Doyle & MacNeile – Eine Frage des Teers (Sherlock Holmes Folge 39)

Die gestohlene Tiara

Eine verschwundene Tiara ruft den Meisterdetektiv auf den Plan, denn ausgerechnet bei einer kurzen Aufbewahrung in einem ungesicherten Schreibtisch wird das wertvolle Schmuckstück gestohlen. Die Zahl derer, die das Versteck der Tiara kannten, erscheint auf den ersten Blick durchaus überschaubar. Ein Motiv hat indes nur eine der Personen. Holmes zweifelt jedoch daran, dass die Lösung des Falles so einfach ist… (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 14 Jahren.

Die Serie wurde mit dem „Blauen Karfunkel“ der Deutschen Sherlock Holmes-Gesellschaft und mit dem HörKules ausgezeichnet.

Die Autoren

1) Sir Arthur Conan Doyle lebte von 1859 bis 1930 und gelangte mit seinen ca. 60 Erzählungen um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Weltruhm. Dabei begann der Mediziner, der eine eigene Praxis hatte, erst 1882 mit dem Schreiben, um sein Einkommen aufzubessern. Neben mystischen und parapsychologischen Themen griff er 1912 auch die Idee einer verschollenen Region (mit Dinosauriern und Urzeitmenschen) auf, die von der modernen Welt abgeschnitten ist: „The Lost World“ erwies sich enorm einflussreich und wurde schon 13 Jahre später von einem Trickspezialisten verfilmt. Schon 1913 ließ Doyle eine Fortsetzung unter dem Titel „The Poison Belt“ (dt. als „Im Giftstrom“, 1924) folgen.

2) Herman Cyril McNeile

Herman Cyril McNeile (28. September 1888 – 14. August 1937), meist bekannt als Cyril McNeile der unter dem Namen „H. C. McNeile“ oder dem Pseudonym „Sapper“ veröffentlichte, war ein britischer Soldat und Schriftsteller der Nachkriegszeit. Er starb wahrscheinlich an den Spätfolgen eines Gasangriffs im Ersten Weltkrieg. Die Wikipedia bringt ihn an keiner Stelle in Zusammenhang mit Sherlock Holmes, was erstaunlich ist, denn McNeile schrieb in erster Linie Detektivgeschichten.

„Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs“

Folge 1: Im Schatten des Rippers
2: Spuk im Pfarrhaus
3: Das entwendete Fallbeil
4: Der Engel von Hampstead
5: Die Affenfrau
6: Spurlos verschwunden
7: Der Smaragd des Todes
8: Walpurgisnacht
9: Die Elfen von Cottingley
10: Der Vampir von Sussex / Das gefleckte Band / Der Fall Milverton / Der Teufelsfuß (Neuausgabe)
11: Das Zeichen der Vier (4/2014, Neuausgabe)
12: Ein Skandal in Böhmen (4/2014)
13: Der Bund der Rotschöpfe (5/14)
14: Eine Frage der Identität (9/14)
15: Das Rätsel von Boscombe Valley (10/14)
16: Der blaue Karfunkel
17: Die fünf Orangenkerne
18: Der Mann mit der entstellten Lippe
19: Der Daumen des Ingenieurs
20. Der adlige Junggeselle
21. Die Beryll-Krone
22. Das Haus bei den Blutbuchen
23. Silberblesse (6/16)
24. Das gelbe Gesicht (6/16)
25. Der Angestellte des Börsenmaklers (7/16)
26: Die „Gloria Scott“ (11/16)
27: Das Musgrave Ritual (12/16)
28: Eine Studie in Scharlachrot (2 CDs)
29: Die Junker von Reigate
30: Der bucklige Mann
31: Der Dauer-Patient
32: Der griechische Dolmetscher
33: Das graue Haus
34: Die quietschende Tür
35: Der Hund der Baskervilles (2 CDs)
36: Das unheimliche Pfarrhaus
37: Der verschwundene Kutscher
38: Das Haus mit den Zwingern
39: Eine Frage des Teers
40: Die dritte Botschaft
41: Mayerling (2 CDs)
42: Der Tote im Extra-Waggon
43: Der Zuträger
44: Der zweite Hund
45: Harry Price und der Fall Rosalie
46: Der Mann in Gelb
47: Das verlassene Haus
48: Der Gezeitenstrom

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher und ihre Rollen:

Joachim Tennstedt: Sherlock Holmes
Detlef Bierstedt: Dr. John Watson
Fabienne Hesse: Beryl Fallconer
Valentin Stroh: Harold Sanderson
Gerhard Fehn: John Fallconer
Christian Stark: Jack Dalton
Horst Naumann: Vikar
Martina Linn-Naumann: Seine Frau
Eckart Dux: Sir John Grantfield
Claudia Urbschat-Mingues: Lady Grantfield
Daniela Gehrmann: Mrs. Burton
Dirk Petrick: Constable Paxton

Die Macher

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden bei Titania Medien Studio und in den Planet Earth Studios statt. Alle Illustrationen – im Booklet, auf der CD – trugen Ertugrul Edirne und Firuz Askin bei.

Handlung

Beryl Fallconer, die Tochter eines Vikars und Friedensrichters in Sussex, bittet Sherlock Holmes um Hilfe, denn sein alter Freund Jumbo Dean habe ihn ihr empfohlen. Begleitet wird sie von ihrem Cousin Harold Sanderson, denn nicht nur ist Miss Fallconer eine schutzbedürftige Halbwaise, sondern auch die Erbin in spe von Oxbridge Hall, also ein gute Partie.

Der Ärger dreht sich um Jack Dalton, einen nichtsnutzigen Hühnerzüchter im Dienst ihres Vaters. Dalton sei praktisch Bankrott, merkt Harold an, doch Beverly will Dalton trotzdem heiraten. In einem unerwarteten Anfall von Anstand hat Dalton die Bedingung gestellt, er müsse vor der Verlobung erst erfolgreich werden. „Also nie“, fügt Harold hämisch hinzu.

Diebstahl

„Und der konkrete Anlass?“, will Sherlock endlich wissen. Tags zuvor veranstalteten die Fallconers eine klitzekleine Party auf Oxbridge Hall und luden Dalton sowie die benachbarten Grantfields dazu ein. Als Highlight des Abends ließ der Hausherr das Kronjuwel seiner Schmucksammlung enthüllen: eine prächtige Tiara, die Mutters Mitgift war, erzählt Beverly. Sie soll in Beverlys Besitz übergehen, sobald sie 21 wird. Ihr Vater hat die Tiara aus seinem Banktresor entnommen, um das teure Stück reparieren zu lassen. Nach der Präsentation sperrte er sie wieder in seinen Schreibtisch.

Verdacht

Man braucht keine Kristallkugel, um es vorhersehen zu können: Die Tiara ist weg. Wer ist verdächtig? Natürlich Jack Dalton, denn er hatte zuvor Beverlys Vater um Geld für die Farm gebeten, was aber abgelehnt worden war. Kurz darauf lag Vikar Fallconer mit einer Kopfwunde auf dem Boden. Die Schreibtischschublade stand ebenso offen wie das Fenster, durch die der Dieb entflohen sein musste. Beverly rief Harold und die Polizei, und als um vier Uhr morgens auch das Opfer erwachte, beschuldigte Fallconer Dalton. Der war zwar maskiert, aber trug einen weithin bekannten Mantel, der Dalton gehört.

Dalton beteuert seine Unschuld, und Beverly glaubt ihm, doch Dalton hat kein Alibi. Für Harold ist das Tatmotiv klar wie Kloßbrühe: Geldmangel. Nachdem Beverly gegangen ist, meint Harold noch zu Holmes: Der Fall sei hoffnungslos für Dalton. Holmes ist sich da nicht so sicher. Zu Watson bemerkt er höchst bedeutungsvoll: Letzte Nacht was unerträglich heiß.

