Peinkofer, Michael – Bruderschaft der Runen, Die

Verschwörungen und Geheimnisse aus der Vergangenheit schon waren schon immer ein beliebter Stoff mit vermeintlicher Erfolgsgarantie. Doch nicht jedes Buch mit einem spannend klingenden Thema ist auch wirklich ein packender Roman. Wie es um Michael Peinkofers Werk „Die Bruderschaft der Runen“ bestellt ist, wollen wir hier einmal genauer untersuchen.

_Das Geheimnis der Schwertrune_
Als der geschichtsbesessene Gehilfe Sir Walter Scotts in der Kloster-Bibliothek von Kelso unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt, fühlt sich der bekannte Schriftsteller mitverantwortlich für dessen Tod und versucht, die Umstände zu erforschen. Schon bald sieht er seine Befürchtung, dass es sich nicht – wie offiziell angegeben – um einen Unfall handelt, bestätigt. Stattdessen glaubt er an einen Mord. Durch seine Untersuchungen, bei denen ihm sein junger Neffe Quentin Hay zur Seite steht, stößt er auf ein fehlendes Buch und eine verbotene Rune für das Wort „Schwert“, die ein Hinweis zu einer alten schottischen Druiden-Sekte, einer Art Geheimbund, sein könnte. Kurz darauf wird die Bibliothek durch Brandstiftung zerstört.
Der von Scott hinzugezogene englische Inspektor Dellard nimmt Scotts Hinweise und Untersuchungsergebnisse allerdings nicht ernst. Stattdessen scheint er in dem Fall eigene Interessen zu verfolgen. Der befreundete Abt des Prämonstratenser-Ordens, der die Bibliothek verwaltete, warnt Scott vor jeder weiteren Einmischung, hüllt sich aber, seine Gründe hierfür betreffend, in Schweigen. Und wirklich werden Sir Walter Scott und sein Neffe zur nächsten Zielscheibe der Täter, was den bekannten Dichter aber nur noch verbissener nach der Wahrheit um die geheime Bruderschaft suchen lässt.

Währendessen reist die englische Adlige Lady Mary of Egton in die Highlands, um eine arrangierte Hochzeit mit dem Laird of Ruthven zu schließen. Doch sie wird von mysteriösen Träumen über ein schottisches Mädchen geplagt, das – wie sie herausfinden muss – 500 Jahre vor ihrer Zeit auf Burg Ruthven gelebt hat. Währenddessen eskalieren tagsüber ihre Beziehungen zu ihrem zukünftigen Bräutigam und seiner Mutter schnell bis zu einem Punkt, an dem Mary um ihr Leben fürchtet.

_Idee und Wirklichkeit_
Ein verschwörerischer Geheimbund, alte Runen und ein Rätsel aus der Vergangenheit. Für mich klang das nach absolut vielversprechenden Zutaten für eine Art von historischem Dan Brown. Und das Gerüst der Geschichte ist auch in der Tat sehr gelungen aufgebaut. Alleine schon die Idee, Sir Walter Scott als Detektiv fungieren zu lassen, gefällt mir sehr gut. An dem gesamten kriminellen Plot gibt es – sofern man sich nicht gegen mystische Elemente und Unerklärliches sträubt – nichts zu meckern. Die Spannung setzt bereits früh ein und für ein Buch dieses Umfangs muss man nur sehr wenige Längen in Kauf nehmen. Eigentlich also eine ideale Grundlage, die einen spannenden historischen Krimi abgeben sollte. Und spannend ist das Buch auch durchaus, dennoch hatte ich mir von diesem Buch mehr versprochen.

Denn der Teufel steckt hier im Detail. So ist zwar beispielsweise die Charakterisierung Scotts als meisterhafter Beobachter und Anhänger der Logik gut gelungen, einige der anderen Personen sind jedoch völlig überzeichnet und auch das Ende des Buchs entzieht sich jeder nachvollziehbaren Logik.

Allen voran stößt mir die Person der Mary of Egton unangenehm auf. Sie ist wunderschön, fremd im Land, versteht die Menschen aber besser als die bösen Lairds, speist mit Dienern und Bauern an einem Tisch und kämpft selbstlos gegen die kleinste Ungerechtigkeit. Kurz: Sie ist einfach nicht glaubhaft. Auch ihr Handeln in diesem Buch ist an einigen Stellen nicht nachzuvollziehen. Ein extremes Beispiel ist hier, dass sie in einer gefährlichen Situation gegen Ende des Buches plötzlich – und für mich als Leser völlig unerwartet – ihre Liebe zu Quentin in die Welt hinausruft. Dabei hat sie nicht nur mit dem angeblichen Mann ihrer Träume vorher kaum drei Sätze gewechselt, sondern auch während der nachfolgenden Zeit keinen für den Leser erkennbaren Gedanken an ihn verschwendet – von Anzeichen des Verliebtseins gar nicht zu reden.

Quentin hingegen ist natürlich auf den ersten Anblick Mary verfallen. Es wird uns gesagt, dass er von ihr so angetan sei, da er zuvor nur Bauernmädchen und Bürgerstöchter kannte, nie jedoch eine Lady von Geblüt, Geburt und mit dieser Erziehung und zumal noch von solch lieblichem Anblick. Nun, denn. Das klingt für mich nicht nach Liebe sondern nach pubertären Hormonwallungen, was auch dadurch unterstrichen wird, dass er sie erblickt und fortan zufrieden sein soll, und „für den Rest seines Lebens auf der Schwelle ihres Zimmers stehen und in ihrer Nähe sein zu dürfen“ (S. 167) soll für ihn die ultimative Glücksvorstellung sein. Nicht gerade nachvollziehbar für mich. Und darüberhinaus auch etwas kitschig, was hier auch noch durch den etwas schwülstigen Schreibstil unterstrichen wird.

Denn obwohl ich Herrn Peinkofer nicht generell jegliche Schreibkunst absprechen will, muss ich doch feststellen, dass mir sein Stil nicht liegt. Die Formulierungen sind überdramatisch und die Sätze brechen vor allem unter der Last der etwas klischeehaft eingesetzten Adjektive zusammen. Dies trifft insbesondere für alle Beschreibungen und Handlungen der Bösewichte zu. Hier scheint Peinkofers Phantasie derart mit ihm davonzugaloppieren, dass er ein Klischee nach dem anderen aufkommen lässt. Ein „… schneidender Befehl gellt über der Dorfplatz …“ S. 203, „… sagte er mit einer Kälte, die sie erschauern ließ“ (S. 221), „unheimliche Gestalten in flatternden Roben und auf schimmernden Pferden“ (S. 235). Je weiter das Buch fortschreitet, desto mehr fallen mir solche Formulierungen wieder und wieder auf und stören mein Leseempfinden beharrlich.

Auch was die mystischen Elemente betrifft, die Peinkofer in diesem Buch einsetzt, so stehe ich diesen gespalten gegenüber. Denn einerseits habe ich nichts gegen Übersinnliches und Fantasy-Elemente, die meiner Meinung nach einem spannenden, historischen Roman eine schön gruselige Horrornote verleihen können. Das muss ja kein Nachteil sein. Doch gemischt mit Peinkofers überdramatischem Schreibstil und seinen zum Teil klischeehaften und unglaubwürdigen Charakterisierungen, wirken solche Mittel sehr künstlich. Die alte Kala, über die wir nur Andeutungen erhalten, und die über Jahrhunderte hinweg in die Geschichte eingreift. Der Graf, ihr dunkler Gegenspieler. Die Visionen der Vergangenheit, die Marys Träume prägen. All das hätte vielleicht von der grundsätzlichen Idee her noch gepasst, ist aber in überzeichneter Weise in die Geschichte eingefügt, so dass es nicht wirklich dazu beiträgt, das Buch zu einem gelungenen historischen Roman zu formen, sondern es stattdessen stellenweise verkitschen lässt.

