Stephen Gallagher – Tal der Lichter

Der Polizist Alex Volchak stößt in einem Motelzimmer auf ein Rätsel: Drei Männer liegen im Koma, doch auf dem Transport ins Krankenhaus steht der dritte wieder auf und entkommt. Alex ermittelt auf eigene Faust und spürt weitere entseelte Körper auf – und das geisterhafte Etwas, das sie als Wirtskörper benutzt, um seine geheimnisvollen Zwecke zu verfolgen.

Als dieses Etwas die kleine Tochter seiner Freundin entführt und ihn mit einem Anruf in die Wüste lockt, ahnt Alex, dass dieses Etwas nicht von dieser Welt ist. Zeit für einen Showdown …

Der Autor

Der britische Stephen Gallagher, geboren 1954, hat bei Heyne die Romane „Tal der Lichter“ (1987, dt. 1989), „Die Schimäre“ (1982, dt. 1987) und „Fenris“ veröffentlicht. Bei Bastei-Lübbe veröffentlichte er 1980 den Roman „Saturn 3“. Er schrieb Drehbücher für die TV-Serie „Doctor Who“ und noch für zahlreiche weitere TV-Serien. Mehr Info: https://en.wikipedia.org/wiki/Stephen_Gallagher.

Handlung

Alex Volchak arbeitet als Sergeant bei der Polizei von Phoenix, Arizona. Der geschiedene Ex-Marine versieht den üblichen Streifendienst, und so führt ihn sein Weg zum Paradise Motel. In einem von dessen Apartments liegen drei Männer im Koma; gehirntot, aber mit völlig intaktem Körper. Als der Mieter des Zimmers auftaucht, merkt er an der massiven Präsenz von Polizei, Kripo, Spurensicherung und Ambulanz sofort, dass etwas nicht stimmt und haut sofort ab. Alex‘ Verfolgung ist erfolglos.

Doch der Vorfall lässt ihm keine Ruhe, und in seinem Wohnwagen verfolgt er die TV-Nachrichten selbst dann noch, als Loretta Heilbron, die attraktive Nachbarin, die als Schaufensterdekorateurin arbeitet, bei ihm vorbeischaut. Sie und ihre neunjährige, quengelige Tochter Georgina wollen unbedingt etwas an Alex‘ freiem Tag, dem Mittwoch, etwas mit ihm unternehmen. Alex schlägt einen Zoobesuch vor.

Doch noch in der gleichen Nacht macht er sich ungeduldig auf die Suche nach dem entflohenen Gilberto Mercado. Zum Beispiel beschäftigt ihn die Frage, warum die im Koma liegenden Körper mit Babynahrung am Leben gehalten werden sollten – so als ob noch Hoffnung bestanden hätte, dass sie weiterleben und bald erwachen würden. Als er Mercado entdeckt und schließlich stellt, stirbt dieser einfach. Mit voller Absicht, und ohne Hilfsmittel. Er übergibt den Fall der Kripo.

Im Laufe der Nacht trudeln sonderbare Meldungen ein: Eine der drei „Leichen“ aus dem Paradise sei erwacht, habe Kleider gestohlen und sei dann aus dem Krankenhaus spaziert. Und dann ist da noch eine Sache, die die Bürger der Mittelklasse auf die Barrikaden trieb und sie dazu brachte, Mercado durch die Nacht zu hetzen: Auf einem Spielplatz wurde ein kleines Kind tot aufgefunden – jemand hatte es zu essen versucht. Bald ist die Rede von einem Psycho Killer, und das Radio beginnt, den gleichnamigen Song von den „Talking Heads“ zu spielen.

Doch Alex nimmt die Spur desjenigen auf, der sich dieser Körper als Wirte bedient, um sich unter Menschen frei bewegen zu können. Er nennt ihn den Ghul, weil er sich gerne die Körper von Komapatienten aneignet. So kommt er ihm auf die Schliche. Es ist ein Patient namens Woods, der unbehelligt einfach aus dem Krankenhaus spaziert. Es gelingt ihm, Woods zu kidnappen und mit ihm in die Wüste fährt, um den Wirtskörper zu erschießen. Loretta glaubt ihm kein Wort und verlässt ihn.

