Wieder einmal ist es soweit: Der deutsche „Thrillergott“ Sebastian Fitzek lädt seine Leserinnen und Leser erneut zum Gruseln und Miträtseln ein. Grusel, Ekel, Spannung, wahnwitzige Wendungen und Nervenkitzel sind bei Fitzek vorprogrammiert und er weiß auch, wie er diese Erwartungen erfüllen kann.
Die Medienmaschinerie dreht sich immer schneller und wilder um seine Neuerscheinungen – die Bücher erscheinen nicht nur mit aufwändigem Farbschnitt, sondern dieses Mal auch noch mit einer abwischbaren Beschichtung, die erst nach Behandlung mit einem feuchten Tuch sein wahres Motiv offenbart. Und wer schnell genug war, konnte sogar eine richtige Box ergattern mit weiteren Utensilien passend zum Buch. Aber muss das eigentlich sein? Sollte man sich nicht einfach nur auf den Inhalt des Buches konzentrieren?
Schauen wir uns an, worum es dieses Mal geht: „Das Kalendermädchen“ erzählt drei Geschichten in nur einer: Reisen wir am weitesten in die Vergangenheit zurück – nämlich 21 Jahre –, lernen wir Valentina kennen, die im Internat Schloss Lobbeshorn lebt und in Ole ihren geliebten Freund dort getroffen hat. Die beiden haben sich ineinander verliebt und halten bis zum letzten zusammen. Doch nach einer Liebesnacht braucht Valentina die Pille danach – leider schlägt diese nicht an, sodass Valentina von Ole ein Kind erwartet. Noch schlimmer ist allerdings, dass die strenge Internatsleiterin Stella die Packung der „Pille danach“ findet. Als Valentina und Ole als einzige Kinder in der Adventszeit im Internat bleiben müssen, denkt sich die Schulleiterin einen grausigen Adventskalender aus – der ist nicht etwa mit kleinen Geschenken oder Schokolade gefüllt, sondern mit grauenhaften Taten, die Valentina und Ole über sich ergehen lassen müssen, um diesem gruseligen Spiel zu entkommen.
In der zweiten Erzählschiene geht es ins „damals“ – wie weit es zurück in die Vergangenheit geht, klärt sich erst im Laufe der Erzählung. Hier reist Valentina nach Rabenhammer ins Haus Waldpfad. Alles ist sehr mysteriös. Offiziell möchte sie sich dort auf Uniprüfungen vorbereiten, doch warum knüpft sie im Badezimmer ihrer Reiseunterkunft dann eine Schlinge? Und warum hat sie Pfefferspray, ein Skalpell und eine Pistole im Gepäck? Und warum beteiligt sie – das Kalendermädchen – sich am lebenden Adventskalender? Fragen über Fragen.
Im „Jetzt“ lernen wir Olivia kennen – diese treibt sie Sorge um ihre Tochter Alma um. Alma ist schwerkrank und benötigt einen Stammzellenspender. Doch Alma ist adoptiert, daher kommen weder Olivia noch ihr Mann Julian, von dem sie derzeit getrennt lebt, als Spender infrage. Sie möchte daher herausfinden, wer Almas leibliche Eltern sind. Doch im Adoptionsamt läuft sie gegen eine Wand – die Adoption war anonym, die wahren Eltern dürfen nicht bekannt gegeben werden. Dennoch MUSS sie wissen, wer Almas Eltern sind, um ihre Tochter retten zu können. Hilfe erhält sie von ihrem Studenten Elias, der sich in den Rechner des Amtsleiters hackt und erste wichtige Spuren zu dieser Adoption aufdeckt.
Was ist hier vorgegangen – wie hängen diese drei Zeitschienen zusammen? Was haben die Charaktere miteinander zu tun? Auf knapp 400 Seiten entfaltet sich das gruselige Spiel, bis am Ende alle Puzzleteilchen an ihren angestammten Platz fallen…
Advent, Advent, ein Lichtlein brennt
Bei Sebastian Fitzek weiß man schon vorher, was man bekommt, und so erstaunt einen die Handlung in „Das Kalendermädchen“ wenig. Er ersinnt einen Adventskalender voller Grauen, in dem zwei Menschen, die sich eigentlich lieben, sich gegenseitig verletzen und quälen müssen. Diese Adventskalender verändert ihr Leben, so viel ist recht bald klar. Was aber geheimnisumwittert ist, ist die Geschichte im „Damals“, als Valentina in die einsame Waldhütte reist. Was bezweckt sie? Möchte sie sich das Leben nehmen? Weiß sie, was in diesem Haus vor sich geht? Denn in der kleinen Waldhütte geschehen mysteriöse Dinge, so taucht plötzlich ein tropfender Mantel in der Garderobe auf, obwohl das Haus verschlossen ist? Ist Valentina nicht alleine? Doch wer ist hier? Und woher kommt diese Person?
