Per McGraup – Heimlich (Gruselkabinett Folge 189)

Hart errungene Erlösung auf drei Ebenen

Colins Schulkamerad Maurice hat mit seiner Frau und seiner Tochter für kleines Geld ein historisches Haus auf dem Land erworben. Die Idylle hat jedoch eine enervierende Schattenseite, da die Familie des Nachts dort von einem geisterhaften Mann in Grün heimgesucht wird. Können Colin und Alwyne der Familie helfen, den Spuk zu bannen?

Dies ist das bereits siebte Abenteuer von Alwyne und Colin Hargreaves, unserem sympathischen Geisterjäger-Ermittler-Team um Gruselkabinett … (erweiterte Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 14 Jahren.

Der Autor

Hinter dem Pseudonym „Per McGraup“ verbirgt sich der Regisseur Marc Gruppe.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher und ihre Rollen:

Benedikt Weber: Colin Hargreaves
Stephanie Kellner: Alwyne Hargreaves
Ursula Sieg: Tante Marilyn
Jonas Minthe: Maurice Kelly
Louis Friedemann Thiele: Cpt. George Howard Raymond
Katharina von Keller: Katherine Kelly
Frieda Fischer: Patricia Kelly
Michael Pan: John Edward Henley
Leon Reichert: Priester
Marc Gruppe: Kellner

Die Macher

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden bei advertunes, im Titania Medien Studio, bei Groundlift Media, im scenario studio und in den Planet Earth Studios statt. Die Illustration trug Ertugrul Edirne bei.

Handlung

Am 25. November 1935 ist es auf Ash Manor mal wieder soweit: Ein Klopfen an der Tür des Schlafzimmers – morgens um drei Uhr. Maurice Kelly, der Mann im Haus, hat es bereits befürchtet. Ein Mann in einem grünen altertümlichen Kostüm dringt mühelos durch die Tür in das Zimmer ein, sagt aber nichts. Kelly eilt zu seiner Frau Catherine, die in einem anderen Zimmer schläft, und auch sie sieht den grünen Mann: Dann verschwindet das Gespenst wieder ohne einen Laut. Es ist klar, dass nach über einem Jahr dieses Geistermartyriums und den Folgen des geraubten Schlafs Schluss sein muss. Maurice Kelly greift zum Telefonhörer…

Eine bescheidene Bitte

Das schrille Klingeln des Telefons reißt Colin Hargreaves aus einem wunderschönen Traum: Tante Marilyn soll heute bestattet werden. Doch es ist eine sehr lebendige Tante Marilyn, die sich am Telefon meldet: Sie wolle Alwyne, Colins Frau sprechen. Die gibt den Hörer zurück an Colin, denn Tantchen hat ein dringendes Anliegen: Im Theater habe sie Maurice Kelly, Colins früheren Schulkameraden, kennengelernt und der habe ihr von seinem Hausgeist erzählt, der sich zu einer Plage entwickelt habe. Ob Colin wohl etwas für Maurice tun könne? Selbstverständlich (ganz besonders, wenn Tante Marilyn darum bittet).

Ein altes Haus

Colin trifft Maurice in einem Restaurant, nachdem sie einen Termin vereinbart haben. Es habe im vergangenen Jahr rund zwei Dutzend Sichtungen gegeben, berichtet Maurice. Das Haus stamme aus dem Jahr 1279, ist also steinalt. Sie besichtigten es vor zwei Jahren und zogen am 28. Juni 1934 ein. Der Makler warnte sie vor dem Spuk, denn sämtliche Diener waren zuvor davor geflohen, denn deren Gesindezimmer ist der jetzige Spukort, wo das Gespenst erscheint. Maurice hat es zu seinem Schlafzimmer gemacht, und seine Frau Catherine und die gemeinsame Tochter Patricia schlafen woanders.

