Philip José Farmer – Hinter der irdischen Bühne (Welt der Ebenen 04)

Eine abenteuerliche Verfolgungsjagd

Robert Wolff, pensionierter Universitätsprofessor, hat sich schon lange damit abgefunden, dass sein Lebensabend sehr, sehr ruhig zu werden verspricht. Doch dann besichtigt er mit seiner Frau ein Haus und findet im Keller ein seltsames Horn, das er einsteckt. Als es ihm gelingt, tatsächlich einen Ton damit zu erzeugen, öffnet sich ein Portal durch Raum und Zeit. Wolff findet sich in der Welt der Tausend Ebenen wieder, einem künstlichen Planeten, erschaffen und kontrolliert von Lord Jadawin, dem Meister der Dimensionen. Als dieser auf den Fremden aufmerksam wird, beginnt für Wolff ein gefährliches Abenteuer quer durch alle Ebenen … (Amazon-Kindle-Verlagsinfo)

Band 2: „Robert Wolff, Halbgott aus der Rasse der Lords, Schöpfer ganzer Galaxien, muss sich gegen den eigenen Vater wehren, der ihn und andere Lords in eine Falle gelockt hat. Die ihrer Hilfsmittel beraubten Halbgötter sehen sich gezwungen, inmitten der kriegerischen Männer auf den Fliegenden Inseln ums nackte Überleben zu kämpfen… (Verlagsinfo)

Band 3: „Kickaha, Wolffs bester Freund, hat viele Feinde, aber noch niemals hat man ihn derart ausdauernd und unerbittlich durch die Welt der vielen Ebenen mit ihren Dimensionstoren gehetzt. Die Jäger sind Invasoren in der Maske übernommener menschlicher Körper…“ (Verlagsinfo)

Band 4: Paul Janus Finnegan konnte die Invasion der Schwarzen Schneller, die die Welt der tausend Ebenen bedrohten, abwenden – doch die Gefahr ist noch nicht vorüber. Der letzte Überlebende der künstlichen Intelligenzen, die menschliche Gestalt annehmen können, hat einen Weg zu Finnegans Heimatwelt, der Erde, entdeckt. Wenn es dem Schwarzen Schneller gelingt, sich zu reproduzieren, ist das Universum erneut in Gefahr. Finnegan, der seit langem in der Welt der tausend Ebenen zu Hause ist, kehrt auf die Erde zurück, um ihn aufzuhalten – doch seine alte Heimat ist nicht mehr so, wie er sie in Erinnerung hat … (Verlagsinfo) Das ist Kickahas Ziel. Doch er folgt auch seinem Freund Robert Wolff alias Lord Jadawin – und muss sich dabei vor dem Lord Red Orc in Acht nehmen, denn dieser beherrscht im Verborgenen die Erde…

Der Autor

Philip José Farmer wurde bereits 1918 in North Terre Haute, Indiana, als Nachkomme von deutschen, niederländischen und irischen Vorfahren geboren. 1946 verkaufte er eine Kriegserzählung an das Magazin „Adventure“, sein erster Roman „The Lovers“ (Die Liebenden) erschien 1952 in „Startling Stories“ und brachte zum ersten Mal das Thema Sexualität in die (eher prüden) Science Fiction-Magazine seiner Zeit ein. Danach galt er als Tabubrecher. Viele seiner Werke zeichnen sich durch unterhaltende Themen und Erzählweise sowie durch Ideenreichtum aus. Das gilt auch für den fünfbändigen Flusswelt-Zyklus.

Die Welt der tausend Ebenen

1. The Maker of Universes (1965 – deutsch: Meister der Dimensionen und Kampf der Weltenmacher)
2. The Gates of Creation (1966 – deutsch: Welten wie Sand und Tor der Schöpfung)
3. A Private Cosmos (1968 – deutsch: Lord der Sterne)
4. Behind the Walls of Terra (1970 – deutsch: 1980, Hinter der irdischen Bühne)
5. The Lavalite World (1977 – deutsch: Planet der schmelzenden Berge)
6. Red Orc’s Rage (1991 – deutsch: Der Zorn des Roten Lords)
7. More Than Fire (1993)
• Die Welt der tausend Ebenen (1983, Sammelband, Knaur Nr. 5766, ISBN 3426057662)

Handlung

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Kickaha, Lord Jadawins bzw. Wolffs bester Freund und ein listenreicher Trickser. Er wurde 1918 als Paul Janus Finnegan in Terre Haute, Indiana, geboren und erlebte den Einsatz im Zweiten Weltkrieg, unter anderem in Deutschland. Im Jahr 1946 verschlug es ins Universum der Ebenen und Lords. Bei seinen Abenteuern im vorherigen Band hat Kickaha gelernt, dass mit der unsterblichen Mörderin Anana nicht zu spaßen ist: Sie ist eine zehntausend Jahre alte Mörderin. Aber die sagt, sie liebe ihn.

