Sarah Rees Brennan – Golden Darkness. Stadt aus Licht und Schatten

Lucie hat den Aufstieg von der Dunkelstadt in die Lichtstadt geschafft. Hier ist sie sicher vor Hunger, Krankheiten und Gewalt. Doch als sie mit ihrem Freund Ethan aus dem Urlaub zurückkommt, geschieht das Undenkbare: Ethan wird des Verrats beschuldigt und soll noch auf dem Bahnsteig hingerichtet werden!

„Golden Darkness“ wurde inspiriert durch Charles Dickens‘ „Eine Geschichte aus zwei Städten“.
Die Autorin hat die Ereignisse aus Paris und London nach New York verlegt und aus der Zeit der französischen Revolution in eine andere Zeit: eine postdigitale, magische Zeit. Medizin, Transport, Kommunikation … alles wird inzwischen mit Magie betrieben. Klingt emissionsfrei, hat aber durchaus seine Nebenwirkungen.

Denn es gibt nicht nur die Lichtmagie, die von der Sonne kommt, sondern auch die Dunkle Magie, die ihre Kraft aus menschlichem Blut bezieht. Das macht sie in den Augen der Menschen verdächtig, und das ist umso schlimmer, als die Lichtmagier auf die Dunkelmagier angewiesen sind, um die Magie, die sich durch den ständigen Gebrauch in ihrem Blut ansammelt, regelmäßig abzuzapfen, damit sie nicht krank werden oder gar sterben.

Trotz dieser Abhängigkeit – oder vielleicht gerade deswegen – dürfen Dunkelmagier nicht in der Lichtstadt leben und nur wenige Auserwählte, die streng kontrolliert werden, dürfen dort arbeiten. Dunkelmagier und ihre Familien leben in der Dunkelstadt, wo es weniger Licht, weniger Nahrungsmittel, weniger Wohnraum gibt, dafür aber wesentlich mehr Wachmänner sowie grausame magische Käfige, in die der Lichtrat Verbrecher sperren lässt, damit der Regierung loyale Dunkelmagier dort Blut für ihre Magie abzapfen können.
Unnötig zu sagen, dass die Verbrecher üblicherweise aus der Dunkelstadt stammen. Denn die Bewohner der Lichtstadt haben kaum einen Grund, das Gesetz zu brechen. Es sei denn …

Es sei denn, ein geliebter Mensch ist gestorben. Mit schwarzer Magie ist es möglich, das Seelenlicht eines solchen Menschen aus der Dunkelheit ins Leben zurückzuholen, doch nur unter der Bedingung, dass die Dunkelheit selbst ebenfalls Form und Leben erhält. So entsteht ein Doppelgänger, seelenlos und damit potentiell gefährlich, weshalb das Ritual streng verboten ist. Natürlich wird es trotzdem durchgeführt, und die Doppelgänger werden meist sofort nach dem Ritual getötet. Die wenigen, die dem Tod entgehen, werden gefürchtet, gehasst und diskriminiert.

Carwyn ist ein solcher Doppelgänger. Und er hat keinen Grund, den Typ, der da auf dem Bahnsteig enthauptet werden soll, oder seine blonde Freundin zu mögen oder sich auch nur für die beiden zu interessieren. Tatsächlich wäre es für ihn besser, wenn er sich nicht einmischte. Trotzdem tut er es und straft so gleich mit seiner ersten Tat und trotz seines späteren kaltschnäutzigen und boshaften Benehmens die Behauptungen über die Doppelgänger Lügen.

Ethan ist darüber nicht unbedingt glücklich. Im Grunde ist er ein gutmütiger, freundlicher Kerl, ein Träumer und Weltverbesserer, der die Ansichten der herrschenden Klasse nicht teilt. Aber Carwyn ist eine Gefahr für seine Familie, denn er ist nicht einfach irgendein Doppelgänger … sondern Ethans!

Lucie ist das alles herzlich egal. Sie ist ein völlig unpolitischer Mensch, dessen einziges Interesse Sicherheit für die Menschen ist, die sie liebt. Deshalb weiß sie Carwyns Eingreifen durchaus zu schätzen. Doch sie ist von ihrem Naturell her sowohl fair als auch mitfühlend und deshalb nicht bereit, Carwyn einfach mit einem feuchten Händedruck abzuspeisen.

Wie sich allerdings nur zu bald herausstellt, ist es der Welt völlig egal, ob Lucie sich für Politik interessiert. Denn es gibt in der Welt der Politik eine Menge Leute, die sich für Lucie interessieren, angefangen von Ethans Familie über die Presse bis hin zur Rebellengruppe der Sans Mercies in der Dunkelstadt! Der erste Dominostein ist – ganz ohne Lucies Zutun – längst gefallen.

Lucie versucht alles, um ihren Vater, Ethan und ihre Freunde zu beschützen, sie lächelt, sie nickt, sie lügt, und muss am Ende doch erkennen, dass es in einer grausamen Welt keine Sicherheit gibt, nirgendwo. Und dass sie trotz ihrer Bemühungen nicht alle beschützen kann!

Ich muß sagen, ich fand das Buch sehr lesenswert. Zwar kann ich nicht sagen, ob das auch im Hinblick auf die Umsetzung des Originalstoffes zutrifft, da ich Dickens‘ Vorlage nicht gelesen habe. Aber die Idee der Magie und der Doppelgänger sowie die Ausarbeitung des Ganzen hat mir sehr gut gefallen. Auch die Charaktere fand ich sehr gelungen, glaubwürdig und lebendig und hervorragend zur Identifikation geeignet. Der Plot war intelligent, auch ohne einen übermächtigen Bösewicht zunehmend spannend und trotz mancher Überraschung frei von logischen Fehlern. Dieses Buch ist ein weiterer Beweis dafür, dass gute Jugendliteratur auch etwas für Erwachsene ist.

Sarah Rees Brennan stammt aus Irland und ist schon viel in der Welt herumgekommen, unter anderem auch in New York, wo sie mit Cassandra Clare zusammengearbeitet hat. Abgesehen davon hat sie auch eigene Jugendbücher geschrieben, von denen aber bisher nur zwei ins Deutsche übersetzt wurden.

Gebundene Ausgabe 416 Seiten
Originaltitel: Tell the Wind and the Fire
Deutsch von Sylke Hachmeister
ISBN-13: 978-3-473-40174-1

https://www.sarahreesbrennan.com/index.html
https://www.ravensburger.de/produkte/jugendbuecher/index.html/

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