Robert A. Heinlein – Die Marionettenspieler. SF-Roman

Nackte Menschheit: Attacke der Weltraummollusken!

„Die Marionettenspieler“, veröffentlicht 1951 (ungekürzt erst 1990), ist einer der wichtigsten Invasionsromane in der Science Fiction. Er erschien in Deutschland zuerst 1957 unter dem Titel „Weltraummollusken erobern die Erde“ – das sagt schon alles. Es geht also um eine Story aus dem Kalten Krieg. Ähnlichkeiten mit Jack Finneys „Die Körperfresser kommen“ sind wohl nicht ganz zufällig. Der Roman wurde ebenso wie Finneys Roman verfilmt.

Der Autor

Robert Anson Heinlein (1907-1988) wird in den USA vielfach als Autorenlegende dargestellt, sozusagen der „Vater der modernen Science Fiction“. Allerdings begann er bereits 1939, die ersten Stories im Science Fiction-Umfeld zu veröffentlichen. Wie modern kann er also sein?

Wie auch immer: Heinleins beste Werke entstanden zwischen 1949 und 1959, als er für den Scribner-Verlag (bei dem auch Stephen King veröffentlicht) eine ganze Reihe von Jugendromanen veröffentlichte, die wirklich lesbar, unterhaltsam und spannend sind. Am vergnüglichsten ist dabei „The Star Beast / Die Sternenbestie“ (1954). Auch diese Romane wurden vielfach zensiert und von Scribner gekürzt, so etwa „Red Planet: A Colonial Boy on Mars“ (1949/1989).

Allerdings drang immer mehr Gedankengut des Kalten Krieges in seine Themen ein. Dies gipfelte meiner Ansicht nach in dem militärischen Roman „Starship Troopers“ von 1959. Im Gegensatz zum Film handelt es sich bei Heinleins Roman keineswegs um einen Actionknaller, sondern um eine ziemlich trockene Angelegenheit. Heinlein verbreitete hier erstmals ungehindert seine militaristischen und antidemokratischen Ansichten, die sich keineswegs mit der der jeweiligen Regierung decken müssen.

Mit dem dicken Roman „Stranger in a strange land“ (1961/1990), der einfach nur die Mowgli-Story auf mystisch-fantastische Weise verarbeitet, errang Heinlein endlich auch an den Unis seines Landes Kultstatus, nicht nur wegen der Sexszenen, sondern weil hier mit Jubal Harshaw ein Alter Ego des Autors auftritt, der als Vaterfigur intelligent und kühn klingende Sprüche von sich gibt. „Stranger“ soll Charles Manson zu seinen Morden 1967 im Haus von Sharon Tate motiviert haben. Sharon Tate war die Gattin von Regisseur Roman Polanski und zu diesem Zeitpunkt schwanger.

Als eloquenter Klugscheißer tritt Heinlein noch mehrmals in seinen Büchern auf. Schon die nachfolgenden Romane sind nicht mehr so dolle, so etwa das völlig überbezahlte „The Number of the Beast“ (1980). Einzige Ausnahmen sind „The moon is a harsh mistress“ (1966, HUGO), in dem der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg auf dem Mond stattfindet, und „Friday“ (1982), in dem eine weibliche und nicht ganz menschliche Agentin ihre Weisheiten vertreibt.

Größtes Lob hat sich Heinlein mit seiner Future History (1967) verdient, die er seit den Vierzigern in Form von Stories, Novellen und Romanen („Methuselah’s Children“, ab 1941-1958) schrieb. Dieses Modell wurde vielfach kopiert, so etwa von seinem Konkurrenten Isaac Asimov.

Heinleins Werk lässt sich sehr einfach aufteilen. In der ersten Phase verarbeitet er auf anschauliche und lebhafte Weise physikalische und soziologische Fakten, die zweite Phase ab 1947 wurde bis 1958 mit Jugendromanen bestritten, die ebenfalls sehr lesbar sind. Die dritte Phase beginnt etwa ab 1959/1960 und ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass, wie ein Kenner anmerkte, Heinlein Meinungen als Fakten ausgibt. Daher lesen sich diese überlangen Schinken wie Vorlesungen und Traktate statt eine gute Geschichte zu erzählen.

