Brian Sibley – J. R. R. Tolkien – An Audio Portrait

Vielstimmige Einführung in Leben und Werk Tolkiens

Die meisten Menschen kennen Tolkiens Werk, insbesondere den zweimal verfilmten „Herrn der Ringe“. Wesentlich weniger Leute kennen auch den „Hobbit“ und „Das Silmarillion“, noch weniger auch Tolkiens zahlreiche Gedichte und Geschichten. Dennoch mutmaßen alle dieser Leser und Zuschauer über den Urheber all dieser Werke und stellen mitunter die abwegigsten Theorien auf. War er selbst ein Hobbit? Ja und nein. Brian Sibley will der Sache in seinem Autorenporträt auf den Grund gehen.

Die Autoren Sibley und Tolkien

John Ronald Reuel Tolkien

… wird am 3. Januar 1892 in Bloemfontein in Südafrika geboren. Bei einem Verwandtenbesuch in England im Jahre 1896 stirbt Johns Vater an den Folgen eines Blutsturzes. Die Tolkiens, John, sein älterer Halbbruder Hilary und seine Mutter Mabel, bleiben daraufhin in England und werden von ihrer Familie finanziell unterstützt. Im Jahre 1900 entscheidet Mabel sich dazu, vom Protestantismus zum katholischen Glauben zu wechseln. Das empört ihre Familie, die ihr daraufhin den Geldhahn zudreht.

Vier Jahre später, am 14. November 1904, stirbt Mabel in einem diabetischen Koma. John und sein Halbbruder werden von einer Tante aufgenommen, und John geht an eine königliche Schule und bekommt ein Stipendium für das Exeter College in Oxford, das er 1913 mit Auszeichnung verlässt. Während dieser Zeit lernt er auch Edith Bratt kennen, die er 1916 heiratet. Kurz vor der Heirat meldet er sich freiwillig zum Kriegsdienst. 1916 ist er in Frankreich stationiert und wird schwer krank. Dieser Krankheit hat er zu verdanken, dass er im gleichen Jahr nach Hause kann und nie mehr in den Krieg ziehen muss. Schon während dieser Zeit beginnt er an dem [„Silmarillion“ 408 zu arbeiten.

1918 bringt Edith das erste von fünf Kindern zur Welt: John Francis. Die drei ziehen nach Oxford, wo Tolkien sein angefangenes Sprachstudium wieder aufnimmt und beendet. Im Oktober 1920 kommt der zweite Sohn Michael zur Welt. Im selben Jahr zieht die Familie nach Leeds, weil John dort einen Platz als Dozent an der Uni bekommt. 1924 wird John zum Professor berufen und sein dritter Sohn Christopher kommt zur Welt. Dieser sorgt nach dem Tod seines Vaters dafür, dass alle Manuskripte vervollständigt und veröffentlicht werden. Ein Jahr später gewinnt John die Wahl zum Angelsächsischen Professor an der Uni in Oxford. Die Familie zieht wieder zurück nach Oxford.

1929 legt Tolkien den Grundstein zu [„Der Hobbit“. 481 Außerdem wird seine erste Tochter geboren: Priscilla. Im folgenden Jahr beginnt Tolkien mit dem Manuskript zum „Hobbit“. Sieben Jahre später, am 21. September 1937, erscheint dann der „Hobbit“ bei |Unwin| und erhält viele positive Buchkritiken. Das Buch wird unter anderem mit dem „New York Herald Tribune“- Jugendpreis ausgezeichnet.

Im nächsten Jahr hat Tolkien schon konkrete Vorstellungen vom [„Herrn der Ringe“, 1330 weil Rayner Unwin um eine Fortsetzung des „Hobbits“ gebeten hatte. Tolkien unternimmt mehrere Anläufe und schreibt jedes Mal den Anfang komplett neu. Nach dem Start herrscht aber wegen des Zweiten Weltkriegs, in dem zwei seiner Söhne dienen, erst einmal eine künstlerische Pause, die bis 1947 dauert. Erst jetzt fängt er wieder an, am „Herrn der Ringe“ zu arbeiten. Zwei Jahre später ist das Buch dann fertig, wird aber erst 1954/55 veröffentlicht, da Tolkien den „Herrn der Ringe“ zusammen mit dem „Silmarillion“ und mit allen Anhängen herausbringen wollte. Der Verlag verlangt aus Kostengründen (Papier war rationiert und teuer), dass das Buch in drei Teile aufgeteilt wird, die nacheinander erscheinen.

