Sharon Green – Der Rebellenprinz

Space-Operette mit nervenden Wortgefechten

Überraschend wird Regan Edolin, erfolgreichste und cleverste Geschäftsfrau des Sternen-Clusters der Menschen, von ihrem Vater nach Plateau zurückgerufen, ihrer Heimatwelt. Ihre adelige Familie hat Regan einst verstoßen, als sich bei ihr keines der ‚Talente‘ zeigte, welche die adligen Frauen des Planeten gewöhnlich aufweisen.

Ein zweites Mal wird Regan gedemütigt, indem man sie – als angebliche Telepathin – gewaltsam mit dem verhassten Emporkömmling Gareth verheiratet, der aus der Unterschicht stammt. Doch schon bald erweist sich diese Intrige als der verheerendste Irrtum, der den Mächtigen von Plateau je unterlief. Denn zusammen sind Regan und Gareth unschlagbar… (erweiterte Verlagsinfo)

Die Autorin

Sharon Green, 1942 geboren, ist eine US-amerikanische Fantasyautorin, die mit billigen Kopien von John Normans erfolgreicher Gor-Zyklus anfing, bevor sie sich thematisch auf eigenständigere Pfade begab. Der erste Zyklus, Terilia, schildert das Schicksal einer auf einen fremden Planeten entführten Frauen, die schließlich lernt, ihr Sklavenlos zu akzeptieren. Im zweiten Zyklus um die Amazone Jalav wehrt sich die weibliche Hauptfigur heftiger und länger, bevor sie sich in das gleiche Schicksal ergibt. Der Verlag DAW Books veröffentlichte auch die GOR-Romane John Normans und stellte die Parallelen dazu deutlich heraus.

Interessanter ist da schon die Serie „Far Side of Forever“, in der eine flirtende Heldin mit einer Sieben-Samurai-Gruppe von Welt zu Welt zieht, um Abenteuer zu erleben: „Far Side of Forever (1987) und „Hellbound Magic“ (1989) gehören zu dieser Reihe. In „Dawn Song“ (1990) arbeiten der König der Sonne und die Tochter des Mondes zusammen, um eine Suche zu bestreiten. In „Silver Princess, Golden Knight“ (1993) und der Fortsetzung „Wind Whispers, Shadows Shout“ (1995) verfolgen wir den Weg einer Gestaltwandlerin, der sie auf der Suche nach einem Gebieter durch Portale auf verschiedene Welten führt.

Im ersten Jalav-Band schreibt die Autorin, dass sie mit zwölf Jahren begann, SF zu lesen und schon davor begonnen hatte, Geschichten zu schreiben. Sie beherrscht Karate, Fechten, Bogenschießen und Reiten, aber auch den Bauchtanz.

Handlung

Regan Edolin ist eine Prinzessin vom Planeten Plateau, der von ihrer adligen Familie mitbeherrscht wird. Doch als an ihrem zwölften Geburtstag nicht jenes Talent gefunden wird, das alle Frauen der Sippe erben, wird sie klammheimlich abgeschoben, auf eine Welt, möglichst weit weg vom Plateau-Sternenhaufen. Die völlig verdatterte Regan kommt sich vor wie das hässliche Entlein, das von allen verspottet wird.

Sie bekommt jedoch selbstredend die beste Ausbildung, die man für Geld kaufen kann, und eine ansehnliche Apanage dazu. Nach sechs Jahren fragt sie sich, was sie mit ihrer Freiheit nach dem Schulabschluss anfangen soll. Sie geht in die Wirtschaft, denn deren Mechanismen sind wirklich nicht schwer zu kapieren, und macht ein Vermögen. Ein Jahr nachdem sie ihre Apanage zurückgezahlt hat – mit Zinsen! -, trifft die goldene Karte von Plateau ein: Sie werde benötigt.