Schellerjagd

Nach einem Übertritt durch ein Dimensionstor landen Kickaha und seine neue Freundin Anana auf der Erde, in den Bergen vor Los Angeles. Sie wissen: Die Schwarzen Scheller bedrohen die Menschen und die Rasse der Lords. Auch der letzte von ihnen muss vernichtet werden, wenn man verhindern will, dass er sich selbst reproduziert und alles übrige Leben gefährdet. Der letzte Scheller ist in diese Welt entkommen. Ihn zu töten, ist Kickahas Ziel. Doch er folgt auch seinem Freund Robert Wolff alias Lord Jadawin – und muss sich dabei vor dem Lord Red Orc in Acht nehmen, denn dieser beherrscht im Verborgenen diese Erde.

Widerstand

Schon gleich nach der Landung in einem verborgenen Dimensionstor bekommen es Kickaha und Anana mit der Gegenseite zu tun. Mit ihren futuristischen Waffen schlagen sie zurück. Sie gelingt ihnen die Flucht den Berg hinunter auf eine Landstraße, die sich durch Gebirge windet. Eine Biker-Bande hat es auf die scharf aussehende Anana abgesehen, doch auch mit ihnen werden sie fertig, ebenso mit einer zweiten Biker-Bande und weiteren Cops. Weil das Motorrad hinüber ist, nehmen sie den Bus.

Der Gnomenkönig kauft eine Frau

Das ist nicht irgendein ÖPNV-Bus, sondern der Tourbus der Hippie-Band „Der Gnomenkönig und seine faulen Eier“. Der titelgebende Bandleader ist Lou Baum, und ein Blick auf Anana verwandelt ihn in einen lüsternen Fan. Er will sie auf der Stelle Kickaha abkaufen. Gebongt! Sie kostet nur 2000 Dollar, und vorab kann ihm Lou 1300 für sie berappen. Kickaha hat von Anfang klargemacht, dass Anana das letzte Wort dazu haben werde. Und offensichtlich ist auch Lous Mädchen Nr. 1, die üppige Moo-Moo (weil sie Euter wie eine Muh-Kuh hat…), nicht sonderlich begeistert von der Aussicht, von einer Außerirdischen ausgebootet zu werden. Sie bietet sich ihrerseits Kickaha an, gegen einen kleinen Obolus, versteht sich…

Langer Rede kurzer Sinn – der ganze Deal platzt in einem Vorort von Los Angeles, als Anana ihrem Möchtegernbesitzer einen gepfefferte Ohrfeige versetzt und ihm das Knie in die Eier rammt. Die Flucht ist trotz gut gefüllter Taschen zu empfehlen, denn inzwischen hat sich ein schwarzer Lincoln Continental an die Fersen des Paares geheftet. Die zwielichtigen Typen sind jedoch leicht auszutricksen und zu betäuben.

Die Suche nach Red Orc

Um ihre Brieftaschen erleichtert, schlafen sie, bis die Cops sie aufgabeln. Kickaha und Anana findet ein gemütliches und billiges Hotel am Sunset Boulevard in Hollywood. Als Kickaha eine Telefonliste aus einer dieser Brieftaschen abklappert, stößt er nicht nur auf viele Frauen, sondern auch auf den Kontakt zu einem Obergangster. Sein Name lautet R. Cambring. Ist er womöglich Red Orc?

Mein Eindruck

Es ist Kickaha schnell aufgefallen, dass die Polizei, aber auch Gangster wie Cambring stets schnell vom aktuellen Aufenthaltsort Kickahas und seiner Begleiterin erfahren. Das deutet nicht nur auf einen Überwachungsstaat innerhalb der Behörden und womöglich auf eine Kritik am Gouverneur des Bundesstaates Kalifornien, Ronald Reagan. Diese Situation erinnert an die Noir-Krimis von Hammett und Chandler, die zu Zeiten der Prohibition spielen, als die Cops die Schmuggler jagten. Und weil Kickaha und Anana sich in Hollywood nicht gut auskennen, tappen sie von einer Falle in die nächste, bis die Schlinge schließlich zu eng wird und Kickaha seine Freundin verliert. Was nun?

Ein Trumpf im Ärmel

Der Kontakt mit Red Orc ist über Mrs. Cambring leicht hergestellt, die erbost darüber ist, dass ihr Mann im Verlaufe der Auseinandersetzungen das Zeitliche gesegnet hat. Kickaha nennt sich nun Paul Finnegan. Red Orc befiehlt ihn zu einem Treffpunkt, wenn er Anana, Wolff/Jadawin und Chryseis lebend wiedersehen will. Der Lord hat die drei natürlich mithilfe eines Wahrheitsserums verhört und so die Gesamtlage erfasst. Aber weil Anana nichts vom Horn Shambarinens weiß, hat Kickaha noch einen Trumpf im Ärmel: Mit dem Horn lässt sich ein direkter Kontakt und Durchgang zu einem anderen Taschenuniversum öffnen. Das würde einem Lord große Macht verleihen.

Zwei Orcs

Doch am Treffpunkt lauern nicht die Schergen von Red Orc, sondern die seines Gegenspielers, des echten Orc. Diesmal wird Kickaha mithilfe des Wahrheitsserums verhört, und Orc erfährt, was Sache ist. Er verrät seinem Gefangenen seinerseits, dass ihm die Erde vor tausend Jahren von einem Usurpator namens Urthona weggenommen wurde, der zufällig sein Bruder ist. Alle Versuche des echten Orc, ihn zu beseitigen, seien fehlgeschlagen. Doch der freilaufende Scheller ändert die Lage. Der echte Orc gibt Kickaha eine Chance, sich und seine Lieben zu befreien, sollte es ihm gelingen, Urthona zu beseitigen und den Scheller zu eliminieren. Paul J. Finnegan erkennt eine Chance, wenn sie ihm geboten wird und setzt seinen eigenen Plan in die Tat um…

Vier Teile

Nach einer humorvollen Eröffnung folgt das Noir-Krimi-Zwischenspiel, doch die zweite Hälfte des Roman ist völlig anders gestaltet. Nach seiner Flucht aus einem Orc-Gefängnis muss Kickaha versuchen, den letzten Scheller zu erledigen. Das gelingt auf höchst einfallsreiche Weise. Der vierte Teil sieht Kickaha Anana befreien und mit ihr von Hollywood-Palast zu Palast eilen, um die beiden Orcs aufzuspüren und zur Rede zu stellen. Das Horn Shambarinens öffnet ihnen an eventuell auftretenden Resonanzpunkten Dimensionstore, doch diese sind meist mit Fallen gespickt.

Der Haken dabei: Einer der beiden Orcs hat vor 15.000 Jahren ein Duplikat der Erde geschaffen, um ein Experiment auszuführen: Wie sich Erde 2.0 entwickelt hat, erfahren Kickaha und Anana am eigenen Leib: Die Luft ist rein und kennt höchstens den Duft von Pferdemist, aber hier gibt es auch Mammuts, Mastodons und Säbelzahntiger. In dieser gefährlichen Umgebung findet der Showdown statt. Aber es gibt einen Unbekannten, der sich einmischt, so dass Kickaha und Anana nun drei Gegner haben. Wie diese buchstäblich brenzlige Geschichte ausgeht, darf hier nicht verraten werden.

Die Übersetzung

Endlich hat der Übersetzer gewechselt. Walter Erev hat endlich Martin Eisele abgelöst. Erfreulicherweise hebt sich sofort das sprachliche Niveau, und die Rate an Druckfehlern sinkt ebenfalls.

S. 97: „Würde es dem Lord nicht schwerfallen, die (!) beide durch seine Leute schnappen zu lassen.“ Statt „die“ sollte es besser „sie“ heißen, damit der Satz einen Sinn ergibt.

S. 100: „Sie standen auf und bezahlten ihre Coupons an der Kasse.“ Worum handelt es sich bei diesen mysteriösen Coupons, fragt sich der aufmerksame Leser wohl. Denn auf unserer Erde – die Handlung findet auf einer Erde des Jahres 1970 statt – ist es genau andersherum: Wer bestellt und bereits bezahlt hat, bekommt einen Coupons, den er an der Kasse einlöst, um, sobald seine Nummer aufgerufen wird, dafür seine Ware ausgehändigt zu bekommen.

S. 149: „Der eine trug eine[n] Armbrust“: Das N ist überflüssig.

S. 150: „Welt der vielen Ebenen“: Bis zu dieser Stelle verwendet der Übersetzer stets die falsche Bezeichnung „Welt der Schichten“. Denn „World of Tiers“ (Ebenen) bedeutet eben nicht „World of Layers“ (Schichten).

S. 184: Ein fehlendes Wort: „…wie [auch] immer, der Gefangene würde in jedem Fall bald sterben müssen.“ Das Wort „auch“ fehlt.

S. 226: „Marmorne Wände, an denen leuchtende Fresken hingen“: Wenn die Fresken Wandteppiche wären, wäre das Verb „hingen“ okay, aber Fresken nun mal auf die Wand gemalt, und so kann man nicht von „hängen“ sprechen.

