Robert B. Parker – Starallüren. Ein Spenser-Krimi (Spenser 17)

Spenser auf Spurensuche: das Kind in der Diva

„Gehn wir zu Ihnen oder zu mir?“ fragte Jill. „Zu Ihnen“, sagte ich. „Aber vergessen Sie nicht, ich hab einen Ballermann.“

Dass Blondinen ihre Zicken haben, wusste schon Philip Marlowe. Privatdetektiv Spenser macht jedenfalls keine sonderlich guten Erfahrungen, als er der Schauspielerin Jill Joyce, die von einem anonymen Anrufer bedroht wird, als Bodyguard zur Seite steht. Ihre Launen sind ein echter Härtetest – und dass sie permanent auf seine Hose schielt, macht die Sache auch nicht einfacher.

Die Lage spitzt sich zu, als das Stunt-Double der Schauspielerin erschossen im Umkleideraum aufgefunden wird. Spensers Nachforschungen führen nach Los Angeles und weit zurück in die Vergangenheit Jills. Dort ist nicht nur die Ursache für ihre probleme zu suchen, sondern auch derjenige, der sie tot sehen will. Und Spenser gerät an Leute, die noch weit größere Plagegeister als die Diva sind – und ganz erheblich aggressiver. (Verlagsinfo)

Der Autor

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 60 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der Spenser-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt.

Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis. „Der Amerikaner Robert B. Parker promovierte mit einer Arbeit über das Werk Dashiell Hammetts, Raymond Chandlers und Ross Macdonalds.“ (Ullstein-Info)

Jesse-Stone-Krimis:

1) Night Passage (1997)
2) Trouble in Paradise
3) Death in Paradise
4) Stone Cold (2003)
5) Stranger in Paradise
Und weitere.

Die Sunny-Randall-Reihe:

1) Shrink Rap
2) Perish Twice
3) Family Honor
Und weitere.

Die Spenser-Reihe (die mit über 50 Titeln bei weitem umfangreichste)

1) Widow’s Walk
2) Potshot
3) Hugger Mugger
Und viele weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten Chandler-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

Handlung

Spensers Freundin Susan Silverman, die Psychologin, ist als „technische Beraterin“ von einer Filmproduktionsfirma angeheuert worden. Zenith Meridien dreht gerade in Boston eine Folge der TV-Serie „Fifty Minutes“ mit der etwa 40-jährigen Diva Jill Joyce in der Hauptrolle. Jill ist Amerikas Darling und der größte Zuschauermagnet seit dem „Denver-Clan“. Dumm nur, dass sie so eine Zicke ist, findet Spenser. Er soll herausfinden, wer sie am Telefon belästigt, doch als er sie zum ersten Mal allein sprechen kann, betrinkt sie sich und will ihn ins Bett kriegen. Dabei baumelt hinter ihr eine gehängte Puppe von ihr selbst von der Decke…

Klar, dass Jill jetzt irgendwie in Gefahr zu schweben scheint und Schutz braucht. Doch sie provoziert weiterhin ihren Beschützer. Eines Morgens will ein früherer Verehrer sie allein in seinem Auto sprechen, was Spenser nicht zulassen kann. Er schlägt den Bodyguard zusammen, was ihm bei ihr ein paar Pluspunkte einbringt. Vorerst. Als er den Herrn des Bodyguards, einen Mister Rojack, besucht, bringt die Unterhaltung ein wenig Licht in das Liebesleben der Diva, über das sie selbst absolut nichts sagen will. Es gibt sogar einen jungen Mann , der in den nahen Wäldern lebt, der tatsächlich noch mit ihr verheiratet ist. Die beiden stammen aus San Diego oder Los Angeles. Dieser Wilfred Pomeroy ist harmlos, findet Spenser und erwähnt ihn der Polizei gegenüber nicht. Böser Fehler.

Als Jills Stunt-Double erschossen aufgefunden wird, sieht Spenser keine andere Möglichkeit herauszufinden, wer es auf sie abgesehen hat, als selbst an die Westküste zu reisen und Jills Hintergrund zu recherchieren. Nacheinander treibt er folgende Individuen auf, von denen sie ihm nichts erzählt hat:

1) ihre Mutter Vera, eine apathische und arbeitslose Alkoholikerin;

2) den Vater ihrer Tochter, einen Gangsterboss, mit dem nicht zu spaßen ist;

3) ihren Vater, einen alten, aber rüstigen Mann, der einen Revolver besitzt;

4) und ihren Agenten, der Spenser auf die Palme bringt.

Mit so vielen Erkenntnissen, aber keiner Spur in der Tasche kehrt der privatdetektiv nach Boston zurück. Nur um gesagt zu bekommen, dass sein Schützling ihren Beschützern ein Schnippchen geschlagen hat. Sie zog klammheimlich in ein anderes Hotel, doch von dort verschwand sie am nächsten Morgen spurlos. Wurde sie entführt?

Mein Eindruck

Obwohl dieser Spenser-Krimi die gleichen Zutaten aufweist wie die anderen, hat er mich nicht recht überzeugt. Wieder folgt Spenser den Spuren in die Vergangenheit einer Frau, genau wie in „Paper Doll“ und stößt dort auf zahlreiche Ungereimtheiten und sogar Verbrechen. Natürlich ist „Jill Joyce“ nur ihr Künstler- und nicht ihr richtiger Name: Sie wurde als Jill Zabriskie geboren. Da sie, wie Jesse Stones Exfrau Jenn, ebenfalls Schauspielerin werden sollte, nahm sie einige Demütigungen auf sich, ließ sich mit dem aufstrebenden Gangsterboss Victor del Rio ein und bekam von ihm ein Kind. Das gab sie zur „Adoption“ an ihn frei, im Gegenzug für zahlreiche Starthilfen bei Film und Fernsehen – ihr unaufhaltsamer Aufstieg begann.

Der Autor demontiert hier den Mythos der strahlenden Leinwandgöttin ebenso wie den der unschuldig handelnden, aber sexy aussehenden Seelenhelferin, den die Amis so lieben. Beides wird als Lüge entlarvt. Und wie schon in „Paper Doll“ (dt. Titel: „Schmusepuppe“) haben der Alkoholismus und die Nymphomanie der Diva sehr viel mit dem zu tun, was ihr in der Kindheit und Jugend angetan wurde, auch in der eigenen Familie.

All die Wiederholungen der gleichen Motive lassen diesen Krimi – der drei Jahre vor „Paper Doll“ (Spenser 20) veröffentlicht wurde – auf mich nicht gerade originell wirken. Hinzukommt, dass der Autor mehrere seiner vorangegangenen Romane zitiert, die ich noch gar nicht gelesen habe – so als wolle er sich bei seiner Lesergemeinde anbiedern. So wird auf Paul Giacomin Bezug genommen, der in „Pastime“ (Spenser 18) eine wichtige Rolle neben Spenser spielt. Andererseits würde es merkwürdig wirken, täte sich der Detektiv NICHT an seine früheren Fälle erinnern, nicht wahr? Amnesie wirkt nicht geradezu professionell bei einem Ermittler.

Der Schluss

Immerhin hat mir der Schluss sehr gut gefallen. Die wiederbeschaffte Jill muss sich von einem seelischen Zusammenbruch erholen und Spenser gewährt ihr die nötige Ruhe und Stille in einer einsamen Hütte im Wald. Nur die drei Hunde des dahingeschiedenen Wilfred Pomerey leisten den beiden Gesellschaft. Und tatsächlich sind die Hunde die einzigen, auf die die Frau wieder anspricht. Während die Filmgesellschaft, die Polizei, die Medien und natürlich Rojack allesamt durch Spenser abgewehrt werden, scheint sich Jill Zabriskie endlich wieder seelischer Gesundheit anzunähern. Doch kann Spenser allein bestehen? Er wird Hilfe brauchen…

Fehler

An einer Stelle verwechselt der Autor ganz klar die beiden Namen Rojack und Randall miteinander. Kann jedem Autor passieren, sollte aber jedem Lektor auffallen.

Unterm Strich

Dadurch, dass ich dieses ältere Buch vor dem drei Jahre später veröffentlichten Krimi „Paper Doll“ (1993) gelesen habe, wirken seine Ideen wie eine Wiederholung der gleichen Grundmuster und Kernmotive: Die Reise in die Vergangenheit einer bedrohten oder getöteten Frau rüttelt an den Legenden, die sie umgeben, sowie an diversen anderen Glaubenssätzen. Diesmal sind nicht der tiefe Süden oder ein Senator das Ziel der Kritik, sondern das Mediengeschäft, das erbarmungslos den Marktwert eines Menschen ausbeutet, um Kasse zu machen. Klar, dass dies nicht allzu lange gutgehen kann.

In seiner lässigen, aber unerschrockenen und integren Art führt Spenser die Ermittlung bis zu ihrem logischen Showdown. Das ist für Kenner und Neulinge sicher recht spannend, aber ich fand die langen detaillierten Beschreibungen der Umgebungen, in die der Held vordringt ermüdend und nutzlos. Außerdem sind die Cops immer die Guten, auch wenn es mal ein paar schwarze Schafe drunter gibt – im Großen und Ganzen sind sie alle okay. Dass dies nicht stimmt, zeigen die Krimis von Stuart MacBride, Ian Rankin und vor allem von Michael Connelly.

Für die besten Szenen sorgen Susan Silverman, Spenser und sein schwarzhäutiger Kumpel und Helfer Hawk. Diese dynamische Trio liefert nicht nur die besten Einzeiler, sondern auch jede Menge schwarzen Humor, der auch mich ins Schmunzeln brachte und gut unterhielt. Das bewahrt den Krimi vor weiteren Punktabzügen. Übrigens bleiben daher…

Taschenbuch: 247 Seiten
O-Titel: Stardust, 1990
Aus dem Englischen übertragen von Götz Pommer.
ISBN-13: 9783442414857
https://www.penguinrandomhouse.de/Verlag/Goldmann/4000.rhd?nis=8


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