Verschachert

Diesem Wort kann sie nicht widerstehen und reist nach Hause zurück. Natürlich ist sie neugierig, wofür denn genau sie benötigt werde. Hoffentlich nicht, um die Dynastie mit Nachkommen zu versorgen – das wäre verschwendetes Kapital. Ihre Ankunft verursacht einigen Wirbel, da sie sich nicht an die Konvention hält, die Frauen, insbesondere ADLIGEN Frauen vorschreibt, so feminin wie möglich aufzutreten. Sie trägt weiße Lacklederstiefel, die ihr bis zu den Knien reichen, und einen Buschhelm…

Entsprechend empört sind ihr ältester Bruder Jamis und ihr Vater, der Prinz des Hauses. Doch Daddy hat ebenfalls eine Überraschung für sie parat: Sie wird zwangsverheiratet. Nicht etwa an einen Adligen, sondern an einen Rebellen aus dem Land unterhalb des Plateaus. Natürlich haben Daddy und der Großprinz von dem Menschenhandel einen handfesten Vorteil: einen milliardenschweren Erzvorrat an Spezialmetall. Dessen Fundort weiß angeblich nur Gareth, Regans neuer Gatte, der aus dem Unterhalb kommt.

Unterhalb

Sie sieht sich flugs ins Unterland expediert. Unter Schock lässt sie alles stumm mit sich geschehen, bis sie in die diversen Verstecke der Rebellen in Sicherheit gebracht worden ist. Flucht ist zwecklos, und sie fängt sich eine Auspeitschung durch Gareths Stammesgenossen Raf ein. Doch sie ist zu kostbar, um ihr Leben zu gefährden, und wird durch Gareth immer weiter in die Gemeinschaft der Unterländer aufgenommen. So erkennt sie während ihres Aufenthalts, was die Adligen auf dem Kerbholz haben.

Das ist eine ganze Menge. So besteht die Politik der Prinzen darin, ihre Siedler im Unterhalb in fortwährender Schuldknechtschaft zu halten. Die Bauern müssen Ersatzteile für ihre Maschinen kaufen und diese Kosten zu Wucherzinsen abstottern. Um die Siedler daran zu hindern, einfach auf einen anderen Planeten im Stern-Cluster auszuwandern, setzen die Prinzen und ihre unterwürfigen Frauen telepathische Botschaften ein. Nach diesen Suggestionen verspürt jeder Bauer Schuldgefühle dabei, auch nur an Auswanderung zu denken.

Dass sich die Prinzen ihre Dienerschaft und Konkubinen aus dem Unterhalb holen und wieder dorthin zurückschicken, erfährt Regan, nachdem Gareth sie während eines Raubzugs vernachlässigt hat und sie sich verdünnisiert hat. Statt die Freiheit zu finden, gerät sie den Schlägern der Prinzen in die Hände, die sie kurzerhand zu einer Zwangsprostituierten machen wollen. Gareths Eintreffen kann dies gerade noch verhindern. Nicht, dass sie „der Kreatur“ dafür dankbar wäre!

Entdeckungen im Ich

Gareth bringt Regan auf die Farm seiner freunde Joban und Melia, die ein junges Paar mit einem Baby aufgenommen haben, Deve und Tanise. Regan ist erstaunt zu erfahren, dass Melia einst selbst zwangsverheiratet wurde, sich nun aber mit ihrer Stellung als weiblichem Haushaltsvorstand abgefunden hat. Regan erkennt, dass eine Frau mehr tun kann, als Kinder zu kriegen oder mit Waren zu schachern. Sie eine Heimat gründen. Im Bett entdeckt sie an Gareth endlich auch positive Seiten: Sie war bis jetzt Jungfrau und lernt die Liebe kennen.

Aber die Prinzen schlafen nicht. Am „Tag der Krankheit“ ist die telepathische Botschaft derart stark, dass alle Betroffenen einen Tag lang das Bewusstsein oder den Verstand verlieren. Als Melia zu ihrem Entsetzen entdeckt, dass sie das kleine Baby getötet hat, verfällt sie in Katatonie, um nicht wahnsinnig zu werden. Erst der Überredungskunst und der Herzenswärme, die Regan erstaunt in sich entdeckt, gelingt es, Melia aus diesem schrecklichen Zustand zu befreien. Aber Regan schwört den Verantwortlichen Rache.

Wieder zurück im Rebellenlager macht die empathisch begabte Helni an Regan eine ungewöhnliche Entdeckung: Regan verfügt nicht nur über ein Ich, sondern über zwei. Eines ist emotional bestimmt und lässt sich von Gareth durch direkte Befehle kontrollieren. Das andere ist selbstbestimmt, vernünftig und manipulativ – die Händlerin in Regan. Kein Wunder, dass Regan von keinem in ihrer Umgebung zu etwas gezwungen werden kann, das sie nicht will. Aber ist das wirklich das Beste für sie selbst?

Die Dreißig

An der Spitze der Herrschaft über Plateau steht ein turnusmäßiger Wechsel bevor. Der Großprinz hat zwar wie stets schon heimlich seinen Nachfolger festgelegt, doch es gibt zumindest offiziell einen Ausscheidungswettkampf, bei dem sich der „Beste“ den Titel Großprinz holen kann. Teilnahmefähig sind alle Angehörigen der herrschenden Adelshäsuer, was Regan mit einschließt, und deren rechtmäßige Gatten, was Gareth einschließt. Wegen der 30 Teilnehmer, die aus 15 Paaren bestehen, heißt der Wettkampf genau so: „Die Dreißig“. Natürlich ist der Ablauf ebenso manipuliert wie die Regeln, nach denen tödliche Duelle stattfinden dürfen.

Regan schmiedet mit Gareth und mehreren Außenweltlern einen Plan, sowohl die wirtschaftliche Vorherrschaft des Adels zu brechen, als auch die politische Tyrannei zu beenden, um sich an ihrem Vater zu rächen. Doch sie hat die Rechnung ohne Gareth gemacht. Sie hat den stolzen Krieger vielfach derart gedemütigt und beleidigt, dass es aussieht, als wolle er lieber mit einer Außenweltlerin friedlich zusammenleben als mit der kratzbürstigen Regan den Tyrannen stürzen. Nun muss sich die selbsternannte Rebellenprinzessin wirklich umstellen…

Mein Eindruck

Die letzten 50-70 Seiten sind dann doch noch recht spannend, denn es komm zu mehreren dramatischen Auseinandersetzungen. Ansonsten wirkte die Handlung aber mehr wie die Verarbeitung des Märchens vom hässlichen Entlein – so heißt Regans Unternehmen – in eine Operette. Die Hauptsache der Handlung besteht nämlich in den wortreichen Auseinandersetzungen zwischen Regan und Gareth, ihrem überhaupt nicht willkommenen Gatten. Da sie an ihn verschachert worden ist, möglichst sie möglichst bald ihre Freiheit zurück, um wieder Unternehmerin zu werden. Dort fühlt sich ihr anderes Ich wohl.

Die Handlung zielt nun aber darauf ab, dass in Regan auch das andere Ich zu seinem Recht kommt. Dieses ist emotional bestimmt und auf Nachgiebigkeit konditioniert. Erst will Regan dessen Recht auf Existenz gar nicht anerkennen, denn gar zu leicht unterwirft es sich den Befehlen ihres unfreiwiliigen Gatten. Nun kommt es für Regan darauf an, ihre beiden schizophrenen Ichs miteinander zu vereinen. Da kann es schon mal vorkommen, dass das eine das Verhalten des anderen „dämlich“ nennt.

Wie man sieht, richtet sich das Buch vor allem an weibliche Leser. Das alles wäre recht lustig und unterhaltsam für männliche Leser, wenn es wenigstens ein wenig Action und Kampf zwischendurch gäbe. Aber nach Regans vereitelter Flucht kommt da nichts mehr, bis es schließlich ins Finale der Dreißig geht. Dass Regan ihrem Göttergatten zwischendurch mal die Kleider klaut, ist für Leserinnen sicherlich wahnsinnig lustig, für männliche Leser aber eher läppisch. Kleine Triumphe wie dieser dienen zwar der Selbstbehauptung, sind aber dem Aufbau einer konstruktiven Beziehung alles andere als förderlich. Das muss auch Regan noch einsehen.

Die Übersetzung

Alfons Winkelmann macht das Gegenteil von Thomas Schlück und übersetzt jeden Satz ganz genau und zwar so, wie er im Original dasteht. Das ist zwar löblich, führt aber häufig zu einer gestelzten Ausdrucksweise, die weit von deutscher Umgangssprache entfernt ist. So mancher Leser muss vielleicht sogar innehalten, um herauszufinden, das die jeweilige Figur mit ihrer geschliffenen Wortwahl sarkastisch ausdrücken will – womöglich sogar das Gegenteil von dem, was sie gerade sagt.

S. 171: Ein Anführungszeichen fehlt, und das führt dazu, dass Beschreibung und Gesprochenes ineinander übergehen.

S. 184: Regan nennt ihren Gatten „die Kreatur“, und das führt zu seltsamen Konstruktionen wie dieser: „Falls die Kreatur ebenso an mir SEIN Vergnügen gehabt hatte…“ Ein weibliches Substantiv bekommt also ein männliches Possessivpronomen. Und das gleich mehrmals.

S. 238: „wenn man ein[e] Mutter hatte…“ Das E fehlt.

S. 259: „sagte er mit jener Einfalt…, die eine Maus haben mag, wenn ihm (!) eine Raubkatze ins Auge fällt, die es (sie?) in eine Falle locken will.“ Hier kommt der Übersetzer mit seinen Pronomina völlig durcheinander. Der Leser tut sich schwer, einen Sinn herauszulesen.

S. 275: „Was hat es zu bedeutet?“ Es müsste „bedeuten“ heißen.

S. 282: „Das Entsetzen, das mir schließlich die Augen geöffnet hatte [darüb]er, was getan werden musste…“ Hier fehlt ein halbes Wort und ohne es ist der Satz unverständlich.

S. 338: „Du hast noch nicht einmal aufgehört, darüber nachzudenken, was es bedeutet, eine von Oben zu sein.“ Der Satz erhält erst dann einen Sinn, wenn man das Original „stop to think“ korrekt übersetzten: „innehalten, um nachzudenken“.

S. 356: „Komplimente an Ihre unzweifelhaft liebenswürdige Gatten“. Es müsste korrekt „Gattin“ heißen.

S. 401: „kannst [du] alles darauf verwetten“. Da Wörtchen „du“ fehlt.

S. 422: „Caneebaner“ statt wie sonst „Ceenaber“.

Unterm Strich

Obwohl dieser Roman auf dem Umschlag des Heyne-Verlags als „Fantasy“ deklariert ist, so handelt es sich doch um lupenreine Science-Fiction. So ist beispielsweise der Hintergrund der Handlung ein Sternenimperium, das von Kaufleuten und Agenturen bestimmt wird. Die feudalistische Herrschaft der Prinzen auf Plateau ist die große Ausnahme. Auch deren Telepathie ist nicht wirklich eine Erfindung der Fantasy, wenn man mal an Tolkien denkt, sondern ein Konzept aus der SF.

Das Seltsamste an dem Weltentwurf sind allerdings die Waffen. Auf Plateau kämpft man noch wie im Mittelalter mit Schwert, Pfeil und Bogen, allenfalls mit einer Armbrust. Es gibt keinerlei Elektronik, was vielleicht dem Mangel an Metall zugeschrieben werden kann. Aber so etwas ließe sich ja leicht importieren, etwa im Tausch für den Weizen, den Plateau tonnenweise exportiert, um damit den Markt des Clusters an sich zu reißen.

Dieser Kontrast zwischen Hitech-Galaxis und Mittelalter-Welt wollte mir ebenfalls nicht schmecken. Aber vielleicht soll dies ebenfalls den Eindruck einer Operette stützen: Edle Recken und Damen, die mit einer Strahlenpistole herumfuchteln – das will nicht so recht zum Klischee passen. Nein, die einzigen Hitech-Waffen auf Plateau dürfen nur die Agenten einer Art UNO tragen, die dann am Schluss alles zu bestimmen haben, als wären sie Fortinbras, der am Schluss von „Macbeth“ das Land unterwirft.

Natürlich hält der Schluss noch mehr Operettenklischees bereit, und ich kam aus dem genervten Kopfschütteln nicht mehr heraus. Auf einmal ändert sich die gesellschaftliche Stellung von Gareth und Regan, so dass er für sie auf einmal gut genug ist. Es muss kommen wie es kommen muss: Sie fallen einander in die Arme und knutschen sich ab. Bitte jetzt den Vorhang fallen lassen! Schwamm drüber.

Broschiert: 523 Seiten
Info: Rebel Prince, 1987
Aus dem US-Englischen von Alfons Winckelmann.
ISBN-13: 978-3453109629
www.heyne.de

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