Es dauert sehr lange, bis man durchschauen kann, was es mit dieser Geschichte auf sich hat. Durch den ständigen Wechsel zwischen den einzelnen Erzählsträngen baut sich sehr schnell viel Spannung auf. Man fliegt nur so durch dieses Buch, gruselt sich, es läuft einem immer wieder ein Schauer über den Rücken und man schreckt hoch, wenn im Haus Waldpfad mysteriöse Dinge vor sich gehen, da man sicher sein kann, dass Valentina in großer Gefahr schwebt.
Verwirrspiel
Was man von Fitzek auch weiß ist, dass er immer am Schluss noch eine Wende einbaut, die vieles auf den Kopf stellt. So auch hier, wobei die Wendung dieses Mal nicht um 180 Grad ging, sondern „nur“ eine große Überraschung war. Insofern war sie auch durchaus schlüssig und passte zum Gesamtkonzept. Auch eine weitere Wendung fügte sich stimmig ein und passte genau zu dem, was Fitzek vorher „entfaltet“ hat. Ich konnte seine Konstruktion nachvollziehen – allerdings fand ich den Plot dennoch sehr konstruiert.
Im Nachwort spricht er seitenlang genau darüber, dass kritische Leser ihm vorwerfen würden, wenn Dinge zu unwahrscheinlich, zu sehr an den Haaren herbeigezogen wirken. Und dennoch fand ich genau das. Diese Geschichte um den lebenden Adventskalender und die gruseligen Spielchen, die die strenge Internatsleiterin sich ausgedacht hat, weil Valentina mit der „Pille danach“ Mord an ihrem ungeborenen Kind begehen wollte, das war mir schon von Anfang an „too much“.
Auch all die Wendungen, die Sebastian Fitzek einbauen muss, um die einzelnen Charaktere miteinander zu verknüpfen, sind doch arg abstrus. Alles hängt natürlich miteinander zusammen, alle Figuren spielen eine wichtige Rolle, auch wenn sie dies teils gar nicht ahnen. Und alles hängt miteinander zusammen. So viele Zufälle gibt es einfach nicht, das wirkt nicht glaubwürdig.
Auch die Charaktere an sich konnten mich nicht wirklich mitreißen. In der Jetzt-Zeit spielt etwa Olivia eine Hauptrolle, die um das Leben ihres Kindes kämpft. So weit, so nachvollziehbar, doch warum muss Olivia eine Santaclausophobie haben? Also eine Phobie vor allem, was mit Weihnachten zusammenhängt? Das trägt die Geschichte kein winziges Stückchen weiter. Und auch ihr Mann, der sich zwei Geliebte gleichzeitig hält, die Olivia seinen „Harem“ nennt – muss das sein? Bringt das die Geschichte weiter? Auch hier: nein! Sebastian Fitzek packt hier zu viele merkwürdige Zutaten zusammen, die nicht für „Wohlgeschmack“ sorgen, sondern für eine Sinnesüberreizung!
Frohes Fest
Am Ende klärt sich alles auf, keine Frage bleibt offen – wenn man von denen absieht, die ich oben schon gestellt habe. Bei Fitzek ist es aus meiner Sicht immer wieder eine Gratwanderung. Mit manchen seiner Bücher hat er mich vom Hocker gerissen und am Ende komplett überrascht – und zwar im positiven Sinne. Ich finde eigentlich alle seine Bücher hochspannend und lese sie fast am Stück durch. Doch wenn er am Ende seine Wendungen einbaut und den Plot erklärt, gab es schon häufig Bücher, die ich abstrus fand. Hier mag zwar alles nachvollziehbar sein, aber sein Plot zog mich nicht mit. Ich konnte schon nicht den Sinn des Gruseladventskalenders entdecken und auch nicht verstehen, warum Valentina „damals“ in die einsame Waldhütte reist.
Ja, das Buch ist spannend, aber aus meiner Sicht eines der schwächeren von Sebastian Fitzek, daher gibt es nur eine mittelmäßige Bewertung.
Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
ISBN-13: 978-3426281741
www.droemer-knaur.de
Der Autor vergibt: