Eine abenteuerliche Verfolgungsjagd mit Hütchenspiel
Robert Wolff, pensionierter Universitätsprofessor, hat sich schon lange damit abgefunden, dass sein Lebensabend sehr, sehr ruhig zu werden verspricht. Doch dann besichtigt er mit seiner Frau ein Haus und findet im Keller ein seltsames Horn, das er einsteckt. Als es ihm gelingt, tatsächlich einen Ton damit zu erzeugen, öffnet sich ein Portal durch Raum und Zeit. Wolff findet sich in der Welt der Tausend Ebenen wieder, einem künstlichen Planeten, erschaffen und kontrolliert von Lord Jadawin, dem Meister der Dimensionen. Als dieser auf den Fremden aufmerksam wird, beginnt für Wolff ein gefährliches Abenteuer quer durch alle Ebenen … (Amazon-Kindle-Verlagsinfo)
Band 2: „Robert Wolff, Halbgott aus der Rasse der Lords, Schöpfer ganzer Galaxien, muss sich gegen den eigenen Vater wehren, der ihn und andere Lords in eine Falle gelockt hat. Die ihrer Hilfsmittel beraubten Halbgötter sehen sich gezwungen, inmitten der kriegerischen Männer auf den Fliegenden Inseln ums nackte Überleben zu kämpfen… (Verlagsinfo)
Band 3: Kickaha, Wolffs bester Freund, hat viele Feinde, aber noch niemals hat man ihn derart ausdauernd und unerbittlich durch die Welt der vielen Ebenen mit ihren Dimensionstoren gehetzt. Die Jäger sind Invasoren in der Maske übernommener menschlicher Körper…“ (Verlagsinfo)
Der Autor
Philip José Farmer wurde bereits 1918 in North Terre Haute, Indiana, als Nachkomme von deutschen, niederländischen und irischen Vorfahren geboren. 1946 verkaufte er eine Kriegserzählung an das Magazin „Adventure“, sein erster Roman „The Lovers“ (Die Liebenden) erschien 1952 in „Startling Stories“ und brachte zum ersten Mal das Thema Sexualität in die (eher prüden) Science Fiction-Magazine seiner Zeit ein. Danach galt er als Tabubrecher. Viele seiner Werke zeichnen sich durch unterhaltende Themen und Erzählweise sowie durch Ideenreichtum aus. Das gilt auch für den fünfbändigen Flusswelt-Zyklus.
Die Welt der tausend Ebenen
• The Maker of Universes (1965 – deutsch: Meister der Dimensionen und Kampf der Weltenmacher)
• The Gates of Creation (1966 – deutsch: Welten wie Sand und Tor der Schöpfung)
• A Private Cosmos (1968 – deutsch: Lord der Sterne)
• Behind the Walls of Terra (1970 – deutsch: 1980, Hinter der irdischen Bühne)
• The Lavalite World (1977 – deutsch: Planet der schmelzenden Berge)
• Red Orc’s Rage (1991 – deutsch: Der Zorn des Roten Lords)
• More Than Fire (1993)
• Die Welt der tausend Ebenen (1983, Sammelband, Knaur Nr. 5766, ISBN 3-426-05766-2)
Handlung
Im Mittelpunkt des Geschehens steht Kickaha, Lord Jadawins bzw. Wolffs bester Freund und ein listenreicher Trickser. Er lebt bei den Hrowaka vom Bärenstamm in den Bergen, als ihn die Abenteuerlust erneut packt. Denn in Talanac, der Stadt des Kaisers dieser Ebene, hat er einst Clatatol, die schöne Tochter des Kaisers, verführt, doch leider flog ihr Verhältnis auf. Und Clatatols Bruder sowie der Chef der Stadtpolizei forderten Kickaha höflich, aber bestimmt zum Gehen auf. Die junge Lady mit den schwungvollen Hüften musste danach ihren Onkel heiraten und ihr Dasein in dessen Harem fristen, wie es in Talanac Sitte ist.
