Elizabeth Peters – Im Tal der Sphinx

Peters Tal der Sphinx Cover 2006 kleinDas geschieht:

Ägypten im Herbst des Jahres 1895. Unter den vielen ausländischen Archäologen, die das uralte Land der Pharaonen erforschen (oder heimsuchen), finden wir das Ehepaar Radcliffe und Amelia (Peabody) Emerson. Sie zieht es ins Gräberfeld von Dahschur, wo vor mehr als 4500 Jahren der König Snofru zwei Pyramiden errichten ließ. Schon im Vorjahr war das Ehepaar im benachbarten Mazghuna aktiv gewesen und dabei auf die kriminellen Machenschaften eines Mannes gestoßen, der die Grabanlagen systematisch plündern ließ. Die Emersons hatten dem nur als „Sethos“ bekannten Räuberhauptmann dessen Beute abjagen können; er selbst war unter bitteren Racheschwüren entkommen. (vgl. „The Mummy Case“, dt. „Der Mumienschrein“).

Amelia, die sich auch als Amateur-Detektivin betätigt, ist auf der Hut, als nun die neue Grabungssaison beginnt. Ihr Misstrauen scheint berechtigt, als die Emersons noch in Kairo den Gauner Kalenischeff treffen, der im Vorjahr Sethos als rechte Hand diente. Nun bemüht er sich als Reisebegleiter um die junge Enid Debenham, die einzige Tochter des just verstorbenen Barons Piccadilly. Natürlich hat Kalenischeff es auf das Millionenerbe abgesehen, wie ihm Amelia auf den Kopf zusagt. Als kurz darauf ein Versuch knapp scheitert, Sohn Ramses zu entführen, weist sie die Schuld allerdings dem neuerlich aktiven Sethos zu. Ihre Überzeugung wächst, als Kalenischeff erdolcht in Miss Debenhams Hotelzimmer gefunden wird; offenbar hat sich sein Meister gerächt. Die Polizei verdächtigt allerdings Enid, zumal diese spurlos verschwunden ist.

Die Emersons reisen nach Dahschur ab. Hier taucht Enid Debenham auf, die sich vor der Polizei verbirgt. Amelia will ihr helfen und nimmt ihre Ermittlungen auf. Ein Verbündeter wird Tobias Gregson, der englische Meisterdetektiv. Hilfe ist willkommen, denn Mordanschlägen auf Enid und Amelia folgt die Entführung der Amateurdetektivin durch den schurkischen Sethos, der mit einer ganz besonders perfiden Überraschung aufwartet …

Krimi-Märchen für weibliches Publikum

„Im Tal der Sphinx“ ist ein märchenähnlicher Mystery-Thriller, der sich primär an ein weibliches Publikum richtet. Recht notdürftig als historischer Kriminalroman getarnt, kann er sein eigentliches Anliegen nicht verbergen: Erzählt wird vor allem eine (leidlich spannende) Episode aus dem Leben einer patenten Frau und frühen Feministin, die in ihrer von romantischen, bösewichtigen, tölpelhaften und ulkigen Männern bevölkerten Welt den Durchblick behält und alle anstehenden Probleme mit Herz und Köpfchen – die Reihenfolge ist wichtig – löst. Diese bestehen aus zwischenmenschlichen Problemchen, wie man sie uns in den Tränendrüsendrücker-‚Weltpremieren‘ des deutschen Privatfernsehens („Wenn wir uns nur haben: Die Klofrau & der Kardinal“) präsentiert.

Elizabeth Peters kennt sich im Herz-Schmerz-Sektor aus. Unter diversen Pseudonymen, von denen „Barbara Michaels“ das bekannteste sein dürfte, produzierte sie beinahe ein halbes Jahrhundert entsprechende Schwarten – weit mehr als fünfzig insgesamt – für jene Fraktion ihrer Leserinnen, die sich gern auf unterhaltsame Weise vorgaukeln lassen, dass es möglich ist, ein tolles Leben als Karrierefrau + begehrenswerte Geliebte + Mutter zu führen; auf dem Papier jedenfalls. Die Realität sieht meist etwas anders aus, was Peters/Michaels & Co. ein sicheres Auskommen sicherte.

Männer träumen von Abenteuer und Action, Frauen von milder Spannung und Romantik: Das ist die Prämisse, die den Mystery-Thriller prägt, der sich ansonsten einen feuchten Kehricht um die Gleichberechtigung schert. Für ein paar Stunden flieht auch die moderne Frau gern in eine Welt, in der Mr. Right sie buchstäblich auf Händen trägt und ansonsten tut, wie ihm von ihr geheißen wird.

Die Romantik (in) der Vergangenheit

Und so ist auch das Ägypten des 19. Jahrhunderts, das Elizabeth Peters scheinbar wiedererstehen lässt, nichts als die Projektionsfläche für eine Geschichte, die unentschlossen zwischen vordergründig großen Gefühlen und einer Krimi-Handlung auf Kamillentee-Niveau voran schlingert. Das ist schade, da Peters, die übrigens auch nicht Barbara Michaels, sondern Mertz heißt und studierte Ägyptologin mit entsprechendem Doktortitel ist, durchaus Ahnung hat von der Welt, in die sie ihre Figuren platziert.

Die haben es allerdings in sich, denn ihr Denken, Tun und vor allem Reden lassen selbst den geduldigsten Leser rasch vor Frustration und Ärger aufstöhnen. Was Peters plante, ist ein Unterhaltungsroman mit nostalgischer Patina, der Spannung und Humor etwa wie in den „Mumien“-Blockbustern, aber natürlich grusel- und gewaltfrei, mischt. Insofern ist eine gewisse Überzeichnung der Charaktere zulässig. Doch Peters ist keine wirklich gute, sondern nur eine schnelle Autorin. Das erklärt, wieso „Im Tal der Sphinx“ (wie übrigens alle Amelia Peabody-Romane) ständig gnadenlos abrutscht in einen Sumpf klebrigen Klamauks, der die gesamte Darstellerriege nur als groteske Karikaturen entkommen lässt.

Amelia Peabody ist die Identifikationsfigur für die weiblichen Leser. Ihr inkohärentes Wesen verrät die Schwierigkeiten, die ihre (literarische) Geburt begleiteten: Wie kann eine selbstständige, freigeistige Frauengestalt in einer historischen Epoche verankert werden, die ihre weiblichen Bürger nur als Ergänzung des Ehemanns oder Mutter zur Kenntnis nahm? Obwohl man die theatralischen Händering-Thriller der Anne Perry ansonsten tunlichst meiden sollte, vermitteln sie immerhin einen realistischeren Eindruck vom Alltag der viktorianischen Frau, der meilenweit entfernt ist vom fröhlichen Suffragettentum der Amelia Peabody. Da man den Leserinnen heute nicht mehr mit einer passiven Heldin kommen darf, muss Peters mit einigen Tricks arbeiten, um eine Figur zu konstruieren, die aktiv die Handlung bestimmt, auch wenn diese dadurch etwa so authentisch wie Schneewittchens Schwiegermutter wirkt.

Im lustigen Land der dummen Kerle

Und wie macht man das? Richtig: indem man das intellektuelle Niveau der übrigen Mitspieler so weit absenkt, bis die Heldin sie endlich überragt. Folgerichtig sitzen zwar auch in Amelias Welt die Männer an den Schalthebeln der Macht, doch es sind die Frauen, die ihnen sagen, wann sie diese zu drücken haben.

Amelias geliebter Emerson ist der ideale Vertreter seiner Art: klug und angesehen, dazu liebe- und rücksichtsvoll, der perfekte Liebhaber, Ehemann und Vater – und trotzdem nur ein ungehobelter Tropf, der ein armseliges, unerfülltes Leben führen musste, bis ihn besagte Amelia erhörte und ihm fürderhin sagte, wann er zu essen, sich zu waschen oder den guten Tweed-Anzug anzuziehen hatte. Auch das Denken übernimmt in dieser Ehe lieber die Frau, da Emerson bezüglich der praktischen und wirklich zählenden Dinge des Lebens – Kindererziehung, Körperpflege, gesellschaftliche Etikette usw. – wie alle Männer auf dem Niveau seines achtjährigen Sohnes steckengeblieben ist. Daraus resultiert ein Weltbild, wie wir es aus dem Werbefernsehen kennen: Vor den grinsenden Kindern bemüht sich der vorgebliche Herr des Hauses mit komisch verzerrtem Gesicht, einen Staubsauger/ein Handy/einen Gurkenhobel in Gang zu setzen, bis endlich die Gattin nachsichtig-liebevoll lächelnd naht und mit wenigen Handgriffen das störrische Gerät in Gang setzt. So sieht denn auch der Traumprinz à la Peters aus: ein bisschen dumm aber lieb, leicht zu kontrollieren und froh über eine lenkende Hand.

Schwierig ist die Beantwortung der Frage, wie Sohn Ramses in dieses brachialharmonische Gefüge passt. Er ist nämlich eine Heimsuchung: ein unerträglich altkluges Wunderkind, das entweder die Handlung mit gänzlich unkomischen ‚Streichen‘ ins Stolpern bringt oder wider alle Wahrscheinlichkeit seine ihm in wahrhaftiger Affenliebe zugetanen Eltern aus allerlei bizarren Todesfallen rettet, die jeder altägyptische Pharao in seinen Grabkammern zu installieren pflegte, wie uns Hollywood gelehrt hat.

Nur nicht aufregen!

Während das kitschige Dreigestirn aus Mutter, Sohn und Vater (in dieser Reihenfolge) ausgiebig um sich selbst kreist und Autorin Peters viele, viele Seiten mit stets denselben Episoden eines gar erfrischend unorthodoxen, glücklichen Familienlebens füllt, bleibt die eigentliche Kriminalhandlung meist nur ein Versprechen.

Die völlig überzogene Figur des kühnen ‚Meisterdiebes‘ oder die grotesk übertriebenen Gefühlsaufwallungen aller Beteiligten beschwören den naiven Charme der „Penny Dreadfuls“ – jener reißerischen Groschenhefte, die zur Zeit der Amelia Peabody in England ein Millionenpublikum fanden – oder des frühen Stummfilms herauf, geben aber stattdessen die Geschichte endgültig der Lächerlichkeit preis, weil die Autorin sich nie zwischen Ernst und Parodie entscheiden kann und ohnehin überfordert ist.

So kommt es, dass die schurkische Überlebensgröße des Meisterdiebes (offenbar eine Hommage an Arthur Conan Doyles Professor Moriarty) stets nur behauptet, aber von Peters nie unter Beweis gestellt wird, sodass man sich schon über ihn lustig macht, bevor er überhaupt auftritt und dann in seiner Rolle ebenso überzeugend wirkt wie Disneys Panzerknacker.

Den gesichtslosen Hintergrundchor dieses Trauerspiels bildet nach bewährtem Muster die einheimische Bevölkerung, die in dankbarer Unterwürfigkeit ihren weißen Herren den Arsch hinterherträgt, solange man ihr manchmal den Kopf tätschelt, und ansonsten für Heiterkeit sorgt, wenn ihr kindlicher Aberglaube sie wieder einmal in wilder Flucht vor eingebildeten ‚bösen Geistern‘ davonstieben lässt.

Finale ohne Finesse

Das Finale kommt abrupt, und es ist ebenso peinlich wie lächerlich, wo es wiederum witzig sein soll. Die Auflösung des verworrenen Plots wird an den Haaren herbeigezogen und lässt des Lesers Ärger über vergeudete Zeit und verschleudertes Geld im folgenden Fazit münden: „Im Tal der Sphinx“ ist triviale, auf den größten gemeinsamen Nenner nivellierte, schamlos auf den Massengeschmack harmoniesüchtiger Leser(innen) zugeschnittene Unterhaltung.

Pseudo-Krimis sind es also, die Barbara Mertz in ihren vielen Schriftsteller-Inkarnationen lieferte; ein gewaltiger Markt, den sie zuverlässig mit immer neuen, doch formal wie inhaltlich auswechselbaren Titeln beschickte; kein Wunder, dass sie auch in Deutschland überaus erfolgreich sind, wo ihre Titel stets neu aufgelegt werden. Dem wahren Krimifreund sei jedoch geraten, lieber noch einmal Agatha Christies „Tod auf dem Nil“ zu lesen, der in jeder altmodischen Zeile mehr ägyptisches Flair verströmt als die allzu zahlreichen Abenteuer der Amelie Peabody.

Autorin

Elizabeth Peters wurde als Barbara Louise Gross am 29. September 1927 in Canton, US-Staat Illinois, geboren. Sie studierte Ägyptologie in Chicago und schloss 1952 mit einem Doktortitel ab. Schon damals waren Stellen für Wissenschaftler in Orchideen-Dächern rar, weshalb sich Mertz stattdessen zusammen mit dem 1950 geheiraten Richard Mertz der Familiengründung widmete. Dies ließ ihr die Zeit, einer alten Leidenschaft nachzugehen: Mertz schrieb gern.

Erste Kriminalromane entstanden, die jedoch keinen Verleger fanden. Stattdessen erschienen zwei Sachbücher über ägyptologische Themen. 1966 folgte ein erster Krimi („The Master of the Black Tower“, dt. „Der Herr vom schwarzen Turm“), für den Mertz das Pseudonym „Barbara Michaels“ wählte. Mehr als zwei Dutzend ähnlicher „Lady-Thriller“ folgten; sie verbanden sachte Spannung mit schmalziger Liebe.

Unter dem zweiten Pseudonym „Elizabeth Peters“ (eine Kombination der Vornamen ihrer beiden Kinder) ließ Mertz u. a. diverse weibliche Detektive in Serie ermitteln. Erfolgreichste Figur wurde die notorisch emanzipierte Archäologin Amelia Peters, die vor und nach 1900 in Ägypten in allerlei kriminelle Abenteuer verwickelt ist. Diese Serie lief bis 2010, der 19. Band wurde die letzte Veröffentlichung der Autorin, die kurz vor ihrem 86. Geburtstag nach langer, schwerer Krankheit am 8. August 2013 in Frederick, Maryland, starb.

Offizielle „Mertz-Peters-Michaels“-Website
„Amelia-Peabody“-Website

Taschenbuch: 429 Seiten
Originaltitel: Lion in the Valley (New York : Tom Doherty Associates, Inc. 1986)
Übersetzung: Beate Darius
http://www.ullsteinbuchverlage.de

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