zu erraten. Jeder aus dem engeren Kreis ist aus diversen Gründen gleich verdächtig. Weder der Leser noch Jean Sheridan können mit Gewissheit sagen, wem von ihnen zu trauen ist. Die Hinweise auf die Täterschaft sind dünn gesät und so allgemein gehalten, dass sie auf jeden Verdächtigen zutreffen könnten. Nahezu alle von ihnen haben sich im Erwachsenenleben um 180 Grad gewandelt, haben eine schwere Kindheit hinter sich und machen sich durch gewisse Bemerkungen oder Handlungen verdächtig. Leichte Gruselmomente kommen auf, wenn der Mörder sich seine Eulenmaske überzieht und jenen Spruch aufsagt, der ihm damals nach einer Theatervorstellung zu seinem Spitznamen verhalf: „Ich bin die Eule und ich lebe in einem Baum …“

Leider steckt in diesem Punkt auch ein erhebliches Manko des Buches: Die Autorin ist so sehr darauf bedacht, den Leser aufs Glatteis zu führen und den Täter geheim zu halten, dass sie zu betrügerischen Mitteln greift und es mit der Informationsverweigerung auf die Spitze treibt. Selbst als die entführte Laura ihren Peiniger erkennt und der Leser Einblick in ihre Gedanken bekommt, fällt nicht sein wahrer Name; selbst hier, bei sich, nennt ihn Laura nur „die Eule“. Und wenn sie denn mal trotz seines Verbots seinen wahren Namen ausspricht, so erfährt der Leser natürlich nur, dass sie „immer wieder seinen Namen flüsterte“. Das Bemühen der Autorin um Spannung in allen Ehren, aber dass selbst sein Opfer seinen Namen nicht in Gedanken nennt, lässt die Handlung an diesen Stellen zu unrealistisch und konstruiert erscheinen.

Konstruiert sind auch die zahlreichen Scheinbar-Hinweise und falschen Fährten, die allzu offensichtlich dazu dienen, jeden der Verdächtigen mal kurz ins Licht zu rücken. Im Laufe der Handlung fällt bei jedem von ihnen mindestens ein Satz oder ein Gedanke, der ihn mit dem Täter in Verbindung bringt, meist als Cliffhanger formuliert, um dem Leser besonders nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben. Gerade diese Ausgewogenheit der Verdachtsmomente sorgt dafür, dass die Auflösung, wer sich tatsächlich hinter der „Eule“ verbirgt, längst nicht so spektakulär ist wie die eigentliche Mörderjagd selbst. Keiner der in Frage Kommenden drängt sich dem Leser als Täter-Kandidat auf. Allenfalls einen von ihnen wünscht man sich nicht als Mörder, beim Rest spielt es keine große Rolle, ob er sich als Schuldiger entpuppt oder nicht. Zwar ergibt seine Identität letztlich Sinn, alle offenen Fragen werden zufrieden stellend geklärt, aber es fehlt ein letztes Aha-Erlebnis, eine finale Wendung oder Überraschung als abschließende Krönung.

|Leichtverdauliche Thrillerkost|

Unterm Strich bietet der Roman einem versierten Thrillerleser nichts Neues, verlässt sich auf vertraute Strickmuster von netten Charakteren bis hin zum versöhnlichen, beinah schon kitschigen Ende, ohne dabei nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben oder gar für echte Überraschungen zu sorgen. Durch den einfachen, glatten Schreibstil und die geradlinige Handlung ohne größere Abschweifungen lässt sich der Roman in wenigen Tagen verschlingen. Da er keine hohen Anforderungen stellt, ist er sowohl für Gelegenheitsleser als auch als Urlaubslektüre ideal geeignet.

_Fazit:_

Ein unterhaltsamer Thriller mit sympathischer Protagonistin, der bis zum Schluss die Spannung und die Frage nach dem Mörder bewahrt. Leichte Abzüge gibt es für die konstruierte Handlung und das konventionelle Strickmuster, das insbesondere an viele weitere Romane der Autorin erinnert. Als leichte Unterhaltung ein lesenswerter Roman, für versierte Thrillerfans jedoch insgesamt zu unspektakulär, um weiter im Gedächtnis zu bleiben.

John Sinclair – Im Nachtclub der Vampire (Folge 1)

_Die Stimmen_

John Sinclair – Frank Glaubrecht (Pierce Brosnan; Kevin Costner; Jeremy Irons; Al Pacino; Christopher Walken …)
Erzähler – Joachim Kerzel (Jack Nicholson; Dustin Hoffman; Harvey Keitel; Anthony Hopkins)
Sir Powell – Karl-Heinz Tafel
Ansage – Fred Bogner
Marcos Tumb – Henning Bornemann
Fahrer – Thomas Friebe
Marina Held – Silke Haupt
Doktor – Jörg Kernbach
Lara – Friedericke Klebert
Gäste – Koma-Leute
Mona – Sibylle Kuhne
Zuhälter – Klaus Nierhoff
Ted Willard – Stephan Runge
Flugzeug-Durchsage – Monika Rydell+
Clara Sanders – Eva Spott

_Story_

Nach einem Kurzaufenthalt in Deutschland befindet sich der berüchtigte Geisterjäger John Sinclair wieder auf dem Heimweg nach England. Im Flugzeug lernt Sinclair die junge Marine Held kennen, die einen längeren Aufenthalt in London plant und sich beim Smalltalk mit John anfreundet. Nach der gemeinsamen Reise verabschieden sich die beiden voneinander und können noch gar nicht ahnen, dass sie sich eines Tages – und vor allem sehr bald – wiedersehen werden.

Marinas erste Nacht in London ist nämlich alles andere als angenehm. Nach ersten Streifzügen durch das Nachtleben der Metropole ist sie plötzlich auf der Flucht vor einem ziemlich aufdringlichen Zuhälter, der sich an ihr vergreifen will. Schließlich landet sie in einer Seitengasse des Stadtviertels Soho und rettet sich in eine ziemlich obskure Bar. Dort wird sie Zeugin einer grausamen Begebenheit: Drei junge Damen, die von oben bis unten mit Blut beschmiert sind, machen sich über eine Leiche her und lassen diese anschließend verschwinden. Marina ist geschockt und kann gerade noch aus dem Laden verschwinden, als die Vampirinnen sie entdecken. Doch die Dienerinnen der anderen Seite lassen nicht mehr von der jungen Deutschen ab, suchen ihre Wohnung auf, fallen ihre Gastwirtin an und entführen Marina schließlich. In einem weiteren Ritual wollen sie ihrem Herren ein Blutopfer bringen, und Marina scheint für diese Zeremonie genau die richtige Person zu sein …

Währenddessen bekommt Sinclair den Auftrag, sich um einen Fall zu kümmern, bei dem es um gestohlene Blutkonserven geht. Man vermutet einen Akt des Vampirismus hinter dem Verschwinden der wertvollen Behälter, und als Sinclair die völlig desorientierte Marina am Tag nach ihrer Bekanntschaft mit Sohos Nachtleben auffindet, hegt er auch keinen Zweifel mehr daran, dass wie befürchtet finstere Mächte aktiv geworden sind. Als er dann mehr über die Geschehnisse der vergangenen Nacht in Erfahrung bringen möchte, findet der Geisterjäger allerdings nur noch eine vampirisierte alte Dame vor, die er als die Gastwirtin von Marina identifiziert. Von der Deutschen gibt es indes weit und breit keine Spur. Jetzt wird es eng für den Bediensteten von Scotland Yard: Bis Mitternacht hat er noch Zeit, um seine neue Bekanntschaft ausfindig zu machen, ansonsten droht der netten Lady alsbald ein blutiges Ende …

_Meine Meinung_

Nach dem sehr vielversprechenden, eigentlich ersten Teil [„Der Anfang“ 1818 erwartet man als Neueinsteiger natürlich so einiges von den weiteren Episoden um den Detektiv und Geisterjäger in Personalunion. Und man wird im Falle von „Im Nachtclub der Vampire“ absolut nicht enttäuscht. Die Geschichte hat alles, was man von einem guten, spannungsgeladenen Hörspiel im Grusel-Genre erwartet: tolle Charaktere, fiese und grausame Bösewichte, einen rundum spannenden Handlungsstrang, sehr schön inszenierte Effekte und eine atemberaubende Atmosphäre, die der Geschichte in dieser Form geradezu auf den Leib geschneidert ist. Alleine der Einstieg mit den ersten Szenen im Vampirclub lohnt schon die Anschaffung dieser Episode. Die Art und Weise, wie hier das dämonische Ritual der drei Vampirladys beschrieben wird, gerantiert für Gänsehaut, die auch bei der späteren Verfolgungsjagd nicht abschwellen will.

Ebenso gut gefällt das Auftreten des Geisterjägers. Ich bin nicht chronologisch vorgegangen und habe mir zuerst die [zweite, 2048 dann erst die erste Folge angehört, und die dort aufgefallenen Mängel, wie die übertriebene Coolness des Hauptakteurs bzw. das Verschieben der Prioritäten zu Ungunsten der Spannung, kann ich hier nicht feststellen. Im Gegenteil: Ich bin hellauf begeistert von der Darstellung des John Sinclair. Hier nervt er nicht mit überzogen lässigen Sprüchen, sondern fokussiert seine Dialoge ausschließlich auf die eigentliche Handlung. Diese wiederum kann davon merklich profitieren, was sich einerseits beim fast schon perfekten Erzähltempo, andererseits aber auch in der Wortwahl der Synchonsprecher bemerkbar macht. Es passt einfach, anders kann man das gar nicht sagen.

Unterlegt wird dieser äußerst positive Eindruck von den unterschiedlichen Soundeffekten, die ebenfalls zur düster-romantischen Atmosphäre des Hörspiels beitragen und die hohen Ansprüche, die man an eine solche Veröffentlichung stellt, voll und ganz erfüllen.

Was wäre aber eine gute Handlung ohne dementsprechende Erzähl- und Synchronstimmen? Doch auch da lässt die Geschichte nichts anbrennen. Frank Glaubrecht als John Sinclair ist betont cool, aber eben nicht zu cool, Friedericke Klebert als eine der Vampirdamen hat tatsächlich irgendetwas Dämonisches in ihrer Stimme und Silke Haupt in der Rolle der Marina spielt ihren Part auch sehr überzeugend und mit angemessener Theatralik. Den größtenteils bekannten Sprechern ist daher auch ganz klar eine reife Leistung zu attestieren, die aber auch derart zu erwarten war.

Daher kann ich mich am Ende auch ziemlich kurz fassen: „Im Nachtclub der Vampire“ aus der Edition 2000 der „John Sinclair“-Reihe ist ein rundum starkes und absolut hörenswertes Hörspiel, das auch bei mehrmaliger Verwendung keine Abnutzungserscheinungen hinterlässt. Besser hätte man diese Serie gar nicht fortsetzen können!

http://www.sinclairhoerspiele.de/

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

Alexander, Alan / Blackwell, Kraig / Feldstein, Travis-Jason / Hindmarch, Will / Klünder, Jacob ua – Lancea Sancta

|Als die Soldaten sahen, daß Christus tot war,
brachen sie ihm nicht die Beine.

Einer der Soldaten jedoch stach ihm einen Speer in die Seite,
und Blut und Wasser quollen hervor.

Ein Tropfen des Blutes Christi fiel auf des
Soldaten Lippen,
und er wischte es weg mit seiner Hand.

Doch am nächsten Tag verschlief er den Sonnenaufgang und erwachte erst bei Anbruch der Nacht aus seinem Schlummer.
Und nachdem er Christi Blut gekostet hatte,
Dürstete ihn nach mehr.

Ich weiß es.
Ich weiß es, weil ich jener Soldat bin.|

(aus dem „Testament des Longinus“ und aus der „Lancea Sancta“)

_Allgemein_

Die „Lancea Sancta“ ist zusammen mit dem „Zirkel der Mutter“ und dem „Ordo Dracul“ einer der mysteriösesten Bünde der vampirischen Gesellschaft in „Vampire: Requiem“. Dieser Bund wird im gleichnamigen Quellenband vorgestellt.

Doch glaubt der „Ordo Dracul“ von Vlad Tepes/Dracula abzustammen, beziehen sich die so genannten Heiligen auf Longinus. Für alle, die sich nicht so gut mit christlicher Mythologie auskennen: Longinus soll der römische Zenturio gewesen sein, der Jesus mit dem Speer des Schicksals in die Seite stach und ihn so tötete (siehe oben). Darauf soll er dann von Gott zu einem Leben als Vampir verfluch worden sein.

Seine Aufgabe ist, die Menschen zu quälen und sie so daran zu erinnern, welche Strafe Gottes es war, dass sie das Paradies verlassen mussten. Doch dies solle er unauffällig tun, um die Angst der Menschen zu schüren.

Seine Lehren schrieb er im Testament des Longinus nieder, auf das sich die „Lancea Sancta“ beruft. Die höchste, aber leider auch verschollene Reliquie ist jener sagenumwobene Speer der Schicksals, von dem der Bund auch seinen Namen hat („Lancea Sancta“: lat. heiliger Speer/Lanze).

_Inhalt_

Nach einem, auch gestaltungstechnisch, sehr ansprechenden Prolog und einer Einleitung beginnt das eigentliche Quellenbuch mit einer Zusammenfassung der Geschichte der „Lancea Sancta“. Mag sie zu Beginn, bei dem Teil, der Longinus direkt betrifft, noch interessant sein, wird sie doch gegen Ende ziemlich zähflüssig. Zwar sind die Fakten aus der Vergangenheit des Bundes durchaus wissenswert, was allerdings nichts daran ändert, dass dieser Teil ausnehmend langweilig ist.