Hinzukommt, dass Heinlein rekursiv wird: Er klaut bei sich selbst und besucht, etwa in „Die Zahl des Tiers“ (1980), die Universen seiner Zunftkollegen – hier wird die Science Fiction inzestuös. Das mag für eingefleischte SF-Fans ganz nett sein, die ihre Insider-Gags sicherlich genießen, doch für Outsider ist es einfach nur langweilig zu lesen.

Handlung

Die Eroberer kommen vom 6. Mond des Saturn, Titan (ebenso wie in Niven/Pournelles Invasionsroman „Fußfall“). Mit ihren Raumschiffen landen sie fast unbemerkt auf der Erde — Parasiten, die den Menschen als Gastkörper benutzen, wie der Ich-Erzähler herausfindet. Die Parasiten setzen sich irgendwo am Körper fest und übernehmen dort die volle Kontrolle.

Geschildert wird die Invasion und ihre Entdeckung und Bekämpfung aus der Sicht eines Geheimagenten, der maßgeblich an den Aktionen gegen die Invasoren beteiligt ist. Anfangs sind offenbar nur wenige Menschen ihre Sklaven, aber mit rasender Schnelligkeit bringen sie ganze Städte
und Landstriche an sich. Bevor die Gefahr vollständig erkannt wird und Gegenmaßnahmen möglich sind, scheint die Invasion schon entschieden. Aber die Verteidiger geben nicht auf.

Die Parasiten sind am nackten menschlichen Körper sichtbar, deshalb wird in den noch nicht oder nur wenig befallenen Gebieten das Tragen von Kleidung verboten. Nur so kann man offenbar sicher sein, dass der Nachbar noch kein Sklave der Fremden ist. Man kann die Parasiten vom Gastkörper lösen und
töten, aber bei der gewaltsamen Trennung stirbt dann meist auch der Mensch.

Einem Zufall verdankt man schließlich die Entdeckung einer wirksamen Waffe. Eine Krankheit, das Neuntagefieber, vernichtet die Parasiten. Ihre menschlichen Sklaven werden mit der Krankheit infiziert, die Parasiten sterben ab, und die Menschen erhalten ein Gegenserum. Die Verteidiger machen sich auf zum Saturnmond, um die Parasiten auszurotten, so dass künftige Invasionen ausgeschlossen sind.

Weitere Hauptpersonen neben dem Ich-Erzähler Sam Cavanaugh sind sein Vater und seine spätere Frau, die beide dem Geheimdienst angehören. Der Held durchläuft eine Entwicklung vom stur gehorchenden Muskelmann à la Schwarzenegger zum sich widersetzenden Agenten, dessen Reaktionen jedoch leicht zu berechnen sind, und schließlich zum denkenden Menschen, der eigene Entscheidungen trifft und sich durchsetzt.

Mein Eindruck

Die Entwicklung des „Helden“ ist halbwegs psychologisch glaubhaft geschildet, wenn auch mit seltsamen Sprüngen (so als sei der Roman in Episoden vorab in einem Magazin abgedruckt worden). Sprache und Stil des Romans sind ihm angepasst, also resolut, zupackend, direkt, rechts-konservativ. Einige tiefere Einsichten und Ausblicke verraten die besseren Anlagen des Helden.

Gags lockern die grimmige Stimmung während der Invasion auf, und mit dem Kater Pirat erscheint ein literarischer Vorläufer der Katze Pete in „Die Tür in den Sommer“. Erotische Gedanken kommen beim Helden natürlich bei der Vorstellung auf, junge Frauen unbekleidet durch die Straßen (und anderswo) gehen zu sehen.

Invasionsromane waren in den fünfziger Jahren während des Kalten Krieges groß in Mode. Die Parasiten dienten lediglich als Symbol für Kommunisten, die Übernahme des gesunden „Volkskörpers“ stellt die „Verunreinigung“ mit marxistisch-leninistischem Gedankengut dar. Insofern reiht sich Heinleins Roman in die Reihe von Antisowjet-Propaganda-Science Fiction ein, zu der eventuell auch Jack Finneys „Die Körperfresser kommen“ sowie die Verfilmung von H. G. Wells‚ „Krieg der Welten“ gehören.

Taschenbuch: 301 Seiten
Originaltitel: The Puppet Masters, 1951
Aus dem US-Englischen übertragen von Margaret Auer u. Marcel Bieger.
ISBN-13: 9783404212118

www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)