Frederik Pohl & Cyril M. Kornbluth – Eine Handvoll Venus

Das Narrenschiff Erde

In einer übervölkerten Welt soll ein Raumschiff Kolonisten zur Venus bringen. Die Fowler Schocken Werbeagentur hat dafür die Exklusivrechte und will das Unternehmen möglich profitabel einfädeln. Mitch Courtenay wird Leiter des Programms. Doch gemäß der Devise „Geschäft ist Krieg“ sieht er sich im Handumdrehen als Zielscheibe für mehrere Anschläge, denen er glücklich entgeht. Erst in der Antarktis erwischt ihn der Gegner – er landet ganz unten: unter den verachteten Konsumenten. Doch wer ist sein ominöser Gegner?

Die Autoren

1) Frederik Pohl

Der Werbefachmann, Autor, Literaturagent und Herausgeber Frederik Pohl, geboren 1919 in New York City, ist ein SF-Mann der ersten Stunde. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte er der New Yorker „Futurian Science Literary Society“ an, bei der er seine späteren Kollegen Isaac Asimov und Cyril M. Kornbluth kennenlernte. Von 1940-41 war er Magazinherausgeber, wandte sich dann aber dem Schreiben zu.

Als er sich mit Kornbluth zusammentat, entstanden seine bekanntesten Romane, von denen der beste zweifellos „The Space Merchants“ (1952 in „Galaxy“, 1953 in Buchform) ist. Er erschien bei uns unter dem Titel „Eine Handvoll Venus und ehrbare Kaufleute“ (1971/2009). Darin kritisiert er auf bissige, satirische Weise die Ausbeutung des Weltraums. Ebenso erfolgreich ist seine Gateway-Trilogie, die zwischen 1977 und 1984 erschien und von denen der erste Band drei wichtige Preise einheimste.

2) Cyril M. Kornbluth

Wie auch in dem mit Frederik Pohl geschriebenen Roman „Eine Handvoll Venus und ehrbare Kaufleute“ (1953) nimmt Cyril M. Kornbluth (1923-58) bestimmte Yankee-Eigenheiten satirisch auf die Schippe. Erzählungen wie diese bedeuteten erstmals eine Abkehr von der optimistischen, himmelsstürmenden SF des Golden Age (Heinlein, Asimov, van Vogt usw.) und eine deutliche Hinwendung zu den „weichen“ Wissenschaften wie Soziologie und Psychologie. Der Mensch – und die Erde – rückten in den Mittelpunkt der Betrachtung und nicht eine Idee aus den technischen Naturwissenschaften, wie sie bislang vorherrschten.

Soziale und menschliche Probleme spielten nun eine Rolle. Auf diese Weise wurden Kornbluth zu einem Wegbereiter der SF der soziologischen, alle Grenzen sprengenden SF der sechziger Jahre (New Wave in USA und GB), die eine Literaturgattung war, die man ernstnehmen konnte (man denke etwa an John Brunners „Morgenwelt“ und Thomas M. Dischs „Camp Concentration“). Leider setzte sein früher Tod mit 35 Jahren seiner Karriere ein jähes Ende.

Handlung

Etwa um das Jahr 2100 ist die Erde völlig überbevölkert, so dass alle Ressourcen wie Platz, Luft, Wasser, Nahrung streng rationiert sind. Die Bevölkerung besteht zu fünfzehn Sechzehnteln aus praktisch rechtlosen Konsumenten und zu einem Sechzehntel aus der Starklasse. In diese möchte natürlich jeder so schnell wie möglich aufsteigen. Das geht am besten über die alles beherrschenden Werbeagenturen, die weltumspannende Konzerne darstellen: Schocken und Taunton. Allerdings gibt es eine konservative (Consies) Naturschutz-Bewegung (Natschus), die der totalen Ausbeutung der irdischen Ressourcen einen Riegel vorschieben möchte. Sie wird gnadenlos verfolgt, u.a. mit dem Vorwurf des Terrorismus.

Mitchell Courtenay arbeitet bislang als Produktionsmanager in der Werbeagentur Fowler Schocken, doch an diesem Morgen hat das Schicksal anderes für ihn vorgesehen: Sein Chef macht ihn zum Leiter des neuen Venus-Programms. Seit die Agentur von der US-Regierung die Exklusivrechte zur Ausbeutung des Planeten erhalten hat, will Schocken alles daran setzen, die Kolonisierung in Gang zu setzen. Abteilungen wie „Industrial Anthropology“ kümmern sich um die Details.

Die Rakete wird gerade in Arizona gebaut, für 1500 Passagiere. Nun muss man nur noch die Konsumenten, diese dämliche Masse Mensch, dazu bringen, dieses teure Unternehmen sowohl gutzuheißen als auch aktiv zu unterstützen. Eine Propagandamaschine von historischen Dimensionen soll anlaufen.

Anschläge

Doch die Gegenseite schläft nicht. Eines Abends betritt Mitchell erschöpft seine immer noch recht kleine Wohnung, als ihm die Kugeln um die Ohren fliegen. Er sieht eine Gestalt, die sich vom Fenster abseilt. Wenige Tage später trifft er sich mit dem einzigen Raumpiloten, der je seinen Fuß auf die Venus gesetzt hat. Jack O’Shea ist vielleicht nur einen Meter groß, aber er schafft es dennoch, Mitchell aus dem Weg eines weiteren Anschlags auf einem Flughafen zu schieben. Er entgeht nur um Haaresbreite einem tödlichen Objekt. Ein weiterer Terrorakt der Natschus?

Dennoch legt sich Mitch keine Leibgarde zu. Vor allem weil er seine Ehefrau auf Zeit, die Chirurgin Kathy, alleine sehen will. Leider scheint sie zu zweifeln, ob er der Richtige ist. Oder sie hat andere Gründe, ihn zappeln zu lassen. Als Chirurgin fällt es ihr leicht, zeitmangel vorzuschützen. Doch eines Tages beginnt sie, sich für seine Arbeit zu interessieren. Mitch ist mehr als glücklich, ihr alles zeigen zu dürfen.

Little America

Als Mitch entdeckt, dass sein Rivale Matt Runstead gegen ihn intrigiert. Als er mit Kathy das Büro Runsteads in San Diego inspiziert, findet er dort statt emsiger Mitarbeiter nur Faulenzer und Nichtstuer vor. Er löst die Abteilung, die eigentlich einen Feldtest arrangieren sollte, sofort auf und sucht Runstead. Der, so sagt ihm seine Sekeretärin Hester, weile aber in Little America, also am Südpol.

Der Südpol, das versteht sich, ist längst eine Touristenfalle, die Fowler Schockens Starrzelius Corporation gehört, einem Tabak- und Kaffeehersteller (beide Produkte machen selbstverständlich ihre Konsumenten süchtig). Hier muss Mitch hinaus auf den Gletscher, aber der Schutz durch einen Polaranzug, ein Proviantpaket und einen Peilsender lässt ihn seine Platzangst überwinden und die Expedition wagen. Doch als er Runstead endlich erreicht, schlägt ihn dieser K. O.

Alternativkarriere

Mitch erwacht erst wieder auf einem Frachter, der nach Costa Rica unterwegs ist: mit menschlicher Fracht. Unbekannte haben seine Papiere und seine eintätowierte Sozialversicherungsnummer gefälscht: Nun ist er George Groby, ein schanghaiter Schuldsklave, der für die Chlorella Corporation Algen abschöpfen soll. Algen sind die wichtigste Nahrungsquelle der Welt, nachdem sämtliche Viehbestände den Menschen weichen mussten und alle Wildtiere längst ausgerottet worden sind.

Im Hochhaus der Chlorella Corp. lernt Mitch die Hölle der Konsumenten am eigenen Leib kennen. Nur etwas kann ihn daraus befreien: sein Talent als Werbetexter, das er seinem bisherigen Erzfeind, den Natschus, zur Verfügung stellt …

Mein Eindruck

Der Roman erschien 16 Jahre vor John Brunners bahnbrechendem Zivilisationskaleidoskop „Morgenwelt“ (Stand On Zanzibar), aber dennoch nimmt er zahlreiche von dessen Horrorszenarien vorweg. 99% aller Nahrungsmittel werden künstlich hergestellt, die restlichen sind der Starklasse vorbehalten. Produkte machen grundsätzlich süchtig, denn sie werden so entworfen. Werbebotschaften wirken stets unterschwellig, so dass selbst im entlegensten Hotel ein unbewusstes Bedürfnis nach dem „richtigen“ Produkt vom „richtigen“ Hersteller darüber entscheidet, was man konsumiert.

Turbokapitalismus

Der US-amerikanische Turbokapitalismus ist in der Gegenwart längst in vollem Gange, denn nachdem die Amerikaner 1945 in zwei Hemisphären siegten, haben sie derart viele und große Absatzmärkte hinzugewonnen, dass sie die Eroberung eines neuen Planeten aufwiegen – und diese Märkte wollen geformt, erobert und verteidigt sein gegen Unternehmen, die vielleicht mehr Marketingpower aufweisen.

In Deutschland etwa kann man bis heute in bestimmten Sparten wie Wasch- und Reinigungsmitteln oder Kosmetik kaum ein Produkt kaufen, das nicht von einem US-amerikanischen Konzern oder dessen Töchtern hergestellt worden. Als ich in den sechziger Jahren aufwuchs, führte kein Weg an Produkten wie Hershey (Schokolade), Wrigley Gum, Colgate (Zahnkrem) und Ovomaltine (Ersatzkaffee) vorbei.

Ketzerei

Die vorliegende Satire auf diese amerikanischen Eigenheiten und Unternehmen wird vom Werbetexter Pohl aus eigener Erfahrung detailliert beschrieben und mit bissigen Kommentaren versehen. Pohl ist überzeugter Marxist und verfügt über das intellektuelle Rüstzeug, um den Kapitalismus fundiert anzugreifen. Aber sein Held Mitch Courtenay wird gewissermaßen konvertiert, indem er die Konsumenten und die Ökos kennenlernt. Als er seinem früheren Chef Schocken wiederbegegnet – er war zwischenzeitlich für tot erklärt worden -, erzählt er diesem, was er in Costa Rica gelernt hat – Ketzereien, gegen die sich Schockens Verstand sperrt, um keinen Schaden zu erleiden (S.242):

1) Die Interessen von Produzenten und Konsumenten sind nicht identisch;
2) Die meisten Menschen auf der Welt sind unglücklich;
3) Arbeiter finden nicht automatisch die für sie am besten geeignete Beschäftigung;
4) Unternehmer halten die Regel „hart, aber fair“ nicht ein;
5) Die Consies [= Ökos] sind normal, intelligent und gut organisiert.

All diese Ketzerien kommen uns heute völlig selbstverständlich vor. Kein Wunder, denn die freien Medien halten uns laufend über alle entsprechenden Vorgänge rund um den Globus informiert. Aber in „Space Merchants“, das in der McCarthy-Ära erschien, gibt es keine freien Medien, sondern nur Sprachrohre der Konzerne, die Lügen und Halbwahrheiten verbreiten.

Die Regierungen haben ebenfalls nichts mehr zu melden, denn die Lobbyisten haben ganze Arbeit geleistet und sie alle eingesackt. Als Mitch im Kongress endlich den Startschuss für den Venusflug geben will – er ist wieder ganz oben angelangt -, tritt Tauntons Seite mit lancierten Verleumdungen über einen gewissen Natschu namens George Groby auf. Ein großartiger Tumult ist die Folge. Nur ein kleiner Mann, der sich „Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika“ nennen darf, rettet Mitchs Leben.

Die Frontier

Der Venusflug und dessen Zweck, die Kolonisierung der Venus durch Pioniere, greifen den US-Mythos vom Kampf an der Grenze, der Frontier, wieder auf. Dieser Mythos war während der 1930er bis -40er Jahre für die SF bestimmend, wie Richard Morgan in seinem Vorwort erhellend nachweist und kritisiert. Bei Pohl und Kornbluth steht aber nicht das – extrem riskante – Unternehmen an sich im Vordergrund, sondern dessen Vermarktung, also der Verkauf ans amerikanische Volk, dessen Steuergelder in das Projekt fließen.

Es ist ein wahrhaft perverses, aber typisch kapitalistisches Projekt: Die Verbraucher blechen für einen sauteuren Flug zu einem wüsten, unbewohnbaren Planeten, dessen Erschließung Unsummen verschlingen wird. Die Konzerne mit den Abbaukonzessionen werden das Eisen usw., das sie abbauen, wieder meistbietend in verarbeiteter Form (Metallwaren usw.) an die Konsumenten verhökern. Damit die Produktionskosten nicht aus dem Ruder laufen, werden wie bei Chlorella Corp. nur Billigstarbeiter in Schuldkechtschaft eingesetzt. Das heißt, wie ein beliebiger Schuldsklave in Indien oder bei Schockens „Indiastries“ – ein ganzer Subkontinent als verlängerte Werkbank der USA – schuften die Arbeiter, bis der Tod sie erlöst.

