Philip José Farmer – Meister der Dimensionen (Welt der tausend Ebenen 01)

Abenteuerliche Reise durch die Welt der Ebenen

Robert Wolff, pensionierter Universitätsprofessor, hat sich schon lange damit abgefunden, dass sein Lebensabend sehr, sehr ruhig zu werden verspricht. Doch dann besichtigt er mit seiner Frau ein Haus und findet im Keller ein seltsames Horn, das er einsteckt. Als es ihm gelingt, tatsächlich einen Ton damit zu erzeugen, öffnet sich ein Portal durch Raum und Zeit. Wolff findet sich in der Welt der Tausend Ebenen wieder, einem künstlichen Planeten, erschaffen und kontrolliert von Lord Jadawin, dem Meister der Dimensionen. Als dieser auf den Fremden aufmerksam wird, beginnt für Wolff ein gefährliches Abenteuer quer durch alle Ebenen … (Amazon-Kindle-Verlagsinfo)

Der Autor

Philip José Farmer wurde bereits 1918 in North Terre Haute, Indiana, als Nachkomme von deutschen, niederländischen und irischen Vorfahren geboren. 1946 verkaufte er eine Kriegserzählung an das Magazin „Adventure“, sein erster Roman „The Lovers“ (Die Liebenden) erschien 1952 in „Startling Stories“ und brachte zum ersten Mal das Thema Sexualität in die (eher prüden) Science Fiction-Magazine seiner Zeit ein. Danach galt er als Tabubrecher. Viele seiner Werke zeichnen sich durch unterhaltende Themen und Erzählweise sowie durch Ideenreichtum aus. Das gilt auch für den fünfbändigen Flusswelt-Zyklus.

Einen wirklich gelungenen und illustrierten Geburtstags-Artikel hat die Bibliotheka Phantastika publiziert.

Die Welt der tausend Ebenen

The Maker of Universes (1965 – deutsch: Meister der Dimensionen und Kampf der Weltenmacher)
The Gates of Creation (1966 – deutsch: Welten wie Sand und Tor der Schöpfung)
A Private Cosmos (1968 – deutsch: Lord der Sterne)
Behind the Walls of Terra (1970 – deutsch: 1980, Hinter der irdischen Bühne)
The Lavalite World (1977 – deutsch: Planet der schmelzenden Berge)
Red Orc’s Rage (1991 – deutsch: Der Zorn des Roten Lords)
More Than Fire (1993)
Die Welt der tausend Ebenen (1983, Sammelband, Knaur Nr. 5766, ISBN 3-426-05766-2)

Handlung

Robert Wolff ist bereits 66 Jahre alt, als er den Klang des magischen Horns hört. Er steht in einem Raum eines Neubaus, den er mit seiner gleichaltrigen Frau Brenda kaufen will. Der liegt in Arizona auf dem ehemaligen Land der Hohokam-Ureinwohner, deren Ruinen inzwischen von Archäologen ausgegraben worden sind. Dem Ruf des Horns muss er folgen, denn der Klang öffnet das Tor in eine andere, lebendigere Welt. Der Hornbläser stellt sich als Kickaha vor, ein junger und recht lustiger geselle. Er lebt in einem tropischen Urwald voller Tiere.

Die Anderwelt

Brendas Rufen holt Robert zurück, doch nicht ohne das Horn – das natürlich keiner entdecken oder ihm vorenthalten darf. Spät in der Nacht kehrt Robert zurück, um in das Haus einzubrechen und das Horn zu blasen. Er entschlüpft dem Wachmann, der das Horn gehört hat, um Haaresbreite und landet in der Anderswelt. Da er Meeresrauschen hört, beschließt er, erst einmal zur Küste zu gehen.

Hier sieht er Männer und Frauen, die Fischschwänze aufweisen, sowie einen gestreiften Gorilla mit einer unbekleideten Begleiterin. Sie lachen sich halbtot über Roberts Bekleidung – und wenig später ist er die Klamotten los, geklaut von einer weiteren Bewohnerin des Waldes und des Strandes. Kinder kann er keine finden.

Das Meerwasser ist trinkbar, was wunderbar erfrischt, und bestimmte Früchte des Waldes stillen seinen Hunger. Diese Früchte und das Wasser scheinen dafür zu sorgen, dass er jünger wird. Seine Glatze verschwindet und er baut Muskeln auf. Alkohol aus der „Punschnuss“ betäubt seine Zahnschmerzen. Hier wird viel Alkohol aus der Punschnuss konsumiert…

Fragestunde

Als Professor für alte Sprachen erkennt er, welche Sprache diese Leute verwenden: Es ist das alte Mykenisch, das sogar noch älter als das Äolisch-Ionische ist, das Homer für seine Epen verwendete. Das war vor rund 3200 Jahren. Erstaunlich, aber er erhält die Auskunft, dass der Schöpfer Bewusstseine verpflanzen kann. Immer, wenn er fragt, heißt es: „Der Herr hat diese Welt geschaffen.“ Hartnäckiges Fragen bringt ihm zwar befremdete Blicke ein, aber man zeigt wenigstens auf die himmelhohen Berge, die sich jenseits des Okeanos erheben.

Außenseiterinnen

Begriffe wie Tod sind hier unbekannt, aber es gibt wenigstens eine Frau, die bereit ist, darüber zu sprechen. Elikopis ist eine Außenseiterin, weil sie keiner Horde angehört. Sie berichtet von Chryseis, einem Mädchen, das jegliche Gesellschaft scheut: Sie wurde Zeugin einer Tötung. Chryseis ist Robert ein vertrauter Name. So hieß die Tochter eines Apollonpriesters, die von AgamemnonFahrenheit beansprucht wurde, was wiederum zu allerlei Ärger im Lager der Griechen führte, als sie eigentlich Troja erobern wollten. Schließlich musste er sie zurückgeben und verlangte als Entschädigung von Achill dessen Gefangene Briseis. Da geriet er an den Rechten! Der Fürst der Myrmidonen hätte ihm fast den Schädel eingeschlagen, hätte Athene es ihm nicht untersagt.

Chryseis ist nicht leicht zu finden. Erst als er wieder in die Gegend gelangt, wo er Kickaha – der nirgends zu finden ist – gesehen hat, stößt er auf sie. Es ist schwierig, ihr Vertrauen zu gewinnen, aber die Tatsache, dass er Kickahas Horn besitzt, überzeugt sie, dass er freundlich gesonnen ist. Allerdings muss sie ihm sagen, dass es schreckliche Wesen gibt, die vom Schöpfer ausgesandt worden sind, dieses Horn wiederzubeschaffen: Offenbar hat Kickaha es dem Schöpfer gestohlen.

Verfolgt

Kaum hat sie diese Warnung ausgesprochen, als Robert drei menschenaffenähnliche Gestalten erblickt, die mit Dolchen bewaffnet sind. Sofort verfolgen sie ihn, denn sie wollen offenkundig das Horn zurückhaben. Chryseis hilft ihm auf der Flucht und tötet sogar einen der Gegner mit einem spitzen Ast. Die Flucht führt sie über den Rand der Welt: Diese ist eine Scheibe, und weil jede Scheibe einen Rand hat, gibt es auch eine Wand, die sie hinunterklettern können. Sie verschanzen sich in einer Höhle. Robert erledigt drei Gegner, doch er hat nicht damit gerechnet, dass diese „Gworls“ sich an ihren langen Armen hereinschwingen würden. Sie schlagen ihn bewusstlos.

Als er erwacht, hängt er vom unteren Rand dieser Scheibenwelt, unter sich den grünen Himmel und mit einer Schlinge um den Hals…

Mein Eindruck

Das Taschen-Universum, das der Autor gebaut hat, erinnert ein wenig an die nordische Mythologie. Dort waren die Ebenen der Welt feinsäuberlich getrennt und auf Scheiben gestapelt. Die Mittelerde war für die Menschen reserviert, alle anderen für Götter, Riesen, Wanen, Zwerge und natürlich für Hel. Nun, die Scheiben der vorliegenden Welt sind etwas anders gestaltet, und was e mit dem jeweiligen Obermacker auf sich hat, ist eine umstrittene Sache: Der aktuelle Herr der Ebenen ist ein Thronräuber. Er hat die günstige Gelegenheit genutzt, als der alte Oberherr verschwunden ist.

Die Ebenen (vgl. S. 115/116):

1) Mythologischer Paradiesgarten: alle sind unschuldig, werden aber von den Gworls gejagt und erlegt.
2) Ebene von Podarge, der verstoßenen Harpyien-Fürstin (halb Frau, halb Adler): In ihrem Auftrag sind Kickaha und Robert unterwegs: Sie sollen das zurückgestohlene Silberhorn zu ihr bringen, um die Götterdämmerung einzuleiten. Ihre Adler dienen als Boten, denn sie können sprechen.
3) Amerindia, aber vor 10.000 Jahren: Säbelzahntiger, Wollhaarmammuts, Löwen usw. Von hier stammt Kickaha. Er ist ein Häuptling seines Stammes – und er liebt Scherze wie den Diebstahl eines magischen Horns.
4) Drachenland: eine ziemlich tropische Gegend mit gewundenen Flüssen, wo leider viel Sklavenhandel getrieben wird. Antike Ruinen bieten Robert ein Schlupfloch, denn er wird von Sklavenhändlern gehetzt.
5) Atlantis: Es gab nur wenige Überlebende der Flut auf dieser Ebene.
6) Oberste Ebene: der Palast des Herrn der Ebenen, die mittels der oben erwähnten Silbersicheln und des Silberhorns zwischen Ebenen reisen kann.

Dieses Universum bietet verschiedene Fortbewegungsmethoden:

1) Das Silberhorn aktiviert durch eine Tonfolge „Resonanzpunkte“ auf den Ebenen und entführt den Benutzer dorthin.
2) Seile: müssen 9000 m lang sein; eigentlich nur für Gworls, aber Robert und Chryseis ersteigen die Mittelsäule trotzdem – ohne Seil.
3) Drei Hälften einer magischen Silbersichel. Legt man zwei Hälften zu einem Kreis zusammen und tritt in den Kreis, entführt einen die Sichel zur dritten Hälfte, mit der man dann weiterkommt.

Der Herr Janawid stellte sich Kickaha als „Vannax“ vor und hätte für eine solche Sichelhälfte alles gegeben, um auf seine Ebene zurückkehren zu können, doch Kickaha kam ihm zuvor. Das war zwischen 1945 und 1950, denn Kickaha nahm als Panzerfahrer an der Invasion des Dt. Reiches teil: sein wahrer Name lautet Paul Janus Finnegan. Im Heimatmuseum einer kleinen dt. Stadt entdeckte er eine Hälfte der Silbersichel und nahm sie als Andenken mit nach Hause, doch keiner konnte bestimmen, woraus sie gemacht war. Ein Artikel in einer Fachzeitschrift rief dann Vannax auf den Plan.

Die Herren des Palastes

Janawid ist der ursprüngliche Herr des Palastes und erschuf die Ebenen zu seinem Vergnügen. Die Rabenadler waren seine Späher und Botschafter. Er stammt aus einem anderen Universum. Als er auf der Erde festsaß (siehe oben), nahm ein anderer Außerirdischer namens Arwoor seinen Platz ein. Dieser heruntergekommene Typ hatte alles an Wissenschaft und Technik vergessen, sonst hätte er ein anderes Hilfsmittel gebaut, um die Ebene wechseln zu können.

Arwoor brachte als Helfer die gewalttätigen und gierigen Gworls mit. Denen konnte aber nicht trauen. Zu leicht hätten sie die Transferobjekte wie die Silbersichel oder das Silberhorn für sich selbst behalten und nutzen können. Er lässt die schöne Chryseis zu sich bringen, um ihr bestimmt grässliche Dinge anzutun, doch Robert kann sie ihm in Drachenland abjagen.

Viele Abenteuer

Man sieht also, dass der Hauptteil der Handlung aus einer langen, abenteuerlichen Reise besteht, die von mehr oder weniger abenteuerlichen Kämpfen begleitet sind. Romantik spielt zwar eine Rolle, denn es geht darum, Chryseis zu retten. Doch sobald der Junge das Mädchen hat, steht der Kampf gegen die Vaterfigur im Mittelpunkt, damit er das Mädchen auch behalten darf – und zudem sein eigenes Leben.

Archetypen

Die archetypischen Muster, die der Handlung zugrunde liegen, sind mit der Weltordnung der nordischen Mythologie kombiniert. Der Clou der Figuren darf natürlich nicht verraten werden, aber im allgemeinen dient ein solches Muster der Queste (vgl. Joseph Campbell) dazu, den Helden herausfinden zu lassen, wer und was er in Wahrheit ist. Nicht selten muss der Held entweder sterben oder die Welt der Toten besuchen, wie einst Odysseus, der in der Unterwelt den Seher Teiresias befragt.

Cyborgs

Interessant sind auch die Science-Fiction-Elemente der Handlung. Das tritt beispielsweise auf der obersten, der Herrscherebene ein Cyborg auf. Robert nennt ihn einen „Talos“, nach einem antiken Vorbild. Der Talos ist nicht allein, sondern tritt gruppenweise auf, und das wird für Robert umgehend zu einer schweren Herausforderung. Schwierig wird es erst, als der Herr des Hauses erscheint, um seine Rechte zu verteidigen: Arwoor.

Die Übersetzung

S. 21: „siebzig Grad Fahrenheit“ ist keine sonderlich hilfreiche Temperaturangabe. Fehler wie dieser belegen das bescheidene Niveau der Übersetzung.

S. 118: In diesem Satz ist der Wurm drin, vermutlich wegen einer falschen Endung, v.a. weil der Satz schier endlos ist: „Ah – ich vergaß zu erwähnen, dass die den Juwelensymbolen für die Notenfolgen auffallenden Merkmale der Resonanzpunkte den verschiedenen Ebenen nachgebildet waren. Einer sah wie ein seltsam geformter Felsblock aus…“ Vielleicht hilft es, wenn man „auffallenden“ durch „zugeordneten“ ersetzt. Dann ist alles ganz einfach.

S. 266: „Dort drüben… erstreckte sich der Gatten des Herrn…“: Gemeint ist wohl „der Garten des Herrn…“

S. 271: „nach wir vor nicht ernstlich verletzt…“: Es sollte „nach wie vor…“ heißen.

Unterm Strich

Neben dem preisgekrönten Roman „Die Flusswelt der Zeit“ (1953/1971) gehört der Zyklus „Die Welt der Ebenen“ zu den unterhaltsamsten und einfallsreichsten Werken des produktiven Autors. Er hat sich als Paul Janus Finnegan alias Kickaha mit den gleichen Initialen wie sein eigener Name verewigt. Das führt bei der Figur Kickaha, dem Trickster-Archetypus, zu mancherlei überraschendem Wissen.

Die Reise zur Erkenntnis

Aber auch Robert Wolff entpuppt sich als ein ganz anderer, als er selbst für möglich hielt. Es scheint nämlich eine Auswirkung der bloßen Präsenz auf der Welt der Ebenen darin zu bestehen, dass eine Figur nicht nur jünger wird, sondern zunehmend mehr Wissen und Erkenntnis – siehe oben – über sich erlangt. Wer Robert wirklich ist, darf hier nicht verraten werden. Aber wir gönnen ihm seine Chryseis, auch wenn sie wegen seiner langen Reise eine Fehlgeburt erleidet. Das ist die einzige Andeutung, dass das Paar möglicherweise Sex gehabt hat.

Frauen

Das genaue Gegenteil der treuen Chryseis ist Podarge, die Königin der Harpyien. Wer könnte es ihr verübeln, dass sie dauernd schlechte Laune hat? Auf ihr liegt ein Fluch des Oberherrn, der sie in eine Schimäre verwandelt hat, halb Frau, halb Adler. Kein Wunder, dass sie blutige Rache sucht, als Roberts bunte Truppe endlich in den Palast des Oberherrn eindringt. Ob ihr die Rache vergönnt ist, darf hier nicht verraten werden.

Meine Lektüre

Ich habe mich bestens unterhalten gefühlt. Nicht selten gerät der Held in die Bredouille (s.o.), aber noch öfter triumphiert er über die zahlreich auftauchenden Widersacher. Auf Amerindia kamen denn auch Erinnerungen an selige Lektürenächte mit Winnetou und Old Shatterhand auf, die die Prärie verteidigen – Robert und Kickaha haben es mit Kentauren zu tun, die von recht übler Gesinnung sind. Schon in diesem Scharmützel zeigt Robert, dass mehr in ihm steckt als das Auge sieht.

Ausblick

Nach Angaben des britischen Literaturkritikers David Pringle ist dieser Auftaktband der beste der fünf Romane im Auftaktzyklus, und von da an wäre es mit der Qualität bergab gegangen. Da kannte er wohl noch nicht Band 6: „Der Zorn des roten Lords“ (dt. bei Heyne ), und Band 7 ist noch nicht einmal übersetzt worden.

Hinweis

Wer auf gewitzte und farbenprächtige Abenteuer Wert legt, der ist hier an der richtigen Adresse. Weil das Buch von 1965 vor dem befreienden Antizensururteil des Obersten Gerichtshofs der USA erschien, wird das Thema Sex fast völlig unterdrückt. Dabei galt Farmer als Tabubrecher. Anders behandelt er das Thema Nummer eins hingegen in seinem Debütroman „Die Liebenden“. Den sollte man ebenfalls kennen.

Hardcover: 288 Seiten
Originaltitel: The Maker of Universes; 1965,
Aus dem Englischen von Martin Eisele.
ISBN-13: 9783828902634
Kindle-Ebook

www.weltbild.de

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