Régine Deforges – Lola. Erotische Variationen

Pariser Frauen im Liebeskampf

„Lola“ erzählt 13 Geschichten von Liebe und Wollust, von Verführungen und Verirrungen, Träumen und sinnlichen Genüssen, heimlichen Wünschen und Ausbrüchen wilder Leidenschaft – Geschichten von den Frauen einer Stadt, die wie keine andere mit den Liebenden im Bunde ist. (Verlagsinfo)

Die Autorin

Régine Deforges (* 15. August 1935 in Montmorillon, Département Vienne; † 3. April 2014 in Paris) war eine feministische französische Schriftstellerin und Erotikliteratur-Verlegerin. Sie begann als Journalistin in Paris, bevor sie mit ihren Büchern „Zärtliches Tagebuch“ (rororo Nr. 4493) und „Der schwarze Milan“ (rororo Nr. 4926) als Autorin erotischer Romane Aufsehen erregte. Von 1989 bis 1992 war Deforges Präsidentin des französischen Schriftstellerverbandes, der Société des Gens de Lettres de France (SGDL) (wörtlich: Gesellschaft der Literaten Frankreichs). (Wikipedia & Verlagsinfo)

Romane

La Révolte des nonnes. (Fayard, 1981), adaptiert für eine franz. Fernsehserie als L’Enfant des Loups 1991
Die Wölfin von Poitiers. Roman. Aus dem Französischen von Sylvia Strasser. Lübbe, Bergisch Gladbach 1984, ISBN 3-404-10434-X.
L’Orage. (Éditions Blanche, 1986)
Das Unwetter. Roman. Aus dem Französischen von Ginette Kirn. Ullstein, München 2000, ISBN 3-548-24689-3.
Pour l’amour de Marie Salat. (Éditions Albin Michel 1987)
Sous le ciel de Novgorod. (Fayard, 1989)
Rencontres ferroviaires. (Fayard, 1999)
Die Reisende. Roman. Aus dem Französischen von Hilde Wollenhaupt. Ullstein, München 2001, ISBN 3-548-24989-2.
La Hire, ou la colère de Jeanne. historischer Roman über Jeanne d’Arc
Le collier de perles (Éditions Albin Michel, 2004) ISBN 2-226-15510-4 / 2006: Le Livre de Poche (LGF), ISBN 2-253-11767-6.

Das blaue Fahrrad

1981: La Bicyclette bleue. (Fayard) / 1987: Le Livre de Poche (LGF)
2001: Das blaue Fahrrad. Roman. Aus dem Französischen von Sylvia Strasser und Claus Sprick. Ullstein, München, ISBN 3-548-25070-X.
1983: 101, avenue Henri Martin. (Fayard) / 1987: Le Livre de Poche (LGF)
1999: Die weiße Lilie. Roman. Aus dem Französischen von Hilde Wollenhaupt. Ullstein, München, ISBN 3-548-24569-2.
1985: Le Diable en rit encore. (Fayard) / 1988: Le Livre de Poche (LGF)
2002: Das rote Leuchten. Roman. Aus dem Französischen von Hilde Wollenhaupt. Ullstein, München, ISBN 3-548-25314-8.
1991: Noir tango. (Fayard) / 1993: Le Livre de Poche (LGF)
1994: Rue de la Soie. (Fayard) / 1996: Le Livre de Poche (LGF)
1996: La Dernière colline. (Fayard) / 1999: Le Livre de Poche (LGF)
1999: Cuba libre!. (Fayard) / 2001: Le Livre de Poche (LGF)
2001: Alger, ville blanche. (Fayard) / 2003: Le Livre de Poche (LGF)
2003: Les Généraux du crépuscule. (Fayard) / 2005: Le Livre de Poche (LGF)
2007: Et quand vient la fin du voyage. (Fayard 2007)

Die Erzählungen

1) Lola oder Das kleine Mädchen mit den schwarzen Strümpfen in St. Germain-des-Prés

Lola ist wegen einer Versteigerung aus London in ihre Heimatstadt Paris gekommen. Sie in einem Café in St. Germain-des-Prés, als die nahe Mädchenschule kurz vor Mittag ihre Tore öffnet und ihre Schützlinge entlässt. Eines der Mädchen fällt ihr sofort auf: blonder Engel in schwarzen Kleidern. Der Mann, der hinter Lola sitzt, holt sich heimlich einen runter. Der Engel ist ein Teufel. Und ja, sie trägt schwarze Strümpfe.

