Shujata Massey – Die Tote im Badehaus. Ein Fall für Rei Shimura

Krimi und Schicksalsroman: Ermittlungen einer Grenzgängerin

Shiroyama, ein kleiner charmanter Ort in den japanischen Bergen: Seine reiche Geschichte verheißt eine faszinierende Neujahrszeremonie, und das einladende Badehaus der kleinen Familienpension verspricht wohltuende Stunden. Die junge Englischlehrerin Rei Shimura fühlt sich wie im Paradies, als sie für ein paar Urlaubstage aus Tokio anreist. Und dass ihr gleich am ersten Abend der reizende Hugh Glendinning über den Weg läuft, betrachtet sie als gutes Omen.

Am nächsten Morgen jedoch findet man die Frau des einflussreichen Geschäftsmannes Nakamura tot unter dem Fenster des Badehauses. Glendinning scheint mehr zu wissen, als er preisgibt, und zu viele Details des Falles wollen nicht so recht zusammenpassen. Reis detektivischer Spürsinn ist geweckt, doch sie ahnt nicht, dass der Täter ganz in ihrer Nähe ist … (Verlagsinfo)

Die Autorin

Sujata Massey, geb. Banerjee (* 4. März 1964 Sussex, England) ist eine amerikanische Krimiautorin.[1] Im Alter von fünf Jahren emigrierte sie mit ihren Eltern – ihr Vater stammt aus Indien, ihre Mutter aus Deutschland − aus England. Von 1991 bis 1993 lebte sie in Japan. Momentan lebt sie in Baltimore, USA.

1997 veröffentlichte sie den ersten Teil einer Reihe von Kriminalromanen. Diese drehen sich um Rei Shimura, eine Halbjapanerin aus Kalifornien, und spielen zum Großteil in Japan.[2]

Der erste Roman „The Salaryman’s Wife“ (dt. „Die Tote im Badehaus“) wurde 1997 mit dem Agatha Award für die „Best First Mystery Novel“ ausgezeichnet und „The Flower Master“ („Bittere Mandelblüten“) 2000 mit dem Macavity Award.

Auf ihrer offiziellen Homepage hatte Sujata Massey verkündet, dass das Buch „Brennender Hibiskus“ („Shimura Trouble“) die letzte Veröffentlichung der Rei Shimura Reihe sei. Danach schrieb sie den Roman „The Sleeping Dictionary“, der in den 30er Jahren in Britisch-Indien spielt. Nach sechs Jahren Pause veröffentlichte sie mit „The Kizuna Coast“ einen weiteren Roman aus der Rei-Shimura-Reihe. (Quelle: Wikipedia.de)

Die Rei-Shimura-Reihe

• Die Tote im Badehaus. Roman („The Salaryman’s Wife“, 1997). Kabel, Hamburg 1999, ISBN 3-8225-0489-0.
• Zuflucht im Teehaus. Roman („Zen Attitude“, 1998). Kabel, Hamburg 2000, ISBN 3-8225-0518-8.
• Bittere Mandelblüten. Roman („The Flower Master“, 1999). 1. Aufl. Piper, München 2002, ISBN 3-492-27035-2.
• Tödliche Manga. Roman („The Floating Girl“, 2000). 1. Aufl. Piper, München 2003, ISBN 3-492-27047-6.
• Der Brautkimono. Kriminalroman („The Bride’s Kimono“, 2001). 1. Aufl. Piper, München 2004, ISBN 3-492-27078-6.
• Die Tochter des Samurai. Kriminalroman („The Samurai’s Daughter“, 2003). 1. Aufl. Piper, München 2008, ISBN 978-3-492-25125-9.
• Japanische Perlen. Kriminalroman („The Pearl Diver“, 2004). 1. Aufl. Piper, München 2006, ISBN 978-3-492-27100-4.
• Der japanische Liebhaber. Kriminalroman („The Typhoon Lover“, 2005). 1. Aufl. Piper, München 2007, ISBN 978-3-492-27133-2.
• Der Tote im Sumida. Kriminalroman („Girl in a Box“, 2006). 1. Aufl. Piper, München 2008, ISBN 978-3-492-27147-9.
• Brennender Hibiskus. Kriminalroman („Shimura Trouble“, 2008). 1. Aufl. Piper, München 2010, ISBN 978-3-492-25767-1.
• The Kizuna Coast, Ikat Press, 2014, ISBN 978-0-983-66105-4.
Andere Veröffentlichungen
• The Sleeping Dictionary, Gallery Books, 2013, ISBN 978-1-476-70316-9.
• The Ayah’s Tale, E-Book, Ikat Press, 2013.

Handlung

Endlich Urlaub, freut sich die Englischlehrerin Rei Shimura. Sie stammt ursprünglich aus San Francisco, lehrt nun aber in Tokio Englisch, ein unterbezahlter, aber anstrengender Beruf. Die Aussicht auf eine ganze Woche lang frische Landluft in den Bergen des traditionsreichen Städtchens Shiroyama – von hier stammt der berühmte schwarze Lack japanischer Möbel – hebt ihre Stimmung. Dass ihre Pension abgelegen ist, macht ihr nichts aus, denn umso weniger ist mit Touristen zu rechnen, die hier an Silvester lautstark feiern wollen.

Der Tag

Ein heißes Bad im Badehaus für die Frauen, das nur über die Hintertreppe zu erreichen ist, entspannt ihre Muskeln und wäscht den Stress des Berufs heraus. Doch was ist das?! Ein nackter Mann drängt sich herein; hat er denn das Schild mit den japanischen Schriftzeichen nicht gelesen? Es ist ein Ausländer und seinem Akzent nach zu urteilen ein Schotte. Lautstark scheucht Rei den Eindringling hinaus, der sich schamvoll zurückzieht.

Nur wenige andere Gäste haben sich zum Abendessen eingefunden. Da ist er wieder, der Schotte, und stellt sich als Hugh Glendinning vor. Er ist der Anwalt des „Salarymans“ Nakamura, der für die Elektronikfirma Sendai arbeitet und seine schöne Frau Setsuko mitgebracht hat. Neben diesem Trio wirkt der junge Assistent Yamamoto unscheinbar. Die Gesellschaft wird durch Mrs. Marcelle Chapman ergänzt, eine ältere, aber aufgeweckte Lady aus den Vereinigten Staaten. Sogleich befleißigt sich Rei ihres amerikanischen Akzents. Mrs Chapman ist eine Sensei des Ikebana, der Blumensteckkunst.

Der Abend

Der Abend verläuft unangenehmer als erwartet, muss Rei erkennen. Mr. Nakamura behandelt seine Frau Setsuko herablassend, wenn nicht sogar mit Verachtung. Und Setsuko Nakamura ihrerseits lässt die nichtjapanischen Damen spüren, dass sie sich weit über sie erhaben fühlt, mit ihren Perlen, Ringen und Ketten, noch dazu von reinrassiger Geburt. Rei ist froh, als sie sich endlich ohne Gesichtsverlust auf ihr Zimmer zurückziehen kann.

Der Morgen

Am nächsten Morgen, an Neujahr, ist sie vor allen anderen wach und begibt sich auf einen Spaziergang an die frische Luft. Sie bewundert den kleinen Garten von Mrs. Yogetsu, doch eine Fährte im Schnee führt sie zu einer verhängnisvollen Entdeckung. Tiere wie etwa Füchse haben sich über einen Stapel trockenen Gestrüpps hergemacht. Als Rei nachschaut, fällt ihre eine bleiche kalte Hand entgegen: Nach einem entsetzten Atemzug deckt Rei den gefrorenen Körper von Setsuko Nakamura auf.

Das Herbeirufen der lokalen Vertreter der japanischen Polizei ist unumgänglich. Captain Okuhara prüft als erstes die Pässe. So viele Ausländer, lauter gaijin! Und dann auch noch eine Mischlingsfrau, diese Rei Shimura. Nach intensiver Befragung fackelt Okuhara nicht lange: Er macht Rei zu seiner Dolmetscherin und Mit-Ermittlerin. Widerstand ist zwecklos, weiß Rei, denn so ein Polizeihauptmann kann an Fäden ziehen, die sie ihre hart erkämpfte Stellung in Tokio kosten könnten. Also spielt Rei mit.

Schon bald sieht sie sich in einer merkwürdigen Position. Nakamuras Assistent Yamamoto verhält sich bedrohlich, als er sich ihr über einer Klippe am Berghang nähert. Er scheint viel Kraft zu haben, obendrein trägt er eine schwarze Skimaske, als wäre er ein Ninja. Und dann ist da noch Hugh Glendinning, der möglicherweise eine Affäre mit der Frau seines Arbeitsgebers Nakamura hatte. Es gibt jedenfalls eine Menge Geheimnisse zu enträtseln. Denn eines ist für Rei klar: Der armen Setsuko, die wie Abfall unter einem Komposthaufen verscharrt wurde, muss Gerechtigkeit widerfahren.

