Anthony Pratt – Cluedo (DVD-Brettspiel)

Digitale Schnüffelei

Es scheint derzeit sehr beliebt, einstige Spieleklassiker fürs digitale Zeitalter neu aufzupeppeln und aus dem klassischen Brettspiel ein interaktives Vergnügen zu machen, welches den Geist der Ursprungsversion in die Moderne führt. Gerade bei |Parker/Hasbro| hat sich in diesem Bereich während der letzten Jahre so einiges getan, wenngleich die Verfechter der alten Originale dieser Entwicklung eher skeptisch gegenüberstehen. Auch bei „Cluedo“, dem wohl bekanntesten und berühmtesten Detektivspiel aller Zeiten, durfte man gespannt sein, inwiefern die DVD-Variante an die Genialität des bereits 1949 erstveröffentlichten Debüts anknüpfen kann, zumal der Klassiker aus der Feder von Anthony Pratt in seiner Sparte als nahezu unangetastet gilt.

Doch die digitale Improvisation lässt sich diesbezüglich absolut nicht lumpen. So hat man das übliche Spielschema noch mit zehn festgelegten Fällen erweitert, die um einiges kniffliger sind als der sogenannte Hauptfall, bei dem man lediglich erforschen muss, welche Person wann und wo einen vorher festgelegten Gegenstand gestohlen hat. Davon abgesehen ist auch das neue Design um ein großes Stück fortschrittlicher; das Spielbrett erstrahlt in neuem Glanz, die üblichen Verdächtigen werden mit einer tollen Figur gewürdigt und die Navigation durch das interaktive Menü bringt dem Spiel ganz neue Möglichkeiten, die einen schon nach der ersten Runde zum vorläufigen Resümee bringen, dass das DVD-Brettspiel seinen Vorgängern noch einiges voraus hat – und daher sowohl für Einsteiger als auch Fortgeschrittene die erste Wahl sein sollte.

Die Hintergrundgeschichte

Chaos in Schloss Neubrunn; kurz vor den Feierlichkeiten in der Herberge des Grafen Eutin ist ein wichtiger Gegenstand gestohlen worden. Doch worum handelt es sich bei dem rätselhaften, verschollenen Irgendwas? Wer hat sich das Diebesgut zu Eigen gemacht? Und wo hat er es entwenden können? Zu welcher Tageszeit war der Gauner respektive die Gaunerin aktiv?

Mit Hilfe des Butlers James und der tatkräftigen Unterstützung von Inspector Brown machen sich die Spieler daran, den Fall langsam aber sicher aufzuklären und über verschiedene Hinweise und verschlüsselte Informationen die Liste der Tatverdächtigen stetig einzuschränken. Allerdings ist Vorsicht geboten; auch die übrigen Schnüffelnasen machen bei ihren Ermittlungen Fortschritte – und das größte Lob gilt schließlich nur demjenigen, der den mysteriösen Fall hat aufklären können.

Spielmaterial

• 1 DVD
• 1 Spielbrett
• 42 Karten
• 10 Spielfiguren
• 1 rote Lupe
• 1 Diebstahlakte
• 1 Detektiv-Notizblock
• 4 Vorhängeschlösser

Die Materialien in der Schachtel des „Cluedo DVD-Brettspiels“ muss man aus zweierlei Sicht betrachten. Zunächst einmal wäre da die Originalität der zugrunde liegenden Struktur. So besitzen die Karten auf ihrer Rückseite jeweils mehrere verschlüsselte Symbole, die man mit der Lupe entziffern muss, um diejenigen Karten auszusortieren, die später für die individuellen zehn Falldarstellungen benötigt werden. Des Weiteren ist auch das Spielbrett eine echte Augenweide und bietet auch dem Auge des Hobbydetektivs einige optische Reize, die der älteren Variante bisweilen abgingen. Und mit den witzigen Spielfiguren bringt man eine weitere Komponente ein, die das gesamte Setting noch authentischer gestaltet. In dieser Hinsicht kann man also nur lobende Worte verlieren.

Ganz anders schaut’s indes bei der Stabilität des Materials aus; enttäuscht musste ich beim Öffnen der Schachtel feststellen, dass der Griff der Lupe bereits abgebrochen war, und das ohne jegliche Fremdeinwirkung. Darüber hinaus sind auch die Spielfiguren und die Diebstahlakte recht empfindlich, was bei mehrfacher Verwendung – und davon ist sicherlich auszugehen – zu raschen Verschleißerscheinungen führen wird, die wiederum die Optik zweifelsohne trüben werden. Und auch der Detektiv-Notizblock wird eines Tages aufgebraucht sein, wenngleich er schon ziemlich dick bestückt ist.

Optik plus Funktionalität vs. Stabilität; was dies betrifft, gibt es beim „Cluedo DVD-Brettspiel“ pro und kontra, und beides sollte eben nicht unerwähnt bleiben.

Spielaufbau

Zu Beginn einer jeden Partie werden die Gegenstandskarten aussortiert und die Karten mit Tatorten, Verdächtigen und Tageszeiten gemischt und unter den beteiligten Spielern aufgeteilt. Vorab werden außerdem die Karten herausgesucht, auf denen die drei bzw. vier gesuchten Tatbefunde (je nachdem, ob man einen vorgegebenen oder eben den Hauptfall wählt) zutreffen, dies aber natürlich verdeckt, da es ja letztendlich darum geht, herauszufinden, was auf diesen Karten steht. Jeder Spieler startet mit seiner Figur im Beweisaufnahmeraum im Zentrum des Spielfelds seine Ermittlungen und erkundet von dort aus die einzelnen Tatorte.

Egal, ob man sich nun für einen der zehn vorgegebenen Fälle oder doch für den flexibleren Hauptfall (bekannt aus dem Ursprungsspiel) entscheidet, so ist das grundsätzliche Procedere doch jedes Mal gleich. Ein Spielzug besteht aus insgesamt zwei Zügen, die sich jedoch ein wenig variabel gestalten lassen. Als Erstes bewegt man seine vorab bestimmte Figur immer auf dem Spielfeld von einem möglichen Tatort zum nächsten. Gegebenenfalls verwendet man hierzu auch einen Geheimgang, muss dabei jedoch eventuell eine durch die DVD vorgegebene Hürde bestehen (z. B. eine seiner Karten abgeben). Hierbei versucht man, immer wieder Hinweise zu bekommen und in die Karten der anderen Spieler Einblicke zu erhalten, denn jede Karte, die sich nicht in der Diebstahlakte befindet, gibt weiteren Aufschluss darüber, welches Wer, Was, Wo bzw. Wann man auf seinem Notizblock ankreuzen und für den weiteren Fall ausschließen kann.

Hat man seine Figur nun entsprechend ein Feld weiterbewegt, gibt es mehrere Möglichkeiten. Man kann entweder einen Verdacht aussprechen und Vermutungen äußern, was wann und wo geschehen ist und wer genau dahintersteckt. Sollten aber mittlerweile auch schon der Butler und der Kommissar integriert sein – dies geschieht bereits zu einem frühen Zeitpunkt des Spiels und wird von der DVD angekündigt – kann man auch ihre Hinweise und Notizen lesen und wieder weitere Dinge aus seiner Liste auf dem Notizblock als unverdächtig markieren.

Sollte man sich dazu entschließen, einen Verdacht zu äußern, geschieht dies folgendermaßen: Man nennt drei der insgesamt vier Tatelemente und versucht somit, den Kreis der Verdächtigen zu verkleinern. Ein Verdacht könnte also folgendermaßen aussehen: Konrad hat im Speisezimmer das Fernrohr gestohlen. Nun gilt es für die Mitspieler, diese Behauptung zu überprüfen und nach Möglichkeit zu widerlegen. Im Uhrzeigersinn schaut jeder nach, ob er eine der drei genannten Karten auf der Hand hält. Der erste Spieler zur Linken beginnt nun; hat er tatsächlich eine oder gar mehrere gefragte Karten auf der Hand, wählt er eine aus und zeigt sie verdeckt dem derzeit aktiven Detektiv. Dieser notiert nun, was er gesehen hat. Sollte sich zum Beispiel Konrad als Karte beim Nachbarn in der Hand befunden haben, steht fest, dass er nicht mit der Tat in Verbindung steht. Der Kreis der Verdächtigen ist also wieder um eine Person verringert worden. Eine Klausel gilt es allerdings zu beachten. Sollte in die Verdachtsäußerung auch das Wo einbezogen werden, darf man immer nur Tatorte benennen, an denen man sich selber derzeit aufhält. Es ist also nicht möglich, in der Halle die Vermutung zu äußern, dass der Diebstahl im Salon stattgefunden hat.

Sollte man indes noch nicht genügend aufschlussreiche Indizien gesammelt haben, lohnt es sich auch, den Butler zu fragen, der still und heimlich seine Beobachtungen macht und allen Mitspielern transparent neue Informationen gibt. Auch der Kommissar hat von Zeit zu Zeit neue Hinweise, die er auf einem Notizzettel hinterlegt, den man schließlich mit der Lupe auf dem Fernseher dechiffrieren bzw. anschließend im Begleitheft nachschlagen muss, nachdem man erfahren hat, auf welcher Seite man den Hinweis finden wird. Ab und zu versteckt der Komissar auch Gegenstandskarten an verschiedenen Tatorten, die man einsehen kann, wenn man dort seine Begabungen als Detektiv bei einer kniffligen Aufgabe bewiesen hat. Dies durchzuführen gilt ebenso wie die Hinzunahme des Butlers respektive des Kommissars sowie die Äußerung eines Verdachts als ein möglicher zweiter Schritt, nachdem man seine Figur in der ersten Spielphase um ein Feld vorwärts bewegt hat.

Im Laufe des Spiels greift der Kommissar dann immer häufiger ins Geschehen ein und treibt die Ermittlungen unerbittlich voran. Immer öfter muss man nun eine seiner Karten offen in den Beweisaufnahmeraum legen, so dass jeder Spieler stetig neue Informationen bekommt und sich die Vermutungen zur Tat verdichten. Allerdings ist Eile geboten, denn sollte jemand keine Karte mehr auf der Hand halten und wird aufgefordert, eine solche abzulegen, scheidet er vorzeitig aus.

Spielende

Ist sich jemand nun endgültig sicher und glaubt, er kann den Tathergang genauestens rekonstruieren, begibt er sich ins Beweisaufnahmezimmer und erhebt Anklage. Nun prüft er mit der Lupe auf dem Bildschirm jedes einzelne Indiz nach und erhält schließlich Auskunft, wie viele seiner Vermutungen richtig sind. Sollten dies gleich alle vier sein, hat er den Fall aufgeklärt und das Spiel gewonnen. Liegt er indes falsch, muss er für jeden falschen Verdacht eine weitere Karte abgeben. Auch hier gilt: Gerät er diesbezüglich in eine Bringschuld und kann keine Karten mehr nachlegen, ist das Spiel für ihn oder sie vorzeitig vorüber.

Variation im Hauptfall

Der Hauptfall unterscheidet sich durch den oben beschriebenen Hergang der zehn vorbestimmten Fälle insofern, dass der Gegenstand, der gestohlen wurde, bereits bekannt ist. James kann demzufolge auch keine Hinweise geben, und auch der Kommissar weiß nichts über den Verlauf der Tat. Dementsprechend ist auch die Suche ein wenig beschwerlicher. Wer nämlich zum Schluss Anklage erhebt, ist gezwungen, in die Diebstahlakte zu sehen und zu vergleichen. Hat er dabei auch nur einen falschen Verdacht, ist das Spiel sofort für ihn zu Ende, da er nun schon die Lösung kennt.

Persönlicher Eindruck

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich das klassische „Cluedo“ bis dato nie besessen habe und nur noch ganz entfernte Kindheitserinnerungen in mir herumtrage, die nun aber wieder vollkommen aufgeblüht sind, nachdem die komplett überarbeitete Variante zum ersten Mal auf den Tisch gekommen war. Allerdings war mir das Spiel definitiv nicht mehr als derart genial im Hinterkopf geblieben, obwohl mir auf jeden Fall bewusst war, dass es über eine riesige, ständig wachsende Fangemeinde verfügt.