Am Anfang sind die Bücher nicht besonders erfolgreich, werden als absurd und schwer verständlich eingestuft. Erst nach dem Ace-Raubdruck ca. 1966 wird das Buch vor allem bei amerikanischen Studenten beliebt und schließlich zweimal verfilmt.

Im Jahre 1968 zieht Tolkien wegen seiner Frau noch einmal um, und zwar ins das Seebad Bournemouth, welches die Familie aus Urlaubsbesuchen kennt. Am 19. November 1971 verstirbt Edith an den Folgen einer Gallenblasenentzündung. Tolkien zieht wieder nach Oxford um, wo er als Ehrenmitglied auf dem Unigelände wohnt. Er erhält von der Queen den „Kommandeursorden des Britischen Empires“ (CBE). Außerdem hat er die Hoffnung, sein Lebenswerk, das „Silmarillion“, noch vor seinem Tod fertigstellen zu können. Aber Tolkien stirbt am 2. September 1973 achtzigjährig im Krankenhaus, als er gerade ein paar Freunde besucht. Im Jahre 1977 veröffentlicht sein Sohn Christopher das „Silmarillion“ nach radikaler Überarbeitung und bringt noch andere Bücher seines Vaters heraus.

J.R.R. Tolkien (1892-1973) verschlang schon als Schüler das Heldenepos „Beowulf“ und die Abenteuer des Artus-Ritters Sir Gawain auf Mittelenglisch. Tolkien studierte in Oxford und wurde mit 32 Jahren zum Professor für mittelalterliche englische Literatur. Er lehrte nahezu 40 Jahre lang und gab u. a. ein mittelenglisches Wörterbuch heraus, das bis heute auf diesem Gebiet zu den Standardwerken zählt. Sein besonderes Interesse galt jedoch der Mythologie, den Sagen und Märchen. Tolkien zufolge spiegeln all diese Geschichten – auch die von ihm selbst erdachten – einen Funken ewiger Wahrheit wider.

Brian Sibley

…. wurde 1949 in Clapham, Süd-London, geboren. Als Junge gab er all sein Taschengeld für Bücher aus und las schon in sehr jungen Jahren Klassiker wie Charles Dickens, Lewis Carroll, Kenneth Grahame („Der Wind in den Weiden”) und natürlich Tolkien. Seit er den ersten Disneyfilm gesehen hatte, war er zudem fasziniert von der Magie des Films. Er arbeitete als Autor und Sprecher für die BBC, wo er auch die Hörspieladaptionen von „Der Herr der Ringe“ und [„Die Chroniken von Narnia“ 2036 schuf. Zuletzt wurde er besonders bekannt durch seine Bücher über die Entstehung des Films „The Lord of the Rings“ von Peter Jackson. Während er sich einen Ruf als Fachmann für Tolkien erworben hat, so hat er doch auch Bücher über andere Kinder- und Jugendbuchklassiker verfasst.

Das 2001 entstandene Hörporträt wurde von Sibley geschrieben, der es auch selbst präsentiert. Peter Hutchings erledigte die Quellenrecherche und fungierte als Produzent. Wer alles zu den Quellen gehört, ist allerdings nirgends im Hörbuch aufgelistet.

Inhalt

Nach der Einführung Sibleys über diese „Zusammenstellung“ von Quellen hören wir Ian Holm, der den Frodo in der BBC-Adaption des „Herrn der Ringe“ spielte: „The road goes ever on …“. Dies soll wohl als Motto für Sibleys Beitrag dienen.

Tolkiens Biograf Humphrey Carpenter verrät uns, dass Tolkien von mittelalterlichen Heldengeschichten („romances“) beeinflusst war, doch seine Ursprünge lagen in den Sprachen und ihren Lauten, eine Vorliebe, die der Junge offenbar bereits von seiner Mutter Mabel auf den Weg bekam, die Französisch, Deutsch und Latein beherrschte.

Seine Freunde nannten ihn Tollers, andere sahen ihn als Weisen, elbisch usw., der seinen Zuhörer mit seinen Augen und seiner Beredsamkeit in seinen Bann ziehen konnte. Tolkiens Verleger Rayner Unwin zitiert seinen Autor mit den Worten: „I am a hobbit but for size“ (In jeder Hinsicht außer in der Größe bin ich ein Hobbit).

Nun beginnt ein munteres Spiel der Verflechtung von Tolkien als Mensch, als Autor, seinem Werk und den Figuren, darüber hinaus geben Bekannte ihren Senf dazu. Manchmal geht das gut, mitunter aber auch nicht. So soll Tolkien als Junge in Südafrika – er war höchstens vier Jahre alt – von einer Giftspinne gebissen worden sein. Dieses Abenteuer löste die Erschaffung der Spinnenungeheuer Ungoliant und Kankra aus. Prompt bekommen wir auch den entsprechenden Filmausschnitt aus LOTR geboten. Man kann mit jeder Spekulation aus einer Mücke einen Elefanten machen, scheint mir. Im Folgenden führt uns Sibley schrittchenweise durch Tolkiens Biografie (siehe oben).

Wie auch immer: Tolkien war stets von Sprachen fasziniert. Und als er sich schließlich die Leute vorstellte, die seine eigenen erfundenen Laute und Sprache benutzen könnten, erfand er Zwerge, Elben, Orks und Hobbits. In einer BBC-Szene wird ein elbisches Gedicht gesungen, gleich darauf rezitiert der Meister selbst in Elbisch. Als sich die 19-jährige Edith Bratt und der 16-jährige Tolkien kennen und heimlich lieben lernten, war der Grundstein für die Legende von Beren und Luthien gelegt. Aragorn hören wir kurz in Jacksons Film, wie er die ergreifende Geschichte, die im „Silmarillion“ eine zentrale Rolle einnimmt, in relativ banalen Sätzen zusammenfasst. Das fand ich ziemlich enttäuschend.

Nach seiner Erkrankung an Grabenfieber in Frankreich wird er ins englische Lazarett in Blackpool gebracht, wo die erste Fassung seiner Privatmythologie „The Silmarillion“ entsteht: „The Book of Lost Tales„. (Es ist bei Klett-Cotta komplett erschienen.) Edith besucht ihn dort und gibt ihm Hoffnung, während er seine Kriegserlebnisse verarbeitet. Danach folgen: Umzug nach Oxford, Leeds, nochmals Oxford, drei Kinder.

Wichtig war Tolkiens Mitgliedschaft in zwei literarischen Gesellschaften: den „Coalbiters“ und den „Inklings“. Seine Freundschaft zu C.S. Lewis erwies sich als unschätzbar wertvoll, um Ideen und Überzeugungen zu diskutieren, und um später Werbung für Tolkiens Bücher zu machen. Humphrey Carpenter sieht hier Gemeinsamkeiten hinsichtlich der nordenglischen Herkunft, der konservativen und christlich-katholischen Haltung – das machte sie in einer protestantisch-atheistischen Umgebung zu Außenseitern. Hinzu kam natürlich ihre rein männliche Freundschaft. Männer und Frauen lebten damals in weitgehend separierten Lebensbereichen. Empfängsnisverhütung existierte nämlich praktisch nicht, und man wurde auf Schritt und Tritt überwacht, mit wem sich Männlein und Weiblein einließen.

Lewis war es denn auch, der vom „Hobbit“ zuerst hörte, das heißt: nach Tolkiens Kindern und ihrer Mutter. Er schrieb beim ermüdenden Korrigieren von Seminar- oder Prüfungsarbeiten auf ein leeres Blatt: „In a hole in the ground there lived a hobbit“. Seine Sekretärin Elaine Griffiths bekam das Manuskript zur Reinschrift, und weil sie so großen Gefallen daran fand, empfahl sie es ihrer Bekannten Susan Dagnell, welche für den Verlag |Unwin| arbeitete. Der Rest ist Geschichte: Der Verleger gab das Manuskript seinem Sohn zum Lektorat. Rayner Unwin, damals etwa elf Jahre alt, schrieb ein professionelles Urteil, woraufhin das Buch gekauft wurde. Es erschien 1937 (s.o.).

Was man sich unter einem Hobbit vorzustellen hatte, darüber stritten sich die Geister. Carpenter und Alan Lee, der Illustrator, äußern sich dazu. Der interessanteste Hobbit ist natürlich nicht etwa Bilbo oder Frodo, sondern Smeagol, besser bekannt als Gollum. Es folgt die berühmte Szene „Riddles in the Dark“ aus der BBC-Inszenierung als Hörspiel. Gollum klingt sehr stilecht.

Danach werden „Der Herr der Ringe“ und „Das Silmarillion“ vorgestellt und gewürdigt. Der 1000-Seiten-Roman stieß nicht nur auf Zustimmung (wieder mal durch Lewis), sondern auch auf vehemente Ablehnung durch die Kritiker. Den Vogel schießt dabei ein gewisser Dr. John Carey ab, der so blasiert und langsam sprechend über das Buch herzieht, dass einem schon das Gesicht eingeschlafen ist, bevor er seinen ersten Satz beendet hat. Wie auch immer: Es dauerte denn auch an die zwölf Jahre, bevor sich das Buch in Amerika in Massen verkaufte, allerdings nur im Taschenbuch. (Bis sich auch |Unwin| zu einer Taschenbuchausgabe bereitfand, verging nochmals Zeit, und erst mit Alan Lees wunderschönen Illustrationen fand diese Ausgabe ihre optimale Form, wie ich finde.)

Geradezu grotesk wird es, wenn es um Tolkiens Fanpost geht. Er bekam Zuschriften aus Gefängnissen und Nervenheilanstalten. Seine Sekretärin Joy Hill weiß ein oder zwei interessante Geschichten zu erzählen. Auch aus den USA wurde er alle naslang angerufen, meist zu nachtschlafender Zeit, weil der Zeitunterschied dort offenbar nicht so registriert wurde. Auch die Beatles zeigten Interesse: Sie wollten das Buch verfilmen, mit John als Gollum, Paul als Frodo, Ringo als Sam und George, dem Guru, als Gandalf. Prof. Robert Giddings findet, dass HdR eine humorvolle Parodie auf einen Verschwörungsthriller à la John Buchans „Die 39 Stufen“ (verfilmt von Hitchcock) sei.

Aber was „bedeutet“ das Buch eigentlich? Darüber darf anschließend trefflich spekuliert werden, doch Tolkien weist rundweg eindeutige Zuweisungen zurück, so etwa Orks = Sozialisten oder Ring = Wasserstoffbombe. (Prompt kommt hier die Szene, in der Saruman Gandalf versucht, damit beide Sauron dienen.) Tolkien gibt jedoch zu, dass es auf jeden Fall um Tod geht. Klar ist inzwischen, dass HdR inzwischen zu den zentralen Büchern des 20. Jahrhunderts gehört, für Carpenter gehört auch „Das Silmarillion“ dazu. Ohne beide wäre unser Leben, unsere Kultur ärmer.

Als passender Abschluss erklingen nach und nach mehrere Songs aus dem „Herrn der Ringe“, die Donald Swann vertont hat. Swann hat eine heutzutage merkwürdig klingende, klassisch ausgebildete Baritonstimme. Und das Elbisch, das er enthusiastisch singt, ist ziemlich gut zu verstehen (wenn man Elbisch kann). Nur die Tatsache, dass Tolkien stets nuschelt und unweigerlich an seiner Pfeife pafft, hat mich regelmäßig frustriert und geärgert.

Mein Eindruck

Auf den des Englischen sehr gut mächtigen Zuhörer stürzen nacheinander relativ unsortiert jede Menge Soundschnipsel ein, die am Schluss doch so etwas wie ein Gesamtbild ergeben sollen. Zu praktisch jedem Werk Tolkiens gibt es Pro- und Kontra-Stimmen, so dass sich Sibley offenbar um eine gewisse Objektivität bemüht zeigt. Dies ist also keine bezahlte Propaganda.

Dass jede Menge Filmausschnitte enthalten sind, freut natürlich jene Klientel, der der Autor und Mensch Tolkien nahe gebracht werden soll: die Filmfreunde. Mehrere LOTR-Ausschnitte belegen diese Thesen, die zu Tolkien aufgestellt werden. Die Filmzuschauer werden sich jedoch die Ohren reiben, wenn sie richtiges Elbisch vorgesetzt bekommen. Diese Darbietungsformen sind etwas anderes als MTV-Popvideos: Getragen gesungene Gedichte der Elben, aber auch heimelige Kaminfeuerlyrik der Hobbits trimmen das Gehör auf eine andere Wellenlänge.

