Sabine Thiesler – Im Versteck

Paul Böger arbeitet freiberuflich als Fotograf in Hamburg. Als er in der Toskana ein verfallenes Haus am Ende eines kaum befahrbaren Weges hoch auf einem Berg findet, beschließt er spontan, seine Zelte in Hamburg abzubrechen und das Haus zu renovieren, um sich in dieser Einöde zu verstecken. Doch fehlt ihm zum Kauf noch Geld. Daher beschließt er, seine vermögende Mutter in die Toskana zu bringen, um ihr das Haus zu zeigen und sie um das fehlende Geld für den Kauf zu bitten.

Der Besuch mit seiner Mutter aber läuft nicht so, wie Paul sich das erhofft hat: Sie ist entsetzt von dem halbverfallenen Haus und weigert sich, auch nur einen Euro dafür zu investieren. Doch dann hilft Paul das Schicksal: Seine Mutter wird von einer Viper gebissen und stirbt. Mit dem Erbe kann er sich seinen Traum vom Haus in der Toskana erfüllen.

Dort möchte er sich – auf der Flucht vor seinem eigenen Trieb – verschanzen. Aber dann stellt er fest, dass dies gar nicht so einfach ist. Und kurz darauf verschwindet in seinem neuen Wohnort ein kleines Mädchen…

Auf der Flucht vor sich selbst

Zunächst beginnt das Buch ganz beschaulich: Wir begleiten einen Immobilienmakler und einen Kunden zu einem halbverfallenen Haus, das sehr abgelegen liegt und nur über eine völlig ruinierte Straße zu erreichen ist. Dann beschließt der Kunde – Paul Böger –, diese Ruine zu kaufen und zu renovieren. Die Gründe für diese Flucht in die Einöde liegen zu Beginn des Buches völlig im Dunkeln, denn als Leser weiß man hier noch nicht, was Paul Böger zu verbergen hat.

Sabine Thiesler stellt uns ihren Hauptprotagonisten erst nach und nach vor. Und dazu nimmt sie uns insbesondere mit auf eine Reise in Pauls Vergangenheit. Sie erzählt davon, wie Pauls Mutter sich von seinem Vater getrennt hat, wie dieser ums Leben gekommen ist und wie Pauls Mutter unter schwierigen Umständen Paul und seine kleine Schwester aufgezogen hat. Mehr aus Pauls Kindheit sei hier aber nicht verraten, um nichts vorwegzunehmen.

In der jüngeren Vergangenheit ist Pauls Trieb ausgebrochen – der Trieb, vor dem er nun in sein neues Domizil flüchtet. Wie Sabine Thiesler die verschiedenen Stationen aus Pauls Vergangenheit mit den Ereignissen in der Gegenwart verwebt und hierbei auch immer zwischen Deutschland und Italien hin und herreist, ist überaus gelungen und trägt dazu bei, dass der Spannungsbogen sukzessive immer weiter ansteigt. Immer mehr erfährt man über Paul und begleitet ihn nun auf seinem aktuellen Weg. Auf der einen Seite hat man Mitleid mit ihm, auf der anderen aber widert er einen aber auch an, weil seine Handlungen einfach schwer nachvollziehbar sind.

Das Buch ist in zahlreiche sehr kurze Kapitel unterteilt, wie man es beispielsweise auch von Dan Brown kennt. So rast man als Leser schier ohne Verschnaufpause durch das Buch, weil die Autorin durch die schnellen Wechsel der Szenen durch die Geschichte hetzt. Das treibt zwar den Spannungsbogen in die Höhe, lässt einem aber mitunter wenig Gelegenheit, in eine Szene richtig einzutauchen, weil man zu schnell in die nächste Szene katapultiert wird.

Abgründe

Was Sabine Thiesler hier schildert ist insbesondere dann schwer zu ertragen, wenn man selbst kleine Kinder hat. Sie legt den Finger tief in die Wunde und schildert eindrücklich das Schicksal der Eltern, die ein kleines Kind verloren haben. An diesen Passagen läuft es einem eiskalt den Rücken runter und man muss manchmal auch die Tränen unterdrücken. Diesen gebrochenen Eltern steht ein Mann gegenüber, der sich als Opfer seines eigenen Triebes sieht und dem man in dem Buch sehr nahekommt. Die Gründe für sein Handeln erklärt uns die Autorin auch mehr als eindrücklich. Und dennoch reicht es aus meiner Sicht nicht aus, seine Taten so zu begründen, zumal sich die Autorin hier ein wenig in altbekannten Klischees verstrickt.

Am Ende des Buches kommt es sozusagen zum großen – und für den Leser nicht ganz unerwarteten – „Showdown“. Hier dreht Sabine Thiesler aus meiner Sicht „eine Schleife zu viel“, indem sie dem eigentlichen Showdown noch einen weiteren hinzufügt, der den Abschluss der Geschichte aber nicht mehr spannender macht.

Unter dem Strich

„Im Versteck“ ist ein spannender und mitreißender Thriller, der einen beim Lesen gehörig gruseln lässt und unter die Haut geht. Die Kapitel sind kurz, der Schreibstil schnörkellos. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Sabine Thiesler zu viele Charaktere auf den Plan schickt, denn nicht alle sind wesentlich für die Geschichte. Aber da der Spannungsbogen gelungen ist und sie ansonsten auch nicht wirklich ausschweift, fand ich ihr neuestes Buch dennoch sehr spannend.

Gebundene Ausgabe: 592 Seiten
ISBN-13: 978-3453272903
www.heyne.de

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