S. 228: „hinter zwei hübschen Rossen“. Üblich wäre der Plural „Rösser“ anstelle von „Rossen“, aber das kann in der DACH-Region regional abweichen.

Unterm Strich

Neben dem preisgekrönten Roman „Die Flusswelt der Zeit“ (1953/1971) gehört der Zyklus „Die Welt der Ebenen“ zu den unterhaltsamsten und einfallsreichsten Werken des überaus produktiven Autors. Er hat sich als Paul Janus Finnegan alias Kickaha mit den gleichen Initialen wie sein eigener Name verewigt. Das führt bei der Figur Kickaha, dem Trickster-Archetypus, zu mancherlei überraschendem Wissen.

Man kann sich darauf verlassen, dass immer etwas passiert. Dieser vierte Band ist keine Ausnahme. Er folgt erst den Strukturen des klassischen Kriminalromans, wirft aber, weil 1969/70 entstanden, auch ein Licht auf die Auswüchse der Hippie-Kultur von Südkalifornien. Auch diese folgt den Regeln des Kapitalismus, und so kommt es, dass der Oberhippie eine Frau käuflich erwerben will.

Stellenweise sind die Wurzeln bei Edgar Rice Burroughs‘ John-Carter-Abenteuern auf dem Mars nicht zu übersehen, aber das sorgt für einen lebhaften Hintergrund für zahlreiche, exotische Abenteuer. Farmer hat das alte Muster – mit dem er ebenso wie mit Tarzan aufwuchs – gehörig erweitert und mit Tiefe versehen, ohne den Leser zu langweilen.

Duplikate

Diesmal verfolgt er das Konstruktionsprinzip der Verdoppelung: Es gibt zwei Erden, zwei Lords, die einander wie Zwillinge gleichen, und schließlich auch zwei Ananas. Die erste liebt Kickaha und ein Abkömmling der Lords. Die zweite ist nur ein Simulacrum und erweist sich beim Kontakt als sehr ätzend. Sie ist ein Beispiel für die vielen Fallen, die die Lords an ihren Toren aufzustellen lieben. Anana erklärt Kickaha das Prinzip: Wenn man unsterblich ist, dann ist Gefahr das Gewürz in der Suppe – und man spielt gerne mit denjenigen, die sterblich sind. Kickaha scheint ein Halbgott zu sein und verfügt wohl über zahlreiche Leben.

Frauenfiguren

Frauenfiguren sind ebenfalls die Würze in der Suppe der Handlung, wenn es um Kickahas Abenteuer geht. Kickaha ist ein Mann ohne Vorurteile und nimmt sich viele Male Zeit, um nachzudenken. Schließlich vertraut ihm Anana und hilft ihm in der Not, wobei sie viel riskiert. Sie merkt eben, dass sie, indem sie ihm hilft, auch ihre eigenen Überlebenschancen erhöht: Zusammen ist man stärker.

Dass die Würdigung von holder Weiblichkeit eine harte Grenze kennt, zeigt sich, als einer der beiden Orcs darüber spekuliert, wer die Mutter des Halbgottes Kickaha sein könnte. Auch seine geliebte Anana käme infrage! Diese Vorstellung des Inzests löst bei Kickaha einen heftigen Hustenanfall aus – der aber bestimmt nur auf das Feuer ringsum zurückzuführen ist.

Ausblick

Nach Angaben des britischen Literaturkritikers David Pringle ist der Auftaktband der beste der fünf Romane im Auftaktzyklus, und von da an wäre es mit der Qualität bergab gegangen. Doch 1990 kannte er wohl noch nicht den ausgezeichneten Band 6: „Der Zorn des roten Lords“ (dt. bei Heyne , siehe meine Besprechung), und Band 7 ist noch nicht einmal übersetzt worden.

Hinweis

Wer auf gewitzte und farbenprächtige Abenteuer Wert legt, der ist hier an der richtigen Adresse. Weil das Buch nach 1969 und somit nach dem befreienden Antizensururteil des Obersten Gerichtshofs der USA (1968) geschrieben wurde, kommt das Thema Sex bestens zur Sprache: so etwa im Tourbus des „Gnomenkönigs“. Ähnlich behandelt er das Thema Nummer eins hingegen in seinem Debütroman „Die Liebenden“. Den sollte man ebenfalls kennen.

Gebunden: 256 Seiten,
O-Titel: Behind the Walls of Terra, 1970
Bechtermünz, Augsburg, 1999 (dt. Erstausgabe 1996 bei Knaur); Heyne, 2016
Aus dem US-Englischen von Walter Erev.
ISBN 9783828902633

www.weltbild.de

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