Bei Chlorella, der konzernmäßigen Algenfarm, führen die Autoren dieses Ausbeuterprinzip bereits vor und desavouieren es. Alle Mitarbeiter dieses Konzerns verlangen von „George Groby“, ehemals unser lieber Starklassen-Werbetexter, Schuldscheine und leihen ihm Geld, selbst die Gewerkschaft. Nicht genug der ewigen Verschuldung, muss er zusätzlich Steuern zahlen und einen „Wohlfahrtsfonds“ der Firma unterstützen, so dass ihm keinerlei Verdienst übrigbleibt, sondern lediglich eine endlose Schuldenspirale. Pohl und sein Ko-Autor werden an dieser Stelle wirklich deutlich. Es ist als zitierten sie aus Marx und Engels, allerdings so, dass keiner es merkt.

Erzählstil

Aber der Roman weist auch deutliche Hinweise dafür auf, dass er einst als Serie in einem amerikanischen SF-Magazin erschien. Die Story eilt von Cliffhanger zu Cliffhanger, ist gespickt mit Szenenwechseln und gewalttätigen Auseinandersetzungen, die schließlich im erwähnten Tumult in den heiligen Hallen des US-Kongresses gipfeln. Ich habe das Buch aufgrund seines hohen Unterhaltungswertes in nur einem Tag verschlungen.

Aber was wäre ein Abenteuergarn wie dieses ohne Romantik? Mitch hat eine Frau zu erobern, Kathy, doch die gute Kathy ist ein falscher Fuffziger. Um sie dennoch zu erobern, muss sich unser Held ganz schön ändern und ihr schließlich ihren größten Wunsch erfüllen, was auch immer dieser sei. Sie verlangt die Venus, nichts Geringeres. Soll sie haben, meint er. Sie will mit ihren Natschu-Genossen dort ein grünes Paradies aufbauen. Aber dass er mit ihr fliegen soll, damit hat Mitch nicht wirklich gerechnet …

Übersetzung und Zensur

Die erste Übersetzung stammt aus dem Jahr 1971 und ist schwer zensiert. 2009 fertigte der Heyne-Verlag auf dieser Ausgangsbasis eine überarbeitete und ergänzte Übersetzung an, die folgende Aspekte berücksichtigt: Es gibt so etwas wie Homosexualität, in den USA und anderswo. Als Mitch ein Quartier im Wohnturm der Chlorella Corp. wählen soll, wird dies ziemlich unverblümt ausgesprochen: Hier leben „nette junge Männer …“

Dass auch Frauen homosexuell sein könnten, wird verschlüsselt ausgedrückt. Dass selbst Hetero-Sex kein Spaß ist, weil es allenthalben an Platz mangelt (es sei denn, man heißt Schocken), wieder hin und wieder, mehr oder weniger komisch, zur Sprache gebracht, so etwa auf dem Venusflug. In einer Szene muss sich Mitch eine öffentliche Dusche mit einer wildfremden Frau teilen, weil Platz und Frischwasser so knapp sind. Normalerweise duscht man mit Salzwasser. Falls man nicht gleich in einem der Treppenhäuser der Wolkenkratzer übernachten muss …

Schwächen

So hoch auch dieses Verdienst der Offenheit ist, so auffällig sind dann doch die Defizite der Neuübersetzung. Der Leser wird mit zahlreichen Abkürzungen bombardiert, die keine Fußnote erklärt. Der Buchstabensalat soll zwar satirisch wirken, doch manche Abkürzung wäre besser in einer Fußnote erklärt worden. Dazu gehört G. O. P., die „Grand Old Party“, die für die Republikaner steht (S.38). Sie wird an dieser Stelle als „irre Organisation“ bezeichnet, was ich schon für bemerkenswert halte. Wie irre Bush, Reagan und Co. sind, zeigt sich immer deutlicher.

Dass auf S. 41 von „FDR“ die Rede ist, werden viele Leser erkennen: FDR steht für Franklin Delano Roosevelt, also einen verdienstvollen US-Präsidenten. In New York City ist eine Stadtautbahn nach ihm benannt. „Chi“ auf Seite 281 bedeutet „Chicago“. Das habe ich soeben erst aus den Erzählungen von Dashiell Hammett (1894-1961) gelernt.

