Patricia McKillip – Harfner im Wind (Erdzauber 3)

Showdown im Turm der Winde

Im Reich des Erhabenen ist die Zeit des Friedens zu Ende durch Morgons Kampf mit dem teuflischen Magier Ohm, durch die Machenschaften der rätselhaften Gestaltwandler. Morgon muss Antworten auf all die ungelösten Fragen in seinem Leben finden: Wer war Ohm wirklich? Welche Rolle spielte Thod, der geheimnisvolle Harfner, der ihn an den dunklen Magier verraten hatte?

Nur die Antworten auf diese Fragen werden dem Reich des Erhabenen den Frieden bringen, doch erst der letzte, verzweifelte Augenblick des Kampfes bringt Kunde vom Anbrechen eines neuen Zeitalters. (Verlagsinfo)

Die Autorin

Die 1948, einem Schaltjahr, geborene Patricia McKillip war zunächst Konzertpianistin, bevor sie sich ganz aufs Schreiben verlegte. Sie hat 1975 den World Fantasy Award für ihren wundervollen Roman „Die vergessenen Tiere von Eld“ (dt. bei Heyne) erhalten, 1980 den LOCUS Award für „Der Harfner im Wind“ (Band 3 der Erdzauber-Trilogie). Ihre „Erdzauber“-Trilogie gehört zu den wenigen Klassikern der modernen Fantasy und war in den siebziger Jahren weltweit ein Bestseller.

Neben der Erdzauber-Trilogie sind noch „Die Königin der Träume“ (Heyne), „Winterrose“ und „Das Lied des Basilisken“ (Klett-Cotta) auf Deutsch erschienen. Bei Bastei-Lübbe erschienen zwei schmale Romane, die Duologie „Das Herz des Schwans“: „Die Zauberin und der Schwan“ (1991; Nr. 20282) sowie „Der Prinz und der Feuervogel“ (1993; Nr. 20294).

McKillip lebt in Roxbury im US-Bundesstaat New York.

Hinweis: Das Buch enthält eine Rekapitulation der Ereignisse in den ersten beiden Bänden der Trilogie.
Die komplette Trilogie erschien 2004 unter der ISBN 3453532422bei Heyne.

Handlung

Morgon, der magiebegabte Gestaltwandler mit der großen Bestimmung, ist ratlos. Zu viele Fragen warten auf eine Antwort, und diese Antworten liegen im Geist des bösen Zauberers Ghisteslohm, kurz „Ohm“ genannt, verborgen. Auch seine Freundin Rendel, die Feuermagie beherrscht und ebenfalls den Geist von Toten lesen kann, zeigt keinen Weg – und sie weigert sich, ihn zu heiraten.

In Hed

Ihm ist nur klar, dass er seine Heimat Hed beschützen muss, also beschließt er nach Rücksprache mit Rendels Vater Mathom, eine Armee von toten Kriegern herbeizurufen, sie auf sich zu vereidigen und sie per Schiff nach Hed zu bringen. Die starrköpfige Rendel besteht darauf, trotz aller Gefahren mit ihm übers Meer nach Hed zu segeln. Morgons Bruder Eliard und seine Schwester Tristan sind zunächst überglücklich vor Freude über den zurückgekehrten Bruder, doch dann versucht ihnen Morgon beizubringen, dass er ein Heer von Toten mitbringt. Die Reaktion ist, gelinde gesagt, gedämpft, eher schon bestürzt…

Caithnard

Schon am nächsten Morgen jedoch reisen der Sternenträger und seine Freundin wieder zurück nach Caithnard aufs Festland. Als Bauersleute verkleidet versuchen sie nordwärts nach Lungold und von dort zur Burg der Zauberer zu gelangen. Doch ein Überfall, der sie ihre Pferde kostet, lehrt Rendel die Einsicht, dass auch sie das Talent des Gestaltwandels erlernen muss. Zudem fühlt sich Morgon ständig beobachtet. Doch es ist nicht der Widersacher, den er sieht, sondern ein verborgener Beschützer, wie er später erfährt: der Zauberer Yrth.

Die Falle

Es ist der Klang einer unbeholfen gespielten Harfe, der Morgon in die Falle lockt: Thod, sein alter Freund hat gespielt, doch Thod war einst ein Diener Ghisteslohms und ist geistig weiterhin mit ihm verbunden. Deshalb dauert es nicht lange, bis Ghisteslohm persönlich erscheint und Rendel als Geisel nimmt, um Morgon zu nötigen wieder in seine Dienste (siehe Band 2) zu treten. Wie kann sich Morgon weigern? Doch in diesem Moment der Entscheidung erscheinen zwölf dunkle Gestaltwandler, die Ghisteslohm angreifen. Morgon reißt Rendel an sich und flieht mit ihr in Geistergestalt.

Die verbrannte Burg

Weil sich die widerspenstige Rendel endlich dazu bereiterklärt, die Gestalt einer Krähe – des Lieblingsvogels ihrer Heimat An – anzunehmen, kommen die beiden rasch voran. In nur zwei Wochen durchqueren bzw. überfliegen sie den Zentralteil des Kontinents und erreichen Lungold. Hier herrscht wieder quirliges Leben, doch es scheint keinen Herrscher zu geben. Deshalb verwandeln sie sich zurück und beschreiten den Weg zur Burg der Zauberer, die vor sieben Jahrhundert Ghisteslohm selbst gründete.

Was sie vorfinden, ist schockierend: eine ausgebrannte Ruine, angefüllt mit Hass und Verzweiflung. Morgon lässt seinen geist die Täuschungen beseitigen, das Blendwerk. Er stößt auf geschmolzene Edelmetalle, verbrannte Bücher und Apparate, ein kleines Skelett unter seinen ursprünglichen Decken – und eine scheinbar unscheinbare Tür aus Eichenholz und Eisenbeschlägen. Doch auch sie ist nur mit einem Blendzauber belegt und lässt sich für den Sternenträger leicht durchdringen.

Dahinter erstreckt sich Finsternis. Der Weg führt in die Tiefe, wo die Finsternis immer tiefer wird. Dort wartet er. Schließlich hört er eine Stimme an seinem Ohr, gleich neben Rendels Krähengestalt. Sie teilt ihm mit, dass er Ghisteslohms Bann gebrochen habe und nun vier der einst über 230 Zauberer vor sich habe: Iff (den Sprecher), die alte Nun, den Poeten Aloil und schließlich den Historiker Talies. Sie wurden hierhin vom Gründer Ohm verbannt. Natürlich haben sie jedes Recht, Morgon nach seinen Gründe, Motiven und Zielen zu fragen. Doch Morgon kennt seine eigene Bestimmung (noch) nicht.

Was seine Fähigkeiten und Gründe angeht, so hat Morgon sie noch nicht alle erkundet. Doch was seine Motive angeht, ist ihm klar: „Ich habe eine Menge Fragen an den Gründer.“ Und seine Ziele? Auch die sind unklar, aber sie ergeben sich aus seinen Taten: Wahrheit und Befreiung…

Mein Eindruck

Im dritten und abschließenden Band der Erdzauber-Trilogie vervollkommnen Morgon, der Landherrscher von Hed, und seine Freundin Rendel, die anderweitig verlobte Erbin von An, ihre Fähigkeiten des Gestaltwandels. Das ist zunächst recht interessant zu lesen, doch schon bald reicht die Tiergestalt bei weitem nicht mehr: Sie sind viel zu leicht zu entdecken. Doch wer genau ist es, der sie verfolgt? Das ist eine for Spannung sorgende Frage, bis sich dann herausstellt, dass es sich um den Zauberer Ghisteslohm handelt.

Ghisteslohm alias Ohm hat es auf die Herrschaft über die Welt abgesehen, die bislang allerdings der Erhabene innehat. Doch besagter Erhabener glänzt durch Abwesenheit, mit gutem Grund, wie schließlich auch Morgon erkennen muss: Ein Gott, der von einem Zauberer getötet wird, ist schnell keiner mehr.