Wie auch immer, die DVD-Version von „Cluedo“ hat von Beginn an große Begeisterung hervorgerufen; alleine schon die durch das Filmmaterial geschaffene Atmosphäre ist wahrlich einzigartig und versetzt einen in eine Zeit, in der Meisterdetektive wie Sherlock Holmes zu Legenden reiften. Die musikalische Untermalung, die plötzlichen Einwürfe des Kommissars, die verstrickten Hinweise des Butlers und generell die Zusammenfügung der unterschiedlichsten Hinweise transferiert den Spieler auf sehr authentische Art und Weise in die Rolle eines geheimen Schnüfflers und macht besonders die neu hinzugekommenen zehn Fälle zu einem echten Schmankerl, welches im Rahmen der Serie sicher noch weiter ausgebaut werden sollte. Schließlich sollte es ein Leichtes sein, eine DVD-Erweiterung mit wieder neuen Fällen zu konzipieren. Doch das ist erst einmal Zukunftsmusik.

Erst einmal gilt es sicherlich, die Skepsis der Zweifler einzudämmen, was durch besagte Atmosphäre eigentlich schon zum größten Teil erledigt sein sollte. Darüber hinaus gefällt auch der allgemeine Aufbau sowie die Navigation durch das DVD-Menü auf Anhieb. Zwar wünscht man sich bisweilen, dass man nicht ständig die OK-Taste bedienen müsste, aber insgesamt ist die Struktur leicht verständlich, spieltechnisch ziemlich ausgereift und mit einem diesbezüglich sehr guten Spannungsbogen versehen. Dazu gehört auch die Art und Weise, wie Hinweise und Einschnitte ins Szenario eingebaut werden. Es geschieht recht häufig, dass dadurch ein fast schon als zwingend richtig erwiesener Tatverdacht wieder ad absurdum geführt wird, weil James und Brown mit neuen Fakten daherkommen. So bleibt das Spiel bis zur letzten Sekunde spannend, bis sich schließlich die Verdächtigungen erhärten und man sicher sein kann, bei der Anklage richtig zu liegen.

Genau an diesem Punkt offenbart „Cluedo“ aber eine nicht zu unterschätzende Schwäche: Es ist nämlich schon so, dass alle Detektive bei ihren Ermittlungen auf einem gleichen Level Fortschritte erzielen und man den Gegenübern nicht wirklich viel vorenthalten kann. Daher ist es zum Schluss häufig so, dass sich die letzten Züge zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen in Richtung Beweisaufnahmeraum entwickeln und derjenige das Spiel gewinnt, der von vornherein am günstigsten positioniert ist. Dies ist insofern ungünstig, als mehrere Spieler den Fall aufgedeckt haben, aber keiner mehr die Chance bekommt, dies zu beweisen. Erst nach mehreren Spielen entwickelt man zur Vermeidung eines solchen Settings Strategien durch geschicktes Ausspielen seiner Karten (bei Aufforderung des Kommissars), soll heißen man entwickelt ein Händchen dafür, welche Infos man besser für sich behält und wie man die Konkurrenten täuschen kann. Aber gerade zu Beginn tritt das nicht ganz ideale Finale häufiger auf.

Nichtsdestotrotz weiß das DVD-Brettspiel zu „Cluedo“ die ermittelnde Spielgemeinschaft in seinen Bann zu ziehen. Das Konzept wurde wirklich sehr fortschrittlich ins digitale Zeitalter transferiert, das generelle Spielprinzip noch einmal gehörig erweitert und mit den Mitteln der cineastischen Begleitung außerdem eine Atmosphäre kreiert, innerhalb derer das Spiel gleich doppelt Spaß macht. Aus diesem Grunde sollten selbst diejenigen, die bereits das Original im heimischen Regal platziert haben, noch einmal überlegen, ob sie nicht auch zur neuzeitlichen Version greifen möchten, da der Spielspaß in dieser definitiv noch einmal ausgebaut wird. Von der Vielzahl der digitalen Brettspiele, die meinerseits bislang getestet wurden, hat jedenfalls keines so gut abgeschnitten wie „Cluedo“, weshalb ich ruhigen Gewissens resümieren kann, dass es gelungen ist, einen viel geliebten Klassiker noch einmal um einige Nuancen zu verbessern. Wirklicht toll gemacht!

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