Philip José Farmer – Die Irrfahrten des Mr. Green. SF-Roman

Der Bürger als Odysseus

Gestrandet auf einer grünen, wilden, von Barbaren bevölkerten Welt, kämpft der antiheroische Terraner Alan Green ums Überleben. Nach Jahren der Sklaverei im herzoglichen Palast hört er von einem Kaufmann, im fernen Estorya seien zwei außerweltliche „Dämonen“ mitsamt ihrer Rakete gefangengenommen worden – endlich ein Lichtblick! Green macht sich auf, um mit der Rakete diese Welt zu verlassen. Doch bis dahin gilt es viele Gefahren zu überstehen.

Der Autor

Philip José Farmer wurde bereits 1918 in North Terre Haute, Indiana, als Nachkomme von deutschen, niederländischen und irischen Vorfahren geboren. 1946 verkaufte er eine Kriegserzählung an das Magazin „Adventure“, sein erster Roman „The Lovers“ (Die Liebenden) erschien 1952 in „Startling Stories“ und brachte zum ersten Mal das Thema Sexualität in die (eher prüden) Science Fiction-Magazine seiner Zeit ein. Danach galt er als Tabubrecher. Viele seiner Werke zeichnen sich durch unterhaltende Themen und Erzählweise sowie durch Ideenreichtum aus. Das gilt auch für den fünfbändigen Flusswelt-Zyklus.

Handlung

Der Terraner Alan Green, ein Spezialist für Meeresnahrung im Imperium der Menschheit, ist mit seiner Rettungskapsel auf einem Grasplaneten abgestürzt, wo ihn die Bauern sofort zu den Soldaten in die Hauptstadt gebracht haben. Mittlerweile ist er schon einige Jahre als Sklave im Palast des Herzog von Quortz tätig, muss aber jeden Tag um sein leben bangen. Nicht so sehr wegen des faulen Herzogs, der seiner Sammlerleidenschaft – er sammelt Glasvögel – frönt, als vielmehr wegen der Herzogin, einem stets unbefriedigten Weib, das Alan keine ruhige Minute gönnt. Ausserdem ist da noch Alans Familie. Amra ist zwar eine wunderschöne Frau, aber wie alle wunderschönen Frauen auch sehr eifersüchtig – Alans Blick könnte ja auf eine noch schönere Frau fallen. Die Tatsache, dass sie sechs Kinder von verschiedenen Vätern hat, stört Alan nicht. Von ihm stammt nur die süsse Tochter Soon.

Eines Tages hört Alan, der seine Ohren stets überall hat, von dem Kaufmann Miran, dass in der fernen Stadt Estorya zwei „Dämonen“ vom Himmel gefallen seien. Man habe sie sofort gefangen genommen und werde sie, wie es sich für Dämonen gehört, demnächst auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Alan ist sofort klar, dass diese Dämonen abgestürzte Erdlinge wie er sein müssen. Doch halt: Miran redet von einem Fluggerät. Demnach könnte Alan sich dieser Rakete bemächtigen und wieder von dieser barbarischen Welt entkommen. Einer der beiden Astronauten müsste der Pilot sein, der die Rakete nach Hause steuern könnte.

Mit Tatkraft und Schläue setzt Alan einen plan in Gang, in dessen Verlauf ihn Miran nach Estorya bringen soll. Doch die Flucht von Sklaven ist a) nicht leicht und b) nicht gern gesehen und c) schwierig, wenn sie verheiratet sind. Amra und Familie fahren auf Mirans Windroller mit, ob Alan will oder nicht. Sie fahren hinaus ins offene Grasmeer, wo wilde Tiere, Kannibalen und Piraten auf sie lauern. Hoffentlich schafft es Alan noch rechtzeitig nach Estorya, bevor die „Dämonen“ dem Scheiterhaufen zum Opfer gefallen sind und eine Flucht unmöglich gewordenist.

Mein Eindruck

Diese Odyssee ist ein mit irrsinnigen Abenteuern gespicktes Seemannsgarn, das ausnahmsweise nicht auf hoher See, sondern im Grasmeer spielt, das sich über zehntausend Meilen erstreckt. Das Setting ist also eine Mischung aus Steppe, wie sie in den Tarzan-Romanen vorkommt, und Hochsee, wie man sie von Piratenabenteuern her kennt.

Und so hat der Antiheld Alan Green an Bord der „Glücksvogel“ eine Menge Gefahren zu überwinden, die ihm nicht nur von Piraten, sondern auch seitens der Besatzung drohen. Seine Frau Amra, die er ja eigentlich verlassen will, hilft ihm immer wieder aus der Patsche, was ihn gehörig in Verlegenheit bringt. Dann gibt es noch schwebende Inseln à la Laputa, auf denen sich nicht nur Kannibalen finden, sondern in einer verborgenen Höhle auch modernste Technik. Welche Aufgabe diese Inseln im Grasmeer hatten, leuchtet Alan sofort ein: als Rasenmäher. Aber wieso sollte diese riesige Ebene einen kurzen Rasen haben? Dieses Geheimnis wird erst am Schluss gelüftet.

Wie in Jonathan Swifts „Gullivers Reisen“ und in Homers „Odyssee“ begegnen dem Helden und seiner Familie eine Menge seltsamer Phänomene. Der Anfang in der Stadt Quortz hat mich sehr an Gullivers Besuch bei den Liliputanern und den Brondingnagianern erinnert. Dass schwebende Inseln von Swifts Laputa abstammen, dürfte offensichtlich sein. Und wie auf Laputa sind die Inseln mit Technik und Wissenschaft verknüpft. Was man vom Bodenvolk nicht behaupten kann: Dort herrscht noch tiefster Aberglaube, mit Göttern und Dämonen. Dann wird die Story zur theologischen Satire.

Am Schluss erweist sich, wer obsiegen wird: Aberglaube oder Vernunft. Und spannend ist auch die Frage, ob Alan sich von Amra und seinen Kindern trennen wird oder nicht, sobald er die Rakete der Astronauten gefunden hat. Denn Alan ist in einer Beziehung ein ungewöhnlicher Schiffbrüchiger: Er ist ein richtiger „family man“.

Unterm Strich

Mit Homer hat Philip J. Farmer in seinem zweiten Roman (nach „Die Liebenden“) reichlich wenig am Hut. Das merkt man recht bald. Existentielle Fragestellungen, wie sie sich hinter den Abenteuern des Odysseus verbergen, fehlen hier. Der Held muss sich auch keiner Läuterung unterziehen, oder für seine Missetaten büssen, wie der echte Held des homerischen Epos.

Greens Reisen widerspiegeln keine Archetypen, keine Grundelemente unsere Psyche. Er steuert einfach auf sein Ziel los, tut, was getan werden muss, und der Autor belohnt ihn mit einem Happy-End. So gesehen wäre vielleicht „Old Shatterhand im Weltraum“ vielleicht ein passenderer Titel gewesen. Aber nichtsdestotrotz bietet das Buch flotte, unbeschwerte Unterhaltung, wenn man auf Tiefgang verzichten kann.

Taschenbuch: 158 Seiten
Originaltitel: The Green Odyssey, 1957
Aus dem Englischen von Wulf H. Bergner.
ISBN-13: 9783453053755

www.heyne.de

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