Talanac
Der Ritt von den Bergen der Hrowakas nach Talanac führt Kickaha durch das Feindesland der Shoyshatel. Er schlägt sich erfolgreich durch, und mit letzter Kraft erreicht er Talanac, die Stadt der Tishquetmoac, unverletzt. Diese besteht aus einem riesigen Jadeblock, in den zahlreiche Stufen, Schächte und Tunnel gegraben wurden. Doch die Stadt ist zu seinem Erstaunen von einer Invasionsarmee besetzt, die von der nächsthöheren Ebene – Drachenland – heruntergestiegen sein muss. Ihr Anführer ist König Erich von Turbat. Es dauert nicht lang, bis sich Kickaha zu einer unerwünschten Person gemacht hat: Eroberer mögen keine Schnüffler. Er verkleidet sich im Tunnelsystem als einer der Söldner Turbats und entkommt seinen Häschern.
Clatatol, die Schmugglerin
Nun scheint der Weg zu Clatatols Haus frei. Sie betreibt einen heimlichen Schmugglerring und ist sehr auf Sicherheit bedacht. In ihrem Serail erhält er von ihr erstmal eine Ohrfeige, bevor sie ihm um den Hals fällt. Wo hat er nur so lange gesteckt! Doch bevor er sie lieben kann, benötigt er ein paar Informationen, was hier eigentlich los ist. Sie sagt, der Kaiser sei von einem Dämon verflucht worden und infolgedessen besessen. Drei Fremde aus einer anderen Ebene seien zu ihr, Clatatol, gekommen, um etwas dagegen zu unternehmen. Als er das Trio in Augenschein nimmt, traut er seinen Augen kaum: Die Frau sieht aus wie Podarge, die Königin der Adlerfrauen. Doch sie erkennt ihn nicht und will Anana genannt werden. Dass sie eine von Wolffs beiden Schwestern (die andere ist Vala, siehe Band 2) ist und somit ein Mitglied der unsterblichen Lords ist, braucht er ihr nicht zu sagen.
Flucht zu den Schmugglern
Weil offenbar die Invasoren nur hinter Kickaha her sind, muss er schleunigst die Stadt verlassen. Clatatol, das Trio der Fremden und zwei Schmuggler begleiten ihn. Schon bald geraten sie in die Fänge der Häscher, nur Kickaha und Anana entgehen ihren Pfeilen, und so schaffen sie es mit Not über den Fluss, wo sich Schmugglerboote versammelt haben. Weil ein richtiges Schmugglerboot auch eine versteckte Kabine für Schmuggelgut aufweist, findet Kickaha in einem solchen Verschlag ein ideales Versteck. Es ist zwar von einem gesuchten Verbrecher der Tishquetmoac besetzt, aber das sind Kickaha und Anana ja auch.
Die Schwarzen Scheller
Hier findet Anana endlich Gelegenheit, ihm die Sache mit den Schwarzen Schellern zu erklären und den Grund, warum sie so hartnäckig nach Kickaha suchen. Die Schwarzen Scheller weisen alle die namengebende Schelle auf, die zwei Nadeln in das Gehirn der jeweiligen Wirtsperson bohrt und so ermöglicht, das Bewusstsein des Wirts zu zerstören und das des Gastes, eines Schellers, zu ersetzen. Ursprünglich eine Erfindung der Lords, um von Wirtskörper zu Wirtskörper zu wandern und auf diese Weise Unsterblichkeit zu erlangen, haben sich einst 10.000 Scheller selbständig gemacht. Bis auf 50 konnten alle wieder getötet werden, so Anana, doch diese 50 sind unauffindbar und stellen somit eine Gefahr dar. Weil Kickaha bekanntermaßen ein Freund von Jadawin-Wolff sei, soll er ebenfalls per Schelle übernommen werden, um auf diese Weise an Lord Jadawin heranzukommen und so viel größere Macht zu erlangen. Jetzt ist klar, warum der Scheller Erich von Turbat ihn jagt.
