Peter Orullian – Der Vergessene (Das Gewölbe des Himmels 1)

Das Gewölbe des Himmels:

Band 1: „Der Vergessene“
Band 2: „Der Unrechte“
Band 3: „Der Ausgestossene“

Tahn ist fast achtzehn Jahre alt, in wenigen Wochen wird er zum Erwachsenen werden. Es sieht allerdings so aus, als wäre dieses wichtige Datum kaum noch von Bedeutung. Denn seit er auf der Jagd einem Velle, einem Geschöpf aus dem Born, begegnet ist, ist Tahn auf der Flucht. Ein Sheson hat ihm gesagt, der Velle hätte es auf ihn, Tahn, abgesehen. Aber warum sollte er …?

Das ist tatsächlich eine existentiell wichtige Frage. Im Grunde ist es offensichtlich, dass die Verfolgung Tahns etwas mit dessen Herkunft zu tun haben muss, und eigentlich sollte dieser Zusammenhang auch Tahn auffallen. Doch der junge, naturverbundene Jäger ist sich nicht bewusst, dass er eine besondere Gabe besitzt. Tatsächlich ist diese auch sehr vage und unauffällig.

Ganz im Gegensatz zu Wendras. Wendra ist Tahns Schwester und ebenfalls auf der Flucht. Spätestens seit ihrem Aufenthalt in der Höhle sollte deshalb zumindest ihr klar sein, warum der Sheson darauf bestanden hat, dass sie die Gruppe begleitet. Wendra ist aber noch zu sehr in den schrecklichen Ereignissen verhaftet, in deren Verlauf sie ihr Baby verloren hat.

Der Sheson könnte den beiden erklären, worum genau es bei dieser Verfolgung eigentlich geht, doch er tut es nicht. Als Sheson ist er dem Wohl der gesamten Menschheit verpflichtet, deshalb orientiert er sich ausschließlich an den Notwendigkeiten innerhalb des größeren Zusammenhangs. Sein Ziel ist die endgültige Vernichtung aller Geschöpfe des Borns. Dieses Ziel verfolgt er mit einer Verbissenheit, die schon an Gnadenlosigkeit grenzt.

Und tatsächlich ist seine Verschwiegenheit nicht ganz unberechtigt, denn Tahns Freund Sutter ist genauso unerfahren wie Tahn, abgesehen davon aber trägt der Scherzbold auch sein Herz auf der Zunge und neigt zu Leichtsinn und Übermut. So treu er ist, als Geheimnisträger ist er – zumindest vorerst – ungeeignet. Vielleicht lässt ihn das Kommende ja noch etwas reifen …

Und dann wäre da noch Braethen, ein Romantiker und Träumer, der sich den hehren Idealen der Sodalität verschrieben hat. Bisher jedoch nur am Schreibtisch, und als er zum ersten Mal tatsächlich die Aufgabe eines Sodalen erfüllen soll, gerät er rasch an seine Grenzen.

Über die Charakterzeichnung kann man im Grunde nicht meckern. Selbst der Sheson erhält, wenn auch erst gegen Ende des Buches, etwas mehr persönliches Profil durch die Erinnerungen, die ihm durch den Kopf gehen, und auch alle anderen Figuren der Gruppe sind mit ihren Eigenheiten, Träumen und persönlichen Sorgen gut gelungen.

Die Handlung dagegen entwickelt sich nur mäßig. Immer wieder wird die Gruppe mehr oder weniger unerwartet von ihren Verfolgern eingeholt und entkommt nur mit Mühe. Das sorgt zunächst mal für ein gewisses Mass an Action und auch ein wenig Spannung, wirkt aber auch leicht überstürzt und abgehackt. Denn sämtliche Begegnungen mit anderen sind ausgesprochen kurz, so zum Beispiel der Aufenthalt bei den Sedagin. Zwar sorgen die meisten von ihnen dafür, dass der Sheson wenigstens ein paar Informationen preisgibt, andererseits reduziert das all diese Bekanntschaften auf ihre bloße Funktion als Aufhänger für ein paar neue Häppchen. Da es sich dabei hauptsächlich um Details aus der Geschichte der Welt handelt, denke ich, etwas mehr Gelegenheit zu einer regelmäßigen abendlichen Unterhaltung zum Zwecke der Weiterbildung und dafür etwas weniger Verfolgungsdruck hätten der Handlung und auch den Sedagin und anderen Bekanntschaften ganz gut getan.

