Die Schachfiguren proben den Aufstand
Der Nekromant Peter, der Sohn der Magierin Mavin Vielgestalt, ist der Hüter der Spieler von Barish. Die Spieler sind mehr als Spielfiguren, denn sie behalten das Muster der ursprünglichen elf begabten Menschen, und Peter kann sich mit ihnen verständigen und ihre Macht nutzen.
Wer dem Ritual des ‚Wahren Spiels‘ entrinnen will, wird gefangengenommen und in eine hilflose Übungsfigur verwandelt. Doch ein neues Zeitalter dämmert herauf, und die Kräfte der Unterdrückung und Befreiung prallen aufeinander. Wie durch ein Wunder überlebt Peter die tödliche Partie des ‚Wahren Spiels‘, in der er als Opferfigur diente. Er ahnt, dass er ein mächtiger Gestaltwandler ist und dem Todfeind in der Stunde der Wahrheit Paroli zu bieten vermag.
Die Autorin
Sheri S. Tepper wurde am 16. Juli 1929 als Shirley Stewart Douglas in der Nähe von Littleton (Colorado) geboren. Sie heiratete zum ersten Mal im Alter von 20 Jahren; diese Ehe wurde 1955/1956 geschieden, wodurch sie zur alleinerziehenden Mutter ihrer zwei Kinder wurde. Sie schlug sich jahrelang mit den verschiedensten Jobs durch, unter anderem arbeitete sie für die internationale Hilfsorganisation CARE. Zur Ruhe kam sie erst mit ihrer Arbeit für die Rocky Mountain Planned Parenthood, eine Klinik für Familienplanung und Geburtenkontrolle in Denver, wo sie von 1962 bis 1986 beschäftigt war. In den späten sechziger Jahren heiratete sie Gene Tepper. Zurzeit betreibt sie unter anderem eine Gästeranch in Santa Fe (New Mexico). (Quelle: Wikipedia)
Der Zyklus
Die Serie um das Wahre Spiel umfasst neun Bücher, von denen die drei zuerst erschienen bei Heyne veröffentlicht wurden. Die erste Trilogie wurde bereits 1983/84 veröffentlicht, doch Heyne gibt 1996 an. Die beiden anderen Trilogien erzählen die Vorgeschichte – in „The Chronicles of Mavin Manyshaped“ (1986) – und das Nachspiel, unter dem Titel „The End of the Game“ (Sammelband der Jinian-Trilogie,). Alle Bücher erschienen als Fantasy, tragen aber charakteristische Züge von Science-Fiction. Wie John Crowley und Dan Simmons vermischt Tepper souverän Elemente und Erzähltechniken aus beiden Genres.
A) Das Wahre Spiel (True Game)
– Vol. 1: King’s Blood Four, 1983
– Band 1: Königszug, Heyne, 1999, ISBN 3-453-15611-0
– Vol. 2: Necromancer Nine, 1983
– Band 2: Der Nekromant, Heyne, 1999, ISBN 3-453-15612-9
– Vol. 3: Wizard’s Eleven, 1984
– Band 3: Das dreizehnte Talent (Buchrücken: Das 13. Talent‘), Heyne, 1999, ISBN 3-453-15614-5
– Vol. 1-3: The True Game, 1996 (Sammelband)
B) Mavin Manyshaped (Vorspiel zu “Das Wahre Spiel”)
– Vol. 1: The Song of Mavin Manyshaped, 1985
– Vol. 2: The Flight of Mavin Manyshaped, 1985
– Vol. 3: The Search of Mavin Manyshaped, 1985
– Vol. 1-3: The Chronicles of Mavin Manyshaped, 1986 (Sammelband)
C) Jinian Footseer
1) Jinian Footseer (1985)
2) Dervish Daughter (1986)
3) Jinian Star-Eye (1986)
– The End of the Game (1987) (Sammelband)
Hintergrund
Das Wahre Spiel prägt das Leben der Domänen auf der Welt, die hier geschildert wird. Am Wahren Spiel beteiligen sich jedoch nur diejenigen Bevölkerungsteile, die über magische Fähigkeiten verfügen, als da sind Telepathie, Telekinese, Telepathie, Betörung und Voraussicht, nebst weiteren kleineren Fähigkeiten. Folglich entstanden die elf Talente, die von mehreren Gestalten benutzt werden: Seher, Heiler, Hexen oder Magier. Und es gibt die Unveränderlichen – Bauern und Händler, die gegen magische Kräfte gefeit sind. Dies erinnert stark an ein gigantisches Schachspiel mit lebenden Figuren.
Doch es ist nicht ganz so einfach – denn da gibt es noch die Spieler, die die Figuren bewegen. Die PSI-Kräfte stammen aus einer Epoche, als man die Begabten auf der Ursprungswelt, unserer Erde, ausgrenzte und auf eine andere Welt verfrachtete. Diese Vorgeschichte wird in der Trilogie um Mavin Manyshaped, Peters Mutter, erzählt.
