Paul Pietsch (Hrsg.) – Kawasaki GPZ 500 S ab Baujahr 1986 – Reparaturanleitung (Band 5136)

Das Bikerleben besteht nicht immer nur aus ungetrübter Freude am Fahren – es gibt Situationen, wo der Hobel streikt oder einfach nur regelmäßig gewartet werden muss. Wohl dem, dessen Bankkonto für solche Fälle stets einen Werkstattaufenthalt möglicherweise sogar beim Vertragshändler verkraftet. Wenn nicht, spart Selbermachen den einen oder anderen Euro. Andere wiederum genießen die trauten Stunden mit dem mechanischen Ross bei ellenlangen Bastel- und Wartungssessions, bis die Maschine wunschgemäß aufgepeppt den eigenen Wünschen und Ansprüchen gerecht wird und/oder sämtliche Wehwehchen liebevoll ausgemerzt wurden.

Egal zu welchem Kradler-Typ man gehören mag, ohne gewisse Informationen baut man bei der Reparatur in Eigenregie – selbst im semiprofessionellen Lager – zwangsläufig Murks. Hier setzt seit Jahrzehnten der Schweizer |Bucheli-Verlag| an und bringt meist schon kurz nach erfolgter Markteinführung eines neuen Motorradmodells (das gilt analog übrigens auch für die automobile Vierrad-Fraktion) eine detaillierte Reparaturanleitung auf den Markt. Kostenpunkt heute: 24,95€, damals waren es auch schon 44,95 Mark. In Deutschland übernimmt übrigens der Stuttgarter |Motorbuch-Verlag| (Herausgeber der Fachzeitschriften „Motorrad“, „PS“, „2 Räder“ sowie „Auto, Motor und Sport“ oder „Aerokurier“ u.a.) den Alleinvertrieb.

Inhalt und Beurteilung

Band 5136 behandelt Kawasakis erfolgreiches Mittelklasse-Bread-and-Butter-Bike der Achtigerjahre: GPZ 500S, ab Bj. 1986 (Typ EX500A bis B5). Auf spätere Modellrevisionen ab 1994 bis zur Einstellung der Reihe 2003 (Typ EX500D/E) sind die Montageanleitungen und (Einstell-)Daten nicht in allen Fällen übertragbar, da sich die neueren Varianten in einigen wichtigen Kernpunkten von der Ur-GPZ unterscheiden. Der Teufel steckt hier im Detail, denn davon wurden eine Menge verändert, wiewohl der grundsätzliche Aufbau von Fahrwerk, Rahmen und Motor weitgehend identisch ausfallen. Korrekt müsste der Titel somit eigentlich „[…] Baujahr 1986 bis 1994“ lauten.

Die Gliederung ist typischerweise immer gleich und beginnt ohne Einleitung mit der Modellübersicht und den technischen Eckdaten. Dass diese mittlerweile so nicht mehr stimmen, muss man stets berücksichtigen. Die technische Entwicklung ging auch an der EX500A-Reihe nicht spurlos vorbei, so ist die Leistung noch mit 27 PS angegeben, wiewohl die offene Version ganz legal mit TÜV- und Importeurs-Segen 60 PS raushauen darf. Auch die Bereifung ist längst nicht mehr Up-to-Date, statt der angegebenen 120er-Heckpellen sind mittlerweile 130er Pneus Usus geworden – mal abgesehen davon, dass zwischen damaligem und heutigem Material selbstverständlich Welten klaffen.

Oft sind moderne Produkte aus dem Zubehör den originalen Teilen nicht nur ebenbürtig, sondern überlegen. Denn: Kettensätze, Bremsbeläge, Zündkerzen sowie Motoröl und Bremsflüssigkeit u.a. haben einen Stand erreicht, den es zur Zeit der Drucklegung noch nicht einmal im Rennsport gab. So ist es grundsätzlich immer mit Vorsicht zu genießen, wenn die unbedingte Verwendung von „Originalteilen“ propagiert wird oder bestimmte Spezifikationen gefordert sind. Zum Beispiel ist die angegebene DOT3-Bremsflüssigkeit out und wurde unlängst von DOT4 abgelöst und wird von der GPZ klaglos vertragen. Solcherlei Dinge sollte man als Schrauber schon wissen.

Dabei ist es natürlich nicht Sinn und Zweck einer Reparaturanleitung, Tuning-Maßnahmen zum Aufdonnern des Zossen das Wort zu reden, etwa den Austausch der Serien-Auspuffanlage gegen potente Brülltüten. Nicht einmal so sinnvolles Tweaking wie: Standard-Bremsleitungen weg – Stahlflex dran, oder auch das Ausrüsten der Telegabel mit progressiven Federn anstatt der linearen Gurken. Beides höchst Sicherheitsrelevante Maßnahmen. Schön wäre es dennoch gewesen, wenn man wenigstens in späteren Auflagen auf solche unlängst bekannt gewordenen Schwachstellen eingegangen wäre – vielleicht nebst Vorschlägen, wie man das Bike hier eventuell optimieren könnte.

Sei’s drum. Auch so bietet das gute Stück genügend Rüstzeug, um selbst anspruchsvolle Projekte in Angriff nehmen zu können. Bis hin zum kompletten Zerlegen des Motors ist alles da, was man als ambitionierter Schrauber braucht. In erster Linie sind dies Fakten, Fakten, Fakten. Ohne Maße, Einstelldaten und Anzugsmomente ist man nämlich selbst bei weniger komplexen Aufgaben bald aufgeschmissen. Diese Sektion am Ende des Buches ist auch die am meisten genutzte. Kaum ein Wert, der nicht aufgeführt wurde – mit wenigen Ausnahmen, wie zum Beispiel die Anzugsmomente für Krümmer bzw. die Auspuffanlage insgesamt. Diese hat man entweder vergessen oder als unwichtig eingestuft, wobei ersteres wahrscheinlicher sein dürfte.

Als unabdingbares Hilfsmittel kommen auch reichlich Illustrationen zum Zuge. Als ausgesprochen hilfreich erweisen sich hierbei die Explosionszeichnungen, welche in den allermeisten Fällen besonders deutlich machen, wo welches Teil in welcher Reihenfolge hingehört. In der überarbeiteten Auflage sind auch Fotos enthalten, welche der Urfassung von 1992 fehlen. Dicht auf den Fersen, in der nach oben offenen Beliebtheitsskala, folgen die ausführlichen Stromlaufpläne für die gesamte Bordelektrik. Glücklicherweise ist die alte Dame zwar noch nicht so dem Elektronik-Overkill verfallen, es reicht aber auch so, was an den verwendeten elektrischen Bauteilen die kuriosesten Störungen hervorrufen kann. Wenn der Kupferwurm einmal gnadenlos zuschlägt ist man dankbar für die Schaltpläne, auf denen sogar die Kabelfarben verzeichnet sind, was die Fehlersuche immens erleichtert.

Man merkt bereits, dass wir uns hier teilweise in Gefilden bewegen, die der Gelegenheitsbastler aufgrund des hohen Levels der Arbeiten – vielleicht zurecht – lieber meiden wird. Trotzdem ist auch für Laien die Lektüre vieler Passagen nicht uninteressant und seine (hoffentlich erfolgreiche) Reise beginnt wohl zumeist in der Wartungs- oder gleich in der Diagnose-Tabelle zu Beginn. Hier sind eine Menge Fehlerquellen mit ihren typischen Symptomen thematisch sortiert aufgelistet. Hat man den vermeintlichen Knackpunkt eingekreist, verzweigt man in die passende Sektion. Dazu ist die Anleitung in 14 Teilabschnitte gegliedert, welche den verschiedenen Bau- und Funktionsgruppen des Motorrads zugeordnet sind. Hier stehen nun die in der Regel bebilderten Step-by-Step Anweisungen, wie was zu Zerlegen, zu Prüfen und wieder zu Montieren ist.

Das hierzu benötigte Werkzeug ist im Übrigen ebenfalls aufgelistet, das meiste davon dürfte aber sowieso in keiner gut sortierten Frickelbude fehlen. Es sei denn, es handelt sich um Kawa-Spezialwerkzeug, da wird die Sache dann schon kniffliger, diese rücken die Vertragswerkstätten bzw. Hersteller selbst ebenso ungern heraus wie die offiziellen Werkstatthandbücher, nach denen die Fachwerkstätten Reparaturen durchführen. Wenn überhaupt, dann für gewöhnlich auch noch zu einem horrenden Kurs. Beim Werkzeug kann man sich gut durch Selbstbauen (oder einem exzellenten Draht zum freundlichen Kawa-Dealer) behelfen, für den literarischen Teil genügt in 99% der Fälle der vorliegende Reparaturband, auch wenn er gegenüber den ausführlicheren Werkstatthandbüchern nicht ganz vollständig ist.

Fazit

Die Reparaturanleitung richtet sich vornehmlich an versiertere Schrauber. Natürlich dürfen auch lernwillige Einsteiger gern einen oder mehrere Blicke hineinwerfen, um viel über das Was und Wie an ihrer (überdies recht bastelfreundlich konstruierten) GPZ zu erfahren. Ob sich die 25-Euro-Investition lohnt, hängt also in erster Linie von bereits vorhandener (Werkstatt-)Ausrüstung, Fähigkeitsgrad und nicht zuletzt dem Willen ab, inwieweit man zukünftig Reparaturen vergleichsweise kostengünstig selbst erledigen kann. So gesehen hat man die Kohle mit einem gesparten Werkstattbesuch meist schon wieder raus – Spaß und Stolz bei und vor allem nach getaner Arbeit sind sowieso unbezahlbar.

Die Buchdaten auf einen Blick:

„Reparaturanleitung Kawasaki GPZ 500S ab Bj. 1986“ – Band 5136
Ersterscheinung 1992
Neueste (überarbeitete) Auflage: 2007
Bucheli-Verlag, CH-Zug
Vertrieb in Deutschland: Motorbuch-Verlag, Stuttgart
122 Seiten illustriertes/bebildertes DIN-A4 Softcover
ISBN-10: 3-7168-1839-9
ISBN-13: 978-3-7168-1839-8