Doch zum Glück wird es schon beim nächsten Kapitel deutlich interessanter, denn dieser widmet sich dem „Unleben in der Lancea Sancta“ in all seinen Facetten. Die Dogmen werden hier genauso erläutert wie die verschiedenen Konfessionen, Untersekten, Titel und Ämter, die Rolle der verschiedenen Clans in der „Lancea Sancta“ und natürlich auch die verschiedenen Riten und Feste des Bundes. Man also getrost sagen, dass dieser Teil den Mittelpunkt des Quellenbandes darstellt.

In Kapitel drei wird dann auf die heutigen und alltäglichen Machenschaften der „Lancea Sancta“ eingegangen, sprich die Rekrutierung oder Bekehrung von Vampiren, egal ob jung oder alt, und deren anschließende Rolle im Bund. Auch das Verhältnis von Neugeborenen zu Ancillae oder Ahnen wird gründlich beschrieben. Der interessanteste Teil in diesem Kapitel dürfte aber zweifellos die Beziehung der „Lancea Sancta“ zu den anderen Bünden, den Werwölfen und den Magi, sein. Und ob ihr es glaubt oder nicht, es kommt sogar gelegentlich zu Zusammenarbeiten der „Lancea Sancta“ mit dem ketzerischen „Zirkel der Mutter“ …

Desweiteren werden auch wieder drei Blutlinien vorgestellt sowie einige Fraktionen und deren politische und religiöse Ziele. Natürlich folgen auch noch die besonderen Disziplinen dieser Blutlinien sowie die gewohnten Beispielcharaktere und Antagonisten.

_Mein Eindruck_

Als ich „Vampire: Requiem“ das erste Mal durchlas, erschien mir die „Lancea Sancta“ wenig reizvoll. Ich meine, was soll mich daran reizen, einen religiös verblendeten Vampir zu spielen, wo ich doch jeden Tag im Fernsehen genug bescheuerte religiös verblendete Mensche und deren Taten sehe!

Doch muss ich hier meinen ersten Eindruck revidieren. Zum einen ist die Mythologie äußerst ansprechend dargestellt und zum anderen wird in diesem Quellenband deutlich, dass ein großer Teil der „Lancea Sancta“ nicht radikal ist. Aufgrund der Konfessionen, Fraktionen und Sekten gestalten sich die Heiligen durchaus vielfältig und abwechslungsreich. Den Stereotypen wird deutlich vorgebeugt.

Nicht jedes Mitglied der „Lancea Sancta“ ist gleich ein Priester oder Ähnliches. Meistens reicht es, wenn ein Vampir sich zum Glauben bekennt und einmal in der Woche zur Mitternachtsmesse erscheint.
Auch die Auslegung der Traditionen in Bezug auf das „Testament des Longinus“ ist sehr stimmig und athmosphärisch gelungen.

Also ist der Grundrahmen für ein stimmungsvolles Rollenspiel innerhalb der „Lancea Sancta“ durchaus gegeben. Was der einzelne Spielleiter dann daraus macht ist, wie immer, Privatvergnügen.

Die Aufmachung ist wieder äußerst vorbildlich. Das Hardcover ist – mit einem Vampir mit einem blutigen Kreuz auf der Brust – ebenso stylisch wie robust.
Der Prolog von Greg Stolze ist mit seinem mittelalter-frühneuzeitlichen „Outfit“ ein echter Augenschmaus und auch durchaus lesenswert.

_Fazit_

Ich habe durchaus schon spannendere Quellenbände gelesen. Doch ist die „Lancea Sancta“ ein durchweg ordentlicher und für diejenigen, die in diesem Bund spielen oder spielleiten wollen, fast unverzichtbarer Quellenband, denn die Informationen in „Vampire: Requiem“ über die „Lancea Sancta“ reichen unmöglich aus, um diesen Bund auch nur annähernd adäquat darzustellen.

|Weiterführende Rezensionen bei Buchwurm.info:|

[Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk 1607
[Vampire: Requiem 1701
[Riten des Drachen 1728
[Werwolf: Paria 1970

Die drei ??? – Geister-Canyon (Band 124)

Im Gegensatz zur Hörspielserie, die bis mindestens Anfang 2006 mit der Umsetzung neuer Geschichten ruht (Wir erinnern uns: Die Hitchcock-Lizenz lief Februar 2005 nach 25 Jahren aus, was bei EUROPA zum kompletten Überdenken der Marketingstrategie Anlass gab), gehen die Veröffentlichungen auf dem Buchsektor mit beinahe unverminderter Geschwindigkeit weiter. Erst jetzt im Dezember ereilte die Lesegemeinde unlängst das „Survival-Buch“  mit Outdoor-Tipps und Tricks für angehende Junior-Detektive. Die junge Seitenlinie ???-KIDS erreichte im November auch ihren 25. Band und feierte ein kleines Jubiläum.

Die drei ??? – Geister-Canyon (Band 124) weiterlesen

Sinkel, Bernhard – dritte Sumpf, Der

_Der Autor_

Bernhard Sinkel wurde am 19. Januar 1940 in Frankfurt am Main geboren. Erstes und Zweites Juristisches Staatsexamen. Von 1970 bis 1972 Leiter des Archivs und der Dokumentation des Magazins |Der Spiegel|.

Seit 1974 Arbeiten als Produzent, Drehbuchautor und Regisseur u. a. von „Lina Braake“ (1974), „Berlinger“ (1975), „Deutschland im Herbst“ (1978) und „Der Kinoerzähler“ (1992), für die er mit zahlreichen internationalen Filmpreisen ausgezeichnet wurde.

_Story_

Raoul Levkowitz ist der CIA noch immer ein Dorn im Auge. Wegen einer geheimen Dopingakte, mit der er einigen in den USA ansässigen Doppelagenten an die Wäsche hätte gehen können, ist CIA-Agent Gallagher ihm schon länger auf der Spur. Ein weiterer Grund für das Interesse des Geheimdienstes: Weil Levkowitz die Dokumente nicht herausgerückt hat und die Geschichte mittlerweile größere Kreise gezogen hat, wurde außerdem das Zeugenschutzprogramm des CIA merklich gefährdet.

Natürlich ist Gallagher auch weiterhin hinter den Daten her und bittet Levkowitz um Vernunft. Deswegen fordert er ihn auch zur Zusammenarbeit auf, die der Berliner Ex-Stasi-Spitzel, dessen besonderes Merkmal ein fotografisches Gedächtnis ist, aber kategorisch ablehnt. Noch dramatischer wird die Situation für die Ermittler, als bekannt wird, dass Levkowitz seit frühester Kindheit mit dem jemenitischen Terroristen Ahmed bin Salim al-Amir befreundet ist, den die USA dringend zur Strecke bringen möchten. Raoul jedoch hält nicht viel von den Machenschaften der verschiedenen Geheimbünde, die ihm ob dieser Bekanntschaft fortan auf den Fersen sind und verweigert jegliche Kooperation.

Die CIA sieht sich dazu gezwungen, andere Mittel zu bemühen, und erpresst Levkowitz, der kurz davor steht einzulenken. Dann jedoch ergibt sich für seine Freundin Dorothy Jensen die Gelegenheit, ein Archäologenteam in die Wüste des Jemen zu fliegen. Auch Raoul soll mit an Bord gehen, wird aber kurz vorher krank und muss passen. Als Dorothys Flugzeug allerdings in der Wüste abstürzt, begibt er sich ebenfalls in den Jemen und sucht verzweifelt seine verschollene Freundin. Levkowitz weiß jedoch nicht, dass die CIA eine erneute Verschwörung gestartet hat, bei der Raoul sie geradewegs zum Terroristenführer al-Amir führen soll …

_Meine Meinung:_

In „Der dritte Sumpf“ setzt Bernhard Sinkel die im letzten Thriller „Bluff“ gestartete Geschichte um seinen Hauptcharakter Raoul Levkowitz fort. Auch in seinem neuesten Werk bezieht sich der Autor dabei auf die Stasi-Vergangenheit seines Schützlings bzw. deren Bedeutung für das Jetzt, wobei die Folgen seiner ehemaligen Bekanntschaften dieses Mal weitaus verheerender sind.

Sinkel lehnt sich dabei sehr weit aus dem Fenster und schießt indirekt besonders gegen die CIA, die mit ihren verschwörerischen Machenschaften selbst vor den grausamsten Erpressungsmethoden nicht zurückschreckt. Lag sein Schwerpunkt im ersten Band noch auf den Zusammenhängen hinsichtlich des CIA-Einflusses in der DDR, spannt er nun das Netz bis hin zur US-amerikanischen Anti-Terrorpolitik im Nahen Osten und hat sich hierfür exemplarisch den Jemen als Zielort herausgesucht. Nun, gut: Dass ausgerechnet dieser Levkowitz auch Kontakte in den arabischen Staat haben soll, ist im Gesamtkontext sicherlich etwas weit hergeholt, aber über so etwas sollte man erst gar nicht nachdenken. Stattdessen sollte man einfach genießen, wie Sinkel mit sehr einfachen Mitteln eine ziemlich komplex arrangierte Story aufbaut, die bis ins letzte Detail fein ausgeklügelt ist und trotz ihrer fiktiven Entwicklung sehr realistisch wirkt. Der Autor bezieht sich sehr stark auf ein mittlerweile alltäglich gewordenes, sehr brisantes Thema und bettet dieses in einen sehr spannenden Thriller ein, der einerseits ziemlich brutal (auf mentaler Ebene), andererseits dadurch aber auch nur authentischer wird.

Natürlich bleiben die politische Meinung und die deutliche Kritik an den Institutionen der Vereinigten Staaten seitens Sinkel nicht außen vor, aber wären diese nicht enthalten, könnte er die Erzählung sicherlich auch nicht mit einer derartigen Überzeugungskraft ausfüllen, wie es schlussendlich der Fall ist. Diese Entschlossenheit zeigt sich letztendlich auch im enorm flotten Erzähltempo: Sinkel lässt kaum Zeit verstreichen, um die Handlung einzuleiten; dazu reicht schon ein minimaler Prolog mit den Ereignissen aus dem vorangegangenen Buch. Danach startet der Autor direkt mitten im Geschehen und kommt auch während der Entwicklung des Plots immer sehr zügig auf den Punkt, was sicherlich ein weiteres Indiz für die recht nervenaufreibende Atmosphäre der Handlung ist.

Gut 250 Seiten reichen schließlich aus, um einen ziemlich gewagten und gerade deshalb auch äußerst lesenswerten Polit-Thriller zu kreieren, der trotz sprachlicher Schlichtheit durchgängig zu fesseln weiß. Für Freunde solcher Materie ist „Der dritte Sumpf“ aus diesem Grund auch nur empfehlenswert – speziell für Leute, die eine Antipathie gegen die Bush-Regierung und ihre zahlreichen Nebenarme haben. Für diese Zielgruppe lohnt sich dann aber auch das komplette, mit „Bluff“ beginnende Paket, auf dem Teile der Handlung aufbauen.

Erik Larson – Isaacs Sturm

Die Zuversicht allumfassenden Wissens

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheint der Mensch erstmals und endlich in der Lage zu sein, die Welt zu verstehen und nach seinem Willen zu formen. Details machen ihm noch zu schaffen, aber auch das wird sich binnen kurzer Zeit gewiss ändern. Der berechtigte Stolz darauf, was Technik und Wissenschaft in den geschaffen haben, geht freilich leicht in Hybris über. Diese Lektion muss die aufstrebende Weltmacht USA im Sommer des Jahres 1900 auf grausame Weise lernen.

Vielleicht ist gesunder Menschenverstand zu viel verlangt für ein nationalstolzes Land, das sowohl energisch als auch erfolgreich daran arbeitet, politisch und militärisch seine Konkurrenten auszuschalten. Gerade erst haben die Vereinigten Staaten einen Krieg mit Spanien vom Zaun gebrochen, mit geradezu spielerischer Leichtigkeit gewonnen und die karibische Kolonie Kuba in ihren Besitz genommen.

Isaac Cline ist der perfekte Repräsentant der neuen Zeit. Der junge Mann stammt aus relativ einfachen Verhältnissen, doch mit seinem messerscharfen Verstand, seiner nie versiegenden Energie und seinem unerhörten Arbeitseifer gelingt ihm die Realisierung des „Amerikanischen Traums“, der ihn binnen weniger Jahre zu Reichtum, Anerkennung und gesellschaftlichem Aufstieg führt. Clines Interesse gilt dem Wetter und vor allem der Möglichkeit, es vorauszusagen. Um 1900 beginnt sich die Meteorologie von einer Schwarzen Kunst in eine Wissenschaft zu verwandeln und in ein Politikum: Unter der Flagge der Vereinigten Staaten fährt um die Jahrhundertwende eine der mächtigsten Flotten der Welt.

Wissen ist tatsächlich Macht

Die größte Gefahr droht diesen Schiffen nicht von ihren Feinden, sondern von unvorhergesehenen Stürmen auf hoher See. Besonders in der Karibik, dem gerade gewonnenen Vorhof der jungen Großmacht, gehen auf diese Weise jährlich zahlreiche Schiffe und ihre Besatzungen buchstäblich zugrunde. Die besonderen Wetterverhältnisse führen über dem Golf von Mexiko in jedem Sommer zur Entstehung von Hurrikans, gewaltigen tropischen Wirbelstürme, die von ihrer Wiege, dem afrikanischen Kontinent, über den Atlantik kommend, entlang der Küstenlinie des nördlichen Südamerikas und Mittelamerikas eine Kurve nach Nordosten über die USA schlagen und dabei alles verwüsten, was ihren Weg kreuzt.