Auf historische Korrektheit sollte man bei „Die Bruderschaft der Runen“ ebenfalls keinen allzugroßen Wert legen, was einem spätestens beim Auftauchen der diversen Fantasy-Elmente klar sein sollte. Aber auch was grundlegende historische Fakten angeht, hat sich Herr Peinkofer ganz seiner überschäumenden Phantasie hingegeben: Weder ging William Wallaces Schwert nach seinem Tod in den Besitz von Robert the Bruce über, noch war Robert the Bruces Schwert, das er in der Schlacht von Bannockburn benutzte, über Jahrhunderte hinweg verloren. (Es befindet sich seit rund 700 Jahren im Besitz der Familie des Earl of Elgin, der ein direkter Nachfahre von Robert the Bruce ist). Und schon gar nicht wurde das Schwert etwa von Sir Walter Scott wiederentdeckt. Etwas missverständlich ist dies nämlich im Epilog dargestellt, der noch zur fiktiven Geschichte gehört, aber den Eindruck eines Nachwortes des Autors vermittelt und so einen leichtgläubigen Leser mit falschem historischem Eindruck zurücklassen kann.
Dennoch denke ich, dass man solche historische Hirngespinste insgesamt verzeihen kann, da es sich hier schließlich um ein Werk der Unterhaltungsliteratur handelt. Umso mehr zudem, als der Autor selbst auch im Nachwort zugibt, sich einige historische Freiheiten erlaubt zu haben. Zwar spricht Peinkofer da von der Person des Sir Walter Scott und die übrigen historischen Freiheiten werden nicht explizit erwähnt, doch dem halbwegs aufgeschlossenen Leser sollte schon klar werden, dass es sich hier nicht gerade um eine Quellenlektüre handelt.

„Die Bruderschaft der Runen“ hat mich insgesamt eher enttäuscht. Obwohl das Buch über gute Ansätze verfügt, wie zunächst einmal die Idee, Sir Walter Scott als Detektiv agieren zu lassen, als auch der durchaus gelungene Spannungsaufbau, so rutscht die Geschichte, je weiter sie voranschreitet, insbesondere durch den schwülstigen, überdramatisierenden Schreibstil und die klischeehaften, überzeichneten Charakterisierungen auf ein Niveau herab, auf dem ich das Buch allenfalls noch eingefleischten Fans schottischer Geschichte empfehlen kann.

_Historische Fakten_
Sir Walter Scott wurde am 15. August 1771 in Edinburgh geboren. Als einer der ersten Autoren, die auch Personen außerhalb des Adelsstandes und sogar Andersgläubige als günstig portraitierte Hauptrollen in ihren Werken auftreten ließen, gilt er als Verfechter des Prinzips, dass alle Menschen, egal in welchen Stand oder Glauben sie geboren wurden, zunächst gut sind. Seine zumeist historisch ausgerichteten Werke behandeln häufig das Aufeinandertreffen verschiedener Glaubensrichtungen oder Kulturen, wie beispielsweise die Reibungen zwischen Angelsachsen und Normannen in seiner vermutlich bekanntesten Schöpfung „Ivanhoe“.

_Zum Autor_
Michael Peinkofer wurde 1969 geboren, hat Germanistik, Geschichte und Kommunikationswissenschaft studiert und arbeitet unter anderem als Journalist, zum Beispiel als Fernsehjournalistfür das Magazin |Moviestar|. Er hat nach Verlagsangaben unter diversen Pseudonymen (die der Verlag aber nicht nennt) anscheinend schon etwa 180 Bücher verfasst. Unter dem Namen Michael Peinkofer ist vor seinem ersten historischen Roman „Die Bruderschaft der Runen“ aber bisher nur „Das große Star Trek Buch“ erschienen, das unter seiner Mitautorschaft entstanden ist. Er lebt in Kempten im Allgäu.