Elbisch ist eine Erfindung Tolkiens, auf die er Jahrzehnte an Tüftlerarbeit verwendete. Hätte er sie je zu Ende gebracht, so hätte ihm eine Menge Spaß gefehlt. Das gleiche Bild ergibt sich beim „Silmarillion“. Daran arbeitete er fast sein ganzes Leben lang: ab dem Jahr 1915/16, als die ersten Gedichte und Erzählungen entstanden, bis zu seinem Lebensende, nachdem er es mehrmals vergeblich angeboten hatte. Es entspricht eben, wie Prof. Tom Shippey so knapp sagt, dem Alten Testament (mit dem Auszug der Elben aus dem Paradies Valinor), und „The Hobbit“ plus HdR entsprechen dem Neuen Testament (mit Frodo als Erlöserfigur).

Auffällig ist das Fehlen von nationalistischen Tönen. Anstatt die Mythologie Tolkiens für sich zu vereinnahmen und politisch zu instrumentalisieren, versuchen alle Quellen, möglichst viel Verständnis für diese Schnurrpfeiferei des kauzigen Alten aus Oxford aufzubringen, so als müsste man einen armen Irren für sein Gebrabbel belächeln. Nun, für Tolkien hätte die Sache nicht ernster sein können. Allein schon die Legende von Beren und Lúthien ist eine poetische Verarbeitung und heroische Überhöhung seiner Liebe zu Edith Bratt. Auf beider Grabsteine stehen diese Namen, und das sicher nicht ohne Grund. Man sollte das respektieren.

LOTR wird damals wie heute immer noch als Kinderbuch belächelt, quasi als männliches Pendant zu Enid Blytons Mädchenabenteuern. Wie kommt es dann aber, dass der Roman mehrmals von den Lesern zum Buch des Jahrhunderts gewählt wurde? Inzwischen scheint man darüber klar geworden zu sein, dass es sich um eine der wichtigsten Verarbeitungen der Themen Krieg, Tod und Erlösung handelt.

Dass sich daraus eine Unmenge an epigonalen Romanen, Rollenspielen, Filmen usw. ergeben haben, ist dabei eher nebensächlich – und wird auch von Sibley nicht aufgegriffen. Nur wenige Autoren haben es in die Liga von Tolkien geschafft, und auch darunter ist nicht alles Gold, was die Propaganda hochjubelt, so etwa die Herren Donaldson, Feist und Goodkind.

Unterm Strich

Was nimmt also der Tolkienfan mit, der eh schon alles von und über den Meister gehört und gelesen hat? Herzlich wenig bleibt an Nährwert für diesen Experten. Dazu gehören jedoch in erster Linie die verblüffend negativen Stimmen aus dem Lager der Tolkienkritiker, die hier im O-Ton zu hören sind. Ebenfalls willkommen sind die O-Töne Tolkiens selbst, auch wenn ich davon nur das Wenigste verstanden habe. Der Pfeife paffende Professor nuschelt, während er seine Sätze herunterrattert, dass kaum ein Wort erkennbar wird. Viele der Leute, die sich lobend zu Tolkien äußern, waren bereits in den Dokus zu den Special Extended Editions des Jackson-Films zu sehen.

Tolkienleser und Filmzuschauer, die sich mit den Hintergründen vertraut machen wollen, erhalten immerhin eine bunt gemischte und halbwegs objektive Aufarbeitung zahlreicher Quellen, die Licht auf den Autor und sein Werk werfen. Halbwegs wird verständlich, aus welchen Gründen er fast sein ganzes Leben auf so etwas Kindliches wie Fantasy verwendet hat: Er hatte Spaß am Erschaffen! Sprachen, Völker, Kontinente, vor allem Namen, aber auch ganze Sprachsysteme und Kulturen entsprangen seiner am Alt- und Mittelenglischen geschulten Vorstellungskraft. Und daher ist auch verständlich, warum sich Tolkien auf die alten Heldenlieder stützte: Sie sind für ihn kein Trümmerhaufen, sondern in ihrer Gesamtheit ein hoch aufragender Turm, von dem aus man über die weite See blicken kann, zu anderen Ufern.

Fazit: Für Einsteiger ist das Audio Portrait zu empfehlen, für intime Kenner von Tolkiens Leben und Werk bietet es kaum Neues. Und dass man recht gut Englisch beherrschen sollte, bedarf wohl kaum der gesonderten Erwähnung.

110 Minuten auf 2 CDs
http://www.hoerverlag.de

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