Reichs, Kathy – Totenmontag

Mit „Totenmontag“ veröffentlicht Bestsellerautorin Kathy Reichs bereits den siebten Erfolgsroman in ihrer Tempe-Brennan-Reihe. Ähnlich wie auch John Grisham macht sich Reichs ihr eigenes Fachwissen zunutze, um wissenschaftlich fundierte und spannende Bücher zu schreiben, die ihre Leser in eine fremde und faszinierende Welt entführen sollen. In diesem Fall begleitet der Leser erneut die forensische Anthropologin Brennan bei ihrer nicht ganz alltäglichen Arbeit.

Im Keller unter einer Pizzabude werden drei Skelette gefunden; die forensische Anthropologin Dr. Temperance Brennan macht sich sogleich an die Untersuchung der Skelette. Doch Detective Luc Claudel, mit dem sie im persönlichen Clinch liegt, setzt sie unter Zeitdruck, da er die Skelette für antik und damit aus polizeilichen Gründen für wenig wertvoll erachtet. Brennan dagegen hat von Anfang an ein komisches Gefühl im Bauch und schätzt die Gebeine als jüngeren Datums ein. Keine Spuren eines gewaltsamen Mordes sind an den Knochen zu erkennen, doch bemerkt Brennan schnell, dass es sich um die Gebeine drei junger Mädchen handelt, die aufgrund ihres Alters sicherlich keines natürlichen Todes gestorben sind.

Tempe Brennans detektivisches Gespür ist schnell geweckt, denn sie vermutet ein Verbrechen und forscht den Besitzern und ehemaligen Bewohnern des Hauses mit der Pizzabude nach. Als überraschend ihre Freundin Anne zu Besuch kommt, weil diese große Eheprobleme hat und freundschaftlichen Beistand braucht, bezieht Tempe Anne kurzerhand in ihre Nachforschungen mit ein. Als Brennan herausfindet, dass ein bekannter Mafiosi früher Besitzer des Hauses gewesen ist, wird ihr natürliches Misstrauen geweckt. Gemeinsam mit Anne besucht sie den Mann, der das Haus von dem Mafiosi gekauft hat und befragt ihn nach seinen aktuellen und ehemaligen Mietern.

Stück für Stück nähert sich Brennan dem Geheimnis der drei Skelette, während sie immer weiter nach Spuren an den Knochen forscht und schließlich feststellt, dass jedem Mädchen ein Ohr abgetrennt worden ist. Eine C14-Datierung ergibt schließlich ein Todesdatum der Mädchen in den 1980er Jahren, sodass die Knochen keineswegs als antik bezeichnet werden können. Was ist im Haus mit der Pizzabude geschehen? Und wie sind die drei jungen Mädchen umgekommen?

Schon in der ersten Szene findet sich der Leser in einem dunklen Keller mit Claudel und Brennan wieder, als ein Schuss fällt und Brennan blutiges und zerfetztes Muskelgewebe erblickt. Doch schnell wird klar, dass sie lediglich eine getötete Ratte vor sich hat, die Claudel im Eifer des Gefechts erschossen hat. Anschließend geht es wieder etwas ruhiger zu, auch wenn die beiden die Skelette dreier junger Frauen entdecken. Der Fund dreier Knöpfe, die auf das 19. Jahrhundert datiert werden, führt Claudel zu dem Schluss, dass auch die Leichen der Mädchen aus dieser Zeit stammen. Doch Brennan forscht auf eigene Faust weiter und fordert eine C14-Datierung an, um zu beweisen, dass die Skelette sehr wohl aus jüngerer Zeit stammen. Zunächst versucht Kathy Reichs, ihre Leser in die Irre zu führen und legt einige falsche Fährten aus, eine davon ist die der Mafia, die später wortlos unter den Tisch gekehrt wird. Schade, dass Reichs diese Spur, die Brennan zu dem Schluss geführt hat, dass unter der Pizzeria ein Verbrechen geschehen sein muss, später nicht mehr ausführt oder zumindest mit Erklärungen zum Abschluss bringt. So werte ich diese Mafia-Spur als einen lieblosen Versuch, am Anfang Spannung aufzubauen und später für Verwirrung zu sorgen.

Im weiteren Verlauf des Buches sorgen einige Cliffhanger für mäßigen Spannungsaufbau, auch wenn die Geschichte dennoch nicht recht in Schwung kommen mag. Reichs verzettelt sich hier manchmal in zu vielen Handlungssträngen. Neben der forensischen Untersuchung der Knochen taucht plötzlich Tempes Freundin Anne mit ihren privaten Liebesproblemen auf, außerdem hegt Brennan den Verdacht, dass ihr Geliebter Ryan eine Affäre mit einem jungen College-Mädchen hat, zu all dem Ärger kommen die persönlichen Differenzen zwischen Claudel und Brennan und schlussendlich die mühsame Ermittlung im Pizzabudenfall, die weitere Fragen aufwirft. Besonders die ausgiebigen forensischen Untersuchungen wirken hierbei langatmig, da die Details einer genauen Knochenanalyse, gespickt mit allerlei Fachvokabular, nur wenig interessant wirken und das Buch dadurch oftmals einfach nur ausbremsen. An manch einer Stelle liest sich „Totenmontag“ daher eher wie ein Ärzteblatt als ein spannender Thriller. Etwa ab der Hälfte des Buches gewinnt die Erzählung dann etwas an Tempo, da Brennan den toten Mädchen auf die Spur kommt.

Die Geschichte ist aus der Sicht der Anthropologin Temperance Brennan geschrieben, die wohl nicht nur zufällig den gleichen Beruf ausübt wie die Autorin Kathy Reichs; so gewinnt man als Leser den Eindruck, dass sich Reichs selbst in einen Thriller hineingeschrieben hat. Inwieweit sich Reichs und Brennan über den Beruf hinaus ähneln, wage ich allerdings nicht einzuschätzen. Mir erscheint Brennan in diesem Roman allerdings eher weniger authentisch, da sie als allzu tragisch dargestellt wird. Neben ihrer zerbrochenen Ehe, die immer wieder am Rande angeführt wird, scheint ihre Beziehung zu Ryan in die Brüche zu gehen, da er sich heimlich mit einer jungen Frau trifft. Auch die Untersuchung der Knochen geht nicht recht voran, schließlich stirbt die telefonische Informantin und Detective Claudel macht Brennan das Leben nicht gerade leicht. Hier erscheint die sonst eher starke Karrierefrau Brennan plötzlich schwach und bemitleidenswert, was irgendwie nicht in das Bild der intelligenten und promovierten forensischen Anthropologin passt.

Neben Tempe Brennan werden nur wenige Personen ausführlicher vorgestellt, nämlich die beiden Polizisten Ryan und Claudel und Tempes Freundin Anne. Doch reichen die Beschreibungen nicht aus, um sich ein wirklich gutes Bild von den Charakteren machen zu können. Selbst von den gefundenen Skeletten erfährt der Leser leider mehr als über die handelnden Charaktere …

Kathy Reichs offenbart recht deutlich eine Vorliebe für Metaphern, so wird beispielsweise ein Steiff-Teddy als Bild für einen Knopfexperten herangezogen, an anderer Stelle spannt Brennan ihre Halsmuskeln an wie Gitarrensaiten, später vergleicht sie Montreal mit einem Fuß. Diese überschwängliche Verwendung von Bildern wirkt ab und an etwas merkwürdig. Darüber hinaus merkt der Leser recht deutlich, dass Reichs von Haus aus keine Schriftstellerin ist, denn abgesehen von den zahlreichen französischen Floskeln, die leider unübersetzt bleiben, ist die Sprache einfach und schmucklos. Kurze Sätze reihen sich aneinander, die das Buch zu einer idealen Straßenbahnlektüre machen, die nicht viel Aufmerksamkeit erfordert. Auch sind die Kapitel so kurz gehalten, dass man schnell Einschnitte findet, an denen sich das Buch beruhigt zuklappen lässt. Meist sind die Kapitelenden auch nicht so reißerisch und spannend, dass man seine Haltestelle verpassen könnte. Störend wirken in der Tat nur die medizinischen Fachausdrücke, die bei der Beschreibung der einzelnen Knochen verwendet werden, etwas weniger Details hätten hier auch ausgereicht, um sich ein gutes Bild machen zu können.

„Totenmontag“ ist ein Buch, das sich zügig durchlesen lässt und dabei auch etwas zu unterhalten weiß. Der beschriebene Leichenfund ist interessant und wirft schnell einige Fragen auf, denen Tempe Brennan nachgehen möchte. Nach und nach kommt Brennan der Lösung des Falles immer näher, verwirft allerdings zwischendurch wortlos einige Spuren, die zuvor für Spannung sorgen sollten. Auch am Ende versucht Reichs nochmals, ihre Leser zu verwirren, indem sie eine falsche Fährte auslegt, doch vermag sie hier leider nicht mehr zu überraschen, da der wahre Tatbestand bereits zu offensichtlich ist. Das Buchende wirkt mir etwas zu glatt und weichgespült, denn selbstverständlich lösen sich die Beziehungsprobleme mit Ryan in Luft auf, als er die junge Dame wie vermutet als eine Verwandte vorstellt. Wen das am Ende noch überrascht, der hat wohl noch nie zuvor ein Buch gelesen. Ein solch kitschiger Abschluss muss am Ende eines Thrillers einfach nicht sein.

Die Thematik an sich und die wahren Hintergründe der drei Gebeine im Keller der Pizzeria sind wahrlich grausam und spannend, aus diesem schaurigen Kriminalfall hätte man in der Tat ein besseres Buch fabrizieren können. Kathy Reichs verspielt hier viel Potenzial, indem sie keine rechte Spannung aufbaut und ihre Leser mit zu vielen forensischen Details langweilt. Das Buch übt einfach keine Faszination aus, kann nicht mit glaubwürdigen Charakteren aufwarten und scheut sich auch vor einer Gesellschaftskritik, die am Ende vielleicht möglich gewesen wäre.

Insgesamt ist „Totenmontag“ eine recht vergängliche Lektüre, das Buch ist schnell durchgelesen angesichts der schnörkellosen Sprache und des geringen Umfangs und auch schnell wieder vergessen. Der Unterhaltungswert ist absolutes Mittelmaß, die Charaktere bleiben entweder zu blass oder werden zu tragisch dargestellt. Für zwei Leseabende auf der heimischen Couch oder als kurzweilige Lektüre auf dem täglichen Weg zur Arbeit funktioniert das Buch recht gut, allerdings animiert es wenig zum Lesen weiterer Werke von Kathy Reichs.

Homepage der Autorin: http://www.kathyreichs.com