Rob Reid – Galaxy Tunes ®

Wenn ich etwas am Buchrücken nicht ausstehen kann, dann sind es diese heuchlerischen Zitate von egal wem, die sich dort ansammeln und dem Kunden irgendwas vorgaukeln, um ihn sich zugehörig zur Zielgruppe fühlen zu machen. Wie zum Beispiel gern aus »Publishers Weekly« zitiert wird und man mittlerweile weiß, dass diese Zitate jeglichen Bezug zum Inhalt missen lassen. Auf »Galaxy Tunes ®« steht beispielsweise »… ist wie Per Anhalter durch die Galaxis für die Apple-Generation.« Was absoluter Bullshit ist.

Das Spielfeld ist das Universum. Vor allem die Erde, auf der Nick Carter (nein, nicht der Backstreetboy) ein Anwalt in einer großen Kanzlei ist, die sich auf Urheberrecht spezialisiert hat und dabei vor allem mit den großen Musiklabels und wichtigen Politikern zu tun hat. Eines Tages erhält er Besuch von zwei Außerirdischen, die in ihm die letzte Rettung für die Menschheit sehen (da sie ihn erstens mit dem Gründer der Kanzlei, der auch Carter heißt, und zweitens mit dem Backstreetboy verwechseln). Die Ursache: Das gesamte Universum ist in einer Allianz organisiert, in der die Kunst zum höchsten Gut erhoben ist, und von allen Künsten die höchste ist die Musik. Blöd nur, dass die Aliens unfähig in musikalischen Belangen sind und deshalb seit Entdeckung der Erde sich von irdischer Musik volldröhnen lassen. Die Allianz unterliegt allerdings einem Kodex, der sie verpflichtet, nach den Gesetzen der primitiven Völker mit ihnen in Kontakt zu treten, wodurch sie hier in unvorstellbare Schulden gegenüber der Menschheit geraten sind, da sie seit jeher die Musik von der Erde raubkopieren.

Nun gibt es eine umtriebige Gilde, die ihr Vermögen retten will und, um in offizieller Legalität zu bleiben, das über den Weg der Selbstvernichtung der Menschheit erreichen muss. Jemand ist hinter diesen Plan gekommen, und dieser Jemand sitzt nun in Carters Büro und fordert ihn auf, eine andere Lösung für dieses Problem zu finden – schließlich sollen die Menschen noch lange ihre betörende Musik fabrizieren …

Rob Reid legt mit Galaxy Tunes ® seinen ersten Roman vor. Er lebt in Westamerika und ist als Spezialist für Internationale Beziehungen prädestiniert für einen Roman wie diesen, in dem es um grundsätzliche Probleme der Intergalaktischen Beziehungen geht. Dabei lässt er seine außerirdischen Protagonisten mit vielerlei Klischees aus den modernen Soap- und Fernsehsendungen auftreten und stellt so geschickt den Spiegel vor unsere hochentwickelte und alles beherrschende westliche Zivilisation, ohne direkt jemanden anzugreifen. Im Endeffekt führt dieser von überaus friedlichen wahrheitsliebenden Eaties übernommene Konsumwahn in Verbindung mit ihrer eigenen Ethik zu einem Konflikt, der das gesamte bekannte Universum der in diesem Roman ihm gegenüber rückständigen Menschheit in die Schuldenfalle exorbitanten Ausmaßes führt. So thematisiert Reid in der unauffälligen Verpackung einer Humoreske die Vielgesichtigkeit und Falschzüngigkeit unseres wirtschaftsorientierten Rechtssystems, ohne dabei aufdringlich zu werden. Nein, eher ist das ein Aspekt des Romans, den man sich erst bei gründlicher Reflexion bewusst macht.

Die direkt erzählte Geschichte schildert Reid aus der Sicht des Anwalts Nick Carter, der mit seinem Namen ganz unbeabsichtigt ins Zentrum des kuriosen Geschehens rückt: Erstens teilt er ihn mit dem Gründer der Kanzlei, was die Aliens zu der Annahme verleitet, in ihm einen der besten Anwälte Amerikas zu finden. Zweitens gibt es ein Boygroupmitglied gleichen Namens, was nunmehr die Aliens in der Hoffnung auf ein unauffälliges Treffen mit ihren verehrten Idolen der irdischen Trashmusik zu ihm führt.

Was der Buchrücken andeutet, ist eine Geschichte über eine etablierte intergalaktische gesellschaftliche Ordnung mit Beteiligung der Menschheit, wobei die Erde eine unrühmliche Rolle spielt und mehr durch Zufall und ihre kruden Urheberrechtsgesetze in die Situation der Gläubigerschaft über alle anderen Zivilisationen gerät – vor allem in Verbindung mit dem oben genannten Zitat entsteht dieser überaus falsche Eindruck. Vielmehr geht es um unsere heutige Situation mit einem heimlichen, vom Rest der Menschen unbemerkten Rechtsstreit, in dem es um nichts weniger geht als die Vernichtung der Menschheit, da trotz der Friedensliebe der intergalaktischen Zivilisation dieser ewige Ruin für einige Spezies nicht tragbar ist.

Das Buch spielt also auf der Erde und gleichzeitig irgendwo im Universum. Die wissenschaftlichen Probleme werden ignoriert, Reid postuliert einfach auf der Basis unzähliger pseudowissenschaftlicher Sciencefictionarbeiten eine FTL-Technik, die seinen Protagonisten recht wirkungsvoll beeindruckt, ihn ansonsten aber auch nicht weiter interessiert und damit jede Erklärung schuldig bleibt. So kann er die Handlung in den Vordergrund stellen und verstrickt sich nicht in Technogebabbel. Interessant flicht er die groben rechtswissenschaftlichen Grundlagen ein, die stattdessen das technische Gerüst des Romans bilden. So erfährt man in Auszügen von den Machenschaften in der und um die Musikindustrie, ja, Reid konstruiert sogar musikindustrielle Arme in die Regierungen, die für absonderliche Gesetze im Urheber- und Verwertungsrecht verantwortlich sind.

Es ist schwer, bei der Besprechung dieses Romans auf die Handlung einzugehen. Sie ist flüssig, manchmal lachhaft menschlich in ihrer Projektion auf die Eaties, aber gerade das entblößt ja die Zustände in unserer Medienlandschaft und wie man sich dafür schämen muss. Nimmt man das nicht persönlich, kann man mit Galaxy Tunes ® einige luftig unterhaltsame Stunden verbringen. Hinter der Maske der Humoreske, die an sich schon schockierend genug ist in ihrer Bloßstellung, verbirgt sich fundierte Kritik und macht aus dem Buch eine ausgefeilte Satire.

Taschenbuch: 468 Seiten
ISBN 978-3-453-52991-5
Originaltitel: Year Zero
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen

www.heyne.de

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