Mike Resnick – Wilson Cole 5: Flaggschiff

Die „Wilson Cole“-Romane bringen endlich, muss man sagen, Mike Resnicks Romane in den deutschen Sprachraum. Als einer der beliebtesten und erfolgreichsten amerikanischen Science-Fiction-Schriftsteller wurde er mit Auszeichnungen überhäuft, sodass es erstaunt, wie wenig davon über den großen Teich geschwappt ist. Allein seine Kurzgeschichten erhielten vor allen lebenden wie toten SF-Autoren die meisten Preise.

„Wilson Cole“ ist eine fünfteilige Geschichte um ein Raumschiff, seine Besatzung und ihren Captain, ebenso wie es eine Geschichte ist um Missbrauch von Staatsgewalt, Ethik, blinden militärischen Gehorsam und bedingungslose Freundschaft. „Flaggschiff“ ist der bezeichnende Titel des finalen Bandes und kündet von spannenden Auseinandersetzungen …

Der unbequem gewordene Held der Republik Wilson Cole kommt als zweiter Offizier an Bord der Theodore Roosevelt. Nachdem sein dortiger Captain die sinnlose Vernichtung eines ganzen bevölkerten Planeten befiehlt, übernimmt Cole das Kommando und setzt den Captain in Haft, bis ein offizielles Kriegsgericht sich dem fehlgeleiteten Druck der Öffentlichkeit beugt und Cole verurteilen will. Die Mannschaft der Teddy R befreit ihn und sie flüchten an die Innere Grenze, einen weitgehend gesetzlosen und unabhängigen Bereich der Galaxis.

Hier versuchen sie sich als Piraten, was sich nicht mit ihrer Moral vereinen lässt. Also wird die Teddy R ein Söldnerschiff und erfüllt militärische Aufträge, wobei Cole Wert auf Menschlichkeit legt und dadurch immer neue Schiffe in seine wachsende Flotte eingliedern kann. Das Hauptquartier wird die elf Kilometer große Station Singapur.

Als die Raumflotte verstärkt beginnt, Planeten der Inneren Grenze zu überfallen und die Bewohner zwangszurekrutieren, beginnt unter Coles Führung ein Partisanenkampf gegen jedes eindringende Raumschiff der Flotte. Der Gegenschlag lässt nicht lange auf sich warten: Durch unglückliche Umstände gelingt es der Flotte, Coles Ersten Offiziers Forrice habhaft zu werden. Sie foltert ihn vor laufender Kamera brutal zu Tode und bricht damit die letzten Reste der einstigen Loyalität, die Cole noch banden – ja, sie entfacht den unbändigen Rachedurst und Hass in ihm, der ihn dazu treibt, der Republik offiziell den Krieg zu erklären …

Wilson Cole und seine Verbündeten attackieren die Schiffe der Raumflotte, wo immer sie sich in die Innere Grenze wagen. Doch gleichzeitig lecken sie ihre Wunden, denn die große Schlacht um Station Singapur hat zu derben Verlusten bei den Rebellen geführt. Einen weiteren Angriff dieser Art kann Cole nicht stoppen, und so sucht er konzentriert nach Möglichkeiten, dem Gegner zuvor zu kommen und gleichzeitig die Station aus der Gefahrenzone zu bringen – indem er sie von allen rebellischen Streitkräften entblößt.

Seine Mitstreiter zweifeln bisweilen stark an ihren Möglichkeiten, und erst, als ein Verbündeter ihnen ein mächtiges, modernes Schlachtschiff der Republik zuführt, reift in Cole der verwegene Plan, der die Schlacht entscheiden soll. Bis es soweit ist, führen seine Mitstreiter vernichtende Angriffe auf lange verlassene Planeten der Republik aus, die den republikanischen Medien als aus Unfähigkeit der Raumflotte geborene Vernichtungsschläge der Teroni dargestellt werden und so sehr schnell zu Ängsten in der Bevölkerung führen, die schließlich in Missgunst der Regierung und der Raumflotte gegenüber umschlagen. Die Stimmung in der öffentlichen Meinung wird immer sympathischer für Cole und sein Vorhaben, das Übel an der Wurzel zu packen. Dabei will er sich als Gefangenen auf die Zentralwelt der Republik bringen lassen – natürlich mit Hilfe des erbeuteten Schiffes, das unzweifelhaft unbehelligt dorthin gelangen können sollte.