Durch die Prärie
Kickaha ist entschlossen, sich nicht fangen und übernehmen zu lassen, sondern bricht mit Anana und dem Verbrecher auf der Handelsroute, die durch die Prärie 1500 km zu den Hrowakas führt, zu einer Reise auf. Dort will er seinen Feldzug gegen die Scheller-Invasoren aus Drachenland starten, namentlich gegen Erich von Turbat. Doch der Feind verfügt über Flugmaschinen, die die offene Prärie überwachen. Zudem wimmelt es hier von Raubtieren. Als der Verbrecher eines Morgens mit einem Messer im Bauch im Lager liegt, ahnt Kickaha, dass mit der unsterblichen Mörderin Anana nicht zu spaßen ist…
Mein Eindruck
Die wahnsinnige Verfolgungsjagd durch Scheller und die echte Podarge geht natürlich so lange weiter, bis Kickaha im gewaltigen Palast seines Freundes Wolff-Jadawin angekommen ist. Dort muss er feststellen, dass er weiterhin seinen gewitzten Verstand aufbieten muss, um den Schellern, die den Palast besetzt halten, zu entgehen. Die feindliche Übernahme ist hierbei wortwörtlich zu verstehen. Er versucht, in den Kontrollraum des Palastes vorzudringen und die Cyborg-Diener Jadawins unter seine Kontrolle zu bringen.
Fallen
Leichter gesagt als getan. Denn der Autor hat sich einige Fallen einfallen lassen, in die Kickaha tappt. Der Trickser kann den Schellern nicht trauen, denn die sind alle besessen. Deshalb bedient er sich der (aus Band 1) bewährten Transmittertechnik der zusammengefügten Sicheln. Dumm nur, dass diese Reise von Ort zu Ort auf der Welt der Ebenen mit einem Resonanzeffekt versehen ist: Er ist gezwungen, von jedem Punkt, an dem er landet, nach wenigen Augenblicken schon zum nächsten zu springen. Soll das ewig so weitergehen, fragt er sich.
Natürlich nicht, und Anana hilft ihm dabei. Denn ihr Herz hat sich ihm endlich zugewandt: Er meint es mit Jadawin und den anderen Lords ehrlich, auch wenn er vielleicht nicht jedem Lord – Anana hat zwei Begleiter-Lords- trauen kann. Aber sie gibt ihm Tipps, während sie beide sich auf der Karussellfahrt durch Universum der Lords befinden. Schließlich gelingt es ihm, die irre Fahrt zu stoppen und „abzuspringen“.
Hütchenspiel
Das ist vielleicht der lustigste Einfall des Autors, neben unzähligen weiteren Ideen. Die Verfolgung durch Podarge, die Harpyie, und ihre grünen Adler sorgt für jede Menge Dynamik – und für viel kuriose Begegnungen. Doch viel trickreicher ist die Sache mit den Schellern: Es ist ein echtes Hütchenspiel herauszufinden, wer ein Scheller ist oder nicht. Denn nicht immer ist die verräterische Schelle offen sichtbar. Kickahas Vorsicht zahlt sich aus. Diese Scheller-Technik wird von Anana ab S. 91 eingehend erklärt. In der Folge findet ein Countdown statt: Von 50 Schellern, die übriggeblieben sind, abwärts. Aber kann Kickaha seiner eigenen Zählung vertrauen?
Auf S.96 wird der Originaltitel kurz erklärt: „Viele Scheller schafften es, aus dem Heimatuniversum (wo die Lords sie erschaffen hatten) in private Universen zu gelangen.“ Dort übernahmen sie zehntausend Lords. Der Krieg gegen die Scheller dauerte 200 Jahre. Nur 50 entkamen der Vernichtung. Kickahas Job ist die Erledigung dieses Rests. Die Bezeichnung „private cosmos“ ist also pure Ironie. Denn dieser Privatkosmos ist nur eine zeitweilige Einnistung, bis der Wechsel zum nächsten Wirtskörper erfolgen kann.
Das Vorwort von Roger Zelazny
Roger Zelazny, selbst ein ausgewiesener Autor von SF und Fantasy, lobt den Kollegen in vielerlei Hinsicht. Am Schluss zitiert er sogar eine Stelle aus Shakespeares Drama „Antonius und Kleopatra“. Ob das auch passt, muss der Leser selbst beurteilen. Ich fand es eher befremdlich.
Die Übersetzung
Auch dieser Übersetzung von Martin Eisele ist nicht hundertprozentig zu trauen.
S. 23: „Auf halber Höhe des Monolithen entziehen Wolken, Wasser und Gischt […?] vor den Blicken der Menschen.“ Ja, aber was entziehen sie „den Blicken der Menschen“? Das wird hier nicht gesagt.
