Terry Pratchett , Paul Kidby – Wahre Helden

Mit Cohen dem Barbaren begegnet der Pratchett-Fan einem alten Bekannten aus den frühen Rincewind-Romanen. Unser verehrter Unfähiger taucht natürlich ebenfalls auf, dito seine Truhe und einige Mentoren von der Unsichtbaren Uni. Diesmal betätigt sich Rincewind als „Space Cowboy“! Houston, bitte… – pardon: Ankh-Morpork, bitte kommen!

Handlung

Als einer der letzten wahren Helden ist Cohen der Barbar mit seinen Kollegen von der Grauen Horde – allesamt bis an die Zähne bewaffnete Tattergreise – aufgebrochen, um den Göttern zurückzugeben, was ihnen einst von einem gewissen Prometheus gestohlen wurde: ihr Feuer. Und zwar in einem kleinen Fass, das eine höchst explosive Substanz enthält. Sollte diese Bombe hochgehen, so wäre dies das Ende. Für alle, für immer.

Aber nicht jeder ist wirklich dafür – wen wundert das auf der Scheibenwelt schon. Und kein Geringerer als Lord Vetinari, der verdienstvolle Herrscher von Ankh-Morpork, erhält von „höherer Stelle“ (ich sage nur: T.P.) den Auftrag, die Scheibenwelt vor ihrem Ende zu bewahren.

So brechen schließlich drei kühne Männer gen Mittelpunkt der Weltenscheibe auf, zum Götterberg Cori Celesti. Darunter der ruhmbekleckerte Zauberer Rincewind, der erfinderische Leonardo Da Quirm – der u.a. grinsende Mona Lisas malt – und Hauptmann Karotte, der aufrechte Wächter von der Stadtwache, mitsamt seinem Ikonographen.

200 feuerspeiende Sumpfdrachen ziehen das erste flugtaugliche Raumschiff, das über den Rand der Welt hinausfliegt, um die selbige zu retten. Doch vor die Rettung haben die Götter, allen voran Lady Luck und das blinde Schicksal, noch haufenweise Hindernisse gelegt. Unterdessen versucht Cohen einem romantischen Barden „behutsam“ beizubringen, wie man eine Heldensaga komponiert…

Mein Eindruck

„Wahre Helden“ liest sich flüssig wie aus einem Guss in einem Stück weg. Die Geschichte ist spannend, besonders durch den fortwährenden Szenenwechsel, und komisch: wir kennen die Figuren und ihre Eigenheiten. Außerdem lassen sich reihenweise Anspielungen und Zitate finden, die natürlich parodiert und ironisch gebrochen werden. Eine wahre Fundgrube für den Kenner der Popkultur: Filme (Clint Eastwood und Xena lassen grüßen), Bücher (Clarke’s „2001“), Musik (Barden), natürlich auch gestaltende Kunst (Leonardo!).

Zweitens gibt es hier wirklich etwas zu sehen. Von der Scheibenwelt betrachten wir nun nicht nur die Ober- und Unterseite, sondern auch ihren Rand, die Säulen der Elefantenbeine („Mein Gott! Es ist voller Elefanten!“, eine Anspielung auf Kubricks „2001“) und ihren Mond. Der Wunder ist kaum ein Ende, denn auch die verschiedenen Lebensformen werden haarklein beschrieben – schließlich ist dies eine außerirdische Expedition, nicht wahr? Anspielungen auf Science-Fiction-Film-Versatzstücke wie etwa ein Missionskontrollzentrum, ein blinder Passagier („Ugh!“), eine Mondlandung und vieles mehr bereiten höchstes Vergnügen.

Der Preis dieses Werkes mag vielleicht hoch erscheinen, aber ich finde ihn sogar noch niedrig angesetzt. Denn die vierfarbigen Reproduktionen der Gemälde Paul Kidbys (siehe unten) sind sehr aufwändig, ebenso wie der Satz des daran angepassten Textes. Es wäre ein Jammer, müsste man diesen Text alleine in einem mickrigen Taschenbuch lesen – so mager wie die Unterschrift Leonardos auf einer leeren Leinwand statt auf der „Mona Lisa“.

Da es also einerseits wenige Käufer dieses Werks geben dürfte, dürfte es andererseits in wenigen Jahren bereits ein begehrtes Sammlerstück geworden sein.

Über die Künstler

Über Pratchett braucht man keine Worte mehr zu verlieren, denke ich: Jeder kennt ihn. Das Buch wurde aber illustriert von Paul Kidby, dessen Beitrag mindestens ebenso wichtig ist. Seine meisterhaften Gemälde und Zeichnungen sind bis in jede Einzelheit ausgefeilt und machen diesen Band so zu einem Schaustück wie auch zu einem Kabinett der skurrilen Entdeckungen.

So findet der genaue Beobachter stets ein weiteres witziges Detail in den Konstruktionszeichnungen sowie in den biologischen Beschreibungen erfundener Wesen wie etwa der Drachen auf dem Scheibenweltmond, die so ziemlich das Gegenteil ihrer triefäugigen Vettern aus den Sümpfen der Scheibenwelt selbst darstellen.

Leider hat man die Beschriftungen nicht aus dem gekünstelten Akademiker-Englisch des Originals übertragen. Deren Schrift entstammt einer merkwürdigen Type, die man so woanders kaum finden dürfte. Das A beispielsweise hat keinen Querstrich. Das deutsche Gegenstück wären wohl gotische Lettern gewesen, und auf die verzichte ich dankend.

Nicht zuletzt sollte man dem deutschen Übersetzer A. Brandhorst danken, der so viele Anspielungen verstehen und übertragen musste. Er hat einen ausgezeichneten Job gemacht.

Gebundene Ausgabe: 176 Seiten