Auf den Seiten 249 und 250 geht es darum, welche Stimmanteile gemäß Anteilscheinen den Nachfolger des verblichenen Fowler Schocken festlegen. Die Rechenbeispiele demonstrieren, wie der Aktienkapitalismus funktioniert: Je mehr Firmenanteile man besitzt, desto höher ist das eigene Stimmrecht. Leider wurde hier die US-amerikanische Notierung von Zahlen direkt übernommen. Statt 3,5 heißt es also 3.5 und statt 0,875 steht hier .875. Das muss man erstmal kapieren. Völlig ratlos war ich dann bei dieser Zahl: „M$(hoch 2)0.1“ auf S. 249. Heißt dies etwa „Millionen Dollar im Quadrat mal 0,1“?

Gut finde ich hingegen die Titelillustration. Auf der Atmosphäre des Planeten – Venus? – prangt das Logo eines bekannten Brauseherstellers. Das passt wie die Faust aufs Auge.

Unterm Strich

Der Titel „Eine Handvoll Venus“ lehnt sich nicht ohne Hintersinn an den Westerntitel „Für eine Handvoll Dollar“ an. Der Venusflug ist ein einziger aufgelegter Schwindel, und der Mann, der den Schwindel verkaufen soll, ist der Held der Geschichte. Jemand will ihn aus der Welt schaffen, um selbst die Milliarden zu scheffeln, die das wahnwitzige Unternehmen einbringen soll.

Unversehens findet sich der Starklassen-Texter ganz unten in der Plebs der Konsumenten wieder, für die er bisher nur Verachtung übrig gehabt hat. Einer der vielen Streiche ironischer Kritik besteht darin, dass es Mitch mit Hilfe der sogenannten Öko-Terroristen schafft, wieder an die Spitze und nach Luna City zu Kathy und Schocken zu gelangen.

Der Gipfel der Ironie besteht darin, dass die Ökos den ersten Venusflug antreten. Sie sind also auch nicht besser als die Starklasse, und Mitch ist ebenso ein Narr wie alle anderen. Von belehrendem Zeigefinger kann also keine Rede sein, denn der Held verkündet keine Weisheiten, sondern ist nur ein weiterer Narr. Das unterminiert den hehren Frontiermythos: Es waren entweder Narren wie diese und/oder knallharte Geschäftsleute, die die amerikanische Grenze eroberten. Der Leser zweifelt, ob er eines von beiden gut finden sollte.

SF der fünfziger Jahre

Die kritischen Ansätze der Weltschilderung habe ich bereits aufgezeigt. Wie Richard Morgan bemerkt, kann man sich heute nur respektvoll wundern, wie es dem Herausgeber Horace Gold gelang, eine derart ketzerische Story in seinem SF-Magazin „Galaxy“ zu veröffentlichen, während gleichzeitig Senator Joseph McCarthy seinen „Ausschuss für unamerikanische Umtriebe“ nach Gesinnungsverbrechern schnüffeln ließ. Dashiell Hammett sollte vor diesem dubiosen Gremium aussagen, weigerte sich und landete sechs Monate im Bau.

Horace Gold war es auch, der die ersten Storys aus Bradburys Roman „Fahrenheit 451“ und Alfred Besters Roman „Der brennende Mann / Tiger! Tiger!“ abdruckte. Morgan lobt besonders Robert Sheckley als Vorbild, vergisst aber, Philip K. Dick zu erwähnen. Man kann also nicht sagen, dass die reaktionäre Science-Fiction vom Schlage eines Heinlein oder Asimov die Oberhand hatte. Vielmehr tun sich die genannten Neuerer bis heute schwer, die Masse der Leser zu erreichen, die ihren Büchern eigentlich zustünde. „Der brennende Mann“ ist bis heute nie verfilmt worden, Bradburys „Fahrenheit 451“ aber von keinem Geringeren als Francois Truffaut.

Taschenbuch: 301 Seiten
Originaltitel: The Space Merchants, 1952/53
Aus dem US-Englischen von Helga Wingert-Uhde (1971) und Werner Bauer (2009)
ISBN-13: 978-3453523944
www.heyne.de