Handlung
Peter, der Neffe König Mertyns und Sohn von Mavin Vielgestalt, ist ein Schuljunge. Er lebt in einem der Häuser in Schulstadt, wo er lernt, das Wahre Spiel zu spielen. Manche Menschen sind Bauern im Spiel, sie leben und arbeiten und werden im Spiel „verbraucht“. Manche Menschen sind Spieler, die ihre Talente in ihrer Jugend an den Tag legen. Sie müssen lernen, das Spiel zu beherrschen, oder dabei umkommen. Die Talente bestimmen, welche Art Spieler man ist: ein Dämon, der Gedanken lesen kann, oder ein Zauberer, der Macht speichern und freisetzen kann. Jedes Kind in Schulstadt hat das Potential, ein Spieler zu sein, wohingegen man Bauern im Unklaren über das Spiel lässt.
Peter gerät in die Gefangenschaft des gewissenlosen Spielmeisters Prinz Mandor, der den Ahnungslosen als entbehrliche Spielfigur in einer tödlichen Partie einsetzt, um seine zerstörte Schönheit wiederzuerlangen. Doch Peter hat mächtige Freunde: den Seher Windlow und den (heimlich) ketzerischen König Himmagery, die ihm zu Hilfe eilen. Und durch Zufall (gibt es so etwas?) stößt Peter auf einen Satz Spielfiguren aus uralter Zeit – wie sich herausstellt, verleihen die Figuren ihm die Macht des jeweiligen Talents. So gelingt es ihm, als Nekromant die Toten aus ihren Gräbern zu holen und als Armee auf die Truppen Mandors zu hetzen. Und Himmagery und Windlow tun ein Übriges, um die Entscheidungsschlacht zu peters Gunsten zu wenden.
Doch die Welt ist nun eine andere: der Begriff „Gerechtigkeit“ wurde in die Tat umgesetzt. Leider ist dieser Begriff als ketzerisch vom Rat der Alten geächtet worden. Peter und seine Freunde müssen sich auf eine sehr schmerzhafte Bestrafung gefaßt machen. Und dann ist da noch die ungeklärte Frage von Peters Mutter, Mavin Vielgestalt: Durch sie ist auch Peter in der Lage, seine Gestalt zu verändern.
Mein Eindruck
„Der Königszug“ führt den Leser in eine neue Welt, die zunächst mit ihren unvertrauten Begriffen den Domänen und Talenten usw. verwirrt. Eine kleine hilfreiche Übersicht gibt hier die Stammtafel der Talente. Peter ist zunächst ein ahnungsloser Schuljunge, der in das Große Spiel hineingezogen wird, verraten von jemandem, den er bisher gemocht hat. Seine Abenteuer lehren ihn viel über sich selbst, andere Menschen und über etwas, was sie einem in der Schule nicht beibringen, etwas namens „Gerechtigkeit“. Sobald Peter, der die Geschichte selbst erzählt, etwas mehr Durchblick hat, wird die Handlung richtig spannend.
Als dann der Seher Windlow die Geschichte der Welt und den Begriff „Gerechtigkeit“ aufs Tapet bringt, gewinnt das zuvor so oberflächlich und willkürlich erschienene Wahre Spiel eine tiefe, geradezu philosophische Dimension. Das Wahre Spiel verbietet Moral und daher auch Gerechtigkeit, weil es seine eigenen Regeln als Maß aller Dinge einsetzt. Dies erinnert an den höfischen Codex des 14. Jahrhunderts. Und an das „freie Spiel“ der wirtschaftlichen und politischen Kräfte in unserer eigenen Zeit…
Unterm Strich
Das Buch ist ein erstaunliches Abenteuer in einer imaginierten Welt, die vielschichtig und gefahrvoll ist, aber vor allem viel Spaß macht. Mit Humor und Einfühlungsvermögen zeigt uns die Autorin, was passieren könnte, wenn die gezeigten Talente real vorhanden wären, welche Gesellschaft sich deshalb entwickeln könnte. Obwohl das Buch als „Young Adult“ (ab 14 Jahren) eingestuft ist, liest es sich aufgrund seiner allegorischen Botschaft eher wie ein Buch für Erwachsene.
Wer also Fantasy mag, der wird dieses Buch lieben. Mir hat der Einfallsreichtum und der kritische Ansatz gefallen. Nicht nur „Gerechtigkeit“ wird aufgegriffen, sondern auch die Talente, die in SF und Fantasy auftauchen, einer Kritik unterzogen. Das ist eine beachtliche Leistung für ein so schmales Buch. Aber es wird ja fortgesetzt.
Taschenbuch: 254 Seiten
Originaltitel: The true game: King’s blood four, 1996
Aus dem Englischen von Christian Lautenschlag
ISBN-13: 978-3453156111
www.heyne.de
Der Autor vergibt: