James Patterson – Sonne, Mord und Sterne (Lesung)

Dieser frühe Alex-Cross-Roman ist mindestens so gut wie „Wenn Mäuse Katzen jagen“: enorme Spannung, genügend Action und vor allem tiefe psychologische Einsicht zeichnen den Roman aus. James Patterson hat kaum jemals besser oder spannender erzählt. Besonders seine kurzen Kapitel sorgen beim filmgeschulten Leser für Spannung und Aufmerksamkeit.

Der Autor

James Patterson ist einer der erfolgreichsten US-Krimiautoren. Mit seinen Alex-Cross-Romanen, von denen einige bereits verfilmt wurden („Im Netz der Spinne“, „Denn zum Küssen sind sie da“), schrieb er sich in die erste Reihe der Thrillerautoren. „Jack and Jill“ ist ein eminent politisches Buch.

Der Sprecher

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken.

Handlung

Die amerikanische Hauptstadt wird von zwei Mordserien in Angst und Schrecken versetzt. Ein Killerpaar, das sich selbst in postmortalen Botschaften nach einem alten Kinderlied poetisch als „Jack und Jill“ bezeichnet, killt Prominente mit dubioser Vergangenheit oder Moral. Dazu gehören Senatoren, aber auch bekannte Fernsehansagerinnen und Richter.

Und der letzte und wichtigste Kandidat auf ihrer Liste ist der Präsident himself. Der Geheimdienst ist gebührend geschockt: Der Präsident und die First Lady werden vom Secret Service und der CIA selbst mit den Codenamen „Jack und Jill“ bezeichnet. Werden die Morde also von Insidern verübt? Als ein dritter Killer alle Theorien über das Paar über den Haufen wirft, eskaliert der Konflikt. Alex Cross von der Mordkommission der Polizei wird hinzugezogen.

Er soll eigentlich die zweite Mordserie der Hauptstadt aufklären. In der Gegend der Schule, wo sein eigener Sohn Damon Unterricht erhält, werden mehrere Kinderleichen in grauenhaft verstümmeltem Zustand aufgefunden. Dr. Cross fühlt plötzlich sein eigenes Familienglück bedroht, das nach dem Tod seiner Frau Maria ohnehin schon ziemlich lädiert ist.

Zum Glück kann Cross die Bekanntschaft der neuen und sich als ‚tough‘ erweisenden Rektorin der Schule machen, Christine Johnson. In späteren Romanen wie „Wenn Mäuse Katzen jagen“ wird daraus eine intensive Liebe. Ms. Johnson taucht auch in „Wer hat Angst vorm Schattenmann?“ auf.

Cross sieht sich einem Dreifrontenkampf ausgesetzt: An der Heimatfront in Südost-Washington, im Weißen Haus, um den Präsidenten zu schützen, und schließlich im Stellungskampf gegen die drei Unsichtbaren, die unter „Jack und Jill“ firmieren.

Als der Präsident von diesem Grabenkrieg die Nase voll hat, weil die Regierung nicht mehr arbeiten kann, besucht er New York City mit seinem Tross – auf die Gefahr hin, dort tödlich angegriffen zu werden. Und tatsächlich: Eine Bombe explodiert direkt an seinem Rednerpult. Der Mörder muss ein Insider sein, denn nur das FBI, der Secret Service oder die CIA konnten so nahe an den First Man herankommen …

Mein Eindruck

Dieses Hörbuch ist eine Kombination aus Horror-Thriller à la „Schweigen der Lämmer“ und Politthriller à la Grisham („Die Bruderschaft“) und Baldacci („Absolute Power“). Es zeigt uns Alex Cross als rechtschaffenen Mann, der sich zwischen zwei Welten fast zerreißen muss, um damit klarzukommen. Ohne seine Freunde und Familie würde er es garantiert nicht schaffen. Der psychologische Konflikt ist klar und anrührend herausgearbeitet.

Während er sich dem Präsidentenschutz und der Killerjagd auf Befehl von ganz oben zu widmen hat, bleibt ihm praktisch nur der Feierabend, um seine Familie und seine Nachbarschaft vor einem Psychopathen zu schützen. Das liegt daran, dass Südost-Washington nur sehr wenige Polizeibeamte zugestanden werden, weil es ganz unten auf der Prioritätenliste der Polizei steht, wohingegen die meist weißen Opfer von Jack und Jill Vorrang genießen – der alltägliche Rassismus also. Ist Pattersons Kritik an diesem Unrecht schon hier deutlich, so ist sie geradezu schneidend scharf in „Wer hat Angst vorm Schattenmann?“

Die Hintergründe hinter der Menschenjagd des Paares „Jack und Jill“ sind politischer Natur. Möglicherweise, so legt der Autor nahe, steckt eine Verschwörung wie jene dahinter, die zur Ermordung des unbequemen demokratischen Präsidenten John F. Kennedy und später auch zu der seines Bruders Robert führte. Jack und Jill sind offenbar nur Ausführungsgehilfen von Mächten, die einzig allein um den Erhalt ihrer Macht fürchten und dafür selbst Präsidenten opfern.

Die Horrorelemente halten sich in Grenzen. Natürlich reiht sich ein Blutbad an das andere, und laufend findet Cross Kinderleichen, aber das ist nicht mit dem Kannibalismus und den Untaten eines Hannibal Lecter zu vergleichen. Hörern ab 16 Jahren ist das Hörbuch durchaus zuzumuten.

Der Sprecher

Ulrich Pleitgen liest wie immer bewunderswert präzise und arbeitet Details heraus. Er verleiht jeder Figur eine eigene Stimme, so etwa dem verrückten Jungen, der die Morde in Cross‘ Nachbarschaft verübt: Pleitgen liest die Gedanken und Worte Dannys mit einer geradezu perversen Lust am Wahnsinn: |“happy happy, joy joy!“|

Und sogar die geheimsten Gedanken, die Alex Cross hegt, haben eine eigene Tonqualität: Diesmal hilft dem Sprecher die moderne Technik: Die Gedanken erklingen mit ihrem eigenen Hall-Effekt. Auch Videos profitieren von der Tontechnik: Die Videostimme klingt angemessen künstlich und von einem Lautsprecher verzerrt. Aber das sind nur technische Krücken – die natürliche Stimme reicht ansonsten vollkommen aus, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Unterm Strich

„Sonne, Mord und Sterne“ ist ein fesselndes Hörbuch, dem man zuhört wie einem spannenden Thriller, einem Film, der vor den Augen abläuft, der aber nur zu hören ist. Manche Szenen sind so hypnotisch faszinierend gesprochen, dass man sich ihrem Bann nicht entziehen kann – durchaus eine Gefahr für Auto fahrende Zuhörer. Zugleich kann man dem Geschehen, in dem drei verschiedene Mörder auftreten, durchaus einfach folgen.

Das Einzige, was sich gegen das Hörbuch einwenden lässt – vom hohen Preis abgesehen -, besteht darin, dass der Schluss sich recht lange hinzieht, weil der Autor wieder einmal viel erklärt – so als wolle er den Nachhall der Lösung des Auftretens von Jack & Jill weidlich ausnutzen.

Umfang: 308 Minuten auf 5 CDs.
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