Der grüne Mann

Die Begegnungen laufen meist gleich ab: Wann immer Maurice oder Catherine den grünen Mann mit der durchschnittenen Kehle sehen, versuchen sie ihn abzuwehren, doch sie treffen nur dünne Luft. Die Kehle ist von einem roten Halstuch verdeckt, doch das verrutscht zuweilen. Etwas Schreckliches muss ihm zugestoßen sein. Nach einer christlichen Weihung des Hauses verstärkte sich der Spuk nur noch. Da nun Alwyne ein medium ist, bietet Colin an, sie mit dem Spuk Kontakt aufnehmen zu lassen. Maurice nimmt dankend an und kündigt an, in seiner Londoner Stadtwohnung übernachten zu wollen. Er besitzt eine Firma, die Branchentelefonbücher produziert.

Erstkontakt

Der 20. Juni 1935 ist ein verregneter Tag, als sie nach Surrey fahren, und abends fällt sogar Nebel aufs ruhige Land. Das Haus der Kellys stellt sich als alte Abtei heraus. Hier lebten einst Mönche in Abgeschiedenheit. Die drei Kellys und ihr Hund Ross begrüßen die Besucher herzlich, und Catherine bekennt sich gleich zu einer Schuld an dem Spuk. Die Hargreaves sollen sich zudem als Redakteure eines Architekturmagazins ausgeben, damit die Dienerschaft keinen Verdacht schöpft. Ganz schön schräg, denkt Colin.

Schon bald wird klar, dass im Haus einiges umgebaut worden sein muss: Schritte gehen eine unsichtbare Treppe hoch, um eine unsichtbare Tür zu schließen, die nun zum Dachboden führt. Der Vorbesitzer habe die Treppe durch einen Kamin ersetzen lassen, lautet die Erklärung. Alwyne schlägt eine Séance vor, um herauszufinden, aus welcher Zeit der grüne Mann stammt.

Die Séance

Alwyne versetzt sich in Trance und Colin ruft Captain Raymond als ihren Kontrollgeist an (vgl. „Heimflug“). Raymond soll dafür sorgen, dass Alwyne keine Gefahr droht, denn in der Trance ist sie völlig wehrlos. Raymond konstatiert sogleich: Es geht um Leiden und ein emotionales Ungleichgewicht. Das ist aufschlussreich, denn es geht offenbar um einen unerlösten Geist, der aus einem der Gefängnisse des Königs stammt. Maurice Kelly bestätigt, dass es vor langer Zeit in der Nähe ein Gefängnis gegeben habe.

Doch die Séance beginnt anders als geplant: Der Geist des grünen Manns ergreift von Alwynes Seele Besitz! Nur Raymond kann sie noch schützen. Aus ihrem Mund sprechend erhebt Sir John Henley schwere Anschuldigungen, sogar gegen König James I selbst. Sir Henley will seine missbrauchte Frau Dorothy sehen und seinen Sohn. Und er will Rache und Gerechtigkeit, er habe 30 Jahre lang in einem Kerker gelitten – genug!

Ein Hindernis

Colin versucht dem Geist beizubringen, dass er, Sir John Edward Henley, tot sei und zwar schon seit dreihundert Jahren. Seine einzige Erlösung liege in der Rückkehr ins Licht, denn nur dort könne er seine Lieben wiedersehen. Allerdings stellt sich diesem Weg ins Licht ein unerwartetes Hindernis entgegen: Es ist die psychische Hölle, die Maurice und Catherine Kelly füreinander geschaffen haben und von dem sich nun die Präsenz des Geistes nährt…

Mein Eindruck

Die Handlung um Sir Henley funktioniert auf mehreren Ebenen. Neugierig erfahren wir vom grausamen Schicksal, das dem alten Ritter unter König James I widerfahren ist: Er focht im 17. Jahrhundert für den König in Schottland und Frankreich, wurde aber mehrfach betrogen. Verschiedene Adelige wie Buckingham nahmen ihm nicht nur sein Land, sondern auch seine Frau Dorothy. Gegen Buckingham vorzugehen, erwies sich jedoch als sinnlos, denn der war der Geliebte des Königs selbst. Statt Gerechtigkeit zu erlangen, wurde Sir Henley zu Kerkerhaft verurteilt. Was aus seiner Frau und aus seinem Sohn wurde, wird er erst im Jenseits erfahren (und wir mit ihm).