Zu den besonders gefährdeten Bundesstaaten gehört Texas, das dem Europäer eher durch Prärien und kleine Städte des Wilden Westens präsent ist, tatsächlich jedoch über eine lange Küste zum Golf von Mexiko verfügt. Hier liegen die beiden Städte Houston und Galveston, die um 1900 darum wetteifern, zur Hauptstadt ihres Staates zu werden. Die Waagschalen neigen sich allmählich zu Gunsten Galvestons. Das US Wetteramt siedelt seinen Chef Meteorologen für Texas hier an, da Galveston einen Logenplatz auf die labile Wetterlage der westindischen Region bietet.

Seit gut einem Jahrzehnt steht Isaac Cline der angesehenen Wetterstation in Galveston vor. Er gehört zur Prominenz der Stadt, hat nebenbei Medizin studiert, schreibt Artikel über seine Arbeit, gibt Vorlesungen und hat sogar die Zeit gefunden, eine Familie zu gründen. Alles ist planmäßig gelaufen im Leben Clines, der im Jahre 1900 auf der Höhe seiner Karriere steht. Er glaubt alles über das Wetter zu wissen, was die moderne Meteorologie, als deren hervorragender Vertreter er sich ohne falsche Bescheidenheit sieht, herausgefunden hat. Dass er sich quasi anmaßt, die Naturgesetze zu diktieren, ist ihm nicht bewusst. Hurrikans, davon ist Cline überzeugt, kündigen sich durch unverwechselbare Vorzeichen an. Solange er diese nicht am Himmel erkennt, wird es ergo auch kein Unwetter geben.

Ein verhängnisvoller Irrtum

Der große Hurrikan von 1900 will sich nicht in Clines Weltbild fügen. Eine Reihe klimatischer Ausnahmebedingungen lässt ihn direkten Kurs auf Galveston nehmen. Die Katastrophe naht nicht unbeobachtet, doch Cline, der den Himmel über Galveston und die Gezeiten beobachtet, kommt zu dem Schluss, dass der Sturm sich auflösen wird, bevor er die Stadt erreicht. So gibt es für die Bürger von Galveston keine Vorwarnung. Ahnungslos gehen sie ihren alltäglichen Geschäften nach, während der Hurrikan sich über dem Golfstrom nähert und dabei eine gewaltige Flutwelle vor sich aufzuschieben beginnt.

Galveston ist eine Boomstadt, die praktisch planlos und genau dort an der Küste errichtet wurde, wo es zwischen Meer und Land keinerlei Hindernis gibt, die eine Flutwelle brechen oder einen Sturm ablenken könnte. Die Bürger haben es aus Bequemlichkeit und Kostengründen nie für nötig befunden, einen schützenden Damm zu bauen. So nimmt das Verhängnis seinen ungehinderten Lauf: Binnen weniger Stunden wird Galveston ausgelöscht. Mindestens 6000 Menschen, vielleicht aber auch die doppelte Anzahl, verlieren ihr Leben. Genau wird man es niemals wissen, weil sich die Stadt in eine riesige Schlamm und Trümmerwüste verwandelt hat, unter der zahllose Opfer für immer begraben liegen.

Die verdrängte Katastrophe

Der Untergang der Stadt Galveston gehört zu jenen Ereignissen, die aus zunächst unerfindlichen Gründen zu einer Fußnote der Weltgeschichte herabgesunken sind. Bei näherer Betrachtung trifft man allerdings sehr alte Bekannte wieder, die dafür verantwortlich sind: Dummheit, Ignoranz, Selbstgefälligkeit, vor allem aber der tief verwurzelte menschliche Drang, unangenehme Erfahrungen zu verdrängen besonders dann, wenn man sie zwar verschuldet hat, aber selbst nicht betroffen ist.

Die wahre Tragödie ist weniger die Katastrophe selbst, sondern die Tatsache, dass sie in diesem Ausmaß hätte verhindert werden können. Dieser Erkenntnis mochte man sich bisher nicht einmal in Galveston selbst stellen. Dort sang man lieber das hohe Lied des Heldentums im Angesicht der drohenden Gefahr, und am lautesten erklang das Lob für Isaac Cline, den angeblichen Helden, der selbstlos seine Mitbürger noch vor dem Hurrikan warnte, als die Sturmflut bereits ganze Häuserzüge durch die Luft wirbelte. Cline hat persönlich an seinem Denkmal gearbeitet, und das gelang ihm angesichts seines publizistischen Geschicks hervorragend, zumal er so alt wurde, dass er jene, die es besser wussten, in der Mehrzahl einfach überlebte.

Erik Larson hatte es folglich nicht leicht, als er sich daran machte, die Geschichte Galvestons und des großen Hurrikans von 1900 zu rekonstruieren. Der Sturm hat die frühen Archive vor Ort vollständig vernichtet. Aber in den Familien der zahllosen Opfer fand Larson viele Augenzeugenberichte, die ein in dieser Klarheit bisher nicht gekanntes Bild der Katastrophe zeichnen. Die detaillierte Schilderung des Sturms und seiner Folgen ergänzt Larson durch einen ausführlichen Blick auf die Geschichte der Vereinigten Staaten an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Ohne würden die Ereignisse in Galveston unverständlich bleiben. Nicht fehlen darf eine Einführung in die Wetterkunde und hier naturgemäß in die Genese großer Wirbelstürme.

Der Leser als Zeuge

Larson wählt für sein Buch die Form des Tatsachenromans. Er schildert, was gewesen ist, scheut sich aber nicht, Lücken durch (allerdings gut abgesicherte) Vermutungen zu schließen. Wie der große Hurrikan vor der westafrikanischen Küste entstand und seinen verhängnisvollen Weg nahm, ist inzwischen geklärt. Larson präsentiert die komplizierten Mechanismen des Wetters verständlich und spannend zugleich. Dies gilt auch für die politischen Intrigen im und um das Wetteramt, die wohl hauptsächlich dafür verantwortlich sind, dass der Sturm ein völlig ahnungsloses Galveston traf.

„Isaacs Sturm“ ist nicht nur die Chronik einer Katastrophe, sondern auch die Tragödie eines Mannes, der (zu) viel wusste und doch unwissend war. Um 1900 benannte man große Stürme nach prominenten Opfern. Larson greift diese Tradition auf. Auch wenn Isaac Cline (1862 1955) das Unglück überlebte und niemals zur Rechenschaft gezogen wurde, blieb er für den Rest seines langen Lebens gezeichnet: Mit seiner Frau kam sein ungeborenes jüngstes Kind um, und in Augenblicken echter, von Selbstbetrug freier Reflexion begriff Cline durchaus, dass er und sein verehrtes Wetteramt kapitale Fehler begangen hatten.

Eric Larson ist mit „Isaacs Sturm“ zu Recht ein Bestseller gelungen. Mit dem Talent des echten Erzählers behält er die Fäden seiner Geschichte, die den halben Erdball umspannen, jederzeit fest in der Hand. „Spannend wie ein Krimi“ ist ein Urteil, das (viel zu) oft über ein Buch gesprochen wird, doch auf „Isaacs Sturm“ trifft es
zweifellos zu. Wenn es etwas zu bemängeln gibt, dann das Fehlen von Bildern, die es in großer Zahl gibt. Aber das Internet gleicht dieses Manko aus. Die Eingabe der Begriffe „Galveston“ und „hurrican“ genügt, um zeitgenössische Fotos aus der dem Erdboden gleichgemachten Stadt betrachten zu können.

Autor

Erik Larson (geb. 1954) wuchs in Freeport, Long Island, auf. Er absolvierte die University of Pennsylvania, die er mit einem Abschluss in Russischer Geschichte verließ. Klugerweise ergänzte er dies mit einem Studium an der Columbia Graduate School of Journalism. Im Anschluss arbeitete er viele Jahre für diverse Zeitungen und Magazine.

Inzwischen hat Larson diverse Sachbücher veröffentlicht, von denen „Isaac’s Storm“ (1999, dt. „Isaacs Sturm“) ihm den Durchbruch und Bestseller-Ruhm brachte. Der Autor lebt mit seiner Familie in Seattle.

Taschenbuch: 373 Seiten
Originaltitel: Isaac’s Storm. A Man, a Time, and the Deadliest Hurricane in History (New York : Crown Publishers 1999)
Übersetzung: Bettina Abarbanell
http://www.fischerverlage.de

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Parzzival, S.H.A. – Todesanzeigen (Titan-Sternenabenteuer 22)

Mit Band 22 beginnt in der Reihe der „Titan-Sternenabenteur“ ein gänzlich neuer Zyklus, der zwar auf den bekannten Hauptfiguren aufbaut, sich thematisch aber stark von den bisherigen Teil-Episoden löst. Der |BLITZ|-Verlag nennt den neuen Schwerpunkt Social Fiction und beschreibt damit den vermehrten Einbezug von Szenarien, die such außerhalb des Weltraums abspielen. In „Todesanzeigen“ feiert zudem ein neuer Autor im Rahmen dieser Serie sein Debüt. Jedoch gibt es bislang noch keine detaillierten Informationen zur Person, die unter dem Pseudonym S.H.A. Parzzival schreibt. Feststeht lediglich, dass die Ideen, auf denen die Story im neuen Zyklus beruht, vom leider im letzten Jahr verstorbenen Thomas Ziegler abstammen, dem man mit dem noch unbetitelten Zyklus auch eine Art Tribut zollt.

_Story_

Nach den Anschlägen auf die Asteroidenwerft der CRC bzw. den Abenteuern im fremden Reich innerhalb der Parakonblase haben sich Shalyn Shan und das Team der |TITAN| ein paar Tage Urlaub gegönnt, der von der Kommandantin eines Abends dazu genutzt wird, um zusammen mit dem befreundeten Kollegen, dem Quogonen Sir Klakkarakk, eine prominente Disco zu besuchen. Dort lernt sie die faszinierende Monja kennen, zu der sich Shalyn sofort hingezogen fühlt. Ganz entgegen ihren sonstigen Prinzipien nimmt die Suuranerin die fremde Dame noch am selben Abend mit in ihre Wohnung und beginnt eine leidenschaftliche Beziehung mit Monja.

Die direkte Umgebung Shalyns ist ein wenig irritiert ob der neuen Situation, lässt das lesbische Liebespärchen alerdings gewähren und akzeptiert ihre Zuneigung zueinander. Allerdings ist Amos Carter, Shalyns Chef und der Anführer der CRC, ein wenig beunruhigt, weil es kaum Informationen zur Vergangenheit Monja gibt. Als man schließlich herausfindet, dass beinahe alle Ex-Geliebten der hübschen Fremden kurz nach dem Ende einer Beziehung ums Leben gekommen sind, macht sich auch Shalyn ernsthaft Sorgen und stellt ihre Freundin zur Rede. Erst als sich die Mysterien halbwegs aufdecken lassen und man herausfindet, dass Monja an ständigen Blackouts leidet, beruhigt sich die Kommandantin der |TITAN| wieder. Dann jedoch tritt ein erneuter Todesfall im Umfeld von Monja ein …

Währenddessen herrscht auf der Erde Aufruhr wegen eines plötzlichen Befalls von Rieseninsekten. Die monströsen Viecher haben es in erster Linie auf die WORLD MARKET-Kette des Großinduistriellen Michael Moses abgesehen, doch kurze Zeit später tauchen sie auch in bewohnten Gebieten auf und fordern erste Todesopfer. Die World Police nimmt sich des Falles an und vermutet, dass einige Öko-Terroristen hinter den zahlreichen Anschlägen stecken, deren Ziel es ist, den enorm einflussreichen Moses und dessen weltweites Kartell zu zerstören …

_Meine Meinung_

Eine neue Ära der „Titan-Sternenabenteuer“ und tatsächlich eine völlig neue Perspektive bietet dieser erste Band des neuen Zyklus. S.H.A. Parzzival beschreibt die ‚etwas andere‘ Handlung vornehmlich aus der Sicht von Shalyn Shan, kann den Leser aber anfangs noch nicht sonderlich fesseln. Vor allem die etwas übertrieben dargestellte Faszination für die mysteriöse Monja nimmt zu Beginn der Geschichte viel zu viel Raum ein, und die Betonung, dass man der Fremden trotz aller Begleitumstände nicht böse sein kann, hätte man diesbezüglich – nur um mal ein Beispiel zu nennen – durchaus eingrenzen können. Klar, die Dame spielt die wahrscheinlich tragendste Rolle im gesamten Roman, und daher ist es auch berechtigt, sie in einem besonderen Rahmen vorzustellen und in die Handlung einzuführen, aber da sich diese Haltung selbst in den Szenen, in denen dem neuen Liebespaar eine enorme Gefahr droht, etabliert, wirkt das Ganze auf die Dauer sehr überstrapaziert.

Zu der lesbischen Beziehung, die demzufolge natürlich auch eine sehr große Beachtung findet, kann man hingegen stehen, wie man will. Ich persönlich finde dieses Element recht belebend und erfrischend, was aber sicherlich auch daran liegt, dass S.H.A. sich Details ausspart und lediglich Andeutungen über die Liebeleien der beiden Frauen macht. Tatsächliche Erotik statt lüsterner Beschreibung einer heißen Affäre – damit fährt der Autor (die Autorin?) ziemlich gut, und somit hat die plötzliche Wandlung der Shalyn Shan auch ganz klar eine Berechtigung.

Der neue Zyklus verspricht indes auch spannend zu werden; Parzzival hat im ersten Teil schon so einige Handlungsstränge eröffnet, in denen eine Menge Potenzial steckt. In dieser Hinsicht gefällt mir sehr gut, dass er/sie zum Ende des Buches nur kurze Andeutungen auf die Urheber der globalen Attacken macht, die genauen Umstände aber unerwähnt lässt und so auch die Spannung übr diesen Band hinaus problemlos aufrechterhält. Gleiches gelingt ihm mit der Darstellung der seltsamen Monja sowie den undurchsichtigen Rückblicken auf ihre unbekannte Vergangenheit. Wer ist diese Frau wirklich? Und kann man ihr trauen? Hier wird sich im folgenden Buch „Germania“ sicher mehr ergeben, und die Vorfreude hierauf ist nach dem etwas schwerfälligen Einstieg in den neuen Zyklus dann doch wieder recht groß. Andererseits: Ganz so gut wie der „Parakon-Zyklus“ gefällt mir die neue Reihe noch nicht, was ich in erster Linie auch an der stilistisch ganz neuen Herangehensweise festmache. Fans der Serie sollten sich davon aber nicht beirren lassen und der |TITAN| auch weiterhin treu bleiben. Die Hauptfiguren sind schließlich dieselben, und hat man sich mit diesen einmal angefreundet, kommt man auch nicht mehr von ihnen los.

http://www.blitz-verlag.de/

Zsuzsa Bánk – Heißester Sommer. Erzählungen

Im Jahr 2002 wurde Zsuzsa Bánks Debütroman [„Der Schwimmer“ 2054 zum Überraschungserfolg des damaligen Buchherbstes. Die sensibel erzählte Geschichte, von der Kritik mit zahlreichen Preisen bedacht, bleibt vor allem durch Bánks einfühlsame Sprache im Gedächtnis. Ihr melancholischer und wehmütiger Erzählfluss geht direkt ins Herz, nistet sich dort ein, brütet und lässt den Leser nicht mehr los. Zsuzsa Bánk fesselt mit dem Nicht-Gesagtem, dem Angedeuteten, dem vage Umschriebenen und schafft damit eine unwirkliche Atmosphäre, die schimmert wie der Asphalt einer sonnenbeschienenen Straße.

Bei einem so kraftvollen und überzeugenden Erstling erwartet der Leser viel vom nächsten Buch. Doch statt eines zweitens Romans hat die Autorin nun einen schmalen Band mit zwölf Erzählungen veröffentlicht. Erzählungen, die über Jahre hinweg entstanden sind, beispielsweise während ihrer Lesereise für „Der Schwimmer“.

Schon auf den ersten Seiten, ja nach den ersten Sätzen, ist sie wieder da: diese ganz spezielle Stimmung, die nur Bánk so zu evozieren vermag. Es ist ein gefühliges Schweben, eine schwere Melancholie, die den Leser mehr einhüllt als die Figuren der Erzählungen. Die sind zumeist viel zu sehr in ihrem Leben gefangen, um Muße zur Reflektion zu haben. Da sind zwei Freundinnen, die jährlich eine Bekannte in einer Anstalt besuchen, das Wiedersehen zwischen alten Bekannten oder das Zerbrechen einer Beziehung. Alle der zwölf Geschichten, mit Ausnahme der abschließenden „Delphine“, kreisen als Variation um ein Thema. Es geht um den Abschied, um die Vergänglichkeit von Freundschaften, Liebschaften, Beziehungen. Es geht um das Zerbrechen von Dingen, die man für ewig und wichtig gehalten hat.

Doch nichts ist von Dauer in dieser Sprachwelt von Zsuzsa Bánk, die wie ein Wirbel zwischenmenschliche Beziehungen in den Abgrund reißt. Die Zeiten ändern sich, Menschen und Umstände ändern sich. Und manchmal ist es einfach unmöglich, an Gefühlen und Zuständen festzuhalten, wie verzweifelt man es auch immer versucht. Menschen leben sich auseinander; sie schlagen unterschiedliche Lebenswege ein, doch dies verträgt sich kaum mit dem Wunsch nach Stetigkeit.

Bánks Geschichten leben von dem, was sie verschweigt oder nur andeutet. Beziehungen zwischen den Figuren werden fast nie deutlich benannt, nur skizziert. Doch gerade dadurch gewinnen sie in der Vorstellung des Lesers an Gewicht und Lebendigkeit. Ihre Darstellung ist minimalistisch und doch punktgenau – rein sprachlich ein Genuss.

„Heißester Sommer“ hat jedoch ein Problem: Die Erzählungen lesen sich wie zwölf Variationen auf ein Thema, wieder und wieder hält Bánk den Finger in die Wunde menschlicher Empfindung. Allerdings verschwimmen die Geschichten ab einem gewissen Punkt, all die Frauennamen werden zu einem Pool kaum unterscheidbarer Protagonistinnen. Es ist schwer, die einzelnen Erzählungen in Erinnerung zu behalten, da sie thematisch jeweils so ähnlich liegen und bewusst beim Leser ähnliche Gefühle und Reaktionen hervorrufen sollen. Das ermüdet auf Dauer. Es ist daher sicherlich wie auch schon beim „Schwimmer“ zu empfehlen, den Erzählband in kleinen Dosen zu genießen, all die Schwermütigkeit könnte ansonsten zu Überfütterung führen.

Diese thematische Eigenheit des Buches beeinflusst jedoch nicht dessen stilistische Brillanz. Eindringlich ist Bánks Sprache, reduziert auf das Wesentliche, und so gelingt es ihr auch, ganze Lebenswege in Geschichten anzudeuten, die zwanzig Seiten kaum überschreiten. Ihre Erzählweise zieht den Leser sprichwörtlich in einen Bann, in einen Strudel aus Worten und Bedeutungen, die entknüpft und verdaut werden wollen. Zsuzsa Bánk ist nichts für den Strand, auch nicht für die Bahn. Ihre Gesellschaft ist etwas, das bewusst genossen und nicht in Eile konsumiert werden sollte.

Mit „Der Schwimmer“ war ihr vor drei Jahren der große Wurf gelungen. „Heißester Sommer“ ist ein solider Nachfolger, sprachlich fehlerlos, doch thematisch keineswegs so fesselnd wie ihr Roman. Der Erzählband ist eher das dauernde Schwingen einer Stimmung denn eine Sammlung von Erzählungen im klassischen Sinne. Wer nach frischer Wortgewalt von Zsuzsa Bánk lechzt, dem wird „Heißester Sommer“ ein treuer Gefährte sein. Wer Zsuzsa Bánk bisher noch nicht kennt, sei doch lieber an ihr Romandebüt verwiesen.

Jean M. Auel – Ayla und der Stein des Feuers (Erdenkinder 5)

Vorgeschichte in vier Akten:

30000 Jahre mag es her sein, da wird an der Küste des Schwarzen Meeres Ayla, ein kleines, halb verhungertes, durch ein Erdbeben eltern- und stammeslos gewordenes Mädchen vom Menschenschlag der Cro-Magnons – Sie und ich gehören ihm noch heute an – von einer Horde Neandertaler (der leicht vormenschlichen Konkurrenz), dem „Clan der Höhlenbären“, gefunden und aufgenommen – recht widerwillig, entspricht doch die Neue mit ihrem schlanken, geraden Wuchs, den blauen Augen, der hohen Stirn und den blonden Haaren so gar nicht den Schönheitsidealen ihrer krummbeinigen, wulstbrauigen und wortkargen Gastgeber. Das hässliche Schwänlein muss unter vielen stolzen Enten denn auch ein an Zuneigung armes aber an Knüffen und Püffen umso reicheres Dasein fristen, das durch die Feindschaft zwischen den „Anderen“, wie die Neandertaler Aylas Leute nennen, und den „Flachköpfen“, wie diese wiederum ihre urtümlichen Nachbarn schimpfen, nicht eben einfacher wird. Trotzdem arrangiert man sich, und Ayla schenkt sogar einem Sohn das Leben, der sich zwar schon im Vorschulalter rasieren müsste aber trotzdem von seiner Mutter heiß geliebt wird, bevor diese ihn dem fiesen, intriganten Kindsvater überlassen muss, als der Clan der Höhlenbären sie schnöde verstößt. („The Clan of the Cave Bear“, 1980; dt. „Ayla und der Clan des Bären“)

Es schließen sich einsame Lehr- und Wanderjahre eines Engels auf (vorzeitlicher) Erden an, der viel zu edel für diese Welt ist sowie dank eines schamanischen Crash-Kurses bei erwähntem Höhlenbären-Clan einen guten Draht zu Mutter Natur und ihren übersinnlichen Kindern besitzt. Diese sitzen irgendwo auf Wolke Sieben und lenken von dort die Geschicke derer, die da unter ihnen k(r)euchen und fleuchen. Einen Odem purer Güte und Nächstenliebe ausdünstend und im absoluten Wissen um die Heilkraft jedes Kräutleins, das da blüht, gelingt es Ayla, a) den bösen Wolf zum braven Haushund, b) das wilde Pferd zum geduldigen Reittier und c) den edlen Löwen zum Kingsize-Kätzchen zu zähmen. Nachdem sie diese Künste zur Vollendung gebracht hat, naht auch Mr. Right: der Werkzeugmacher Jondalar, wohlgestaltet, einfühlsam, liebevoll und – nicht zu vergessen – ein toller Liebhaber. Dieses Gottesgeschenk an die moderne Frau von Vorgestern hat auf einer kühnen Reise, die Jondalar aus seiner weit entfernten Heimat, der südfranzösischen Dordogne, den Fluss Donau – hinabführte, buchstäblich Schiffbruch erlitten und muss von Ayla zusammengeflickt und gepflegt werden, bevor man sich näherkommen und die gemeinsame Rückkehr in Jondalars Heimat beschließen kann. („The Valley of Horses“, 1982; dt. „Das Tal der Pferde“)

Gar lang ist die Reise, dazu hart und beschwerlich, und sie wird nicht einfacher dadurch, dass Ayla und Jondalar immer wieder warten müssen, während die Große Geistin dieser Urzeit-Welt – vulgo Jean M. Auel genannt – ihrer Neigung frönt, jedem Grashalm, jedem Pilz und jedem Kleintier, der oder das am Wegesrande sichtbar wird, aus- und abschweifende Exkurse zu widmen („essbar“ – „heilend“ – „kleidsam“). Kein Wunder, dass es gar nicht mehr vorwärtsgeht, als unser Paar auf Menschen trifft. Die Mamutoi oder Mammut-Jäger des Löwenlagers pirschen den großen Urzeit-Elefanten hinterher. Ayla ist angetan von diesem Stamm, und diese Zuneigung wird erwidert: Der schwarzhäutige Ranec ist‘s, der hier der blonden Fremden nachzusteigen beginnt. Für den armen Jondalar brechen harte Zeiten an, denn der Rivale ist fast so ein guter Frauenversteher wie er, sodass Ayla über 800 Seiten hin- und hergerissen wird, bevor man wieder zusammenfindet und die Reise nach Frankreich fortsetzt. („The Mammoth Hunters“, 1985; dt. „Mammutjäger”)

Die nächsten Tage und Wochen verbringen Ayla und Jondalar damit, ihre angeschlagene Beziehung wieder zu kitten. Spannungen, die trotz wertvoller & endloser Frau-Mann-Gespräche zurückbleiben, werden vorzeitlich unbekümmert in den Feuern der „Wonne“ verbrannt. Nachdem man sich so die Donau-Auen hinaufdiskutiert und -gebumst sowie zwischenzeitlich hustende Neandertaler oder bauchwehkranke Cro-Magnon-Genossen mit selbstgebrauter, ökologisch einwandfreier Medizin kuriert hat, wird es noch einmal dramatisch: Amazonen (!) verschleppen Jondalar in ihr Lotterlager, wo er für kräftige Nachkommen sorgen soll. Die kluge Ayla kann ihn vor diesem schrecklichen Schicksal retten, und man setzt die Reise auf die oben beschriebene Weise fort. Dann gilt es noch einen Gletscher zu überwinden, und im Finale ist das Ziel zum Greifen nahe. („The Plans of Passage“, 1990; dt. “Ayla und das Tal der Großen Mutter“)

Das geschieht dieses Mal:

Home at last! Zwölf reale Jahre nach Beginn ihrer ausgedehnten Lust- und Studienreise erreichen Ayla und Jondalar endlich die Dordogne und die Zelandonii der Neunten Höhle. Der Empfang ist allerdings nur partiell herzlich, denn die freigeistige Ayla eckt wieder einmal an. Das geht schnell in dieser höchst komplexen, von schier unendlich vielen, bekannten und ungeschriebenen Regeln, Protokollen und Kodizes bestimmten Gemeinschaft, die selbst das englische Könighaus vor Neid erblassen ließe. Ayla kann Tiere zähmen und Feuer mit Hilfe von Steinen entfachen: Talente, die von den Priesterinnen des Clans mit Misstrauen und Konkurrenzängsten zur Kenntnis genommen werden.

Aber Ayla spuckt grazil in die Hände und beginnt beherzt, ein weiteres Land unserer Ahnen im Sturm zu erobern. Mit gnadenloser Freundlichkeit und Herzenswärme sucht Mrs. Supertüchtig Höhle um Höhle heim, heilt alles Sieche nieder, beschämt dumme, geile Kerle und gewinnt die Herzen der weisen Frauen. Schließlich stürmt sie sogar die letzte Klippe, auf der lange unbezwingbar Marthona hockte, die gestrenge Schwiegermutter, der nicht gefällt, was Sohn Jondalar da aus fernen Landen in Höhle Nr. Neun geschleppt hat.

Doch von ebendiesem Jondalar empfing Ayla in einem wahren Pandämonium der Liebe, des Glücks und des geschriebenen Kitsches inzwischen ein Kind, das nach knapp tausendseitiger Schwangerschaft endlich das Licht der Welt erblickt und im bereits angedrohten sechsten Teil der „Erdenkinder“-Saga mit seinen Eltern, Freunden und Feinden sicherlich noch viele gute Zeiten, schlechte Zeiten durchleben und durchleiden wird.

„The same procedure as every year”

Da ist sie also wieder – die blonde Ayla, Schamanin, Super-Mom, Klassefrau & Mutter Theresa der Steinzeit. Dabei schien endlich Ruhe zu sein im Steinzeit-Karton, als sich Ayla und Jondalar in Band 4 zwölf Real-Jahre zuvor verabschiedet hatten. Im Schlusskapitel winkten schon die Zelandonii: ein durchaus taugliches Ende für eine Saga, die sich längst in Agonie dahinschleppte. „Ayla und das Tal der Großen Mutter“ war eine Zumutung; eine geschwätzige, kitschige Seifenoper im pseudo-exotischen Gewand, künstlich über jede Lesbarkeit hinaus aufgeblasen durch ausufernde Landschaftsbeschreibungen, peinliche Folkloredarbietungen und vor allem durch die zum Wahnwitz geronnene Manie der Verfasserin, ihre Leser noch über die Herstellung der letzten Haarnadel exakt ins Bild zu setzen.

Die Rekonstruktion des Steinzeit-Alltags war Jean M. Auel immer ein Herzensanliegen, zumal die Darstellung der Ergebnisse entsprechender Recherchen die Autorin einer Verpflichtung enthob, der sie mangels Talent oder Disziplin selten nachkommen konnte: Spätestens seit „Das Tal der Pferde“ erzählte Auel keine Geschichten mehr, sondern betätigte sich als Schreibautomat, bei dem nach jeweils tausend niedergeschriebenen Seiten die Batterie gewechselt wurde.

Zwölf Jahre Pause – man sollte meinen, Auel habe mehr als genug Zeit gehabt, sich endlich Neues einfallen zu lassen. Stattdessen mutet sie uns üblichen Quark zu, nur dass dieser noch ein gutes Stück breiter getreten wird. Schlimmer: „Der Stein des Feuers“ ist eine dreiste Neuauflage von „Der Clan des Bären“ – dieses Mal ohne Neandertaler.

Dass die Zelandonii stattdessen der Sprache mächtig sind, erweist sich als zusätzliches Manko: Kein Mund will stillstehen in ihren Höhlen, und was wir hören, erinnert fatal an die Endlos-Seifenopern des Fernsehens. Mag sein, dass sich die Menschen seit 30000 Jahren nicht grundsätzlich verändert haben und Intrigen, Klatsch und üble Nachrede auch den Alltag in den Höhlen der Dordogne bestimmten. Das möchte ich jedoch nicht unbedingt in epischer Breite nachlesen – und falls doch, dann bitte so, dass mir ob der unter dem Gewicht der ihnen aufgeladenen Klischees neandertalerkrumm daherkommenden Figuren, der Dämlichkeit der Dialoge oder des absoluten Leerlaufs der weitgehend durch Abwesenheit glänzenden Story nicht ständig die Tränen kommen.

In einem ist Auel allerdings konsequent: Immer wenn man glaubt, nun könne es einfach nicht schlimmer kommen, widerlegt sie dies mit Leichtigkeit. Dieses Mal lässt sie ihren Röntgenblick nicht nur über jeden Stein und jeden Strauch in und um die Zelandonii-Höhlen schweifen; wir können den Ort des langweiligen Geschehens anschließend quasi aufzeichnen. Zusätzlich wird ausführlich wiederholt, was in den vorangegangenen vier Bänden der „Erdenkinder“-Saga geschehen ist. Sicherlich muss die lange Pause nach Teil 4 irgendwie überbrückt werden. Wieso dies nicht in einer Zusammenfassung vor dem Einsetzen der eigentlichen Handlung geschehen konnte, bleibt rätselhaft. Stattdessen nerven Ayla und Jondalar die Leser, die ohnehin die Vorgängerbände kennen, mit uferlosen „Weißt-Du-noch?“-Histörchen.

Wenn der Höhlensegen schiefhängt

Unterhaltungsfeindlich sind darüber hinaus Auels ebenso hartnäckige wie vergebliche Versuche, neben der Alltags- auch die Geisteswelt der Steinzeit zum Leben zu erwecken. Historiker und Archäologen kennen eine scherzhafte Faustregel, nach der jeder Fund, der sich nicht anderweitig deuten lässt, dem Kultisch-Religiösen zuzuordnen ist. Gleichzeitig wird sich jeder Wissenschaftler, der diese Bezeichnung verdient, heftig hüten, Aussagen über Kult und Riten lange versunkener Kulturen zu treffen, die über Theorien hinausgehen.

Auel hat als Schriftstellerin freie Bahn, und diese Chance nutzt sie: nur leider nicht besonders einfallsreich. Ihre Geisterwelt wird von allerlei Muttergottheiten bevölkert, die im Einklang mit der Natur (und Gott ist für Auel definitiv eine Frau) schwingen und stets wissen, was am besten ist für Mensch und Tier. Hinter der Dunstwolke aufwändig geschilderter (und breit ausgewalzter) Zeremonien treten allerdings keine kosmischen Wahrheiten, sondern hausbackene Binsenweisheiten zutage: Vertragt euch; hört auf eure Mütter/Frauen/Priesterinnen; seid nett zu Kindern, Tieren und Neandertalern.

Wenn‘s dann trotzdem nicht klappt mit Friede, Freude & Eierkuchen, tragen ganz gewiss die nicht unbedingt bösen, sondern eher ignoranten und nie ganz erwachsenen (oder zurechnungsfähigen) Männer die Schuld: Die „Ayla“-Saga startete 1980 und ist in gewisser Weise selbst inzwischen zur historischen Quelle geworden: als (allerdings vielfach gebrochenes und trivialisiertes) Spiegelbild einer feministischen Weltsicht, wie sie einst en vogue war. „Die Vernichtung der weisen Frauen“ hieß ein typischer Sachbuch-Bestseller dieser Zeit, der die europäischen Hexenverfolgungen des 13. bis 18. Jahrhunderts als Verschwörung missgünstiger und um ihre Macht fürchtender Patriarchen gegen ein Netzwerk starker, kluger, heilkundiger, vor allem aber selbstständiger Frauen deutete. Diese Theorie hat sich inzwischen erledigt, und der Feminismus hat sich weiterentwickelt

Zurück blieb Ayla, die weiterhin die Fackel hochhalten muss, die Auels Leser/innen ins matriarchalische Utopia leiten soll, wie es in den 1970er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts beschworen wurde. Immerhin: Hübsch anzuschauen durfte Ayla trotzdem immer sein; so weit ging Auels schwesterliche Solidarität doch nicht, ihrem Publikum eine vierschrötige Höhlen-Walküre als realistische Heldin zu präsentieren. Den Rest erledigt popularisiertes New Age-Gewaber US-amerikanischer Prägung. Was sich in den Höhlen der Zelandonii abspielt, erinnert stets verdächtig an die Zeremonien, die sich die Medizinmänner (oder hier besser -frauen, die es ja auch gegeben hat) diverser Indianerstämme in der Vergangenheit ausgedacht haben. Erst hat man die nordamerikanischen Ureinwohner für Hollywood vom Pferd geschossen, nun werden sie von zivilisationsmüden Heilssuchern verkitscht, die sich aus dem reichen Mythengut herauspicken, was den Weg ins Nirvana angeblich abkürzt und dabei auch noch spannend unterhält.

Der Fluch des Erfolgs

Aber kann ausschließlich Jean M. Auel verantwortlich für das „Ayla“-Elend gemacht werden, das über die lesende Welt kommt? Die Verfasserin steht in einer langen, langen Reihe von Autoren, die eine Schnulze durch eine exotische Kulisse aufwerteten. Vor vielen Jahren gab Auel ihr Bestes als hoffnungsvolle Neu-Autorin und traf mit einem im Rückblick allenfalls mittelmäßigen aber durchaus lesenswerten Werk den Geschmack eines Publikums, das zu diesem Zeitpunkt auf „Ayla und der Clan des Bären“ gewartet zu haben schien. Binnen eines Monats ging dieser Titel mehr als 100000 Mal über die Ladentische. Ein Star war geboren, einem Stephen King oder einer Joanne K. Rowling durchaus vergleichbar – auch finanziell: 34 Millionen verkaufte Exemplare später kassierte Auel als Vorschuss (!) für die Ayla-Romane 4 bis 6 25 Mio. Dollar; nicht schlecht für eine Hobby-Autorin, die erst im Alter von 42 Jahren zum Schreibtisch fand.

Das Honorar ist wohl der eigentliche Schlüssel zu Aylas Wiedergängertum: 2002 spürte Auel nach zwölf aylalosen Jahren offenbar den Druck ihrer Geldgeber, endlich den versprochenen Nachfolgeband zu liefern. Diese Theorie würde das traurige Ergebnis jedenfalls erklären. Der Verlag bekam, was er wollte: kein Buch, das man einen Roman nennen dürfte, aber einen dicken Stapel beschriebenen Papiers, das sich unter dem eingeführten Markenzeichen „Auel“ als „Ayla V.“ prächtig vermarkten lassen würde.

Lesen würden diesen Schinken alle Ayla-Fans, aber kaufen sollten ihn noch viele, viele weitere Menschen. Die Strategie ist bekannt: Hinter dem multimedial begleiteten „Event“ kann der Anlass ruhig verschwindet. So wurde die Buchpremiere von „Ayla und der Stein des Feuers“ 2002 in Les Eyzies im Herzen Frankreichs als gigantisches Pressespektakel inszeniert. Hier lebten, liebten und litten einst Auels Hollywood-Cro-Magnons. Über 150 Journalisten fielen ein, um die Starautorin zu treffen. Diese erzählte die stets gern gehörten Geschichten ihrer Recherche-Touren, die sie nicht nur auf Aylas und Jondalars Spuren durch Russland, die Ukraine, Tschechien, Ungarn, Österreich, Deutschland und Frankreich führte, sondern die pflichtbewusste Autorin auch dazu animierten, Tiere in Fallen zu fangen, Steinwerkzeuge zu basteln, Matten zu knüpfen und natürlich Archäologen, Anthropologen oder Biologen zu befragen.

Elend mit Epilog

Das Buch hatten diese und andere Steigbügelhalter wohl nie gelesen, es war nicht erforderlich, da Veranstaltungen wie die in Les Eyzies ihren eigentlichen Zweck glänzend erfüllten. Die Schlagzeilen ebneten „Ayla V.“ den Weg zu neuerlichem Bestseller-Ruhm und Rekord-Auflagen. In Deutschland ging trotzdem lieber kein Risiko ein. Noch bevor sich womöglich jene Spielverderber zu Worte meldeten, die „Ayla und der Stein des Feuers“ tatsächlich lesen & für mies befinden würden, ließ man das Werk in einer Hauruck-Aktion von zwei simultan arbeitenden Übersetzern in unsere Muttersprache. Das Risiko war allerdings kalkulierbar gering: „Ayla V.“ wurde von 34 Verlagshäusern weltweit gleichzeitig in die Buchhandlungen gepresst!

Diese Prozedur wiederholte sich mit „Ayla VI.“ und wurde durch das Internet ergänzt. Abermals hatte Auel sich viele Jahre Zeit gelassen. „Ayla und das Lied der Höhlen“ wurde 2011 zum Offenbarungseid einer sichtlich ausgeschriebenen, kranken, alternden Autorin, die endlich zu Ende bringen wollte, wozu sie sich verpflichtet hatte. Selbst Hardcore-Auel-Fans konnten und wollten ihren Unmut über ein ‚Buch‘ nicht unterdrücken, das die bekannte Ayla-Rezeptur noch einmal aufkochte und dabei endgültig in Esoterik-Schwurbel versandete.

Seltsamerweise hielten sich Kino und Fernsehen bisher zurück mit der Verfilmung von Auel-Abenteuern. Zwar gibt es „Ayla und der Clan des Bären“ von 1985, ein unfreiwillig komisches B-Movie, in dem unsere Heldin durch Daryl Hannah zumindest optisch kongenial verkörpert wurde. Aber vielleicht sind wenigstens dieses Mal die oft und gern geschmähten Medienspezialisten die Klügerin, weil sie erkennen, dass sich aus einem 1000-seitigen Roman manchmal höchstens das Drehbuch für einen 30-Minuten-Kurzfilm destillieren lässt.

Zur Serie gibt es u. a. diese Website.

Taschenbuch: 984 Seiten
Originaltitel: The Shelter of Fire (New York : Crown Publishing Group 2002)
Übersetzung: Maja Ueberle-Pfaff u. Christoph Trunk
http://www.randomhouse.de/heyne

eBook: 1494 KB
ISBN-13: 978-3-641-07921-5
http://www.randomhouse.de/heyne

Hörbuch-Download: 2064 min. (ungekürzt, gelesen von Hildegard Meier)
ISBN-13: 978-3-8371-1091-3
http://www.randomhouse.de/randomhouseaudio/

Der Autor vergibt: (0.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (3 Stimmen, Durchschnitt: 3,33 von 5)

You Higuri – Gorgeous Carat – Der Reiz der Finsternis (1)

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist in Paris nichts mehr so, wie es einmal war. Der Glanz der vergangenen Tage ist längst verschwunden, und vor allem die Adelshäuser müssen naturgemäß unter dem Fall der Aristokratie leiden. Von diesem Schicksal ist auch die ehemals wohlhabende und einflussreiche Familie Rochefort geplagt. Die Madame besteht aber dennoch darauf, den bekannten Lebensstatus und den damit verbundenen Luxus beizubehalten und ist nicht bereit, das wohlbehütete Familienjuwel herauszugeben, um durch den Verkauf wieder an Geld zu kommen. Ebenso verneint sie den Wunsch ihres Sohnes, der wie ein Mann aus der bürgerlichen Gesellschaft arbeiten möchte.

Auf einem Fest im eigenen Hause des Adelsgeschlechts taucht eines Tages der berüchtigte Pfandleiher Ray Balzac Courlande auf und bietet Madame Rochefort einen recht zweifelhaften Tausch an: einen Kredit gegen ihren Sohn Floréan. Und obwohl sie sich gegen diesen Gedanken wehrt, hat sie am Ende doch keine Chance, denn als Alternative zu Floréan akzeptiert er nur noch den Familienschatz, „Die Flamme von Mougale“, ein 120-Karat-Juwel, das die Dame auf keinen Fall herausgeben möchte.

Der Graf Courlande nimmt Floréan schließlich mit und versucht aus ihm den Aufeinthaltsort des Diamanten herauszupressen. Kurze Zeit später wird Floréans Mutter nach einem Anschlag auf ihr Haus tot aufgefunden; weil auch das Schmuckstück verschwunden ist, gibt man dem abwesenden Sohn die Schuld. Maurice, sein Onkel, versteckt ihn in seinem Haus, doch schon bald wird klar, dass er ganz andere Absichten verfolgt. Aber auch sein neuer Herr gibt ihm zunehmend Rätsel auf; der stolze Ray verbirgt einige mysteriöse Geheimnisse, treibt sich mit seltsamen Leuten herum und hat nur eines im Sinn: den jungen Floréan ganz und gar zu besitzen.

Mein Eindruck

You Higuri genießt in Insiderkreisen einen sehr guten Ruf, den sie auch mit dem Beginn ihrer aktuellen Reihe „Gorgeous Carat“ bestätigen kann. Die Geschichte aus dem Frankreich des späten 19. Jahrhunderts ist zwar im Prinzip sehr simpel aufgebaut, besticht aber durch eine kluge Inszenierung, die auch an Wendepunkten nicht geizt. Faszinierend dargestellt ist dabei die Figur das Grafen Courlande. Der Mann ist ein einziges Mysterium, dessen Motive zwar ansatzweise erkennbar, aber dennoch nicht ganz klar sind.

Hugori lässt den Leser noch im Dunkeln, ob Ray nun die gute oder doch die böse Seite charakterisiert – für beide Seiten gibt es Anhaltspunkte, aber keine klaren Indizien. Eindeutig ist letztlich nur sein Interesse an Floréan, desen Beziehung zu Courlande nach der anfänglichen Folterung durch seinen neuen Herren stetig besser wird, weshalb er sich nach einiger Zeit auch ein wenig heimisch fühlt.

Floréan entwickelt sich hingegen im Laufe der Geschichte immer mehr aus der Opferrolle heraus und gewinnt auch zunehmend an Selbstbewusstsein. Er hat eine Ahnung vom speziellen Interesse Courlandes, und dies spielt er dann auch im Auftreten gegenüber seinem Besitzer aus. Andererseits steht Floréan aber auch für Ray ein und entwickelt eine innere Verbundenheit, deren Ausmaße sich zum Ende des Buches zeigen.

Eine zunächst noch unscheinbare Rolle spielt die dunkelhäutige Laila, die sehr großes Interesse an Ray hat und in Floréan einen Widersacher sieht, der ihr auch die letzte noch vorhandene Aufmerksamkeit des mysteriösen Grafen nimmt. Bei Floréans Abwesenheit erkennt sie schließlich ihre Chance, um Ray ihre Zuneigung zu zeigen.

Der vierteilige Band ist in einzelne Sub-Plots unterteilt, die jedoch allesamt aufeinander aufbauen und jedes Mal ein wenig mehr über die Hauptfiguren preisgeben.

Die düstere Atmosphäre, die sich dabei durch die Geschichte zaubert, ist allerdings auch ziemlich atemberaubend. Angefangen bei der erhabenen Erscheinung von Ray Balzac Courlande über die verschiedenen Verschwörungen und Verstrickungen, zu denen die Autorin hier noch nicht allzu viel verrät, bis hin zu den insgesamt auch sehr dunklen Zeichnungen ergibt sich bei „Gorgeous Carat“ ein fast schon beklemmendes Bild, das durch die kühle Art der Hauptfigur Courlande noch einmal verstärkt wird.

Und obwohl der Plot jetzt nicht sonderlich komplex erscheint, so verbirgt sich doch ein gewisser Anspruch hinter diesem ersten Band, dessen Tiefgang sich jedoch erst mit dem Ende so richtig zeigt und der in uns schließlich auch das Verlangen auslöst, mehr über den mysteriösen Dieb Noir, Floréan, Laila und natürlich den Grafen Courlande in Erfahrung zu bringen.

Bis dahin bleibt eigentlich nur zu sagen, dass die Autorin ihrem fabelhaften Ruf wieder einmal gerecht geworden ist und „Gorgeous Carat“ eine weitere vielversprechende Serie zu werden scheint.

Williams, Tad – Shadowmarch: Die Grenze

Es schien wie in einem vergessenen Zeitalter, dass die Wesen jenseits des undurchdringlichen Nebels sich regten und die Lande der Menschen mit Krieg überzogen. Doch der Konflikt hatte nur ausgesetzt. Noch immer forderten die Elben die Gebiete zurück, die ihnen vor langer Zeit an die Menschen verloren gingen. Sie hatten sich nur hinter ihren Zauberwall aus Nebelschwaden und grausamen Illusionen zurückgezogen, um nun das zu beanspruchen, was in ihren Augen schon immer ihnen gehörte.

Die Menschen und auch die Funderlinge in der Südmark haben dabei ihre eigenen Probleme. Ihr Herrscher ist einer Hinterlist zum Opfer gefallen und wird gegen Lösegeld vom Lordprotektor von Hierosol festgehalten. Immer abenteuerlicher werden die Forderungen. Schließlich wagt es der Entführer, die Hand der Fürstentochter zu beanspruchen. Briony Eddon ist davon wenig begeistert und auch ihr Zwillingsbruder hält nicht viel davon. Doch was sind die Überlegungen von Kendrick, der als Stellvertreter seines Vaters über die Mark wacht? Die verschiedenen Berater, Vasallen und Verbündeten bedrängen den jungen Mann. Doch bevor er seine Überlegungen kundtun kann, wird er grausam ermordet. Ausgerechnet der Schwertmeister soll der Attentäter gewesen sein.

Schlimmer könnte es kaum kommen. Die Feinde vor den Toren der Stadt, die Intrigen im Reich und zwei junge Menschen, die sich den Thron und die schwere Bürde teilen müssen, den unmöglichen Aufgaben gerecht zu werden. Doch es |kommt| noch schlimmer.

Die Geschichte der Schattenmark beschäftigt sich nicht nur mit den Erlebnissen der Herrschenden, sondern bezieht eine Vielzahl von Figuren mit ein, deren Schicksal direkt, indirekt oder scheinbar gar nicht mit dem des Landes verbunden ist. Die Rollen der Protagonisten reichen von dem zwergenähnlichen Funderling Chert Blauquarz bis hin zu Qinnitan, der hundertsten Frau des mächtigen Herrschers des Reiches Xand.

Tad Williams begnügt sich nicht damit, die Geschichte einiger weniger Persönlichkeiten und ihres Landes zu erzählen, er zeichnet das Schicksal einer ganzen Welt in seiner neuen Serie. Der vorliegende erste Band ist nur der Anfang, aber ein ereignis- und umfangreicher.

Irritiert mag der geübte Fantasyleser von den „neu“ erfundenen Spezies sein, die doch so sehr dem typischen Zwerg oder dem typischen Dunkelelf oder sonst einer bekannten Fantasyspezies ähneln. Natürlich leben die Pseudozwerge unter der Erde, natürlich haben sie Steine lieb und auch das Gold und sind auch nicht besonders groß. Aber sie Zwerge zu nennen – so das Buch – wäre eine infame Beleidigung. Nach kurzem Nachdenken und einem amüsierten Kopfschütteln gewöhnt man sich daran, die Zwerge halt jetzt Funderlinge zu nennen.

Die Schilderung der Protagonisten ist dem Autor nur bedingt gelungen. Die psychischen Probleme des albtraumgeplagten Barrick kommen genauso wie die emanzipatorischen Wünsche von Briony nur hölzern und klischeehaft herüber. Das mag daran liegen, dass Williams einen strengen und regelmäßigen Wechsel zwischen den Handlungssträngen und Protagonisten durchzieht und gleichzeitig einen hohe Geschwindigkeit der Handlung vorantreibt. Da bleibt scheinbar wenig Raum für die glaubhafte und überzeugende Darstellung des Innenlebens der handelnden Personen.

Tad Williams ist, wie vorauszusehen war, ein sehr gutes, unterhaltsames und spannendes Buch gelungen. Doch stellt es inhaltlich und auch vom Stil her keine Besonderheit dar. Es ist ein gutes Fantasybuch geworden, das es in der Qualität und dem Einfallsreichtum vielfach auf dem Literaturmarkt gibt. Die Erwartungen an den Autor nach der grandiosen „Otherland“-Serie haben sich nur zum Teil erfüllt. Trotzdem kann man jedem Fantasyfan das Buch und vermutlich auch die Folgebände anraten, denn in Hinsicht auf gut lesbare Unterhaltung und Spannung bekommt man hier garantiertes Lesevergnügen geboten.

© _Jens Peter Kleinau_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.X-Zine.de/ veröffentlicht.|

http://www.shadowmarch.de

Ankowitsch, Christian – Dr. Ankowitschs kleines Universal-Handbuch

Nach dem „kleinen Konversations-Lexikon“ hat Christian Ankowitsch alias Dr. Ankowitsch nun einen weiteren Ratgeber herausgebracht, der einem wohl selbst in den prekärsten Lebenslagen aus der Patsche hilft. In „Dr. Ankowitschs kleines Universal-Handbuch“ hilft der Autor dem Leser selbst in den Situationen weiter, die einem im Normalfall ein Rätsel aufgeben würden.

Ein Beispiel: Man sitzt als Nicht-Mediziner mit weit geöffnetem Mund auf dem Folterstuhl beim Zahnarzt, und dieser gibt seiner Kollegin eine Reihe von Zahlen durch, die wohl für Zähne stehen. Die ganze Zeit fragt man sich, wovon genau der Mann da eigentlich erzählt, und in diesem Buch findet man nun endlich die Antwort.

Nächstes Beispiel: Man reist ohne Reiseführer in die entlegendste Republik und muss am Flughafen mal die Örtlichkeiten aufsuchen. Doch welche Aufschrift muss nun das Türschild haben, hinter dem sich die Stelle, an der man seine Notdurft verrichten darf, verbirgt? Dr. Ankowitsch hilft uns hier weiter.

Für den Online-Redakteur enorm wichtig: Wie führe ich ein Interview? Wie steige ich ins Gespräch ein, wo setze ich Schwerpunkte, wie nehme ich mir die Nervosität, wenn ein verehrter Künstler mit seinem Anruf droht? Nun, ich danke Ihnen, Herr Ankowitsch, erst vorgestern Abend hat ihr Ratgeber diesbezüglich die Bewährungsprobe bestanden.

Nächstes Szenario: Bundeswehr, man ist gerade aus Mamis Obhut entflohen und soll nun seine Hemden bügeln, damit der Kommandant einen nicht die Räumlichkeiten mit der Zahnbürste schrubben lässt. Aber wie falte und bügele ich jetzt ein Hemd richtig? Nun, es steht auf Seite 94 …

Man geht ins Edel-Restaurant, rundherum liegen zahlreiche Gabeln, und weil man sich an die Förmlichkeiten halten möchte, braucht man wohl irgendwie auch Unterstützung, um zu wissen, welche Gabel nun welchem Verwendungszweck zugeführt werden soll. Gut, wenn man dieses rote Büchlein mit sich führt.

SPAM allerorts, man verliert die Kontrolle über den Posteingang und hat absolut keinen Durchblick mehr. Was nun? Tja, auch hierauf hat Dr. Ankowitsch die passende Antwort.

„Dr. Ankowitschs kleines Universal-Handbuch“ ist ein echtes Schmuckstück und tatsächlich universell einsetzbar. Wegen seiner optimalen Größe kann der feine Ratgeber außerdem immer in der Jackentasche mitgeführt und im Problemfall ausgepackt werden. Man gerät also nie ins Schwitzen …

Aber mal im Ernst: Dieser Ratgeber enthält alles, was man von einem ebensolchen Buch erwartet: eine gesunde Prise Humor, umfangreiche Unterhaltung, nützliche Infos bis zum Abwinken und einen sehr strukturierten, übersichtlichen Aufbau. Die Idee scheint auf den ersten Blick nicht sonderlich revolutionär zu sein, doch sobald man erst einmal in die logisch aufgebaute Welt des Christian Ankowitsch eingetaucht ist, wird man schnell bemerken, dass man etwas Vergleichbares noch nie zuvor vor die Lesebrille bekommen hat. Einzigartig, witzig und enorm hilfreich ist er, dieser Ratgeber, und wer noch ein richtig originelles Weihnachtsgeschenk sucht, landet hier einen Volltreffer – und bekommt eine umfassende Ansammlung von Argumenten, die dabei helfen, sein Gegenüber von der Richtigkeit des eigenen Handelns zu überzeugen …

Roberts, Nora – Dunkle Herzen

Die junge, erfolgreiche Bildhauerin Clare Kimball lebt in New York, wo sie gerade wieder eine erfolgreiche Ausstellung präsentiert hat. Seit ihrer Kindheit wird Clare von einem immer wiederkehrenden Albtraum gequält. In diesem düsteren Traum steht sie auf einem nächtlichen Friedhof und beobachtet, wie mit Tierköpfen und Kutten verkleidetete Männer satanische Rituale durchführen. In einem der Männer erkennt sie schließlich ihren geliebter Vater, der in ihrer Teenagerzeit durch einen Fenstersturz ums Leben kam. Sowohl der Albtraum als auch der ungeklärte Tod ihres Vaters lassen ihr keine Ruhe. Clare will Gewissheit haben und beschließt, in ihre Heimatstadt Emmitsboro zurückzukehren.

