Robert Gordon – Elvis 1935-1977 (Buch & CD)

Elvis gesteht: „Ich wollte eigentlich Arzt werden“

Am 16. August 2002 feierten Millionen von Mitgliedern der Elvis-Fanclubs und viele weitere Menschen den 25. Todestag des Künstlers Elvis Aaron Presley. Wieder einmal fand in Graceland bei Memphis die Elvis-Woche statt. Anlass genug, auf besondere Weise den Künstler und Menschen Elvis Presley zu würdigen. Das vorliegende Buch, das zu diesem Anlass veröffentlicht wurde, ist dementsprechend ein ganz besonderes Werk.

Ausstattung

Schwarzer Einband, ganz schlicht gehalten: kein Foto, nur der Titel des Bandes. Auf dem stabilen Schuber von den Maßen 26,5 mal 30,5 cm ist dagegen mehr zu sehen: Das Titelfoto zeigt den jungen Elvis ca. 1955 oder ’56, als der ganze Rummel losging, auf einer winzigen Bühne vor gesittet sitzenden Damen und (sehr wenigen) Herren. Die Rückseite des Schubers weist auf die Audio-CD mit den Interviewaufnahmen und auf die zahlreichen Nachbildungen von Originaldokumenten hin – gleich mehr dazu.


Der Autor

Robert Gordon ist der Verfasser von „The King on the Road“, einem Buch über Elvis‘ Konzerttourneen, und „It Came from memphis“, einer Chronik der Musik und Kultur von Memphis. Gordon schreibt regelmäßig für Musikzeitschriften wie „Rolling Stone“ und hat die preisgekrönte Blues-Dokumentation „All Day and All Night“ über B.B. King und Rufus Thomas produziert.

Das Buch

Der Erinnerungsband ist mit originalgetreuen, herausnehmbaren Nachbildungen seltener Dokumente* und Erinnerungsstücke** aus dem Elvis-Presley-Archiv in Graceland, Memphis (Tennessee).

** Handschriftliche Briefe (und deren Umschläge), Pressemeldungen, Film- und Konzertposter, Autogrammkarten sowie allerlei Bürokratendokumente: Mitgliedsausweise von Bücherei, Sheriffsverbindungen (Elvis war offiziell Sheriff in mehreren Bundesstaaten) wie Militär. Ein Drehbuchentwurf war für eine teilweise gedrehte Dokumentation über asiatischen Kampfsport angelegt worden: ein eng beschriebenes Heft.

Das Highlight dürfte wohl der sehr persönliche Brief sein, den Elvis aus Deutschland an seine Freundin Anita schrieb. Die Übersetzung findet man am Ende des Bandes. Ein kleines Daumenkino zeigt Elvis in den Tanzschritten, die für den Film „Jailhouse Rock“ entwickelt wurden.

**: so etwa der personalisierte Hausschlüssel zu Graceland, der mit den Initialen von Elvis Aaron Presley versehen ist.

Der Haupttext von Robert Gordon zeichnet ein lebendiges Bild eines großen Künstlers. Der Autor macht deutlich, dass Elvis schon mit zehn Jahren erstmals öffentlich auftrat und 1953, mit achtzehn, seine kommerzielle Karriere als Gesangskünstler begann. Das ist sehr gut recherchiert.

Der Autor Gordon, so mein Eindruck, dokumentiert vor allem die Laufbahn des Stars, legt dabei weniger Gewicht auf sein Privatleben. Natürlich gibt es immer wieder Hinweise auf Elvis‘ Interesse an der Frage nach dem Sinn seines Lebens. Wie es scheint, fand er die Antwort, indem er sich dem Publikum ab ca. 1968 intensiv widmete und dabei auch seine besten Songs einspielte. Doch nach der Scheidung von Priscilla Presley – er war ja ständig auf Tournee oder bei Studioaufnahmen – nahm seine Einsamkeit zu. Er missachtete Warnzeichen hinsichtlich seiner Gesundheit, obwohl ihn Ärzte und Kritiker gleichermaßen mahnten. Bei einem letzten Besuch in Graceland zahlte er den Preis für den Dauerstress, dem er sich ausgesetzt hatte.

Bedauerlich: Gordon geht mit keiner Silbe auf die Mitschuld von „Colonel“ Parker, Elvis‘ Manager, an dessen Tod ein oder auf den hohen Medikamentenkonsum des Stars. Er sagt noch nicht einmal, was genau die Todesursache war. Vermutlich setzt er diese Information als bekannt voraus.