Psychoanalyse

Ist dieses Schicksal schon ziemlich bitter, so erfahren die Kellys noch sehr viel mehr – über sich selbst. In einer zweiten Séance, die Alwyne und Colin in den eigenen Büroräumen abhalten, offenbart sich, dass Sir Henley nicht endgültig ins Jenseits gelangen kann, weil ihn die drei Kellys als Quälgeist benutzen, um einander zu malträtieren. Was sich hinter diesem tiefen Konflikt verbirgt, darf hier nicht verraten werden. Immerhin wird weder der Geist von Sigmund Freund bemüht noch der von C.G. Jung.

Tante Marilyn

Colins Tante hat einiges über Maurice zu berichten: Der sei sogar in Colin verliebt gewesen! Darauf braucht nicht nur Tantchen einen Whisky, sondern auch Colin. Allerdings erlaubt sich Tantchen noch ein paar geschmacklose verbale Entgleisungen über die Ähnlichkeit von „Tante“ und „Tante“, die man nur auf ihren Alkoholkonsum zurückführen kann. Zweifellos wird Colin schon bald wieder von Tante Marilyns Bestattung träumen… In einer Art Epilog erfahren wir, wie es mit den Kellys weiterging. Haben sie ihre Eheprobleme lösen können?

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher

Dieses Hörspiel ist erfreulicher in erster Linie auf eine unheimliche Atmosphäre abgestimmt, und hat im uralten Gemäuer der Abtei, wo Sir Henley residiert(e), seinen passenden Ort. Geräusche, Musik und Dialoge spielen ausgezeichnet zu diesem Zweck zusammen. Die meisten Figuren sind mit einer Ausnahme weiblich und ergreifen die Initiative: Alwyne Hargreaves und Tante Marilyn. Die weiblichen Sprecherinnen machen ihre Sache ausgezeichnet. Besonders skurril tritt Ursula Sieg als tüttelige Tante Marilyn auf. Sie bestreitet den auch den komödiantischen teil der Handlung, der den tragischen ausbalanciert.

Den männlichen Figuren mangelt es jedoch nicht an Sympathie und Einfühlungsvermögen, allen voran Colin Hargreaves. Er unterstützt seine Alwyne vorbehaltlos, muss sich aber vor ihrer Tante Marilyn in Acht nehmen. Dieser Gegensatz sorgt für Ironie und Überraschungen. Captain Raymond, wiewohl ein Geist, beschützt Alwyne auf der spirituellen Ebene. Maurice Kelly wird von Jonas Minthe als vielschichtiger Charakter gesprochen, hinter dessen Fassade sich vieles verbirgt, das erst später zu Tage kommt.

Die zentrale Figur ist allerdings John Edward Henley. Er wird Michael Pan als herzergreifender Charakter mit einer eigenen Geschichte des Leidens dargestellt. Ein Geist aus der Vergangenheit verfügt jedoch über eine andere Art der Präsenz als eine Figur aus Fleisch und Blut, die in der Gegenwart lebt. Warum sonst würde der Geist beispielsweise eine Treppe emporsteigen, die schon vor Jahren durch einen Kamin ersetzt wurde? Dem muss die Akustik Rechnung tragen: Pans Stimme klingt gedämpft, auch wenn er mal laut werden muss, um sein Aufbegehren gegen das erlittene Unrecht gegen Sir Henley kundzutun. Jeder Hörer muss selbst beurteilen, ob die von der Tonregie gewählte akustische Umsetzung gelungen ist.

Geräusche

Die Geräusche sind in etwa die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut, meist aber reichen Andeutungen aus. Eine große Vielfalt von Geräuschen verwöhnt das Ohr des Zuhörers. Der Eindruck einer real erlebten Szene entsteht in der Regel immer. Papierrascheln, klappernde Teetassen, knisterndes Kaminfeuer, Uhrenticken – all diese Samples setzt die Tonregie zur Genüge ein, um einer Szene eine Fülle von realistisch klingenden Geräuschen zu vermitteln.

In dieser Folge sind die externen Klänge unüberhörbar, und sie verheißen nichts Gutes. Raben krächzen allenthalten unheilverkündend, und hin und wieder ertönen Kirchenglocken. Spätestens die Kirchenglocken der Kapelle, in der Tante Marilyn bestattet werden, weisen auf die Szenen in der alten Abtei voraus, in der die Séance mit den Kellys stattfindet. So wird die Abfolge der Zeit aufgehoben und Gleichzeitigkeit auf einer höheren Ebene erzeugt. Der Himmel lässt sich denn auch deutlich vernehmen: Donner rollt, sobald die Spiritisten ihre Séance beginnen.