Emmistboro ist eine verschlafenen Kleinstadt in Maryland ohne spektakuläre Ereignisse, in denen sich alle Bürger untereinander gut kennen. Clares Rückkehr sorgt bei den Einwohnern für großes Interesse. Vor allem für den charmanten Sheriff Cam Rafferty, den sie noch aus ihren Jugendtagen kennt, entwickelt sie rasch Gefühle. Während sie viele ehemalige Freunde und Nachbran herzlich aufnehmen, machen sich einige der Bewohner über ihr Auftauchen Sorgen. Denn was Clare nicht weiß: Hinter der biederen Kleinstadt-Fassade verbirgt sich ein satanischer Zirkel, in den zahlreiche der scheinbar unbescholtenen Bürger verstrickt sind.

Kurze Zeit nach Clares Einzug in ihr Elternhaus geschieht ein grausamer Mord, der die Menschen jäh aus ihrer Idylle reißt. Grabschändungen, geschlachtete Tiere und ein entführtes Mädchen deuten darauf hin, dass Clares Träume der Wirklichkeit entsprechen. Je mehr sie sich an das Gesehene erinnert und je weiter sie in ihren Nachforschungen vordringt, desto gefährlicher wird sie für die Teufelssekte …

Schwarze Messen, brutale Morde und eine Gemeinschaft, die sich dem Bösen verschworen hat – die als Schnulzenautorin verschriene Nora Roberts geizt nicht mit allerleih grausigen Zutaten für ihren Horrococktail, der durchaus zu unterhalten weiß.

Dabei kann von Innovation an kaum einer Stelle des Romans die Rede sein. Die Charaktere sind teilweise klischeehaft und in keiner Weise wirklich spektakulär, jeder Figur ist man so oder so ähnlich schon in anderen Büchern begegnet. Die satanischen Rituale folgen exakt den landläufigen Vorstellungen der Leser und auch überraschende Wendungen sind im Grunde Mangelware. Dass der Roman trotzdem zu fesseln weiß, liegt an der souveränen Zusammenstellung all dieser Komponenten, die dem Leser zwar nichts Neues, aber Altbewährtes auf solide zubereitete Weise präsentieren.

|Altbewährter Schauplatz|

Die verschlafene Kleinstadt wird bekannterweise gerne als Schauplatz für ein Horrorszenario gewählt. Nirgends wirkt das Grauen so effektiv wie in einer scheinbar harmlosen Idylle, deren Friedlichkeit sich als trügerisch erweist. Je beschaulicher der Leser sein eigenes Leben führt, desto mehr wird er sich in diese Lage hineinversetzen und dementsprechend mitfiebern können. Auch Emmitsboro entspricht in jeder Hinsicht den gängigen Kleinstadt-Klischees. Die Menschen kennen sich untereinander gut, alles geht seit Jahrzehnten seinen gewohnten Gang, die Polizei kümmert sich größtensteils um Diebstähle und Ruhestörungen. Besonders prekär wird die Lage dadurch, dass Clare die meisten Bewohner seit ihrer Kindheit kennt und es besonders schmerzhaft ist, auf einmal befürchten zu müssen, dass einige unter ihnen schon damals ihre dunklen Machenschaften trieben und über all die Jahre eine Scheinwelt aufrecht gehalten haben. Das betrifft letztlich und vor allem ihren eigenen Vater. Je mehr Clare über den satanischen Zirkel und seine Anhänger herausfindet, desto offensichtlicher wird die quälende Tatsache, dass auch ihr Vater zumindest zeitweise darin verwickelt war. Für Clare, die immer seine Lieblingstochter war und die immer noch unter seinem frühen Tod leidet, bricht eine Welt zusammen. Doch als sie der Wahrheit zu nahe kommt, steht ihr der größte Kampf noch bevor …

In einem Psychothriller über Satanismus bleiben natürlich auch explizite Gewaltszenen nicht aus. Allerdings ist keine Schilderung so brutal, dass man als Leser Ekelgefühle befürchten müsste. Im Gegenteil existieren sogar Szenen, in denen die Gewalt nur angedeutet wird und hauptsächlich in der Vorstellung der Leser stattfinden muss. Beinahe schon etwas zu bieder geraten sind die Darstellungen der satanischen Rituale, die in keinem Punkt von den althergebrachten Vorstellungen abweichen, die der unbedarfte Leser vor der Lektüre besitzt. Die Jünger tragen schwarze Kutten und verbergen ihre Gesichter hinter Masken, frönen perversen Ausschweifungen, bringen Tier- und Menschenopfer und rufen in lithurgisch inszenierten Huldigungen Satan an. Sicher wären an der Stelle Abwandlungen der Klischees reizvoller gewesen, zumal gerade das Unbekannte und schwer Einschätzbare den Horroreffekt steigert.

|Schablonenartige Charaktere|

Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf Clare Kimball, die auf Anhieb sympathisch erscheint. Clare hat sich trotz ihrer knapp dreißig Jahre ein kindliches Gemüt bewahrt. Gleich zu Beginn erfährt man, dass Clare, wie es für eine Künstlerin typisch ist, stets im kreativen Chaos lebt. Die Haare werden achtlos zusammengebunden, ein ausgeleiertes Shirt erfüllt den Kleidungszweck, eine Großpackung Eis muss als Mittagessen vorhalten. So ergibt sich ein liebenswertes Bild: Auf der einen Seite die intelligente, erfolgreiche und selbstständige Künstlerin, auf der anderen Seite die chaotische und undisziplinierte Lebensart eines Kindes. Mit ihrer unverfälschten Art und ihrem ansteckenden Humor bezaubert sie nicht nur ihre Umwelt, sondern auch ihre Leserschaft. Sowohl Frauen als auch Männer werden diese gelungene Mischung aus Verletzlichkeit und Sensibilität mit Mut und scharfem Verstand zu schätzen wissen.

Sheriff Cam Rafferty präsentiert sich als der ideale Mann für Clare. Genau wie sie schätzt er Ehrlichkeit und Gerechtigkeit, hält nichts von überflüssigen Etiketten, folgt seinem Gefühl und verstößt bereitwillig gegen den guten Ton der Gesellschaft. In jungen Jahren ein wilder Rebell, hat er sich auch als Polizeibeamter seine Polarität bewahrt. Während die einen Bewohner seine Aufrichtigkeit schätzen, ist er vor allem der biederen Gesellschaft ein Dorn im Auge.

Die meisten anderen Bewohner der Stadt erscheinen als bestenfalls einfache und schlimmstenfalls kleinkarierte Bürger mit beschränktem Horizont, von denen ein nicht unerheblicher Teil im Geheimen dem satanischen Zirkel angehört. Es sind typische Kleinstadt-Charaktere, wie man sie schon aus vielen anderen Romanen kennt: der langweilige Oberlehrer; die hübsche, handfeste Kellnerin; die Edelnutte, die vom Ausstieg und der weiten Welt träumt; die geistig zurückgebliebene Pennerin mit dem kindlichen Herzen; die hemdsärmeligen Farmer; die spitzzüngigen Damen der Kaffeeklatschgesellschaft.

Für diese Vorhersehbarkeit der Charaktere gibt es kleine Abzüge. Fast bei jedem neuen Charakter wird der Leser rasch über dessen Eigenschaften informiert, so dass man jede Figur sofort auf die „gute“ oder die „böse“ Seite stellen kann. Dabei fühlt man sich ein wenig bevormundet, als ob es uns der Autor nicht zutraute, ohne explizite Beschreibung den Charakter einzuschätzen. Und zum anderen hätte es die Spannung noch zusätzlich gesteigert, wenn man bei einigen Figuren zunächst im Ungewissen gelassen worden wäre. Stattdessen weiß man bei den meisten Personen sofort, ob Clare ihnen vertrauen darf oder nicht. Vor allem bei Sheriff Rafferty existiert bereits nach der ersten Begegnung mit Clare kein Zweifel mehr, dass sich zwischen beiden eine Beziehung entwickeln wird; erst recht nicht, als man erfährt, dass Clare ihn bereits in ihrer Jugend heimlich umschwärmte. Bei manchen der Satansjünger erfährt der Leser erst spät von ihrem Doppelleben, doch echte Überraschungen bleiben dabei vollends auf der Strecke. Das gilt auch für den Epilog des Romans, der beim Leser nicht den angestrebten Aha-Effekt erzielt, sondern wie eine nachträglich angefügte Pointe wirkt.

Die einzige Ausnahme bildet der rebellische Teenager Ernie, von dem man lange Zeit nicht mit Sicherheit sagen kann, ob er sich unwiderruflich der dunklen Seite verschreibt oder nicht. Davon abgesehen wäre es besonders bei Cam Rafferty der Spannung zuträglich gewesen, wenn man hin und wieder an seiner Solidarität an Claire hätte zweifeln können.

|Flotter Schreibstil|

Das Stilniveau geht zwar über den des Groschenromans hinaus, stellt aber dennoch keinerlei weitere Anforderungen an den Leser. Die klare Sprache und die übersichtlichen Sätze machen es zu einer Leichtigkeit, den mehr als 600 Seiten des Buches mühelos zu folgen. Wegen der weiblichen Hauptfigur und des Images der Autorin als Liebesromanschreiberin zieht das Buch vornehmlich Frauen als Leserinnen an, eignet sich aber grundsätzlich auch für Männer, ebenso wie für Jugendliche. Die Handlung verzichtet auf detaillierte Nebenstränge, so dass keine große Konzentration von Nöten ist. Als Urlaubslektüre oder als unterhaltsamer Zwischendurch-Roman ist das Buch daher definitiv zu empfehlen.

_Unterm Strich:_ Unterhaltsamer und sehr flüssig geschriebener Psychothriller über satanische Morde hinter der biederen Fassade einer Kleinstadt. Der Roman kombiniert altbewährte Zutaten zu einem angenehm lesbaren und über weite Strecken fesselnden Lesevergnügen für alle Freunde der Spannungsliteratur. Leichte Abzüge gibt es für die Vorhersehbarkeit und die klischeehaften Charaktere, denen etwas mehr Innovation nicht geschadet hätte.

_Nora Roberts_ ist eine der meistgelesenen Autorinnen der USA. Seit sie 1981 ihren ersten Roman veröffentlicht hat, sind mehr als hundert Bücher von ihr erschienen. Ihre Domäne sind vor allem romantische Liebesromane und Thriller.

Hayder, Mo – Tokio

Mo Hayder sah als Teenager ein Foto von einem japanischen Soldaten, der einen chinesischen Zivilisten enthauptet. Als sie dieses Bild Jahre später in Tokio wiederentdeckte und ihr selbst japanische Freunde nichts über das Massaker von Nanking berichten konnten, war ihr Interesse an einem Kapitel japanischer Geschichte geweckt, das bis heute von offizieller Seite mit Vorliebe verschwiegen wird. („Tokio“ soll nicht in Japan erscheinen!)

Auch die Protagonistin Grey in Hayders neuem Roman „Tokio“ hat in frühen Jahren ein Foto aus Nanking gesehen und ist, gerade weil ihre Umwelt die Existenz des Fotos wie auch die historischen Kriegshandlungen leugnet, besessen von der Idee, die Wahrheit herauszufinden. Grey, die den größten Teil ihrer Jugend in einer psychiatrischen Klinik verbracht hat, ist besessen davon, ihre Zweifel und die Ungewissheit zur Gewissheit werden zu lassen.

‚Geh und Beweise es‘, hatte ihr eine Zimmergenossin aus der Klinik mit auf den Weg gegeben. Und für Grey, die nach Jahren in der Psychiatrie die eigene Persönlichkeit als kranken Psycho-Freak mit perversen Neigungen wahrnimmt, sind die historischen, totgeschwiegenen Ereignisse inzwischen ebenso wichtig wie die eigene Heilung geworden; erst wenn sie beweisen kann, dass die Gräuel von Nanking nicht ihrer kranken Fantasie entsprungen sind, sieht sie eine Chance, in das Leben zurückzukehren.

Labil und voller psychischer wie physischer Narben reist Grey nach Tokio, um einen chinesischen Wissenschaftler aufzusuchen, der im Besitz eines Filmes sein soll, in dem das Massaker von Nanking dokumentiert ist. Shi Chongming, ein einstmals freigeistiger, inzwischen desillusionierter Intellektueller, arbeitet als Gastprofessor in Tokio. Er ist Opfer und Überlebender der japanischen Kriegshandlungen, die neben dem Film, in dessen Besitz er gelangt ist, auch in seinem Tagebuch aufgezeichnet sind. Diese Niederschrift eines (Kriegs-)Tagebuchs aus Nanking führt den Leser alternierend mit der Handlung der Gegenwart in den Winter 1937, in das von Japanern besetzte Nanking.

Für jeden Wissenschaftler ist es eigentlich eine Ehre, an der Todai-Universität, der berühmtesten Universität Japans, zu forschen und zu lehren; doch Shi Chongming hat neben seiner offiziellen Verpflichtung einen weiteren, sehr persönlichen Grund für seinen Aufenthalt in Japan. Das Auftauchen der ‚verrückten Fremden‘, die die Vergangenheit aufleben lassen will und ihn in ihrer Besessenheit ‚attackiert wie eine Hornisse‘, stürzt den alten Chinesen in eine tiefe Krise.