Die Nacht

Doch eines Nachts erwacht sie aus einem Alptraum: Sie fühlte sich darin, als müsse sie ersticken. Doch der Traum endet nicht da, wo die Realität anfängt. Es riecht nach Gas in ihrem kleinen Zimmer, sie bekommt keine Luft mehr! Doch die Gasleitung wurde manipuliert, und die Tür ist blockiert. Sie ringt nach Atem, ihre Sinne schwinden, mit letzter Kraft hämmert sie gegen die Tür…

Mein Eindruck

Dies ist nicht das Ende von Rei Shimuras jungem Leben, sondern der Anfang einer langen Irrfahrt durch halb Japan. Kaum wieder zurück in Tokio und an der Schule, fühlt sich Rei verfolgt und schließlich sogar bedroht. Das Leben kann ja so aufregend sein, findet ihr Zimmergenosse. Auch ein amerikanischer Geschäftsmann findet Gefallen an der entschlossenen und dynamischen Halbjapanerin.

Als sich Rei auf die Fersen des verdächtigen Nakamura und dessen düsterer Vergangenheit setzt, kann sie immerhin auf die Unterstützung des Schotten Hugh Glendinning, obwohl der ja eigentlich für Mr. Nakamura arbeiten soll. Es ist zunächst alles etwas gewöhnungsbedürftig für Rei und undurchsichtig für den Leser, aber so wie sie sich durchbeißt, so braucht sich der Leser nur von ihr führen zu lassen, um auf erstaunliche Entdeckungen zu stoßen: Setsuko, die Getötete, hatte eine uneheliche Tochter mit einem amerikanischen Matrosen. Doch wo ist diese Tochter zu finden, und ist ihr Vater noch am Leben?

Immer weiter ziehen sich die Kreise von Reis privater Ermittlung. Ihre Affäre mit Hugh Glendinning bleibt den neugierigen Medien nicht lange verborgen, und über kurz oder lang landet sie in den Klatschspalten. Ja, sie löst mit ihren ungewöhnlichen, kurzen Haaren sogar eine neue Mode unter Japans jungen Damen aus. Dass Hugh Glendinning ein reicher Ausländer ist, hilft natürlich sehr, den Verlust von Arbeitsplatz und Wohnung zu verschmerzen, aber das macht sie noch lange nicht zu seiner Mätresse. Dafür ist Rei viel zu selbstbewusst.

Die Übersetzung

Der Text ist flüssig zu lesen, aber mittlerweile, nach rund 20 Jahren, bereits wieder sprachlich veraltet und stellenweise in seinem Sprachstil schon antiquiert zu nennen.

S. 242 & 418: „Oberstaabsbootsmann“: Dieser Offiziersdienstgrad der Marine ist mir unbekannt, aber vielleicht meinte die Übersetzerin „Oberbootsmannsmaat“.

S. 322: „.. ist er dort auf eine Miene getreten“. Diese Mine schreibt sich ohne ie.

S. 422: „… dass er in Princetown studiert hatte“. Gemeint ist wohl Princeton, New Jersey, wo Einstein lehrte.

Unterm Strich

Ich habe für das Buch mehrere Wochen benötigt, also eine lange Zeit. Zunächst sieht die Geschichte ja ganz nach einem ordentlichen Kriminalroman aus, doch schon bald beginnt das Garn in die Breite zu gehen und sich zu etwas zu entwickeln, das mehr Ähnlichkeit mit einem Familiendrama hat. Grundthema bleibt hingegen stets das Überschreiten der kulturellen Grenzlinie zwischen dem traditionellen Japan – insbesondere draußen auf dem Lande – und den Vereinigten Staaten, die schon stark in den japanischen Städten Fuß gefasst haben. Nachwehen des Zweiten Weltkriegs und der amerikanischen Besatzungszeit spielen eine Rolle, um den Tod von Setsuko Nakamura zu erklären. Setsuko war selbst eine Grenzgängerin wie Rei und eine Frau voller faszinierender Geheimnisse. Das Buch spricht eindeutig vor allem ein weibliches Publikum an.

Aber dies wäre doch kein regelgerechter Krimi, wenn es nicht doch noch eine Aufklärung von Setsukos Tod gäbe. Wer der wahre Täter ist, der sich die ganze Zeit im Hintergrund hält, darf hier nicht verraten werden. Aber eines ist klar: Sein oder ihr Erscheinen ist eine massive Überraschung – und bedroht direkt das Leben unserer wackeren Privatermittlerin Rei Shimura.

Taschenbuch: 473 Seiten
Info: The Salaryman’s Wife, 1997
Aus dem US-Englischen von Elke Link
www.piper.de

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