Tatsächlich hängt die Lösung des Falls eindeutig von der Tagestemperatur ab – und von dem Zustand der Straßen zur Tatzeit…

Mein Eindruck

Wieder mal traut Holmes dem Braten nicht. Zu eindeutig ist die Begründung des Verdachts, dass Jack Dalton, der erfolglose Hühnerzüchter, mangels Finanzen bei der schlecht geschützten Tiara zugeschlagen hat. „Ein hoffnungsloser Fall“, wie Harold sagt. Nicht für Sherlock Holmes! Und wenn es um das Liebesglück einer jungen Dame wie Beverly Fallconer geht, sollte man sich als britischer Gentleman schon ein wenig anstrengen: bekanntlich will sie den Hühnerzüchter heiraten – und hierfür braucht sie ihr Erbe. Dieses scheint ihr aber ein Unbekannter streitig zu machen.

Holmes muss buchstäblich auf die Straße gehen, um die Wahrheit aufzuspüren. Diese Straßen in Sussex sind neuerdings sogar geteert, und deshalb ist der Fall buchstäblich eine Frage des Teers: Er hat sich nämlich unter der heißen Sommersonne aufgeweicht. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn Holmes nicht richtigen Schlüsse aus den Kutschenspuren ziehen könnte.

Und dann ist da noch die knifflige Sache mit Daltons Mantel. Als Holmes diesen und die leere Schmuckkiste begutachtet, wagt er eine weitere seiner berühmt-berüchtigten Täterbeschreibungen: ein „unehrenhaft entlassener, blonder Soldat“. Constable Paxton und Watson sind baff. Ist Holmes von allen guten Geistern verlassen?

Komödie

Das Intro bietet wieder einmal pure Komödie. Watson leidet, ja, weil Mrs. Hudson und ihre Verwandte Miss Mapleton fort sind. Keiner ist da, um ihn mit Köstlichkeiten wie etwa Tee und Gebäck zu versorgen. Und dann ist da noch Holmes. Angeblich will der bei sich aufgeräumt haben. Aber die Aufräumaktion bedeutet lediglich, dass er all seinen Krempel in einen Kleiderschrank gestopft hat. Als Watson diesen öffnet, kommt ihm all der Krempel entgegen… Es bleiben nur noch wenige Minuten, bis die angekündigte Tochter des Friedensrichters bei ihnen aufschlagen soll!

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher

Dr. Watson nimmt die Stelle des zweifelnden gesunden Menschenverstandes gegenüber Holmes ein, welcher ein getriebener Junkie der Vernunftarbeit zu sein scheint. Watson ist der Gemütsmensch, ein Jedermann mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Holmes jedoch ist nicht nur Kopfarbeiter, sondern auch Schauspieler und Manipulator von Menschen.

Sherlock

Es gibt mehrere Hauptfiguren, die auch stimmlich herausragen. Am besten gefällt mir Joachim Tennstedt als Sherlock, denn was er in diese Figur hineinlegt, ist sehr sympathisch und humorvoll – so als würde ein strahlender John Malkovich völlig entspannt aufspielen (liegt’s am Koks?). Holmes‘ einziger Fehler ist seine Ablehnung des weiblichen Geschlechts oder vielmehr des Umgangs mit dessen Vertretern. Das soll aber weniger an latenter Homosexualität liegen, als vielmehr an seiner Abneigung gegen jede Art von emotionaler Sentimentalität.

Aber Holmes ist auch ein ausgezeichneter Schauspieler und engagierter Boxer. Ab und zu treibt er sich als aktiver Detektiv in Londons Sauwetter herum und kehrt völlig ausgehungert ins Hauptquartier zurück. Dann darf Mrs. Hudson, die auch hier moralisches Zentrum auftritt, ihm Essen kredenzen.

Watson

Dr. John H(amish) Watson, 36, ist das genaue Gegenteil seines Freundes: jovial, höflich, frauenfreundlich und durchweg emotional, außerdem glücklich verheiratet. Leider sind seine logischen Schlüsse von dementsprechend unzulänglicher Qualität. Das war zu erwarten und dürfte keinen überraschen.