Gray arbeitet inzwischen aus Geldnot in dem Nachtclub |Some like it hot| als Hostess. Dort lernt sie den mächtigen Yakuza-Chef Fuyuki und dessen brutale, geheimnisvolle, geschlechtlich nicht zu identifizierende Krankenschwester Ogawa kennen. Diese Bekanntschaft öffnet ihr unerwartet die Türen zum abweisenden und widerstrebenden Chinesen Shi Chongming. Plötzlich schlägt dieser Grey einen Deal vor: Er wird auf ihr Anliegen eingehen und ihr den Film zeigen, wenn sie ihm ein Elixier bringt, ein Tonikum, dem Shi Chongming schon lange auf der Spur ist und dessen Geheimnis sich in Fuyukis Besitz befinden soll.

Grey scheint indes dem mysteriös abweisenden Charme Tokios und seiner Nachtclubs zu erliegen. Und auch ihr rätselhafter Mitbewohner Jason, der ihr mit seiner Vorliebe für Scheußlichkeiten seltsam nahe zu stehen scheint, lenkt sie von ihrer ursprünglichen Absicht ab, Shi Chongmings Film um jeden Preis zu sehen. Doch dann geschehen entsetzliche Dinge und Grey begibt sich in größte Gefahr. Dabei ist sie nicht nur außerstande, die Bedrohung, die sich immer enger um sie knüpft, richtig einzuschätzen, Grey kann nicht einmal ahnen, inwieweit die Tragödie ihres eigenen Lebens mit der grausamen Vergangenheit und der brutalen Realität der Gegenwart verwoben ist!

Mit „Tokio“ verlässt Mo Hayder den Londoner Schauplatz, wo ihre beiden Bestseller „Der Vogelmann“ und „Die Behandlung“ um Detective Inspector Jack Caffery angesiedelt waren, und wendet sich einem historischen Ereignis und einer fernöstlichen Kulisse zu. „Tokio“ ist ein atemberaubend dichter Thriller, in dem die Spannung Seite um Seite steigt.

Dabei erzählt Mo Hayder eher geruhsam, mit einer poetischen Trägheit, die sie in einem perfekt abgestimmten Tempo, das sich sachte über Anspielungen, Andeutungen, Vor- und Rückgriffe im Geschehen überaus brutal an Perversionen, Morde und skrupellose Gräuel annähert. Durch diese beeindruckende Ökonomie der Information, mit der Hayder optimal kalkuliert umzugehen weiß, aber auch durch eine traumhaft märchengleiche Kulisse eines nächtlichen Tokios spitzt sich die Spannung in jeder Szene weiter zu.

Mo Hayder, die früher einmal selbst in Tokioter Nachtclubs gearbeitet hat, ist für die Recherche zu „Tokio“ zwanzig Jahre später noch einmal in die Rolle einer Hostess geschlüpft, um dem mysteriösen und brutalen Mordfall an Lucie Blackman, einer in Tokio arbeitenden englischen gaijin (Hostess), nachzuspüren. Es liegt wohl an diesen persönlichen Erfahrungen, dass das traumähnlich gezeichnete Nachtleben Tokios so real wird. Eine Welt voller authentischer Sonderlinge, die alle am Rande der Gesellschaft leben: Mama Strawberry, die Nachtclubbesitzerin, die gern wie Marilyn Monroe aussähe, Ogawa, die sadistische Krankenschwester, oder Jason, der perverse Sonderling – all diese Figuren geben „Tokio“ einen Reiz, der sich aus Sympathie und Unverständnis, Faszination und Abscheu zusammensetzt.

Mo Hayder versteht es meisterhaft, auf dem schmalen Grat zwischen Abscheulichkeit und Faszination, dem Schönen und dem durch und durch Bösen zu wandeln. Sie lotet das Böse aus, lässt sich auf alle menschlichen Schattierungen von schamlos über verdorben bis auf wirklich böse ein – und das mit einer unübersehbaren Schwäche für Freaks. So durchschreitet Mo Hayder Grenzen, bringt uns Figuren und Ereignisse näher, die sonst so brutal und unmenschlich scheinen, dass wir uns eher schaudernd von ihnen abwenden. Schuld und Unwissenheit ziehen sich leitmotivisch durch den Text, eine meines Erachtens sehr konstruktive Kategorisierung, die das Böse nicht oberflächlich zu verurteilen aber zu orten scheint.

„Tokio“ ist ein sehr grausames Buch, das sich in seiner fiktiven Authentizität auf einer teilweise surreal anmutenden, dem Stil entspringenden Schönheit und Poesie trägt. Als Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit der Geschichte ist „Tokio“, das ein breites Publikum erreichen wird, bedeutsam. Als Literatur wie auch als Thriller ist „Tokio“ in seiner naiven Unschuld wie seiner abgrundtief pervers-brutalen Abscheulichkeit einfach umwerfend und Nerven aufreibend bis zum Finale!

© _Anna Veronica Wutschel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.X-Zine.de/ & http://www.krimizeit.de/ veröffentlicht.|

http://www.mohayder.net

Weitere Rezensionen bei |Buchwurm.info|:
[Der Vogelmann 1632
[Die Behandlung 1635

Amila, Jean – Mond über Omaha

Jean Amila (1910-1995) war nach dem bekannten Léo Malet der zweite französischsprachige Autor der legendären Série Noire. Nach seinem vielbeachteten Debüt 1942 präsentierte ihn |Gallimard| 1950 zunächst unter dem Pseudonym John Amila. Es folgte ein Spitzenkrimi nach dem anderen. „Mond über Omaha“ zeigt ihn auf dem Höhepunkt seines Könnens.

_Story_

Normandie, Juni 1944: Die Allierten landen an der französischen Küste in Omaha Beach. In einer brutalen Schlacht, in der die US-Verantwortlichen ihre Soldaten als menschliche Zielscheiben in den Krieg schicken, entscheidet sich auch das Schicksal der beiden Infanteristen Reilly und Hutchins. Während der eine mitten in der Schlacht von den verteidigenden Deutschen scheinbar tödlich getroffen wird, wendet sich Hutchins auf eigene Faust zur Flucht und gerät in einen Hinterhalt.

Zwanzig Jahre später an gleicher Stelle: Reilly hat als Einziger seiner Abteilung den Krieg überlebt und lebt zusammen mit seiner viel jüngeren Frau Claudine als Friedhofswärter in Omaha Beach. Der Sergeant erachtet es als seine Pflicht, seinen ehemaligen Kameraden bis an sein Lebensende seine Ehre zu erweisen, ganz entgegen der Vorstellung seiner Frau, der das Leben auf dem riesigen Soldatenfriedhof mittlerweile völlig gegen den Strich geht.

Eines Tages stirbt der alte Misthändler und Betrüger Delois an den Folgen einer Krankheit. Reilly konnte den Mann nie besonders leiden, doch auch nach seinem Tod verfolgt ihn sein Einfluss noch. Als nämlich die beiden Söhne Georges und Fernand, die bislang nichts voneinander wussten, am Todestag vor Ort erscheinen und sich folglich über das Erbe streiten, stellt Fernand die Existenz eines Bruders in Frage. Nach und nach wird klar, dass Georges tatsächlich kein leiblicher Sohn des alten Delois gewesen ist und sich damals eine Geburtsurkunde von ihm hat fälschen lassen, um nicht als Deserteur der Allierten vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden. Bei einem Besuch auf dem von Reilly geführten Friedhof entdeckt Georges das Kreuz desjenigen Mannes, der er vor knapp zwanzig Jahren mal gewesen ist und der seitdem für tot erklärt wurde – Hutchins!

Reilly, der gerade selber vom rechten Weg abgekommen ist, weil ihn seine Frau verlassen hat, erkennt den ehemaligen Kameraden auf Anhieb, klagt desen Verhalten aber nicht an. Weil sie beide vom alten Delois betrogen worden waren, tüfteln sie einen Plan aus, damit Georges das Erbe des Verstorbenen alleine antreten kann, um so das Schmiergeld, das seine Frau jahrelang gezahlt hat, wieder zurückzuerlangen. Doch je weiter die Erpressung gedeiht, desto tiefer dringt Georges alias Hutchins wieder in seine Vergangenheit ein und ist nach all der Zeit endlich bereit, seine Tarnung abzuwerfen und sich von den Fesseln der Unsicherheit zu befreien …

_Meine Meinung_

Jean Amilas Erzählung beruht in erster Linie auf Kontrasten – Kontrasten in Bezug auf die unterschiedlichen Charaktere und ihre Lebenseinstellung, aber auch Kontraste hinsichtlich der Art und Weise, wie die Beteiligten mit ihrem Schicksal umzugehen pflegen.

Am schlimmsten hat es dabei den desertierten Hutchins getroffen. Nach seiner Flucht hat er bei der jungen Janine Zuflucht gefunden, an ihrer Seite ein neues Leben angefangen, eine Familie aufgebaut und seine Vergangenheit als Veteran völlig abstreifen können. Der einzige Wermutstropfen: das Geld, das Janine seither zahlt, um Georges‘ falsche Identität zu schützen. Doch mit dem Tod von Delois bricht eine alte Routine im Leben der beiden. Janines finanzielle Obhut und damit auch ihr Einfluss auf ihren Ehemann verschwindet, und als sich für ihn die Möglichkeit ergibt, die unbewusst verborgene Pein, die ihn seit dem Krieg begleitet, zu bekämpfen, nutzt er diese Gelegenheit – ganz zum Unmut seiner Gattin, deren Rolle als Beschützerin plötzlich überflüssig wird und die auf einmal in Georges nicht mehr den liebevollen, starken Mann sieht, sondern den Verräter, der Schwäche ausstrahlt.

Der genau entgegengesetzte Fall tut sich in der Beziehung von Reilly und seiner Ehefrau Claudine auf. Reilly will sein Leben lang die Rolle des Ehrenmannes behalten und merkt dabei gar nicht, wie sehr er sich von Claudine entfremdet. Im Gegenteil: Er glaubt, dass er ebenso stolz auf seine Verdienste ist, die schließlich alles sind, was sein Leben ausmacht. Claudine sehnt sich nach Freiheit und einem Leben, das nicht unmittelbar mit dem Tod und dem Krieg verbunden ist. Es scheint wie ein Schicksalsschlag, dass sich ausgerechnet Hutchins und die Frau von dessen altem Vorgesetzten begegnen und sich in ihrer kurzen Zusammenkunft so sehr zueinander hingezogen fühlen, aber damit habe ich vielleicht schon zu viel verraten …

„Mond über Omaha“ ist alles andere als ein typischer Krimi, auch wenn die bekannten Motive wie Erpressung, Betrug und die Flucht vor der Vergangenheit eine bedeutende Rolle spielen. Der Autor geht stattdessen auf das Innenleben der beiden verbliebenen Soldaten und deren Familie ein und beschreibt die konträren Entwicklungen. Während Hutchins sich bereits im Krieg von seiner Rolle hat befreien können, aber dennoch nicht mit dem Dasein als Deserteur leben kann, gelingt es Reilly nicht, sich von seiner Berufung zu lösen, auch wenn sein ganzes Umfeld darunter leidet. Erst als sich die beiden wiederbegegnen, lernen sie, einen Schlussstrich unter die Angelegenheit zu ziehen, der jedoch nicht milder ist als das, womit sie zwanzig Jahre lang gelebt haben.

Eine sehr bewegende Geschichte hat Amila da verfasst; die Schicksale der beiden Kriegsgeschädigten gehen unter die Haut und stehen in gewisser Weise auch sinnbildlich für so viele Seelen, die nach dem Krieg nicht mehr zur inneren Ruhe gekommen sind und seitdem auch von den Eindrücken verfolgt werden, die der Krieg hinterlassen hat. Besonders deutlich wird dies im Unverständnis der beiden Frauen, die viel zu spät einsehen, dass ihre Männer nicht die einzigen Begleiter sind, mit denen sie ihr Leben verbringen können. Auch die Schlacht, die sie geschlagen haben, wurde ‚mitgeheiratet‘, doch das realisieren sie erst in dem Moment, in dem die vergangenen Geschehnisse wieder an die Oberfläche drängen.

Kurz und prägnant hat Amila den Kern der Geschichte auf den Punkt gebracht, doch die Eindrücke, die er damit vermittelt hat, währen noch über diesen Roman hinaus. Die Grausamkeit der Nachkriegszeit und das ruhelose Leben ehemaliger Soldaten – der Autor hat es ziemlich direkt und beklemmend dargestellt, und genau das macht dieses Buch so lesenswert. Die Originalfassung von „Mond über Omaha“ ist nun schon über 40 Jahre alt; die darin erzeugte Dramaturgie ergreift uns aber auch noch heute. Sehr empfehlenswert!

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Die drei ???-Kids – Im Bann des Zauberers (Band 24)

Die drei Fragezeichen sind seit über 25 Jahren aus der (Jugend-)Literatur nicht mehr weg zu denken. Zur beliebten Serie gesellte sich vor einiger Zeit mit „Die ???®-Kids“ ein Spin-off hinzu, das sich an eine jüngere Leserschaft richtet. Die Protagonisten sind die gleichen, nämlich Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews – allerdings im zarten Alter von zehn Jahren und noch ohne ihre berühmte Detektei offiziell eröffnet zu haben. Bei den Kids befinden sich die Drei also in genau dem Altersrahmen, in dem auch die Zielgruppe angesiedelt ist: 8 bis 10 Jahre. „Im Bann des Zauberers“ erschien im August 2005 bei Franckh-Kosmos.

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