In diesem prekären Gleichgewicht, das eine göttliche Lücke aufweist, machen sich allerlei Gespenster breit. Totenheere sind noch das harmloseste Gesindel, das sich herumtreibt. Morgon sieht sich zunehmend von den rätselhaften Erdherren verfolgt, die keinesfalls mit den Landherrschern verwechseln werden, wie Morgon einer ist. Diese Landherrscher, so lernt Morgon auf die harte Tour, besitzen eine tiefe, magische und seelische Bindung an ihr eigenes Land. Sie sind darauf angewiesen, diese Bindung an den rechtmäßigen Erben oder die Erbin (z.B. Rendel) weiterzugeben. Das klappt immer weiniger reibungslos, je mehr Schaden die rätselhaften Erdherren und Gestaltwandler wie Ghisteslohm anrichten. In den Ländern herrscht Krieg.

Deshalb ist von ausschlaggebender Bedeutung, auf welche Seite sich Morgon schließlich schlägt. Sobald der Sternträger den vollen Umfang seiner Kräfte erkannt und erprobt hat, kommt er dem Erhabenen auf die Spur. Alle Hinweise zeigen auf den hohen, in Nebel gehüllten Turm auf der Ebene der Winde, der in Aum unweit Caithnard emporragt. Wer nun an Barad-Dûr, Saurons schwarzen Turm, denkt, liegt falsch. Denn hier hat sich einer der Guten verborgen. Und er hält Morgons Bestimmung in seinen Händen: Morgon soll ihn beerben…

Das verborgene Zentrum der Geschichte betrifft also die Stellung des Menschen gegenüber seinem Land. Jeder Landherrscher bekommt es am eigenen Leib zu spüren, wenn es seinem Land nicht gut geht, und umgekehrt gilt das Gleiche. Diese Einheit von Land und Herrscher findet sich noch Shakespeare wieder: König Duncan, von Macbeth ruchlos gemeuchelt, ist die Verkörperung nicht nur Schottlands als Nation, sondern des Landes als materielle Substanz. Heutzutage zeigt sich, dass die Menschheit und die Welt ein und dasselbe sind: Die Erdgeschichte ist in den Anthropozän eingetreten. Insofern ist die Trilogie zutiefst ökologisch, und das war für die späten siebziger und frühen achtziger Jahre – besonders unter dem Einfluss Tolkiens – wirklich nicht ungewöhnlich.

Die Übersetzung

Die Übersetzung von Mechthild Sandberg wirkt stilistisch schon etwas angestaubt. Sie stammt noch aus der Zeit Ende der siebziger Jahre, als Tolkien-Nachahmer wie Pilze aus dem literarischen Boden schossen – und die schreiben teils heute noch, so etwa Terry Brooks („Shannara“) und Raymond Feist („Krondor“). Gut möglich, dass dieser altertümelnde Sprachstil der heutigen Generation Internet nicht mehr verständlich ist. Leider sind Sandberg zudem zahlreiche Irrtümer und Stilfehler unterlaufen.

S. 52: „ein[e] schmales … Gesicht…“ Das E ist überflüssig.

S. 91: „ein[e] grobes, formloses Gewand“: Das E ist überflüssig.

S. 150: „auf einer von Winden umwogten Ebene“: Winde wogen nicht, sie wehen.

S. 158. „er wandelte die Gestalt“: Diese Phrase wird mehrmals benutzt. Das macht sie nicht richtiger. Korrekt wäre: „Er wechselte die Gestalt.“

S. 176: „Kupuze“ statt „Kapuze“.

S. 180: „Sie [Rendel] drückte ihren Kopf in die Höhle seiner Schulter.“ Gemeint ist sicherlich die HÖHLUNG seiner Schulter.

S. 209: Ein fehlendes Wort: „…aber er wäre, dass Ihr [so] vernünftig gewesen wärt, nicht zu kommen.“

Zur 4-seitigen Landkarte: Da „Harte“, der Ort Harte auf dem Berg Isig, im Text der Standardname ist, ist die Schreibung „Horte“, die man in der Landkarte findet, falsch.

