Robert E. Howard/Ramsey Campbell – Die Krieger von Assur

Howard Campbell Krieger Cover kleinInhalt:

Diese Kollektion sammelt drei zu Lebzeiten ihres Verfassers Fragmente gebliebene und später vollendete Kurzgeschichten sowie ein Gedicht, die den puritanischen Gottesstreiter in den Mittelpunkt stellen; hinzu kommt eine von Robert E. Howards ‚historischen‘ Abenteuergeschichten:

– Hugh Walker: Vorwort, S. 7-10

– Die Straße Azraels (The Road of Azrael, 1976), S. 10-67: Mit seinem Waffenbruder, dem Türken Kosru Malik, jagt Kreuzritter Sir Eric de Cogan im Jahre 1109 durch die Wüste die Entführer seiner Verlobten und gerät zwischen die Fronten aufrührerischer Perser, Araber – und Wikinger.

– Die Burg des Teufels (The Castle of the Devil, 1978), S. 67-88: Im deutschen Schwarzwald ist Solomon Kane, Gottes selbst ernannter Kämpfer für Gerechtigkeit, zu ‚Gast‘ bei Baron von Staler, um dessen wahnsinnigen Schreckensregiment ein Ende zu bereiten.

– Die Stadt des Mondgottes (Hawk of Basti, 1979), S. 88-117: Im tiefsten Afrika hilft Solomon Kane einem alten Kameraden, sich zum König über einen Kriegerstamm aufzuschwingen.

– Die Krieger von Assur (The Children of Asshur, 1979), S. 118-160: Auf seiner Wanderung durch Afrika gerät Solomon Kane an die Nachfahren assyrischer Eroberer, die ihn für einen Aufstand gegen ihren grausamen König gewinnen können.

– Sir Richard Grenville kehrt zurück (The Return of Sir Richard Grenville, 1968), S. 160/61: Als Solomon Kane in der Nacht überfallen wird, kämpft der Geist eines Gefährten an seiner Seite.

Mit wenig Gepäck & freiem Schwertarm

Solomon Kane ist ein düsterer, grüblerischer und paranoider Puritaner, der meist fern seiner englischen Heimat unstet durch ferne und fremde Länder wandert. Er hängt einer (christlichen) Glaubensrichtung an, deren Mitglieder dem Heidentum mit blanker Klinge entgegentreten. Kane, der daheim wegen seines fanatischen Gerechtigkeitssinns und aufgrund politischer Intrigen unter Druck geriet, hat sich eine Mission gewählt, die ihn weniger gegen unbelehrbare ‚Heiden‘ führt. Stattdessen legt sich Kane mit jenen an, die schwächere, ihnen ausgelieferte Menschen unterdrücken und terrorisieren. Dabei stört es ihn nicht, ob diese Christen sind. In seinem durchaus latent wahnhaften Eifer hat er sich eine Selbstrechtfertigung zurechtgelegt, die Gott auf seiner Seite zeigt.

Die Solomon-Kane-Geschichten spielen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Auf dem englischen Thron sitzt Elisabeth I., gegen die Kane große Vorbehalte hegt. Zwar meidet er England nicht, wenn ihn die Pflicht ruft, aber lieber hält er sich fern und lässt sich treiben. Seine Streifzüge führen Kane durch die bekannten, mehr aber noch durch die kaum oder gar nicht bekannten Kontinente und Länder seiner Epoche.

Eine Weltkarte mit weißen Flecken ist der ideale Spielplatz für Abenteuergeschichten. Spielen sie in der Vergangenheit, trägt dies zur exotischen Spannung bei. Historische Genauigkeit ist ganz sicher nicht das wichtigste Kriterium. Die Vergangenheit wird zum Stoff, aus dem Leserträume gewoben werden – Träume von einem nie wirklich realen, kaum fassbaren, halb erträumten Irgendwo, das vor allem eines wenigstens für eine Weile ausklammert: die schnöde, langweilige, gegenwärtige Realität.

Ein Mann wird getrieben

Kane ist nach Auskunft seines Verfassers neugierig. Doch scheint er sich niemals über die Wunder zu freuen, denen er auf seinen Reisen begegnet. Gefesselt wird er höchstens von den Schattenseiten dieser Sehenswürdigkeiten. Kane ist ein Getriebener, der sich kein Schauen, keine Pausen gönnt. Sobald er einem Tyrannen, einem Ungeheuer oder einem anderen Schurken den Garaus gemacht hat, zieht Kane ruhelos weiter. In der Regel lässt er nicht einmal die im Kampf erlittenen Wunden verheilen: Das Leiden gehört für Kane zum Leben eines Glaubensstreiters.

Insofern ist Solomon Kane kein sympathischer Zeitgenosse. Selbstgerecht ist er Kläger, Richter und Henker in einer Person. Kane hat keine Freunde, sondern höchstens Kampfgefährten oder erbitterte Feinde. Sie hassen ihn, achten ihn aber gleichzeitig, denn Kane ist schnell dabei, vermeintliches Gesindel zum Teufel zu schicken. Selbstverständlich ist Kane absolut frauenresistent, wie die schöne Siduri in „Die Krieger von Assur“ zu ihrem Missfallen (und mit später tödlichen Folgen) feststellen muss. Frauen werden aus Nöten gerettet, sind aber ansonsten tunlichst zu meiden, so Kanes Credo – ein interessanter Zug, den Robert E. Howard nie ausgelotet hat oder ausloten durfte, da solches in den zeitgenössischen Pulp-Magazinen, für die er schrieb, nicht geduldet wurde.

Kane kompensiert seine innere Unruhe durch den Sturz ins nächste Abenteuer. Glücklicherweise war Howard ein fabelhafter Geschichtenerzähler, der darüber hinaus ein Händchen für Stimmungen und Landschaftsbeschreibungen besaß. Nur wenige Worte genügten Howard, um sein Publikum in den Bann zu ziehen. Er war zudem ein besessener Leser, der ohne Skrupel die Historie plünderte, um seinen Abenteuergeschichten Rahmen und Schliff zu geben. Solomon Kane in Afrika erinnert nicht grundlos an jene großen Reisenden, die Henry Rider Haggard (Allan Quatermain) oder Edgar Rice Burroughs (Tarzan) erschufen, um in versunkenen, archaischen, reizvoll degenerierten Reichen lebensgefährliche aber spannende Abenteuer zu erleben.

Kämpfen statt Grübeln

„Die Straße Azraels“ zählt zu den Storys, die Howard für jene Magazine schrieb, die sich auf farbenfrohe Abenteuererzählungen spezialisiert hatten. Übernatürliche Elemente konnten vorkommen, blieben aber meist außen vor. Die unerhörte Dynamik, mit der Howard sein Garn spann, benötigte ohnehin keinen Spuk und keine Monster. Lieber lässt er plötzlich ein Wikingerboot und an Bord den 1066 eben nicht in der Schlacht von Hastings gefallenen Angelsachsenkönig Harold II. auftauchen! Auf knapp 60 Seiten treibt Howard eine Geschichte voran, die heutige Autoren vermutlich auf mehrere Bände auswalzen würden.

Schon die Konstellation ist typisch: Kosru Malik, der Moslem, und Sir Eric de Cogan, der Christ, müssten Todfeinde sein. Doch über die politischen und kulturellen Differenzen stellt Howard stets die Freundschaftstreue. Sir Eric hat dem jungen Kosru einst das Leben gerettet. Es geschah während der Eroberung einer syrischen Stadt durch Kreuzritter, die in ein Gemetzel ausartete. Der entsetzte Eric verlor seinen Idealismus und begann den Sinn der Kreuzzüge zu hinterfragen. Seine Pflicht gegenüber Kaiser und Papst erfüllt er zwar, aber er betrachtet die Sarazenen längst als Menschen und nicht als „Heidenhunde“, die es abzuschlachten gilt.

Ebenso denkt Kosru Malik. Howard ist hier weit entfernt von einer starren Schwarz-Weiß-Zeichnung. Die zeitgenössischen Kreuzfahrerstaaten zeigt er als Schmelztiegel unübersichtlich vieler Gruppen, die nicht unbedingt die Interessen der jeweils vorgeschobenen Religion, sondern eigene Machtpläne verfolgen. Dem Individuum bleibt die Herausforderung zu überleben und dabei die eigenen moralischen Werte zu wahren. Das geschieht ohne hohles Pathos, sondern wird von Howard als Handlungselement verstanden und sorgt für die I-Tüpfelchen über diesen Klassikern der Unterhaltungsliteratur.

Anmerkung

Robert E. Howard war ein fleißiger und flexibler Autor, der den Markt im Blick behielt. Als in den 1930er Jahren seine Storys um Conan, den Barbaren, populär wurden, konzentrierte sich Howard auf diese Figur. Ältere Manuskripte mit anderen Helden wurden umgeschrieben oder blieben unvollendet. Dieses Schicksal traf auch vier Solomon-Kane-Geschichten, die nie abgeschlossen wurden.

Noch am weitesten war „Die Krieger von Assur“ gediehen, während „Die Burg des Teufels“ und „Die Stadt des Mondgotts“ nicht über einleitende Seiten hinausgekommen waren. Diese Fragmente wurden erstmals 1968 von Glenn Lord veröffentlicht. (In dieser bruchstückhaften Form kann man sie hierzulande in der 2014 im Festa-Verlag erschienenen Howard-Sammlung „Die unter den Gräbern hausen“ lesen.)

Für einen Doppelband mit Kane-Storys („Solomon Kane: Skulls in the Stars“ und „Solomon Kane: The Hills of the Dead“) ließ der Verlag Bantam Books 1978/79 den britischen Schriftsteller von Ramsey Campbell diese drei Texte vervollständigen. Ein viertes Fragment („Death’s Black Riders“) war so kurz, dass eine Fortsetzung reine Spekulation geblieben wäre.

Autoren

Robert Ervin Howard wurde am 22. Januar 1906 in Peaster, US-Staat Texas, geboren. Sein Vater, ein Landarzt, zog mit seiner kleinen Familie oft um, bis er sich 1919 in Cross Plain und damit im Herzen von Texas fest niederließ. Robert erlebte keine glückliche Kindheit. Er war schmächtig, ein fantasiebegabter Bücherwurm und damit der ideale Prügelknabe für die rustikale Landjugend. Der Realität entzog er sich einerseits durch seine Lektüre, während er sich ihr andererseits stellte, indem er sich ein intensives Bodybuilding-Training verordnete, woraufhin ihn seine Peiniger lieber in Frieden ließen: Körperliche Kraft bedeutet Macht, der Willensstarke setzt sich durch – eine Lektion, die Howard verinnerlichte und die seine literarischen Helden auszeichnete, was ihm die Kritik lange verübelte. Howard wurden sogar faschistoide Tendenzen unterstellt; er selbst lehnte den zeitgenössischen Faschismus ausdrücklich ab.

Nachdem er die High School verlassen hatte, arbeitete Howard in einer langen Reihe unterbezahlter Jobs. Er war fest entschlossen, sein Geld als hauptberuflicher Autor zu verdienen. 1928 begann Howard auf dem Magazin-Markt Fuß zu fassen. Er schrieb eine Reihe von Geschichten um den Puritaner Solomon Kane, der mit dem Schwert gegen das Böse kämpfte. 1929 ließ er ihm Kull folgen, den König von Valusien, dem barbarischen Reich einer (fiktiven) Vorgeschichte, 1932 Bran Mak Morn, Herr der Pikten, der in Britannien die römischen Eindringlinge in Angst und Schrecken versetzte. Im Dezember 1932 betrat Conan die literarische Szene, ein ehemaliger Sklave, Dieb, Söldner und Freibeuter, der es im von Howard für die Zeit vor 12000 Jahren postulierten „Hyborischen Zeitalter“ bis zum König bringt.

Die Weltweltwirtschaftskrise setzte auch der US-amerikanischen Magazin-Szene zu. 1935 und 1936 verdiente Howard dennoch gut und sah einer vielversprechenden Zukunft entgegen. Er korrespondierte eifrig und selbstbewusst mit Kollegen und Verlegern, die ihn als noch raues aber bemerkenswertes Erzähltalent würdigten.

Privat litt Howard an depressiven Schüben. Diese Krankheit wurde in den 1930er Jahren noch selten als solche erkannt oder gar behandelt. In Howards Fall kam eine überaus enge Mutterbindung hinzu. Als Hester Ervin Howard an Krebs erkrankte, geriet ihr Sohn psychisch in die Krise. Im Juni 1936 fiel Hester ins Koma, am 11. des Monats war klar, dass sie den Tag nicht überleben würde. Als Howard dies realisierte, setzte er sich in seinen Wagen und schoss sich eine Kugel in den Kopf. Er war erst 30 Jahre alt. Sein umfangreiches Gesamtwerk geriet in Vergessenheit, bis es in den 1950er und 60er Jahren wiederentdeckt wurde und nie gekannte Bekanntheitsgrade erreichte, was seinen frühen Tod als doppelten Verlust für die moderne Populärkultur deutlich macht.

John Ramsey Campbell, geboren am 4. Januar 1946 in der englischen Großstadt Liverpool. ist seit vielen Jahrzehnten als Schriftsteller aktiv und gilt längst als einer der Großmeister der modernen Phantastik. Frühe Kurzgeschichten waren noch stark vom Vorbild H. P. Lovecraft (1890-1937) geprägt, stellten aber durchaus innovative Beiträge zum klassischen „Cthulhu“-Mythos dar. Später siedelte Campbell seine Geschichten in England an und emanzipierte sich von Lovecraft.

In seiner Kollektion „Demons by Daylight“ bewies er 1973, dass er eine eigene, trügerisch leise doch unüberhörbare Stimme gefunden hatte. Das Grauen wurde zunehmend psychologisch begründet, es nistete in den Köpfen der unglücklichen Protagonisten und wurde in klarer Prosa entfesselt. Zunehmend bezog Campbell die soziale Realität als Katalysator in seine Geschichten ein. Armut, Arbeitslosigkeit, Gewalt in der Familie, Kindesmissbrauch – das alltägliche Grauen ließ den klassischen Horror „von drüben“ oft reichlich blass wirken.

1976 veröffentlichte Campbell seinen ersten Roman, der ausgerechnet in Deutschland ein übles Schicksal erlebte: „The Girl Who Ate His Mother“ wurde unter dem Titel „Die Puppen in der Erde“ rüde gekürzt und sinnentstellt. („Butchered in German“, zürnt Campbell noch immer auf seiner Website.) Weitere Romane verschafften Campbell die Aufmerksamkeit der Kritik sowie ein begeistertes Publikum. Auch als Verfasser von Kurzgeschichten blieb er sehr aktiv. Campbell experimentiert thematisch und stilistisch und weiß immer wieder zu überraschen; eine lange Liste nationaler und internationaler Preise belegt eindrucksvoll seinen Erfolg. Einschlägiges Wissen über das Horrorgenre stellt Campbell als Herausgeber zahlreicher Storysammlungen unter Beweis, wobei ihm oftmals interessante Neu- und Wiederentdeckungen glücken. Als Präsident der „Society of Fantastic Films“ ist Campbell auch im Medium Film vertreten. Er rezensiert Horrorfilme und -DVDs für das BBC Radio Merseyside.

www.ramseycampbell.com

Taschenbuch: 161 Seiten
Übersetzung: Lore Strassl

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