Zumal die immer wieder auftauchenden Verfolger für einen durchgehenden, steigenden Spannungsbogen nicht ausreichten. Dafür ist die übergeordnete Bedrohung noch zu schwach ausgearbeitet. Natürlich ist dem Leser klar, dass der Antagonist namens Quietus aus dem Born ausbrechen und die Herrschaft über die Welt an sich reißen will. Über seine konkreten Pläne erfährt der Leser jedoch nichts, und auch kaum etwas über die Geschöpfe des Borns, ihre Fähigkeiten und Schwächen. Die Verfolger sind hartnäckig und zäh, aber das war’s auch schon. Zwar gibt Peter Orullian auf indirekte Weise zunehmend Hinweise auf die Zusammenhänge, die der Sheson verschweigt, allerdings bei weitem zu wenige für echten Druck oder gar Zugzwang. Natürlich ist es nicht gerade zweckdienlich, gleich bei der ersten Gelegenheit die Katze aus dem Sack zu lassen, aber in diesem Fall wirkt die Geheimniskrämerei des Autors eher kontraproduktiv.

Bleibt der Hintergrund. Der bietet durchaus eine Menge Ideen. Von der Schöpfungsgeschichte der Welt über diverse Kriege und politischen Verrat bis hin zu geheimnisvollen Orten und Magie ist alles vorhanden. Leider gilt für sie alle dasselbe wie für die Sedagin und die Geschöpfe des Born: sie bleiben eher Randerscheinungen, sind kaum detailliert ausgearbeitet. Dementsprechend wenig Flair hat das Buch zu bieten. Dazu kommt, dass der Ursprung und der Zweck der sogenannten Liga der Edukation völlig offensichtlich ist. Kaum zu glauben, dass es angesichts eines Ortes wie dem Mal möglich ist, dass eine solche Organisation jemals zu solcher Macht und solchem Einfluss gelangen konnte!

Unterm Strich blieb ein durchwachsener Eindruck bei mir zurück. So viel Mühe der Autor sich mit seinen Figuren und der Anlage zu ihrer Entwicklung gegeben hat, so wenig Aufmerksamkeit hatte er für den Entwurf seiner Welt übrig. Die Handlung bewegt sich geographisch zu schnell, inhaltlich fast ein wenig zu langsam. Und am Ende des Buches ist trotz – oder vielleicht gerade wegen – einer Vielzahl unterschiedlichster Ereignisse der eigentliche Kern des Plots immer noch mit keinem Wort erwähnt worden. Die Handlung endet einfach irgendwo, nicht mal an einer Stelle, die für einen Cliffhanger sorgen würde.

Gut, dass der zweite Band bereits erschienen ist, denn ich fürchte, mein Interesse an diesem Zyklus würde eine mehrmonatige Wartezeit nicht überstehen. Und ich hoffe sehr, dass sich in diesem zweiten Band auch mal konkrete Aussagen zu Tahns Gabe und damit auch Quietus‘ Interesse an Tahn finden. Wenn die Geschichte von der Gestaltung her schon eher trocken geraten ist, dann sollte wenigstens die Handlung endlich ein wenig in die Gänge kommen.

Peter Orullian arbeitet bei Mircosoft, nebenher ist er auch noch Musiker und Autor. Er studierte Gesang, war Mitglied mehrerer Bands und auch schon auf Tournee. Seine erste literarische Veröffentlichung war eine Kurzgeschichte. Die Trilogie Das Gewölbe des Himmels ist sein Romandebut, und ebenfalls um einige Kurzgeschichten erweitert. Zur Zeit schreibt der Autor an einem Thriller. Er lebt mit seiner Familie im Nordwesten der USA.

Taschenbuch: 672 Seiten
Originaltitel: „The Vault of Heaven 1: The Unremembered“
Deutsch von Katharina Volk
ISBN-13: 978-3442268399

www.orullian.com
www.randomhouse.de/blanvalet

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