Philip José Farmer – Der Steingott erwacht. SF-Roman

Odysseus als Feldherr: Wider den Weltenbaum!

Odysseus Sinclair, ein Mann aus unserer Zeit, erwacht, ohne sich an das Gewesene erinnern zu können, denn er hat 20 Millionen Jahre in Stasis verbracht. Die Welt, in der er erwacht, unterscheidet sich von seiner eigenen ganz erheblich. Die Tiere herrschen wieder – und ein allgegenwärtiger Baum, der über alle herrscht. Odysseus erlebt jede Menge Abenteuer.

Der Autor

Philip José Farmer wurde bereits 1918 in North Terre Haute, Indiana, als Nachkomme von deutschen, niederländischen und irischen Vorfahren geboren. 1946 verkaufte er eine Kriegserzählung an das Magazin „Adventure“, sein erster Roman „The Lovers“ (Die Liebenden) erschien 1952 in „Startling Stories“ und brachte zum ersten Mal das Thema Sexualität in die (eher prüden) Science Fiction-Magazine seiner Zeit ein. Danach galt er als Tabubrecher. Viele seiner Werke zeichnen sich durch unterhaltende Themen und Erzählweise sowie durch Ideenreichtum aus. Das gilt auch für den fünfbändigen Flusswelt-Zyklus.

Handlung

20 Millionen Jahre in der Zukunft erwacht Odysseus Sinclair, der aufgrund eines Experiments diese Zeit in Stasis verbracht hat. Das Experiments sollte Objekte in der Zeit „einfrieren“. Die Welt, in der er erwacht, unterscheidet sich von seiner eigenen ganz erheblich. Doch die Erde dreht sich immer noch um die Sonne, und den Mond gibt es auch noch.

Rettung

Die Katzenmenschen der Wufea bringen ihn nach einem Dammbruch, der Odysseus’ versteinerte Gestalt freilegte, in ihr Dorf, wo er endlich erwacht. Hier weiß man einer Prophezeiung zufolge, dass der Steingott eines Tages erwachen werde. Odysseus wird also sofort als Gott verehrt, was sein Überleben doch beträchtlich erleichtert. Diese Wesen scheinen von Tieren aus dem Zeitalter der Menschen abzustammen: Es gibt Abkömmlinge von Katzen, Waschbären, Elefanten, Fledermausartige und Menschen, die von den letzten „echten“ Menschen aus Affen gezüchtet wurden.

Er legt sich mit Awira die hübsche Tochter des Oberpriester zu und macht sie zu seiner Lebensgefährtin, die ihn überallhin begleiten darf. Sie selbst versteht sich als Dienerin des Gottes. Von Awira erfährt er von Wurutana, der sich von Süden her überallhin ausbreite, um sich die Lande der Wufea, der Waragondit und anderer Menschenwesen untertan zu machen.

Die Expedition

Doch wer oder was ist Wurutana? Awira weiß es nicht zu sagen. Kurz entschlossen sorgt Odysseus dafür, dass die Kleinkriege mit den Waragondit aufhören, sich die zwei Völker zusammentun und sie zusammen eine kleine Armee in Marsch setzen, die im Frühsommer nach Süden zieht, um Wurutana aufzuspüren und zu besiegen. Die Armee ist mit Schwarzpulver ausgerüstet, das Odysseus, ein Mann der Wissenschaft, herzustellen weiß, und verfügt über Pferde, die er zähmen ließ.

Wie es im Süden aussieht, weiß er von einem Fledermausmenschen namens Glykh, doch dem traut er nicht so ganz. Wer weiß, für wen Glykh noch alles spioniert. Schon nach 300 Kilometern gelangt die Armee zu den Ausläufern Wurutanas. Es sind riesige Stämme, die als Luftwurzeln begonnen haben und sich nun im Boden weiterverbreiten. Je tiefer die Armee ins Dickicht eindringt, desto mehr wird der Riesenbaum zum Dschungel. Und wie jeder Dschungel birgt auch dieser zahllose Gefahren…

Mein Eindruck

Die einzige Lebensform, die sich noch an die alten Menschen erinnern kann, ist ein intelligenter Baum, so groß wie ein ganzes Land, der von Wesen – den fledermausmenschen – bevölkert wird, die ihm dienen und helfen, die umgebenden Gebiete zu überwuchern und deren Bewohner zu versklaven. Dieser Baum versucht, Sinclair zu vernichten, da er ein Anachronismus ist und diesem Zeitalter Wissen bringt, das mit den Menschen ausgelöscht werden sollte. Genau dieses Wissen setzt Sinclair ein.

Den Wesen dieses Zeitalters ist der Gedanke, sich die Erde untertan zu machen, fremd. Deshalb wurden sie verschont. Sinclair hingegen ist der Mensch par excellence. Er versucht genau wie der Baum, alles, um die Welt nach seinem Willen zu gestalten. Deshalb stehen diese beiden Antagonisten in einem unversöhnlichen Konkurrenzkampf zueinander, den nur einer von beiden überleben kann.

Sinclair bidlet eine Allianz mit einem weiteren Sklavenhalterstaat, baut eine Luftflotte aus wasserstoffgefüllten Zeppelinen und zieht mit seiner Flieger- und Bomberarmee Marines-mäßig in den Kampf gegen den Weltenbaum Wurutana. Bis zu diesem Grande Finale muss der junge Leser – möglichst Jungs ab 10 oder 12 Jahren – durchhalten. Doch dann kommt der Actionfan voll auf seine Kosten: Luftschiffe gegen Bäume – das liest man selten.

Natürlich habe ich schon dergleichen gelesen. In Brian W. Aldiss‘ Zukunftsroman „Am Vorabend der Ewigkeit“ bzw. „Der lange Nachmittag der Erde“ (1962, dt. bei Goldmann und Heyne) ist die Weisheit der Welt in ferner Zukunft in einer großen Morchel gespeichert. In Farmers Roman „Dunkel ist die Sonne“ (dt. bei Moewig) wird schon wieder eine Expedition als Handlungsmuster bemüht, um dem Leser kurzweilige Abenteuer zu präsentieren – belanglose Unterhaltung.

Die Übersetzung

Der Text liest sich flott, eben wie einen Groschenroman. Doch hin und wieder tauchen seltsame Druckfehler auf. Die Seitenzählung folgt dem Sammelband „Die Irrfahrten des Mr. Green“.

S. 251: „harten sie ihren Spaß“. Es sollte „hatten“ heißen.

S. 263: „seine Schmerzwelle war niedriger“. Gemeint ist die „Schmerzschwelle“, analog zur „Hemmschwelle“.

S. 270: „Alle segelfähigen Schiffen waren für Raatakelung eingerichtet.“ Gemeint ist die „Rahtakelung“, also ein Segel pro Querstange (Rahe).

S. 284: „Großwesi[e]r“. Das E ist überflüssig.

S. 285: „Radio“: Gemeint ist Funk.

Unterm Strich

Der Abenteuerroman bietet also eine Mischung aus „Gullivers Reisen“ und „Robinson Crusoe“, wie schon in „Die Irrfahrten des Mr. Green“. Der Protagonist ist ein ähnlich zupackender Charakter wie Crusoe, der sich niemals entmutigen läßt, und den Schicksalsschlägen immer wieder trotzt.

Wenn man’s recht bedenkt, ist das eine recht hübsche Parabel. Die „tierischen“ Elemente der menschlichen „Seele“ werden den Elementen gegenübergestellt, die uns zu Menschen machen. Exemplifiziert wird das am Verhalten der neuen Rassen, die aus Tieren herausgezüchtet wurden und über das Verfügen, was wir gemeinhin als Intelligenz oder Vernunft bezeichnen. Sie verwenden Werkzeuge, sind sich ihrer selbst bewußt und besitzen Sprache und Kultur. Sie führen Territorialkriege und töten aus religiösen Gründen.

Die innere Unruhe, einfach nur um der Veränderung willen zu verändern,, wie ihn die sogenannten „zivilisierten“ Menschen unserer Zeit besitzen, fehlt diesen Mischwesen. Den besitzen nur der Baum und Sinclair. So bleiben also zwei Elemente, die den Mensch zum Mensch machen: die primitiven tierischen Triebe, und die „Zivilisation“, die sich unweigerlich selbst vernichtet, weil sie sich der Natur zu weit entfremdet hat. Weiterdenken ist durchaus erlaubt und erwünscht.

Taschenbuch: 125 Seiten
Originaltitel: The Stone God Awakens, 1970
Aus dem Englischen von Walter Brumm
ISBN-13: 9783453302532

www.heyne.de

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