Das letzte Problem auf diesem Weg sind fehlende Legitimierungscodes. Als Cole ein Offizier der Raumflotte in die Hände fällt, greift er zu allen Mitteln, um ihm die Daten zu entlocken, und schreckt dabei zum Wohle der Allgemeinheit selbst vor nachdrücklichen Verhörmethoden nicht zurück, was bei einigen Besatzungsmitgliedern zur Befehlsverweigerung führt und ihn mächtig auf die Palme bringt.

Letztendlich ist er nicht der Einzige, der die Zentralwelt der Republik an ihrem Nerv angreift, und obwohl er selbst durch den neuen Feind am Leben bedroht wird, hilft ihm dieser Druck bei der Erfüllung seines Vorhabens …

Zwischen den Fronten oder: Die Ethik der cole’schen Rebellion

Wie nicht anders zu erwarten breitet sich vor uns eine spannende, actiongeladene und zwiespältige Geschichte aus, die die besten Attribute der Space Opera in sich vereint, ohne dabei den abgehobenen psychedelischen und übersphärischen Ambitionen der modernen Genreschriftsteller zu folgen. Nein, sie bleibt durch und durch menschlich und bodenständig, die einzigen zu verzeichnenden Höhenflüge sind in der genialen Planungs- und Rhetorikgewandtheit Wilson Coles zu finden, der wie immer seine Mitstreiter und den Leser mit Winkelzügen, Ideen und logischer Überzeugungskraft überrascht.

Betrachtet man sich die finale Charakterentwicklung, wird deutlich erkennbar, dass Resnick bei allen Protagonisten eine beherrschende Menschlichkeit herausstreicht und sie der Unmoral der Raumflotte respektive der republikanischen Regierung entgegensetzt. Die Sympathien sind also klar verteilt, und die Probleme, die sich in der Republik auftun, finden sich durchaus auch in unseren Gesellschaften wieder, sodass Resnick trotz der wenigen, zielgerichtet herausgepickten Aspekte seiner Kritik, eine große kritische Betrachtung unserer Vorgehensweisen und Billigungsmoral liefert.

Die in diesem letzten Roman herausgekehrte Kritik ist die Frage nach der Billigung von „nachdrücklichen Verhörmethoden“, wie sie zu allen Zeiten in der Geschichte unserer Erde Anwendung fanden und zu unserem Schrecken noch immer finden, legalisiert man sie doch über die Totschlagargumentation, mit ihrer Hilfe schlimme Verbrechen verhindern zu können (so geschehen bei Bombendrohungen, wo man die Position der Bomben rechtzeitig heraus fand). Die Folter, denn um nichts anderes handelt es sich – auch wenn strikt behauptet wird, beispielsweise das sogenannte „water boarding“ sei keine Folter, da man dem Verhörten keinerlei bleibende Schäden zufüge – , als terrorpräventive Maßnahme zu legalisieren ist natürlich eine gefährliche Diskussion, und an dieser Diskussion beteiligt sich Resnick konsequent im vorliegenden Roman. Eine ethische Lösung für das Problem kann er nicht aufzeigen, aber es zeugt von Mut und Kritikfähigkeit, wenn man seinen charismatischsten Protagonisten mit diesem Problem konfrontiert. Hut ab.

Dieser Streitpunkt nimmt nur einen kleinen Raum in der Geschichte ein, denn trotz allem schreibt Resnick einen grandios unterhaltenden Roman, wie er schneller oder flüssiger kaum vorstellbar ist. Gegen die modernen Totschläger von backsteindicken, langatmigen und abschweifenden Romanen nehmen sich die „Cole“-Romane richtig bescheiden aus, doch gerade darin liegt ein Teil der Faszination: Wie es Resnick schafft, auf diesem geringen Umfang ein so komplexes Bild zu entwerfen und gleichzeitig diese spannende Geschichte zu erzählen, lässt nur staunen. Mit wenigen Strichen und treffenden Dialogen skizziert er das Gefühl, hautnah dem Geschehen beizuwohnen. An Coles Erfolg besteht natürlich nie ein Zweifel, gerade auch weil er, der geistige Überflieger, sich mit Experten aller Bereiche umgibt und so ein quasi unschlagbares Team anführt. Trotzdem hat man nie den Eindruck, von einer Superheldgeschichte vorgeführt zu werden, sondern sieht hier das Mittel zum Zweck.

Während also die „Cole“-Geschichte in erwartungsübertreffender Qualität ihr Finale bestreitet, bleibt die Frage zurück, welchen Bereich Resnicks überbordenden Universums die deutsche Verlagsgemeinde als Nächstes in Angriff nimmt, um dieser besten Unterhaltung gerecht zu werden.

Taschenbuch: 368 Seiten
ISBN-13: 978-3404233502
Originaltitel:
Starship: Flagship
Deutsch von Thomas Schichtel

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