2) Lili oder Beim Tanztee

Lili ist nicht mehr taufrisch und erinnert sich noch an die Vorkriegsjahre, als es auf der Champs-Elysées überall Tanzcafés gab, wo sich hoffnungsvolle Erwachsene beiderlei Geschlechts ungezwungen treffen konnten, um nach dem Tanz in ein diskretes Hotel zu gehen. Heute interessiert sich ein junger Mann für Lili, sie ist erfreut und nimmt seine Aufforderung zum Tanz an.

Hinterher lädt sie ihn zu sich aufs Zimmer ein und schläft mit ihm. Sie ist sehr zufrieden, bringt ihm noch ein paar Kniffe bei. Ihr Angebot einer Bezahlung weist er entrüstet von sich, bevor er sie flugs verlässt. Für eine Entschuldigung ist’s nun zu spät. Vielleicht am nächsten Abend.

3) Léone oder Das Bahnhofsrestaurant

Léone sitzt mit ihren beiden Kindern Jacques und Sophie im Bahnhofsrestaurant, um den Abschied der beiden in die Winterferien bei Genf zu genießen. Sie sollen mit Léones Mutter den nächsten Zug nehmen, der sicher bereits wartet. Léone freut sich nicht gerade darauf, die grauen Wintertage im grauen Paris verbringen zu müssen.

Daher kleben ihre Blicke gerade an den beiden jungen Männern um die dreißig, die das Restaurant betreten. Sie sind offensichtlich Freunde und, o Wunder, sie wollen ebenfalls nach Morzine bei Genf. Einer der beiden gibt Léone geflissentlich Feuer, wenn sie eine Zigarette rauchen will.

Am Bahnsteig ist Abschied von Kindern und Maman angesagt, doch wie ist es mit den beiden Männern, bei deren Anblick Léones Unterbewusstsein Überstunden macht? Der Zug fährt bereits an, doch sie warten bereits im letzten Waggon auf Léone – und entführen sie kurzerhand. Darauf einen Schampus! Es wird eine Nacht, an die Léone noch viele Male zurückdenken wird…

4) Lucette oder Das schöne Milchmädchen aus der Rue Mouffetard

Lucette ist die lichtblonde „weiße Königin“ der Rue Mouffetard, denn ihr Leib ist so füllig und weiß, dass ihre weiblichen Attribute nur so strahlen, insbesondere ihr heller Teint. Sie erinnert nicht nur Jeannot, den Zwerg, an eine pralle Milchkuh, sondern auch den Metzger Victor, der nur wenige Häuser weiter mit seiner Frau, der „Schwarzen Königin“, residiert. Victor lädt Lucette wieder einmal zu einem Schäferstündchen ein. Sie bestimmt den Ort und die Zeit.

Durch den Hinterhof voller Katzen wandelt Lucette in einem hellgrünen Kleid, das kaum ihre Rundungen fassen kann, in den Schlachtraum von Victors Metzgerei. An diesem Ort, dessen Blutgeruch Lucette ungemein erregt, hat Victor für sie eine Nische abgesperrt, die mit allerlei indischen Andenken und Büchern gefüllt ist. Es duftet nach Jasmin. Denn die beiden teilen nicht nur die Freuden, die das Fleisch bereithält, sondern auch einen Traum: eine Reise nach Indien. „Noch fünf oder sechs Monate“, säuselt Victor, bevor er sie auszieht…

5) Laura oder Die Baustelle in der Rue de Chazelles

Ihr neuer Liebhaber ist ein schräger Vogel: Er will, dass sie sich für andere Männer interessiert. Doch sie ist verklemmt und schimpft, obwohl sie das heimlich anmacht. Er fährt mit ihr durch den Bois de Boulogne, um ihr zu zeigen, wie dort die Nutten die Freier ansprechen und mit ihnen mit mitfahren. Schließlich fährt mit ihr in die Rue de Chazelles, wo in einem unfertigen Rohbau, der sich zwischen Bürgerhäuser schmiegt, offenbar ein Klub eingerichtet worden ist. Doch was für ein Service wird hier geboten, fragt sie sich. Man muss sogar warten, und dabei sieht sie einen bekannten. Der will jedoch lieber nicht erkannt werden.

Als sie sich ausgezogen hat und vorgelassen wurde, erkennt sie, wie hier Männlein und Weiblein miteinander fröhlich vögeln. Ist das hier was für Swinger, fragt sie sich, bevor ihr Geliebter sie ins Gemenge schubst. Er nimmt sie, dann ein anderer, Frauen küssen sie, und sie kommt viele Male. Hinterher bedanken sich die anderen Damen und küssen sie zum Abschied. Sie ist jetzt erst recht scharf und will es von ihrem Geliebten besorgt bekommen; der Boden der Baustelle ist zwar nicht sehr bequem, aber Not macht erfinderisch…

6) Lise oder Eine Winternacht auf dem Montmartre

Lise ist eine junge Frau, die in der Vorweihnachtszeit durchs nächtliche Paris wandert. Alle halten sie für eine Nutte, was auch sonst, doch sie schert sich nicht drum. In einer Bar hocken die echten Nutten arbeitslos rum, doch Lise lehnt alle Angebote ab. Sie zieht weiter Richtung Montmartre und zur Place Clichy, wo sie Austern und andere Meeresfrüchte ist. In einer weiteren Bar lernt sie schließlich Conchita kennen, einen Transvestiten, der ihr sein Herz ausschüttet und erzählt, wie er zur Transe geworden ist. Verwundert lernt sie, dass auch solche Männer noch auf Frauen wie sie stehen. Aber sie zieht weiter und erinnert sich wehmütig an ihren ersten Freiluftsex hier am Montmartre, immer auf der Suche…

7) Lucienne oder Die Verliebte in der Verot-Dodat-Passage

Kurz vor Weihnachten kommt die alte Lucienne wie seit 5 Jahren jede Woche in die Verot-Dodat-Passage, um den Antiquitätenhändler Raoul zu besuchen. Seine Räumlichkeiten sind vollgestopft mit recht lüsternen Statuen, und um nichts umzuwerfen, bittet er seine langjährige Freundin in die Wohnräume. Was hat ihm diesmal mitgebracht, fragt er sich. Sie breitet eine Tischtuch, das ihr als Tragetasche gedient hat, aus und enthüllt zwölf gar apart bestickte Seidentücher: Die Stickereien zeigen Phalli oder weibliche Geschlechtsteile in allen Variationen. Na, und das Tischtuch erst: eine Gruppensexorgie! Lachend und Bussis verteilend muss sich Raoul an seine erste Begegnung mit Lucienne erinnern.

Er lernte sie kennen, als sie noch Bibliothekarin in der Bibliothèque Nationale war. Als er das bestellte alte Buch bekam und es aufschlug, fiel ihm ein Brief in die Hand. Als er ihn las, wurde er rot, so obszön waren die Schilderungen. Auch beim zweiten Buch erging es ihm so, weshalb er die nette alte Dame fragte, ob es entsprechende Mitarbeiter gäbe, die solche Briefe in Bücher praktizierten. Sie verneinten. Er muss für mehrere Wochen verreisen, aber als er ein drittes Buch bestellte, enthielt auch dieses einen entsprechenden Brief. Die nette alte Dame hatte alle drei geschrieben, bekannte sie – nur für ihn. Wie ein Schuljunge war er errötet und ihr dann auf einen Kaffee gefolgt…

8) Louise oder Das Viertel um die Rue de Javel

Revolutions-Mai 1968, und Louise versucht mitzumachen, während die Studenten vor einer Druckerei demonstrieren. Die Polizisten schauen gelangweilt zu, denn nichts passiert. Die vielen Menschen machen Louise beklommen und sie eilt von dannen. Zudem hat sie eine Verabredung mit ihrem Liebhaber. Der tritt unversehens aus einem Hauseingang in einer dunklen Gasse – o Schreck! Der er nimmt sie in seine starken Arme, küsst sie, greift ihr an den Busen und in den schritt, bevor er sie in sein Auto bugsiert. Seine zudringlichen Liebkosungen am ganzen Leib bringen sie zu einem ersten Orgasmus. Ja, sie mag es rau, und das weiß er genau. Als sie am Fenster zwei Männer bemerkt, greift einer von ihnen durchs Fenster und knetet ihre Brust. Ein zweiter Orgasmus. Ihr vergehen die Sinne.

Nach einem abschließenden Blowjob schlägt sie vor, den schäbigen Klub „Bal de la Marine“ aufzusuchen. „Wenn Sie schlechte Gesellschaft mögen, gerne“, meint ihr Liebhaber. Kaum haben sie sich zu anderen gesetzt, dringen zehn Halbstarke ein und rempeln sich den Weg zur Bar frei. Einer der Lederjackenjungs entdeckt Louise und bittet sie zum Tanz. Ein Schubser seitens ihres Liebhabers befördert sie auf die Tanzfläche. Der Junge braucht nicht lange, um festzustellen, dass Louise kein Höschen trägt – das hat ihr ihr Liebhaber nicht zurückgegeben. Den spürt sie nun hinter sich. Er macht dem Jungen einen Vorschlag, auf den dieser eingeht. Louise fühlt sich Richtung Toilette geschoben. Dort machen sich die beiden nacheinander über sie her…

9) Ludovine oder Der Beichtstuhl in der Kirche Saint-Sulpice

Ludovine wurden katholischen Nonnen erzogen. Hier im Viertel der Kirche St.-Sulpice sind viel Erinnerungen mit jener Zeit verbunden. Es gibt einen Laden für klerikale Kleidung, einen für Weihnachtsspielzeug, mehrere Buchhandlungen und die Niederlassungen von linken Verlagen. Es ist Mittagszeit, und die Angestellten der Verlage machen Pause. Ludovine setzt sich in ein Café unweit der Kirche und trinkt ein Glas kalte Milch.

Weil ihr Rock unbemerkt bis zum Strumpfband (wer trägt sowas heute noch?) hochrutscht, bekommt ein junger Mann große Augen und riskiert eine Bemerkung. Nachdem sie ihn zurechtgewiesen und ihren Rock heruntergezogen hat, macht sich Ludovine auf den Weg zur Kirche. Die dunkle Stille darin beruhigt sie ungemein, zudem verlassen die letzten Gottesanbeter sowie der Priester das Innere. Sie ist allein. Da spürt sie einen Blick im Nacken.

Es ist der blonde junge Mann. Er kommt auf sie zu, sie muss zu ihm aufsehen, er küsst sie. Sie spürt Erregung. Er zieht sie mit sich in ein dunkles Seitenschiff, an dessen Ende ein Beichtstuhl steht. Es besteht kaum Gefahr, dass um diese Zeit ein Priester auftaucht, um die Beichte abzunehmen. Der Junge setzt sich auf die Bank und zieht sie auf seinen Schoß. Sie bewundert die Schönheit seines Penis‘, den er aus seiner Hose zieht, und spreizt die Schenkel, während sie sich auf ihn sinken lässt…

10) Lucie oder Die Toreinfahrt an der Place Dauphine

Die schwangere Lucie erfreut sich des sonnigen Herbsttages in ihrer Heimatstadt. Während sie Zwiesprache mit ihrem Ungeborenen hält, wandert sie vom Pont Neuf Richtung Louvre und setzt sich an der Place Dauphine auf eine Bank. Sie erinnert sich an einen Tag auf diesem Weg, als sie noch 17 und unschuldig war, aber dabei dem Teufel begegnete. Er lauerte in einer Toreinfahrt auf sie, begrabschte und küsste sie, dass ihr in den Knien ganz schwach wurde und sie ihm ausgeliefert war. Schwarz war er gewandet, in ein Cape, mager war sein Gesicht und stechend sein Blick. Sicher hatte er auch spitze Ohren und lange Zähne.

Jemand machte Licht und sicher würde gleich jemand kommen. Lucie nutzte den Moment und stieß den Teufel von sich, um in ein Café der LKW-Fahrer zu flüchten, von wo sie ihren Herrn Papa anrufen konnte: „Komm schnell!“ Während des Wartens auf die Rettung lauerte der Teufel vor dem Eingang des Cafés, doch als Papa kam, warf sie sich ihm in die Arme. Gerettet! Und da kommt auf der Place Dauphine ihr Geliebter herbeigeeilt, um sie in Sicherheit zu bringen.

11) Lydie oder Das kleine Haus im 14. Arrondissement

Die fünfzigjährige Lydie ist Beamtin im Ministerium, in dem auch Jean angefangen hat. Eines Tages zitiert sie ihn zu sich und herrisch erteilt sie ihm einen Auftrag, den er zuverlässig erledigt. Aber sie lobt ihn nicht, sondern verführt ihn, indem sie ihn zum Mittagessen ausführt. Sie hat ihn durchschaut, den kleinen Kriecher: Er verehrt Frauen und will ihnen als Sklave dienen. Nach dem Essen nimmt sie ihn mit nach Hause: Die Maisonnen lacht aus einem blauen Himmel, das Wetter ist zu schön, um es mit Arbeit zu vergeuden. Daheim verführt sie ihn weiter und zwingt ihn zu dem, was er am liebsten tut: Seidenstrümpfe anziehen, eine Korsage tragen. Fortan nennt sie ihn „meine Kleine“.

Ihr erster Befehl besteht darin, dass er aufzuschreiben hat, wie er so geworden ist: seine Beichte. Wie zu erwarten, fiel er schon in frühen Jahren in die Hände einer dominanten Frau, die mit ihm machte, was SIE wollte, nicht was er sich wünschte. Sie steckte ihn in Frauenkleider, die seine Haut umschmeichelten und in ein Mädchen verwandelten. So lernte er, was ihn am glücklichsten macht: völlige Unterwerfung und demütigen Dienst an der Dame.

Lydie verspricht ihm nach Lektüre seiner Beichte, sie werde ihn, „die Kleine“, in ihre Dienste aufnehmen. Doch kaum (vorübergehend) in die Freiheit entlassen, begibt er sich auf den größten Friedhof, den er finden kann…

12) Léopoldine oder Die Taxifahrerin

Leopoldine oder kurz Léo hat schon immer hier gelebt, in ihrem Viertel am Rand von Paris, doch die Bagger der „Entwicklungsfirmen“ rücken immer näher, indem sie eine Straße, einen Platz nach dem anderen plattmachen. Léo ist Taxifahrerin und als erstes nimmt sie einen dicken Geschäftsmann gleich in der Nähe mit, fährt ihn hinaus nach Orly zu seinem Flieger.

Dort erblickt sie Jean, den reichen Lover, der gerade aus New York City zurückkehrt. Er geht ihr gleich an die Wäsche, was sie daran erinnert, was für wilde Nächte sie mit ihm in seinem Haus erlebt hat. Heute lädt sie ihn zu sich zum Abendessen ein, es gibt Lammkeule. Er bringt den Schampus und fällt schon an der Tür über sie her. Sie hat aber auch dicke Brüste, die zum Anbeißen sind. Und seine Geilheit ist nicht zu übersehen, macht sich bald zwischen ihren Schenkeln spürbar. Um ein Haar wäre es um die schöne Lammkeule geschehen. Nur nix anbrennen lassen!

13) Laurence oder Der schwarze Musiker aus der Rue Saint-Denis

Laurence verlässt das öde Bürogebäude, in dem sie arbeitet und erblickt zu ihrem Entzücken ihren Liebhaber, Jacques, den Ehemann mit Kindern. Fast wäre sie überfahren worden, bevor sie in seine Arme sinken kann. Natürlich gehen sie erst in einer Absteige vögeln, bevor sie teuer essen gehen. Man hat ja seine Prioritäten. Laurence hat kaum je so gut gegessen, als er ihr den Appetit verdirbt: Er müsse am nächsten Morgen auf eine Geschäftsreise. Merde! Sie macht Schluss und verduftet, verliert sich im Gewirr der Straßen und Gassen.

Um Jacques zu vergessen, landet sie in einer Bar, die noch spät geöffnet hat. Schwarzhäutige Leute aus der Karibik spielen Musik und tanzen. Sie betrinkt sich und lässt sich auf mehrere Tänze ein, bis ein schwarzer Pianist sie schließlich mit zu sich nach Hause nimmt. Die Rue St. Denis ist ein Hurenstrich und sie wird automatisch für eine von ihnen gehalten. Er muss ganz nach oben die Treppe hinauftragen, seine Wohnung aufräumen, bevor er sie ablegen kann. Als er sich auszieht und sich sein Schwanz aufrichtet, staunt sie vor Bewunderung über soviel Schönheit und Pracht. Doch im riskanten Selbstversuch findet sie heraus, dass dieses königliche Zepter in der Handhabung einen spürbaren Nachteil aufweist: Die monstermäßige Morgenlatte spaltet sie fast in zwei Teile…

Mein Eindruck

Jeder Leser, jede Leserin hat sicherlich ihre Lieblinge unter den Frauenfiguren, die hier ihren Gelüsten nachgeben oder ihren Erinnerungen nachhängen. Der gemeinsamen Faktor ist häufig, wenn auch nicht durchgehend die Veränderung, die sich nicht selten als Bäumchen-wechsle-dich-Spiel äußert, so etwa bei Laurence. Das Gegenteil ist die institutionalisierte, wenn auch ultrageheime Routine zwischen Lucette und Victor. Bei wieder anderen wie etwa Lydie findet ein Mann sein Paradies: als Sklave einer Frau – das ist eine Endstation, wie mir scheint.

Das durchgehende Merkmal ist jedoch, dass die jeweilige Frau und die Liebe untrennbar miteinander verbunden sind. Doch wie die Frau die ihr angemessene Form der Liebe findet, ist ein Abenteuer. Der optimale Schauplatz für das Abenteuer ist Paris, immer wieder Paris. Sind es die Kirchen wie bei Ludovine, die Straßen, Bars und Cafés, ja ganze Stadtviertel – immer weiß die Autorin glaubhaft und mit Details zu belegen, dass dieses Abenteuer nur in diesem Viertel, dieser Kirche, diesem Platz (etwa hinter Sacré-Coeur) stattgefunden haben kann.

In dieser Hinsicht ist dieses Buch auch eine Art Stadtführer. Allerdings in ein Paris, das schon längst vergangen ist, nämlich schon 1979 selbst, als das Buch zuerst erschien. An keiner Stelle wird die ansonsten so präsente Metro erwähnt, sondern allenfalls ein Zug (Léone) oder ein Taxi (Léopoldine), und von Abenteuern im Flieger à la „Emmanuelle“ kann der Leser nur träumen.

Meine Lieblingsfiguren sind Léopoldine und Lucette, weiß der Kuckuck, warum. Vielleicht weil sie ihren Platz haben, in sich selbst ruhen und dennoch das Beste zu nehmen wissen, was von Männerseite angeboten wird. Bestimmte Frauenfiguren zu kritisieren, maße ich mir nicht an.

Die Übersetzung

Mit der Übersetzung von Laureen Carnevale bin ich nicht immer einverstanden, aber unzweifelhaft gelingt es ihr, sowohl den handfesten Realismus der Handlungen zu vermitteln, als auch einen dezenten Sprachstil zu pflegen, der erstere goutierbar macht.

S. 63: „Vicotr“ statt „Victor“.

S. 71: „wegen des au[s]gezeichneten Essens“: Das S fehlt.

S. 164: „Hier bestimm[t]e ich, die musst[e] gehorchen“ (sagt die dominante Lydie). Das T und das E sind überflüssig.

S. 167: „Er hat sich verspätet!“ Ein Streitfall. Weil aber die restliche Handlung im Präteritum erzählt wird, dieser Satz aber DAVOR spielt, sollte es m.E. „er HATTE sich verspätet“ heißen.

S. 196: „haben wir uns oft über die neugierigen Altern geärgert…“: „Altern“ könnte richtig sowohl „Eltern“ als auch „Alten“ heißen.

Unterm Strich

Dieses Buch von Régine Deforges steht zweifellos gleichberechtigt neben ihren erotischen Geschichten in „Das Unwetter“ und „Der schwarze Milan„. Die Frauenfiguren waren für die Zeitung „France Soir“ „Heldinnen unserer Zeit“, allerdings die einer versinkenden Zeit – keine Handys, keine Metro, kein Kino, keine Touristen, die sich hier störend einmischen. „Lola“ erinnert mehr als Henry Millers „Stille Tage in Clichy“ als an moderne Pornos.

Im Vordergrund stehen immer Frauen, die ihren Platz im Liebeskampf gefunden haben oder noch suchen. Das Schlachtfeld ist die weiblichste aller Städte, natürlich Paris. Jedem Kapitel ist ein kluges Zitat vorangestellt, sei es von Breton oder Aragon. Breton, auf den sich die Autorin in ihrem Vorwort beruft, nennt sogar die Place Dauphine, auf der Lucie ausruht, „das weibliche Geschlechtsteil“ dieser Stadt.

Alle Namen beginnen mit einem L, so wie Lolita in Vladimir Nabokovs zweimal verfilmtem Roman. Doch die jüngste Protagonistin nicht etwa 12 oder dreizehn wie Lolita, sondern bereits 17 wie die süße Beinahe-Revoluzzerin Louise. Lucette ist ein Beispiel für das Verschwinden dieser alten Realität: Sie ist ein „Milchmädchen“, aber sie arbeitet in ihrem eigenen kleinen Laden für Milchprodukte. Analog dazu arbeitet ihr Lover Victor in seinem eigenen Metzgerladen mit eigener Schlachterei. Solche Etablissement muss man heutzutage in der Stadt mit der Lupe suchen, auf dem Lande gibt es sie noch vereinzelt. Schon im zweiten Porträt wird die Vergänglichkeit des Phänomens „Tanztee“ beklagt und geschildert.

Auch Léopoldine, die Taxifahrerin, ist ein Stadtgewächs, verwurzelt mit ihrem Viertel. Doch auch dieses ist vom Abriss und der „Entwicklung“ durch die Makler und Bodenspekulanten bedroht. Ja, Paris wird erwachsen und wandelt sich zu etwas Neuem. Rette sich, wer kann, oder wachse mit. Als ich letztes Jahr durch Paris von Gare de l’Est zur Porte Maillot im Westen und wieder zurück pendelte, steckte ich morgens in vollen Zügen und abends in der vollgepackten Metro fest. Bei so viel Anonymität frage ich mich, ob die Liebe à la Deforges noch eine Chance hätte.

Zur Leseprobe, die immerhin das Vorwort, das Inhaltsverzeichnis und zwei Kapitel enthält.

Hinweis

Auch dieser Titel steht (seit 1986) auf dem Index – überhaupt hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in den achtziger Jahren (genauer: seit Helmut Kohls Amtsantritt) nicht viele Erotiktitel unbehelligt gelassen. Die Reihe des Goldmann-Verlags musste 1988 sogar schon nach 33 Titeln eingestellt werden, weil die finanziellen Verluste durch die indizierten Titel unvertretbar geworden waren.

Taschenbuch: 215 Seiten
Originaltitel: Lola et quelques autres, 1979 (laut Wikipedia 1981)
Aus dem Französischen von Laureen Carnevale.
ISBN-13: 978-3499150715

www.rowohlt.de

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