Diese geistige Ebene um den gequälten Quälgeist auf Ash Manor steht in krassem Gegensatz zu den weltlichen Szenen: Maurice Kelly lässt Champagner kredenzen, als er mit Colin im Restaurant diniert. Und Tante Marilyn spricht ebenfalls dem Alkohol zu, als ihr Colin die ganze Geschichte am Telefon auftischt. Das ist aber noch gar nichts gegen den Stoff, den Catherine Kelly konsumiert. Der Eindruck entsteht, dass die Menschen sich lieber betäuben, als ihre jeweilige Probleme zur Sprache zu bringen, um sie zu lösen. Das ist allerdings nichts Neues.

Die Musik

Die untermalende Musik, die unterschwellig die Emotionen des Hörers steuert, wechselt zwischen idyllischen und unheimlichen Harmonien und Rhythmen. Meist hält sie sich im Hintergrund, indem sehr tiefe Bässe, die an der unteren Hörgrenze angesiedelt sind, den Hörer unterschwellig auf etwas Schlimmes vorbereiten oder ihm sonstwie Unbehagen bereiten sollen. Titania Medien hat in einen Klangcomputer investiert und zaubert damit die schönsten, wirkungsvollsten Klangensembles. Die Obertöne bestreitet ein abwechslungsreich eingesetztes Piano, das mal romantisch, mal tragisch erklingt. Eine tiefe Flöte erklingt, als die erste Séance beginnt.

Musik, Geräusche und Stimmen wurden so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

Das Booklet

Das Titelmotiv zeigt die Szene, in der die drei Kellys ihre Besucher begrüßen. Aber es gibt noch einen vierten Hewohner ihres Hauses…

Im Booklet sind die zahlreichen Titel des GRUSELKABINETTS bis Herbst 2024 verzeichnet. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf.

Folge 176: Crawford: Das Lächeln des Toten
177: Ludwig Bechstein: Furia Infernalis
178: Benson: Das unheimliche Turmzimmer
179: Heron: Der Fall Medhans Lea – Flaxman Low 3

180: Blackwood: Das unbewohnte Haus
181: R. Conner: Das gefährlichste Spiel der Welt
182: F.G. Loring: Sarahs Grabmal
183: Eric Stenbock: Die andere Seite
184: Bertha Werder: Das Haar der Sklavin

185: Lovecraft: Die Musik des Erich Zann
186: ETA Hoffmann: Der Ghoul
187: Blackwood: Die Weiden
188: Heinrich Seidel: Der Hexenmeister
189: Per McGraup: Heimlich

190: J. u. W. Grimm: Schauermärchen I
191: J. u. W. Grimm: Schauermärchen II
192: Lovecraft: Gefangen bei den Pharaonen
193: Heron: Flaxman Low (4) – Der Fall Yand Manor House

Unterm Strich

Zwei Dramen und eine Komödie – so lässt sich die vielschichtige Handlung am knappsten zusammenfassen. Wer dachte, der Geist sei das Problem des Hauses Kelly, sieht sich zu seinem Erstaunen bald eines Besseren belehrt: Die Kellys sind nicht die Lösung, sondern ein Teil des Problems. Um all diese Dramatik auszugleichen, hat sich Regisseur Marc Gruppe alias Per McGraup eine Komödie als Rahmen ausgedacht, über die man geteilter Meinung sein kann. Als siebte Folge der Hargreaves-Fälle kann „Heimlich“ für sich bestehen.

Das Hörspiel

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen.

Die Sprecherriege für diese neue Reihe ist höchst kompetent und renommiert zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars, so etwa Michael Pan. Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für spannende Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der TV- und Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Tante Marilyn nimmt im leben der Hargreaves schon zu Lebzeiten die Rolle eines Quälgeistes ein. Kein Wunder, dass Colin von Erlösung träumt…

CD: 75 Minuten
ISBN-13: 9783785786390

www.titania-medien.de

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