Dadurch wird das Buch lediglich zu einem Einsteigerwerk, das allenfalls weitere Devotionalien (s.o.) unter die Anhängerschaft bringt. Menschen, die den Mitmenschen Elvis tiefer kennenlernen wollen, finden v.a. im ersten Teil gute, wenn auch knapp gehaltene Informationen.

Die Audio-CD „Elvis Speaks“

An passenden Stellen wird im Haupttext auf die beiligende Audio-CD verwiesen, das heißt auf bestimmte Tracks darauf: 60 Minuten Original-Interviews mit Elvis.

Die meisten Interviews, deren Tonqualität leider sehr schwankt, fanden hinter einer Bühne oder im Radiosender statt und waren sehr kurz, es sind aber auch zwei längere Aufnahmen dabei. Die frühesten Aufnahmen stammen vom Anfang seiner Karriere, aus den Jahren 1955, als er noch live auftrat, und 1956, als er bereits begann, in Filmen eine flotte Sohle hinzulegen. 1958 war er auf dem Militärsender zu hören, 1961 bei Aufnahmen auf Hawaii. 1970 und 1972 ist er auf Pressekonferenzen zu hören. Einmal werden auch seine Eltern Vernon und Gladys befragt: Gladys gefällt „Don’t be cruel“ am besten von allen Songs ihres Sohns (1956).

Die meisten dieser Aufnahmen sind nicht sonderlich tiefschürfend. Er wird aber auf seine Reaktion auf die Kritik an seinen lasziv empfundenen Auftritten hin befragt. Er nimmt die Angriffe mit Humor. Doch den Spitznamen „Elvis the Pelvis“ empfindet er als kindisch.

Interessanter sind da schon die einzigen Interviews, die länger als 6 Minuten dauern. Von einem älteren Herrn, der für die einflussreiche Fernsehprogrammzeitschrift „TV Guide“ schreibt, wird er im August 1955 nach seinen Wurzeln und seinen Empfindungen befragt. Obwohl es klingt, als würde hier nur ein Fragenkatalog abgehakt, so sind doch Elvis‘ Antworten aufschlussreich – er wirkt sehr natürlich und um Verstandenwerden bemüht.

Im September 1962 interviewt ihn ein intellektueller Herr namens Lloyd Shearer vom „Parade Magazine“ – mit 18:36 Minuten die längste Aufnahme der CD, doch leider nicht die beste: Shearers Fragen sind kaum zu hören, dafür sind Elvis‘ Antworten kaum je deutlicher zu vernehmen gewesen. So erfahren wir zu unserem Erstaunen, dass Elvis regelmäßig Karate treibt (er hat den Schwarzen Gürtel) und nach seinem Schulabschluss eigentlich Arzt werden wollte; daher lese er immer noch regelmäßig medizinische Publikationen. Auch Philosophie und Dichtung hätten ihn interessiert. Von hier aus erschließt der Haupttext das Innenleben des Stars weiter.

Mein Eindruck

Der Autor hatte offensichtlich nicht das Ziel, die endgültige Biografie zu schreiben, geschweige denn ein intellektuelles Werk über die Entstehung des Rock’n’Roll Elvis’scher Prägung. Das überlässt er anderen Spezialwerken. (Und das meiste ist uns geläufig.)

Daher bietet dieses Werk a) einen leichten Zugang zu Person und Werk des Künstlers, und b) zahlreiche Dokumente, die uns heutigen Lesern ein Gefühl der Echtheit und Authentizität vermitteln: Ja, es gibt nicht nur den Mythos Elvis; es gab auch den Menschen, der einsam war und liebte.

Ich würde dem ungewöhnlich ausgestatteten Buch viele Leser gönnen. Wegen seines herausnehmbaren Inhalts an Postern, Karten, Briefen usw. dürfte man es obendrein in den wenigsten öffentlichen Bibliotheken finden. Beim Goldmann-Verlag ist das Buch vergriffen und auf seiner Webpräsenz nicht mehr zu finden.

Hardcover: 64 Seiten
Originaltitel: The Elvis Treasures, 2002;
Aus dem Englischen von Helmut Splinter
ISBN-13: 9783442309856

www.randomhouse.de

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