Die Klienten

Beverly Fallconer wird von Fabienne Hesse als junge Dame dargestellt, die kein Wässerchen trüben kann. Dürfen wir dem Anschein trauen? Harold Sanderson, gesprochen von Valentin Stroh, scheint auf ihrer Seite zu stehen, aber er ist voreingenommen, wie Holmes erkennen kann. John Fallconer und Jack Dalton stellen die weiteren Mitglieder der jüngeren Generation dar. Ihnen stehen die Alten gegenüber: der Vikar und seine Frau, flankiert vom Ehepaar Grantfield. Letztere werden von Veteranen des Gruselkabinetts gesprochen: Eckart Dux und Claudia Urbschat-Mingues, der Synchronsprecherin zahlreicher Filmdiven.

Geräusche

Eine große Vielfalt von Geräuschen verwöhnt das Ohr des Zuhörers. Der Eindruck einer real erlebten Szene entsteht in der Regel immer. Papierrascheln, klappernde Teetassen, knisterndes Kaminfeuer, von den Kutschen und zahlreichen Tieren (Hühner, Pferde) ganz zu schweigen – all diese Samples setzt die Tonregie zur Genüge ein, um einer Szene eine Fülle von realistisch klingenden Geräuschen zu vermitteln.

Diesmal verursachte mir aber das Knistern des Kaminfeuers in der Baker Street Stirnrunzeln: Warum sollten die Bewohner von Nr. 221B ein Feuer machen, wenn die Nacht, wie Holmes, sagt, „unerträglich heiß“ war – eine Vorbedingung für die Lösung des Falls?

Die Musik

Das Intro, eine Art flott-dezente Teemusik, bildet den heiter-beschwingten Auftakt des Hörspiels und deutet die häusliche Idylle von Baker Street 221B an. Von einem Score im klassischen Sinn kann keine Rede mehr sein. Hintergrundmusik dient nur dazu, eine düstere oder angespannte Stimmung zu erzeugen, und zwar nur dort, wo sie gebraucht wird. Hier steigert sich die Spannung sehr dezent von Szene zu Szene.

Das Booklet

Das Titelmotiv zeigt die Tiara, die ansonsten durch auffällige Abwesenheit glänzt.

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS sowie der SHERLOCK-HOLMES-Reihe verzeichnet. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf. Die CD und der Einleger sind mit den Sherlock-Holmes-Motiven versehen, die die Reihe von Anfang an begleitet haben.

Unterm Strich

Die Liebe und das liebe Geld – wieder einmal richten sie in ihrer Konfrontation allerlei Unheil an. Wird die Pfarrerstochter Beverly den Hühnerzüchter ihres Vaters heiraten können und ihr Erbe genießen können? Wir hoffen es, doch Zweifel sind angebracht. Ihr Vater hätte um ein Haar das Zeitliche gesegnet, und die Tiara, das Prunkstück des Erbes, sind verschwunden. Wird es sich in einem schmuddeligen Hühnerstall wiederfinden?

Doch alles ist „eine Frage des Teers“, wie der Titel andeutet. Teer findet sich auf den Straßen von Sussex neuerdings mehr als genug. Die viktorianischen Straßen haben offenbar ausgedient. Nur Kommissar Zufall verhilft unserem Meisterdetektiv zur Lösung des Falles; und diesmal tritt der Kommissar in Gestalt einer schwerhörigen Haushälterin auf, die Probleme mit einem mysteriösen Siphon hat…

Das Hörspiel

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Das habe ich beherzigt und dabei entdeckt, dass der Kamin in Baker Street 221B befeuert wird, obwohl doch die Nacht davor „unerträglich heiß“ gewesen sei. Offenbar ist am Morgen die Temperatur ins Bodenlose gefallen, und das mitten im Sommer.

Die Sprecherriege für diese neue Reihe ist höchst kompetent und renommiert zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars, darunter Claudia Urbschat-Mingues, Eckart Dux, Joachim Tennstedt und Detlef Bierstedt. Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für spannende Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der Hollywoodstars Clooney und Malkovich vermitteln das richtige Kino-Feeling.

1 CD: 59:48 Minuten
ISBN-13: 9783785780398

www.titania-medien.de

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