Robert B. Parker – Blue-eyed Devil (Ein Hitch & Cole-Western 4)

Zwei Gunmen zwischen Indianerinvasion und Wahlkampfterror

Einst waren Virgil Cole und Everett Hitch das Gesetz in Appaloosa. Nun kehren sie mit zwei Frauen zurück, nur um eine ganze Polizeitruppe vorzufinden. Diese horcht auf das Wort von Amos Callico, einen machtgierigen Politiker und Polizeichef. Er ist mit einem ehemaligen Südstaatengeneral verbündet. Doch diesmal weigern sich Cole und Hitch, in Callicos Dienste zu treten. Dadurch ziehen sie sich seinen Zorn zu. Doch eine zweite Gefahr droht von Apachenkriegern, die aus dem Reservat ausgebrochen sind. Mal sehen, wie Callico damit fertig wird…

„Blue-Eyed Devil“ ist die Bezeichnung, die die Chiricahua-Apachen im Buch für die Weißen benutzen.

Der Autor

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der Spenser-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird regelmäßig vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

Die Virgil-Cole-und-Everett-Hitch-Romane

Appaloosa. 2005. (Appaloosa. dt. von Emanuel Bergmann. Europa, Zürich 2012, ISBN 978-3-905811-60-5)
Resolution. 2008. (Resolution. dt. von Emanuel Bergmann. Europa, Zürich 2013, ISBN 978-3-905811-74-2)
Brimstone. 2009. (Brimstone. dt. von Emanuel Bergmann. Europa, Zürich 2015, ISBN 978-3-906272-29-0)
Blue-Eyed Devil. 2010.
5) Ironhorse (2013)
6) Bull River (2014)
7) The Bridge (2014)
8) Blackjack (2015)
9) Revelation (2017)
10) Buckskin (2019)
11) Opium Rose (06/2022)

Jesse-Stone-Krimis:

Night Passage. 1997. (Das dunkle Paradies. dt. von Robert Brack. Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-43318-4)
Trouble in Paradise. 1998. (Terror auf Stiles Island. dt. von Bernd Gockel. Pendragon, Bielefeld 2013, ISBN 978-3-86532-356-9)
Death In Paradise. 2001. (Die Tote in Paradise. dt. von Bernd Gockel. Pendragon, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-86532-369-9)
Stone Cold. 2003. (Eiskalt. dt. von Bernd Gockel. Pendragon, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-86532-391-0)
Sea Change. 2006 (Tod im Hafen. dt. von Bernd Gockel. Pendragon, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-86532-416-0)
High Profile. 2007. (Mord im Showbiz. dt. von Bernd Gockel. Pendragon, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-86532-447-4)
Stranger In Paradise. 2008. (Der Killer kehrt zurück. dt. von Bernd Gockel. Pendragon, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-86532-448-1)
Night and Day. 2009. (Verfolgt in Paradise. dt. von Bernd Gockel. Pendragon, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-86532-525-9)
Split Image. 2010. (Doppeltes Spiel. dt. von Bernd Gockel. Pendragon, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-86532-549-5)

Die Sunny-Randall-Reihe:

Family Honor. 1999. (Ehrensache. dt. von Tatjana Kruse. Ullstein, München 2003, ISBN 3-548-25312-1)
Perish Twice. 2000. (Doppelter Verrat. dt. von Tatjana Kruse. Ullstein, München 2003, ISBN 3-548-25550-7)
Shrink Rap. 2002. (Schutzlos. dt. von Tatjana Kruse. Ullstein, München 2003, ISBN 3-548-25807-7)
Melancholy Baby. 2004.
Blue Screen. 2006.
Spare Change. 2007 (wird fortgesetzt).

Die Spenser-Reihe (die bei weitem umfangreichste)

1) Widow’s Walk
2) Potshot
3) Hugger Mugger
4) Walking Shadow
Und 35 weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten Chandler-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

Handlung

Nach ihren Abenteuern in Resolution und Brimstone kehren die beiden Gunmen Virgil Cole und Everett Hitch nach Appaloosa zurück, wo sie einmal das Gesetz darstellten. Doch hier hat mittlerweile Polizeichef Amos Callico das Sagen. Er würde die beiden legendären Revolvermänner gerne in seine Dienste nehmen. Aber sie lehnen ab; Virgil mag den Mann nicht, der eine großspurige Art hat. Und der Sheriff des Landkreises, ein alter Bekannter, pflichtet ihnen bei.

Vom Bartender des Boston House Hotels erfahren sie, dass der Besitzer Lamar Speck sie gerne engagieren würde, um in seinem Saloon für Ordnung zu sorgen. Wieso das nicht Callicos zwölf Polizisten erledigen könnten? Das liegt daran, dass Mr Speck eine Art Schutzgeld an Callico zahlen muss – und wenn er’s nicht tut, dann haben die Polizisten auf einmal Wichtigeres zu tun. Cole und Hitch übernehmen den Job.

Sie sind in Coles früheres Haus eingezogen. Dort wohnen nun auch Allie French, die Cole aus einem Hurenloch am Rio Grande gerettet hat, und Laurel, die Cole aus den Händen von mexikanischen Menschenhändlern befreit hat. Cole ist der einzige Mensch, mit dem die vergewaltigte Fünfzehnjährige flüsternd spricht. Und Allie fühlt sich dazu berufen, Laurel eine gute Mutter zu sein. Hitch hat bezüglich Allies Fähigkeiten seine Zweifel.

Nicht nur Lamar Speck will Coles Dienste, sondern etliche weitere Saloonbesitzer, die die Schutzgelderpressung Callicos abschütteln wollen. Kein Problem für Cole. Aber eines für Callico, der seine Einnahmen einbrechen sieht. Doch inzwischen wissen Cole und Hitch von Allie, die sich mit Callicos Frau Amelia angefreundet hat, dass der Polizeichef große Pläne hat: Nach dem Sheriff-Amt winken das des Gouverneurs, das eines Senators und schließlich das des Präsidenten. Allerdings würde es dieser steilen Bilderbuchkarriere nicht gut bekommen, sollte Callico andere Leute grundlos über den Haufen schießen. Das sieht er letztlich auch ein und zieht wieder ab.

Die „Rothäute“

In Brimstone haben sie den indianischen Fährtensucher Pony Flores kennengelernt, einen Mischling halb Apache, halb Mexikaner, der ihnen sehr geholfen hat. Als dieser bei Virgils Haus auftaucht, fällt ihm Laurel begeistert um den Hals! Offensichtlich ist hier Liebe im Spiel. Ein guter Grund für Cole, Ponys Bruder Koh-te-nay nicht zu töten, der ein reinblütiger Chiricahua-Apache ist. Und ein Mörder und Dieb. Die Pinkerton-Detektive der Eisenbahn seien hinter ihm her, sagt Pony, denn sein Bruder weigert sich, mit den „blauäugigen teufeln“ zu sprechen.

Das sieht nach einer Menge Ärger aus. Denn da auf Koh-te-nay eine Belohnung ausgesetzt wurde, kommen hinter den Detektiven bestimmt auch noch Kopfgeldjäger nach Appaloosa. Cole und Hitch empfehlen den beiden Indianern, nach Resolution zu gehen, wo die beiden Marshals Rose und Cato für Recht und Ordnung sorgen, ebenfalls freundliche Helfer (vgl. „Resolution“). Es wäre ein Jammer, würde Laurels junge Liebe jetzt schon beendet werden, findet Cole.

Diesen Rat befolgen die beiden. Doch Hitch macht den Fehler, Allie dies zu verraten. Die Frau will sich bei Amelia Callico einschmeicheln und mit dieser Information beeindrucken. So erfährt es der Polizeichef schließlich selbst. Als er und die Detektiv Cole & Hitch zur Rede stellt, wissen sie natürlich von nichts.

Aber die Konfronation kann nicht ausbleiben. Denn Koh-te-nay kehrt schließlich in die Reservation zurück, rekrutiert einen Trupp unzufriedener Krieger und, wie Pony Flores, warnt, plant, die Stadt Appaloosa niederzubrennen und auszuplündern. Na, damit soll Amos Callico erstmal fertigwerden. Unterdessen schmieden Cole und Hitch heimlich eigene Pläne für den Ernstfall…

Mein Eindruck

Der Roman hat drei durchgehende Handlungsstränge: Virgil Cole versus Amos Callico ist der alles übergreifende Spannungsbogen und findet in einem erstklassigen Showdown sein Ende. Callicos Verbündeter ist zunächst General Laird, Besitzer einer großen Ranch und Vater eines nichtsnutzigen Sohnes, der Virgil Cole herausfordert – ganz schlechte Idee. Laird heuert einen Revolvermann an, um Cole umzulegen. Und drittens sind da die Apachen.

Der Zeitpunkt, zu dem die Geschichte spielt, ist definitiv nach Custers verheerender Niederlage gegen Sitting Bull und Crazy Horse, die im Jahr 1876 am Little Bighorn River stattfand. Zu diesem Zeitpunkt sind auch die Chiricahua-Apachen bereits in der Reserv ation San Carlos eingepfercht und völlig von Lebensmittelrationen der Weißen abhängig. Doch Gokhlayeh alias Geronimo brach wie Koh-te-nay im Buch aus der Reservation aus und wurde bis 1886 (mit Unterbrechungen) gejagt. Soweit ich sehen konnte, gibt es sonst kein historisches Vorbild für Koh-te-nay.

Aber die Chiricahua, Gokhlayehs Stamm, sind in den USA allgemein als große und verschlagene Krieger bekannt. Deshalb bot es sich dem Autor an, über sie zu schreiben – und nicht etwa über die benachbarten Comanche. Er nahm sich jedoch die Freiheit, den Apachen Taten und Unternehmungen der Comanche zuzuschreiben, so etwa die Einnahme und Zerstörung einer ganzen Stadt – hier ist es Appaloosa.

In der Historie traf dieses Schicksal im Jahr 1840 die texanische Küstenstadt Linnville. Bei einem Kriegszug der Penateka-Comanchen geplündert und zerstört, wurde sie nie wieder aufgebaut. Damals verbreiteten die Comanche überall in Texas Furcht und Schrecken, denn die Weißen bedrohten die Weidegründe der Büffel, von denen sie abhängig waren. Außerdem waren die Comanche offenbar zu allen Zeiten – zumindest ab 1610 – eine kriegführende Nation (sie bestand aus fünf Stämmen). Noch heute wissen die Texaner, dass ein voller, heller „Comanche-Mond“ Unheil und Gefahr bedeutet….

Showdown Nr. 2

Mit der Auseinandersetzung zwischen den Weißen und den Apachen-Kriegern mitten in der Stadt findet der Roman seinen ersten Höhepunkt, der an Action und Spannung kaum zu überbieten ist. Doch wie soll es danach weitergehen, fragte ich mich. Da tritt Amos Callico wieder auf den Plan: Er und Laird lassen die Stadt mit Regierungsgeldern wiederaufbauen – und mit Steuern, die Callico wie kein anderer einzutreiben weiß (er hat Schutzgelder erpresst).

Es ist eigentlich kein Wunder, dass Callico und Laird um das neu zu schaffende Amt des Bürgermeisters wetteifern. Doch der Wahlkampf wird keineswegs mit fairen Mitteln geführt. Cole & Hitch sollen sich – wieder einmal – zwischen den Fronten entscheiden. Sie verfallen auf einen schlauen Plan, wie sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können. Auch die Sache mit dem Revolverman Chauncey Teagarden wird zufriedenstellend geklärt.

Nachdem die beiden der Stadt wieder zu Frieden und Freiheit verholfen haben, reiten sie weiter – wahrscheinlich in den Sonnenuntergang, wie sich das gehört. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann arbeiten Laurel, die Stumme, und Pony Flores, das Halbblut, das sie liebte, noch heute auf der Ranch, die ihnen Cole geschenkt hat.

Unterm Strich

Ich habe den Western in nur sechs Stunden gelesen. Die Geschichte besteht fast nur aus Dialogen und ist somit sehr flüssig und flott zu lesen. Man sollte aber daran denken, dass Parker einen knappen Hemingway-Stil pflegt: Das Wichtigste steht ZWISCHEN den Zeilen. Sonst könnte man leicht den famosen Humor, die Anzüglichkeiten und Anspielungen übersehen.

Die Hauptattraktionen bestehen aus einer kriegerischen Invasion der Apachen und im Showdown mit dem Polizeichef. Doch dazwischen findet der Autor stets viel gelegenheit, seine Sozialkritik durchschimmern zu lassen. Cole und Hitch bekommen beispielsweise heraus, dass Callicos Frau Amelia, die von Allie als Ausbund einer Lady bewundert wird, in New Orleans als Hure und Puffmutter arbeitete, bevor sie Callico, einen Kunstschützen auf Jahrmärkten kennenlernte. Gemeinsam streben sie – unter besten Voraussetzungen – das Präsidentenamt an. Eine Ex-Hure als First Lady – das wär doch mal was Neues.

Callico betätigt sich auch als Erpresser, ganz wie es die neapolitanische Camorra noch heute tut. Vielleicht hat er auch nur Schutzgelderpressung mit einer neuen Auffassung von Stuern und Abgaben verwechselt, wer weiß das schon so genau? Jedenfalls hat er vor, seine gesamte Stadt dementsprechend zur Ader zu lassen. Es müssen wohl Steuern sein, oder?

Wie auch immer: Mir hat dieser letzte aller Western von Robert Parker ebenfalls sehr gut gefallen. Zwar bietet „Brimstone“ noch mehr Showdowns und viel mehr Frauen-Interaktion, aber dafür gibt es hier mehr Politik und viel mehr Indianer.

Hinweis

Das Buch ist noch nicht übersetzt worden, vgl. die Wikipedia.

Taschenbuch: 273 Seiten
O-Titel: Blue-Eyed Devil, 2010, Taschenbuch bei Berkley in 2011;
ISBN-13: 9780425241455

https://www.penguin.com/publishers/gpputnamssons/

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