Dieser dritte Band enthält ein Verzeichnis der Orte und Namen: endlich ein vollständiges Verzeichnis der unzähligen Namen!

Unterm Strich

„Erdzauber“ ist eine herausragende Fantasy-Saga von Bestimmung und Aufbruch, Verrat und Gefahr, ewiger Liebe und wirklichen Wundern wahrscheinlich die beste Fantasy der siebziger Jahre neben Guy Gavriel Kay’s „Fionavar“-Trilogie und Ursula Le Guins „Erdsee“-Trilogie. Sie steht auf gleicher Stufe mit Tad Williams‘ späterer Saga von Osten Ard.

Leider ist McKillips Stil weitaus knapper und verdichteter als der von Tolkien oder Williams: Hier zählt jeder Satz und jedes Wort. Und manchmal muss der Leser darüber nachdenken, was ein Satz bedeutet, bevor er weiterlesen kann. Das macht diese drei Romane zum „Verschlingen“ denkbar ungeeignet. Die mittlerweile antiquierte und fehlerbehaftete Übersetzung erschwert die Lektüre zusätzlich.

Sowohl „Erdzauber“ als auch dem Roman „Die vergessenen Tiere von Eld“ ist gemeinsam, dass die Hauptfiguren außerordentlich genau und einfühlsam in ihrer Entwicklung gezeichnet werden. Der Leser kann richtig spüren, wie die Luft und die Umgebung auf die Figuren einwirkt. Auch ihre Ausdrucks- und Sprechweise wirkt authentisch: Sie stammeln, zögern und verhaspeln sich, genau wie wir es im richtigen Leben tun. Deshalb ist bei jedem Satz, wie gesagt, höchste Aufmerksamkeit gefordert.

Die Figuren

Zentral ist im zweiten Band die intellektuelle wie auch emotionale Reifung der auf Unabhängigkeit bedachten Heldin Rendel. Aber wo Morgon, der Sternenträger, einsam und allein seinen Weg geht, geführt von seinem Mentor Thod, da bewegt sich Rendel in einer großen Gruppen von Frauen. Morgon und Rendel müssen ihren Platz in der Welt finden. Daher ist die Trilogie ideal für jüngere Leser geeignet – zumindest für die der achtziger Jahre. Im dritten Band findet Morgon, der Sternträger, seine eigene Bestimmung. Es ist erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit er die Gestalt wechselt: von Wolf und Rabe zu Feuer und Wind. An diese rasanten Wechsel muss man sich erst gewöhnen.

Ausstattung

Jeder Band der Goldmann-Ausgabe ist mit zwei zusammenhängenden Karten ausgestattet, so dass sich der Leser schnell zurechtfindet. Der Ortsname Horte ist darin leider nicht korrekt. Und auch die Übersetzung selbst hat gravierende Irrtümer aufzuweisen. Hier hat der Lektor offensichtlich geschlafen. Im zweiten und im dritten Band ist der Befund leider nur wenig positiver: Hier gibt es eine Menge der üblichen Druckfehler: fehlende oder überflüssige Buchstaben. Aber leider gibt es auch den falschen Gebrauch von „ward“ anstelle von „wart“. Wenn der Stil schon altertümelnd wirken soll, dann sollte das wenigstens grammatisch korrekt erfolgen.

Dieser dritte Band enthält ein Verzeichnis der Orte und Namen: endlich ein vollständiges Verzeichnis der unzähligen Namen. Seltsam, dass die vierseitige Landkarte gleich zweimal (am Anfang und am Schluss) abgedruckt ist. Der Verlag wollte offenbar, u.a. durch Werbehinweise auf andere Fantasy-Titel, den Umfang auf 320 Seiten „aufblasen“.

Taschenbuch: 312 Seiten
Originaltitel: Harpist in the Wind, 1979.
Aus dem Englischen von Mechthild Sandberg.
ISBN-13: 9783442247264

www.heyne.de

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