Karl Schroeder – Segel der Zeit (Das Buch von Virga 3)

Virga – eine künstliche Welt im Wega-System, eine Sphäre, geschaffen mit Hilfe unvorstellbarer Technik mit dem Ziel, innerhalb der eigenen Grenzen eben solche Technik zu unterbinden – zum Schutz der eigenen Freiheit vor der „Künstlichen Natur“. Die alles vereinnahmt, umpolt, beschleunigt und gleichschaltet. Den Menschen bevormundet. Das Leben verneint.

Karl Schroeder, junger amerikanischer Autor, der in Deutschland mit seinem phantastischen Ideenreichtum um Virga bekannt wird, setzte im ersten Roman der Reihe „Planet der Sonnen“ eine rasante Entwicklung in Gang, die unbedingt nach weiteren Romanen aus diesem Kosmos verlangte. „Segel der Zeit“ ist nun der dritte Band, in dem der Fokus auf den patriotischen und menschlichen Admiral Chaison Fanning gerichtet ist. Fanning, im ersten Band durch heldenhaften Einsatz Retter seiner Nation Slipstream, wurde von der gegnerischen Partei, der Falkenformation, gefangen genommen und eingekerkert. Dies ist die Geschichte seiner Befreiung, seiner abenteuerlichen Reise mit der geheimnisvollen Heimatschutzagentin durch Feindesland und schließlich seiner Rückkehr nach Slipstream, wo er als Staatsverräter gebrandmarkt gefangen gesetzt wird und erst eine unheimliche Bedrohung für ganz Virga den Auslöser seiner erneuten Befreiung gibt. Dabei werden die Hintergründe der Weltensphäre Virga häppchenweise aufgedeckt und die Gefahr, die von der ausgesperrten Künstlichen Natur ausgeht, anschaulich formuliert.

Die Flucht Fannings hat mehrere erzählerische Gründe. So werden zum einen weitere abenteuerliche Aspekte der künstlichen, auf mittelalterlichem Niveau gestrandeten Zivilisation dargestellt und lassen den Leser teilhaben an Schroeders faszinierendem Ideenreichtum. Es werden politische Auseinandersetzungen thematisiert, in die allzeit Völker involviert werden, die oftmals weder Interesse noch Nutzen daran haben und trotzdem in vielfältiger Weise mit ihrem Leben bezahlen. Virgas Abwehrsysteme und ihre zerbrechliche Sicherheit werden eingeführt und werfen ihre Schatten voraus. Und nebenbei wird Fannings Charakter und Motivation erprobt, gefestigt und weiter entwickelt. Zu guter Letzt läuft natürlich alles auf ein Happy End heraus, zumindest was das Wiedersehen der beiden so unterschiedlichen Fannings (Venera und Chaison) betrifft. An wichtigen Charakteren aus dem ersten Band bleiben hiernach also nur noch Aubry Malhallan und Hayden Griffin. Erste fällt wohl aus, da sie ihr Ende bereits in der ersten Sonne fand, doch Hayden Griffin ist mittlerweile (aus Andeutungen gewonnene Erkenntnis) auf einem guten Weg, seiner Nation Aerie zu neuer Unabhängigkeit zu verhelfen. Hier ist das letzte Wort hoffentlich noch nicht geschrieben.

Das Auftreten der Künstlichen Natur ist relativ kurz und stroboskopisch, sodass sich das undeutliche Bild der Zusammenhänge durch eigene Fantasie des Lesers zusammensetzen muss; umso intensiver ist das Gefühl, das diese Vorstellung hervor ruft. Schroeder schafft hier ordentliches Potenzial zu mehr, denn obwohl er Venera den Schlüssel zu Candesce zerstören lässt, wird es sicherlich noch andere Wege für die Künstliche Natur oder für weitere dumme Menschen wie die Splittergruppe des Heimatschutzes geben. Veneras Tat ist überhaupt erst durch ihre Entwicklung im zweiten Band „Säule der Welten“ glaubwürdig, denn der ursprünglichen Venera hätte die Macht dieses Schlüssels mehr bedeutet als die damit verbundene Gefahr für die Sphäre.

Inzwischen macht die Ausführung und die Auflösung dieses Romans eine Fortsetzung unwahrscheinlich, denn es ist ein Höhepunkt und ein Abschluss erreicht, der an Intensität und Informationsflut genug für den Leser hinterlässt und durch weitere Ausformulierungen wohl nicht besser zu vollenden ist – es sei denn, Schroeder hätte noch bahnbrechende andere Optionen in der Hinterhand. Natürlich ließe sich in diesem Kosmos noch einiges an spannenden Abenteuern erzählen, doch würde das der Geschichte Virgas dienen? Es müsste zu ihrer Auflösung oder Integration durch und in die Künstliche Natur führen, oder der Status quo müsste Bestand behalten – denn anders herum, eine Eroberungswelle der unveränderten Menschen aus Virgas Schutzbereich in die Sphäre der KN, lässt sich nicht logisch entwickeln.

Ich wünsche Schroeder noch viele geniale Einfälle für seine Geschichten, aber mit Virga hat er sich bereits ein Denkmal gesetzt. Es ist auch immer etwas Wehmut im Spiel, wenn so eine gute Geschichte zu Ende geht.

Taschenbuch: 432 Seiten
ISBN-13: 978-3453528055
Originaltitel:
Pirate Sun – The book of Virga 3
Deutsch von Irene Holicki

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