S. 78: „dass die nicht verfolgt wurden.“ Statt „die“ sollte es „sie“ heißen.
S. 155: „denn wie waren leer gewesen“: Statt „wie“ sollte es „sie“ heißen, damit der Satz einen Sinn ergibt.
S. 184: „bevor das Blau des Himmels sie verschlang.“ Eben war der Himmel noch grün gewesen… Vielleicht ist ja der blaue Ozean in der Tiefe gemeint.
S. 223: „Zuerst woll[t]e er essen…“ Das T fehlt.
S. 261: „Die drei Granaten waren zu weit entfernt…“ Diese Granaten sind zuvor nicht erwähnt worden, werden jetzt aber als bekannt vorausgesetzt. Dies deutet darauf hin, dass hier mindestens ein ganzer Absatz gekürzt wurde. Nur so passte das Kapitelende noch auf die gleiche Seite.
Unterm Strich
Neben dem preisgekrönten Roman „Die Flusswelt der Zeit“ (1953/1971) gehört der Zyklus „Die Welt der Ebenen“ zu den unterhaltsamsten und einfallsreichsten Werken des überaus produktiven Autors. Er hat sich als Paul Janus Finnegan alias Kickaha mit den gleichen Initialen wie sein eigener Name verewigt. Das führt bei der Figur Kickaha, dem Trickster-Archetypus, zu mancherlei überraschendem Wissen. Man kann sich darauf verlassen, dass immer etwas passiert. Dieser dritte Band ist keine Ausnahme.
Stellenweise sind die Wurzeln bei Edgar Rice Burroughs‘ John-Carter-Abenteuern auf dem Mars nicht zu übersehen, aber das sorgt für einen lebhaften Hintergrund für zahlreiche, exotische Abenteuer. Farmer hat das alte Muster – mit dem er ebenso wie mit Tarzan aufwuchs – gehörig erweitert und mit Tiefe versehen, ohne den Leser zu langweilen. An einer Stelle spekuliert über die Fortpflanzungsweise der Marsianer: Prinzessinnen und andere Marsianerinnen legen Eier, die in speziellen Kokons von der Sonne ausgebrütet werden. Kann das energietechnisch funktionieren? Kickaha hat schwere Zweifel.
Frauenfiguren sind die Würze in der Suppe, wenn es um Kickahas Abenteuer geht. Die Harpyie Podarge jagt ihn gnadenlos, wird aber bald selbst gejagt. Anana sieht genauso aus wie diese Figur, und das ist doch etwas gewöhnungsbedürftig. Aber Kickaha ist ein Mann ohne Vorurteile und nimmt sich viele Male Zeit, um nachzudenken. Schließlich vertraut ihm Anana und hilft ihm in der Not, wobei sie viel riskiert. Sie merkt eben, dass sie, indem sie ihm hilft, auch ihre eigenen Überlebenschancen erhöht: Zusammen ist man stärker.
Ausblick
Nach Angaben des britischen Literaturkritikers David Pringle ist der Auftaktband der beste der fünf Romane im Auftaktzyklus, und von da an wäre es mit der Qualität bergab gegangen. Da kannte er wohl noch nicht den ausgezeichneten Band 6: „Der Zorn des roten Lords“ (dt. bei Heyne , siehe meine Besprechung), und Band 7 ist noch nicht einmal übersetzt worden.
Hinweis
Wer auf gewitzte und farbenprächtige Abenteuer Wert legt, der ist hier an der richtigen Adresse. Weil das Buch von 1968 vor dem befreienden Antizensururteil des Obersten Gerichtshofs der USA (1968) geschrieben wurde, wird das Thema Sex fast völlig unterdrückt. Dabei galt Farmer als Tabubrecher. Anders behandelt er das Thema Nummer eins hingegen in seinem Debütroman „Die Liebenden“. Den sollte man ebenfalls kennen.
Fazit: 4,0 von 5 (für den gekürzten Absatz gibt es Punktabzug)
Hardcover: 303 Seiten,
O-Titel: A Private Cosmos, 1968;
Bechtermünz, Augsburg, 1999 (dt. Erstausgabe 1996 bei Knaur);
Aus dem US-Englischen von Martin Eisele
ISBN 9783828902633
Bechtermünz Verlag
Der Autor vergibt: