Edgar Allan Poe – Teer und Federn (Folge 31)

_Revolutionäre Heilmethode: Teeren und Federn_

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Feeninsel“ beginnt die achte Staffel des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 30 Folgen sowie in dem Roman [„Lebendig begraben“,]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 erschienen bei |Bastei Lübbe|.

USA um 1850. Der Mann ohne Gedächtnis, einst Insasse eines Irrenhauses und Opfer einer medizinischen Behandlung, weiß nun, wer er ist: Edgar Allan Poe. In seinem Grab ruht ein namenloser Landstreicher. Doch mittlerweile ist er wieder eingesperrt worden: als Mörder und Hexer verurteilt, sitzt er in einer Zelle des Irrenasyls auf Blackwell’s Island.

Als seine Beinahegattin Leonie Goron in der Anstalt auftaucht, ahnt er nicht, dass sie den Beweis für seine Unschuld gefunden hat. Ihr Anblick, bei dem er sich nicht verraten darf, gibt ihm Auftrieb, um in den Untergrund unter seiner Bettstatt zu graben. So gelangt er in die Zelle nebenan. Der dortige Insasse gibt ihm einen Rat, wie er todsicher aus der Anstalt fliehen kann. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Die Insassen übernehmen die Anstalt!

Die |Edgar Allan Poe|-Serie von |STIL| bei |Lübbe Audio|:

#1: [Die Grube und das Pendel 1487
#2: [Die schwarze Katze 755
#3: [Der Untergang des Hauses Usher 761
#4: [Die Maske des roten Todes 773
#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: [Die Morde in der Rue Morgue 870
#8: [Lebendig begraben 872
#9: [Hopp-Frosch 1906
#10: [Das ovale Portrait 1913
#11: [Der entwendete Brief 1927
#12: [Eleonora 1931
#13: [Schweigen 3094
#14: [Die längliche Kiste 2510
#15: [Du hast’s getan 2518
#16: [Das Fass Amontillado 2563
#17: [Das verräterische Herz 2573
#18: [Gespräch mit einer Mumie 3178
#19: [Die Sphinx 3188
#20: [Scheherazades 1002. Erzählung 3202 (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: [Schatten 3206 (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: [Berenice 4394
#23: [König Pest 4408
#24: [Der Fall Valdemar 4420
#25: [Metzengerstein 4471
#26: [Die Flaschenpost 4946
#27: [Landors Landhaus 4966
#28: [Der Mann in der Menge 5000
#29: [Der Kopf des Teufels 5089

Achte Staffel (11/2008):

#30: [Feeninsel 5540
#31: Teer und Federn
#32: William Wilson
#33: Morella

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

Mehr von und über Edgar Allan Poe auf |Buchwurm.info|:

[„Faszination des Grauens 554“]
[„Edgar Allan Poes Meistererzähler“ 4832 (Hörbuch)
[„Der Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11, Hörspiel)
[„Der Doppelmord in der Rue Morgue“ 2396 (Hörbuch)
[„Der Streit mit der Mumie“ 1886 (Hörbuch)
[„Die Brille“ 1885 (Hörbuch)
[„Mythos & Wahrheit: Edgar Allan Poe. Eine Spurensuche mit Musik und Geräuschen“ 2933
[„Visionen“ 2554

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon zahlreiche Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie unter anderem mit dem |Bambi| und mit der |Goldenen Kamera| ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Edgar Allan Poe: Ulrich Pleitgen
Leonie Goron: Iris Berben
Direktor: Frank Glaubrecht (Pierce Brosnan, Kevin Coster, Al Pacino, Christopher Walken …)
Mr. Maillard: Klaus Wiesinger
Abraham Farry: Klaus-Dieter Klebsch (Alec Baldwin, Peter Stormare, Gabriel Byrne)
Sowie Ingo Albrecht (Dwayne ‚The Rock‘ Johnson, George ‚Superman‘ Newbern) und Kim Hasper (Jason Biggs, James Franco, Jamie Oliver).

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Giuliana Ertl, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 30 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

_Handlung_

Der Mann, der nun weiß, dass er Edgar Allan Poe ist, sitzt für diese Behauptung in der Irrenanstalt auf Blackwell’s Island ein. Er ist isoliert, und es gibt kein Entkommen. Die Wärter sprechen nicht mit ihm, und der Direktor lässt ihn so lange hinter Gittern, bis er seinen Wahn zugibt. Immerhin hat Poe belauscht, dass es in die Gebäudeflügel noch eine Zelle gibt. Ob sie wohl leer ist?

|Der Tunnel|

Seine Knöchel sind inzwischen blutig vom Abklopfen der Bodenplatten seiner Zelle. Doch unter seiner Bettstatt, die am Boden festgeschraubt ist, entdeckt er einen Hohlraum. Mit einem gestohlenen Löffel, dessen Diebstahl er einem Raben und einer Elster zuschreibt, gelingt es ihm, die Fugen um die Platte auszukratzen und die Platte anzuheben. Darunter befindet sich zu seinem Erstaunen eine Röhre, die ins Erdreich führt: ein Tunnel?

Bevor er hineinkriecht, hört er die entzückende Stimme Leonies. Sie gibt vor, eine Journalistin aus England zu sein, die sich für die Behandlungsmethoden der Stadt New York interessiert. Der liberal eingestellte Direktor führt sie gerne herum. Sie fragt nach Langzeit- und Kurzzeitinsassen: Werden sie unterschiedlich behandelt? Poe fragt sich, ob sie zu ihm kommen wird.

|Der Schatzsucher|

Doch der Tunnel führt nur in die benachbarte Zelle statt in die Freiheit. Dort sitzt ein alter Mann ein, der sich Abraham Farry nennt und Poe seine Geschichte erzählt. Er stamme aus einer europäischen Familie, die schon immer die Grenze der Zivilisation bevorzugte. Im Indianerland sei er auf einen Schatz gestoßen und vergrub das Gold in einer Hütte. Die Micmacs duldeten seine Anwesenheit, doch er beging den Fehler, einen ihrer Friedhöfe zu betreten. Dort sei er wahnsinnig geworden. Inzwischen habe er sich wieder erholt und jahrelang den Tunnel gegraben, den Poe benutzte.

|Der Plan|

Farry behauptet, er habe nur noch drei Tage zu leben, so krank sei er inzwischen. Doch selbst sein toter Körper könne Poe noch zur Flucht verhelfen. Dann erzählt er ihm, auf welche Weise dieser aus der Irrenanstalt entkommen könne: Poe müsse sich schuldig bekennen. Man werde ihn zum Tod am Galgen verurteilen und auf einem Karren zur Richtstätte fahren. Die Fahrt sei die einzige Gelegenheit, sich mit einem Werkzeug der Fesseln zu entledigen. Dieses Werkzeug müsse sich Poe zuvor aus einem Knochen Farrys zurechtfeilen. Poe habe nur diese eine Chance.

|Leonie|

Leonie besucht Poe – endlich! Doch der verrät sich kein einziges Mal, um seinen Plan nicht zu gefährden, und sie muss wieder gehen, ohne etwas erfahren zu haben. Als endlich alles bereit ist und Poe zum Galgen geführt werden soll, öffnet sich Poes Zellentür. Doch weder die gewohnten Wärter noch der Direktor stehen davor, sondern zwei Gentlemen, die sich Maillard und De Coq nennen. Sie führen Poe in einen Speisesaal, in dem bereits andere Insassen sitzen und auf Speis und Trank warten. Poe ist verwirrt: Wer sind diese Leute? Werden sie seinen Plan scheitern lassen?

Am einen Ende der Tafel ragt unheilvoll ein großes Gestell empor, das schwarz verhüllt ist. Was mag sich darunter verbergen?

_Mein Eindruck_

Die Irren übernehmen die Anstalt. Dieser oftmals gebrauchte ironische Ausdruck wird mitunter auf die Demokratie angewendet, meist natürlich von Verfechtern antidemokratischer Herrschaftsverhältnisse wie etwa Faschisten. Sie wollen Revolutionen des Volkes diffamieren und in Misskredit bringen. Doch in Poes ursprünglicher Geschichte dient die Übernahme einer neuartigen Heilungsmethode für Geisteskranke. Professor Feather und Dr. Tarr haben sie erfunden und versprechen sich erheblichen Erfolg, indem sie die Geisteskranke wie „Normale“ behandeln. Das klingt schon richtig modern: Endlich werden die Irren nicht mehr wie Vieh weggesperrt, sondern quasi resozialisiert. Müsste doch wunderbar klappen, oder?

Das lässt für Poes Schicksal wirklich hoffen. Doch wer die musikalische Version der Story anhört, die Alan Parsons auf „Tales of Mystery and Imagination“ veröffentlichte, der ahnt, dass das Unheil mit Riesenschritten naht. Nicht nur ist die Musik ganz schön rockig, um Gewalttätigkeit anzudeuten, sondern auch das Stimmengewirr signalisiert Chaos und Disziplinlosigkeit. Wo ist die Führung, wenn man sie braucht? Die Herren Maillard und Le Coq, die Poe abholen (ihre Namen bedeuten „Stockente“ und „Hahn“), richten herzlich wenig aus. Poe ahnt, dass Unheil droht.

Es tritt in zweifacher Gestalt auf. Erstens wird das aufragende Gestell enthüllt, doch ich werde nicht verraten, worum es sich handelt. Poe fährt der Schrecken in die Glieder. Und zweitens folgt auf die ungenehmigte Übernahme der Anstalt quasi die Konterrevolution: Der Direktor und seine Leute können sich befreien und greifen die Insassen der Anstalt an. Nun folgt eine sarkastische Anwendung des Systems von Prof. Feather und Dr. Tarr: Wie ihr Name schon sagt, finden Federn und Teer praktische Anwendung – an den Insassen. Dann stecken die Wärter sie in Brand …

Rette sich, wer kann, sagt sich Poe und verkrümelt sich an einen strategisch günstigen Ort: auf den Leichenkarren …

Man kann also diese hintersinnige Erzählung als Poes Parabel auf die französischen Revolutionen von 1789, 1830 und 1848 lesen. (Poe starb im Herbst 1849.) Mit sarkastischer Ironie fasst er die Ironie als eine dirigierte Heilungsmethode auf. Weil sie aber nicht von den zu Heilenden ausgeht, sondern von Wohlmeinenden, geht der Schuss nach hinten los und vernichtet die Aufständischen durch die gegenteilige Anwendung der Heilmethode seitens der Konterrevolutionäre. Das „System von Prof. Feather und Dr. Tarr“ ist als Heilmethode denkbar ungeeignet. Der Patient muss selbst wissen, was ihn heilen kann. Genau wie das Volk, das sich Besserung hofft, sich selbst helfen muss – wie etwa die Amerikaner.

_Die Inszenierung_

|Mr. Poe|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Aber Poe kann auch sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen.

Sehr beeindruckt war ich von Klaus-Dieter Klebsch und seiner Darstellung des Abraham Farry, einer wohl frei erfundenen Figur. In diesem Charakter steckt eine Menge Potentzal, denn wir erfahren von übernatürlichen Kräften der Farry-Sippe und von Farrys Leben unter den Indianern. An einer Stelle war ich an Stephen Kings [„Friedhof der Kuscheltiere“ 3007 erinnert, als es um den Indianerfriedhof der Micmac-Indianer ging. Ob Poe schon davon wusste, kann ich nicht sagen, aber H. P. Lovecraft kannte definitiv die dunklen Legenden über diese Begräbnisstätten in Neu-England, denn er ließ sie in manchen seiner Horror-Erzählungen auftauchen.

Iris Berben „spielt“ ein paar kurze Auftritte als Leonie Goron. Wieder erscheint Leonie als eine weltkluge Lady, die sich sehr um ihren Beinahe-Ehemann Poe bemüht. Sie wird ihn erst in der übernächsten Folge in die Arme schließen können.

|Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Aber sie werden nur ganz gezielt dort eingesetzt, wo sie einen Sinn ergeben. Die Geräusche in der Irrenanstalt sind teils lokal, teils entfernt. Lokal bedeutet in diesem Fall in Poes Zelle, in Farrys Zelle und im Speisesaal. Die Speisesaalszene ist geradezu surreal inszeniert, denn Poe glaubt ja, dass ihm nun sein letztes Stündlein geschlagen hat.

Die entfernten Geräusche bestehen aus Rabenkrächzen (man denke an Poes Gedicht „The Raven“), Elstern-Keckern und – tatsächlich – einem heulenden Wolf. Dies sind allesamt Signale des Todes: Poe befindet sich wahrlich „in profundis“. Sogar eine Glocke schlägt ihm die letzte Stunde, und ein penetrantes Uhrenticken im Speisesaal trägt auch nicht gerade zu seiner Beruhigung bei.

Diese untere Schicht von Geräuschen wird von der Musik ergänzt, die eine emotionale Schicht einzieht. Darüber erst erklingen die Stimmen der Sprechen: Dialoge, aber auch Rufe und sogar Schreie. Durch diese Klang-Architektur stören sich die akustischen Ebenen nicht gegenseitig, sind leichter aufzunehmen und abzumischen. Das Ergebnis ist ein klares Klangbild, das den Zuhörer nicht von den Informationen, die es ihm liefert, ablenkt.

|Musik|

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der jeweiligen Hauptfigur und ihres Ambientes darzustellen. Allenthalben ist Poes musikalisches Leitmotiv zu hören sowie der Chor „Dies illa, dies irae“, der das Verhängnis – „jenen Tag des Zorns“ – ankündigt.

Hinzukommen sehr tiefe, unheilvoll und bedrohliche wirkende Bässe. Sie werden von diversen elektronisch erzeugten Sounds ergänzt, die ich einfach mal der Musik zuschlage. Diese Sounds klingen teils metallisch kalt und bedrohlich, teils bestehen sie aus Rumpeln und Grollen, und das ist ja auch nicht gerade beruhigend. Je surrealer die Szene im Speisesaal der Irren wirken soll, desto dissonanter fallen die Kadenzen der Musik aus. Diese Szene gipfelt nicht in einem Fiasko oder einer Katastrophe, sondern in einem Massaker. Kann Poe dem entrinnen?

Ein Streichquartett und Musiker des Filmorchesters Berlin wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht. An der Musik gibt es absolut nicht auszusetzen. Für die jüngere Generation mag sie aber zu klassisch orientiert sein. Rockige Klänge finden Jüngere eher in |LPL|s „Offenbarung 23“ oder „Jack Slaughter“.

|Der Song|

Jede Folge der Serie wird mit einem Song abgeschlossen, und in jeder Staffel gibt es einen neuen Song. Diese Staffel enthält den Song „You see“ von der deutschen Gruppe |[Elane.]http://www.powermetal.de/review/review-12848.html |Die Stilrichtung entspricht einem weiterentwickelten Celtic Folk Rock, wie er von der Gruppe |Clannad| in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelt wurde. Auch bei |Elane| wird englische mit gälischer Sprache kombiniert.

Die Musik verbindet Romantik und sehnsuchtsvolle Mystik, was einerseits durch die Instrumentierung, zum anderen durch den mehrstimmigen Frauengesang betont wird. Zu den Instrumenten, die für Folk Rock obligatorisch sind, gehören die akustische Gitarre, die Harfe und die Flöte. Dass Drums, E-Gitarre und E-Bass eine elektrisch verstärkte Rhythmusgruppe bilden, wurde schon von |Clannad| als Standard etabliert. Besonders interessant bei |Elane| ist die Mehrstimmigkeit.

Ich konnte zwei tiefe Frauenstimmen ausmachen und eine hohe Frauenstimme, also Alt und Sopran. Die Überlagerungen machen die Harmonien zu einer kniffligen Angelegenheit der gegenseitigen Abstimmung, sonst können leicht Disharmonien oder gar Rhythmusstörungen entstehen. Soweit ich hören könnte, gelingt die Polyharmonie jedoch durchweg einwandfrei – Applaus.

_Unterm Strich_

Diese Folge fängt erst ganz langsam an, steigert sich dann in einem Wendepunkt des Ausbruchs und der Hoffnung, um dann in einem furiosen Finale seinen garstigen Höhepunkt zu erreichen. Das ist klassische Tragödiendramaturgie, wie man sie seit der Antike kennt. Das Dumme ist nur, dass sie dem modernen jungen Zuhörer einiges an Geduld abverlangt.

Doch die Geduld wird belohnt, und so zähle ich auch diese Folge zu den gelungeneren. Was man allerdings vom „System des Prof. Feathers und Dr. Tarr“ mitbekommt, ist herzlich wenig. Das macht aber nichts. Es gab schon viele Folgen, in denen fast nur ein Leitmotiv aus einer Poe-Story übernommen wurde, so in „Kopf des Teufels“. Dennoch kann man sich mit einiger Phantasie vorstellen, dass es hier um Revolution (als Umwälzung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse) und Konterrevolution geht.

|Das Hörspiel|

Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wie viel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode stimmungsvoll und zuletzt surreal und actionreich zu gestalten. Ein Highlight ist für mich die Szene in Abraham Farrys Zelle, wo wir nicht nur einen völlig anderen Blickwinkel erleben, sondern Poe auch ein Rettungsplan vorgelegt wird.

|70 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3687-6|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.elane-music.de