Robert A. Heinlein – Der rote Planet (Ungekürzte Ausgabe)

Jugend-SF-Klassiker: Noch eine Mars-Revolution

Die Menschen sind dabei, den Mars zu besiedeln. Geschildert werden die Abenteuer von Frank und Jim, die auf dem Mars aufgewachsen sind. Sie kommen einem abgefeimten Plan der Siedlungsgesellschaft auf die Spur, die aus Kostengründen die Kolonialisierung verhindern will. Zusammen mit ihremn eingeborenen Freund, dem kugelförmigen Genie Willis, besuchen Frank und Jim die alten, rätselhaften Städte der Marianer und gewinnen das Vertrauen ihrer seltsamen Bewohner. Diese verfügen über paranormale Fähigkeiten und stehen den bedrängten Kolonialisten auf ganz eigene Art gegen deren Gegner bei. (Verlagsinfo)

Dies ist der dritte Roman in Heinleins Jugendroman-Reihe, die er für den Scribner’s-Verlag schrieb. Das Buch gehört mit zum Besten, mit dem ein Einsteiger Zugang zur Science Fiction-Literatur finden kann. Der Verlag hängt sich an die gegenwärtige Mode an, in deren Mittelpunkt die Erforschung des Mars steht.

Der Autor

Robert Anson Heinlein (1907-1988) wird in den USA vielfach als Autorenlegende dargestellt, sozusagen der „Vater der modernen Science Fiction“. Allerdings begann er bereits 1939, die ersten Stories im Science Fiction-Umfeld zu veröffentlichen. Wie modern kann er also sein?

Wie auch immer: Heinleins beste Werke entstanden zwischen 1949 und 1959, als er für den Scribner-Verlag (bei dem auch Stephen King veröffentlicht) eine ganze Reihe von Jugendromanen veröffentlichte, die wirklich lesbar, unterhaltsam und spannend sind. Am vergnüglichsten ist dabei „The Star Beast / Die Sternenbestie“ (1954). Auch diese Romane wurden vielfach zensiert und von Scribner gekürzt, so etwa „Red Planet: A Colonial Boy on Mars“ (1949/1989).

Allerdings drang immer mehr Gedankengut des Kalten Krieges in seine Themen ein. Dies gipfelte meiner Ansicht nach in dem militärischen Roman „Starship Troopers“ von 1959. Im Gegensatz zum Film handelt es sich bei Heinleins Roman keineswegs um einen Actionknaller, sondern um eine ziemlich trockene Angelegenheit. Heinlein verbreitete hier erstmals ungehindert seine militaristischen und antidemokratischen Ansichten, die sich keineswegs mit der der jeweiligen Regierung decken müssen.

Mit dem dicken Roman „Stranger in a strange land“ (1961/1990), der einfach nur die Mowgli-Story auf mystisch-fantastische Weise verarbeitet, errang Heinlein endlich auch an den Unis seines Landes Kultstatus, nicht nur wegen der Sexszenen, sondern weil hier mit Jubal Harshaw ein Alter Ego des Autors auftritt, der als Vaterfigur intelligent und kühn klingende Sprüche von sich gibt. „Stranger“ soll Charles Manson zu seinen Morden 1967 im Haus von Sharon Tate motiviert haben. Sharon Tate war die Gattin von Regisseur Roman Polanski und zu diesem Zeitpunkt schwanger.

Als eloquenter Klugscheißer tritt Heinlein noch mehrmals in seinen Büchern auf. Schon die nachfolgenden Romane sind nicht mehr so dolle, so etwa das völlig überbezahlte „The Number of the Beast“ (1980). Einzige Ausnahmen sind „The moon is a harsh mistress“ (1966, HUGO), in dem der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg auf dem Mond stattfindet, und „Friday“ (1982), in dem eine weibliche und nicht ganz menschliche Agentin ihre Weisheiten vertreibt.

Größtes Lob hat sich Heinlein mit seiner Future History (1967) verdient, die er seit den Vierzigern in Form von Stories, Novellen und Romanen („Methuselah’s Children“, ab 1941-1958) schrieb. Dieses Modell wurde vielfach kopiert, so etwa von seinem Konkurrenten Isaac Asimov.

Heinleins Werk lässt sich sehr einfach aufteilen. In der ersten Phase verarbeitet er auf anschauliche und lebhafte Weise physikalische und soziologische Fakten, die zweite Phase ab 1947 wurde bis 1958 mit Jugendromanen bestritten, die ebenfalls sehr lesbar sind. Die dritte Phase beginnt etwa ab 1959/1960 und ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass, wie ein Kenner anmerkte, Heinlein Meinungen als Fakten ausgibt. Daher lesen sich diese überlangen Schinken wie Vorlesungen und Traktate statt eine gute Geschichte zu erzählen.

Hinzukommt, dass Heinlein rekursiv wird: Er klaut bei sich selbst und besucht, etwa in „Die Zahl des Tiers“ (1980), die Universen seiner Zunftkollegen – hier wird die Science Fiction inzestuös. Das mag für eingefleischte SF-Fans ganz nett sein, die ihre Insider-Gags sicherlich genießen, doch für Outsider ist es einfach nur langweilig zu lesen.

Handlung

Auf dem Mars haben sich die ersten Kolonisten angesiedelt. Sie werden hier als ganz normale amerikanische Familien aus den Fünfzigern geschildert – jeder weiß also, wer der „Herr im Haus“ ist. Und wie noch heute dürfen diese ‚Amerikaner im All‘ auch Pistolen und Gewehre tragen, sobald sie alt genug sind und einen Eid geschworen haben. So auch Jim und sein bester Freund Frank, die in der Süd-Kolonie leben und ihr erstes Jahr an der Akademie in der Verwaltungshauptstadt beginnen. Sie nehmen Jims speziellen Freund, ein intelligentes Marswesen namens Willis mit. Willis kann alles, was er hört, exakt wiedergeben.

Leider hat die Akademie einen neuen Direktor bekommen. Howe ist insgeheim ein Feigling, doch seine Angst führt dazu, dass er unterdrückerische Maßnahmen gegen unbotmäßige Studenten einführt: Waffen müssen abgegeben werden, und natürlich auch ‚Haustiere‘. Obwohl kein Tier ist, wird er den Jungs weggenommen und im Zimmer des Direx eingesperrt. Dies führt zum ersten Rebellion, denn die beiden befreien Willis und fliehen mit ihm in die Eiswüste des Mars, um nach Hause zurückzukehren. Sie haben von Willis erfahren, was Direx Howe und sein Boss, der Verwaltungschef der Mars-Gesellschaft vorhaben: Obwohl der tödliche Marswinter bevorsteht, sollen diesmal die Kolonisten, darunter Jims und Franks Eltern, nicht in wärmere Regionen umsiedeln dürfen, wie das sonst jedes Jahr geschah. Die Jungs müssen ihre Heimat warnen.

Auf dem über 1000 Meilen langen Weg nach Haus entkommen sie der Polizei der Mars-gesellschaft, indem sie sich bei den Eingeborenen des Mars verstecken und mit deren Verkehrsmitteln weiterfahren. Willis hilft ihnen sehr bei der Verständigung mit den 3 Meter großen, mystisch angehauchten Gestalten, die namens wie Gekko oder K’boomch tragen.

Man kann sich leicht vorstellen, dass die Nachricht, die die beiden Jungs ihren Familien bringen, wie eine Bombe einschlägt. Schon bald ziehen wehrhafte Kolonisten gen Hauptstadt, und zwar nicht nur, um dem anrückenden Winter zu entkommen. Wenig später erklärt sich der rote Planet für unabhängig…

Mein Eindruck

Lebhafte – und antiquierte – Schilderungen des Planeten, gefährliche Situationen, genaue Charakterisierungen, ein hohes Tempo der Handlung – all dies macht dieses Buch zu einem Lesevergnügen für den Science Fiction-Fan. Im Grunde handelt es sich um die Übertragung des Unabhängigkeitskrieges auf den roten Planeten. Und Willis erinnert an die „Sternenbestie“ Lummox. Wie jenes Alien ist auch Willis ein hoher Vertreter einer nicht-menschlichen Rasse, wird aber von den Kolonisten für ein Haustierchen und Forschungsobjekt gehalten. Und wie dort führt dies beinahe zur Vernichtung der menschlichen Siedler durch die Einheimischen. Man kann diesen Handlungsverlauf als Kommentar auf den Verlauf der amerikanischen Geschichte auffassen.

Hinweis

Der Grund, warum der US-Verlag dieses Buch kürzte, lag darin, dass nach damaliger Doktrin auf keinen Fall Schusswaffen tragen und damit Erwachsene töten durften, wie das in der ungekürzten Fassung geschildert wird. Diese Fassung konnte von Heinleins Witwe erst in den 90er Jahren autorisiert werden.

Es gibt eine illustrierte Ausgabe, die 1982 in „ungekürzter“ Neuübersetzung (von Herbert Roch) bei Heyne erschien. Aber auch sie ist noch wie alle ihre deutschen Vorgänger seit 1952 gekürzt, denn die ungekürzte Ausgabe des Originals konnte erst ab 1990 genutzt werden.

Taschenbuch: 285 Seiten
Originaltitel: The Red Planet, 1949
Aus dem Englischen von Herbert Roch et al.
ISBN-13: 9783404232147

www.luebbe.de

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