Vergeltung

Doch das ist erst der Anfang. Denn nun hat der Ghul möglicherweise einen ebenbürtigen Gegner gefunden. Er schlüpft in einen Studenten namens Winter. So gelingt es ihm, die davonfahrende Loretta in einen Unfall zu verwickeln. Sie wird schwer verletzt ins Hospital gefahren, doch als Alex an der Unfallstelle eintrifft, fehlt von Georgina jede Spur…

Mein Eindruck

Das Buch hat drei teile. Am Ende des ersten Teils glaubt Alex, den Seelenwanderer erledigt oder wenigstens aufgehalten zu haben. Im zweiten Teil mit dem bezeichnenden Titel „Falsche Dämmerung“ dreht der Seelenwanderer den Spieß um und entführt Georgina, um so ein Druckmittel gegen Alex, seinen Verfolger, zu haben. Außerdem richtet er in der Stadt mehrere blutige Massaker an und besorgt sich weitere Wirtskörper. Der Spielstand steht unentschieden.

Der dritte Teil mit dem Titel Leben in der Dunkelheit“ ist der beste. Es gilt, Georgina vor dem Seelenwanderer zu bewahren, und so kommt es, dass die beiden einen wackeligen Waffenstillstand schließen. Auf Alex‘ Herausforderung zu einem Duell, bei dem es um alles oder nichts geht, lässt sich der schlaue Ghul nicht ein. Deshalb muss ihn Alex mithilfe der Reporterin Angela Price, die eine Riesenstory wittert, aufspüren und aus seinem Versteck locken, um ihn dort auszutricksen …

Vorbilder

Vergleiche mit dem Horror-SF-Klassiker „The Bodysnatchers“ von Jack Finney sind keineswegs an den Haaren herbeigezogen, sondern passen wie die Faust aufs Auge. Dieser Roman wurde bereits Anfang der 1950er Jahre verfilmt und ein weiteres Mal mit Leonard Nimoy. Der „Körperfresser“ ist dabei ein unsichtbares Alien, das seine Beute in große Schoten steckt, um sie in willfährige Zombies zu verwandeln.

Was hier wie auch in Robert Heinleins Roman „Die Marionettenspieler“ eine schlecht verhüllte Warnung vor der Gehirnwäsche durch den Kommunismus war, das gerät in „Tal der Lichter“ zu einer sehr persönlichen Auseinandersetzung mit einem unsichtbaren Alien-Wesen, das sich der Körper von Menschen bedient, um sein Leben zu verlängern.

Da der Ghul – eine Bezeichnung für einen Leichenfresser – sehr alt ist, weist er große Ähnlichkeit mit einem Vampir auf. Der berühmteste aller Vampire ist Graf Dracula. Leider reichen weder Intelligenz noch Humor an die des berühmten Langzahns heran, doch an Entschlossenheit lässt der Ghul nichts zu wünschen übrig. Er erzeugt ständig neue Wirte und züchtet neue heran.

Paranoia

Dennoch liegt der Vergleich mit einem anderen Regime, das sich seiner Untertanen wie Wirtskörper bedient, um sie als Marionetten agieren zu lassen, nicht fern. Diesen Verdacht nähren verschiedene Hinweise, die der Autor in seinen Text eingeschmuggelt hat. Da wird der US-Präsident Richard M. Nixon indirekt als der größte Lügner aller Zeiten bezeichnet. Kriminalbeamte von der Drogenfahndung laufen in teuren Klamotten herum wie in „Miami Vice“ und fahren teure Schlitten – ein klarer Hinweis auf Korruption im Polizeiapparat. Die Spurensicherer und Laborraten haben den schwärzesten denkbaren Humor und lassen kein gutes Haar an solchen Typen.

Na, wenn das mal kein Anlass zu Paranoia ist! Alex, der ehemalige Marineinfanterist, hat einen Blick wie ein Falke und einen Spürsinn für Falschheit. So fällt ihm etwa auf, wie teilnahmslos, niedergeschlagen und äußerlich verwahrlost sein Kollege Michaels wirkt. Dann dies ein Wirtskörper ist, stellt sich wenig später heraus. Alex hat einen guten Riecher.

Showdown abseits der Main Street

Doch wie soll man dem Bösen beikommen, wenn es unsichtbar ist, unsterblich und ständig den Körper wechseln kann? Diese Frage wird in einem spannenden Krimi aufgeworfen, erörtert und in allen Aspekten untersucht. Der Leser sieht die Lösung nicht kommen, es sei denn, er kennt sich besten mit den Plot-Mustern von Agententhrillern aus. Doch die kamen erst nach 1987 richtig in Mode, durch Robert Ludlum und andere. Heutzutage liefern natürlich Zombie-Schauerfilme die Vorlage, aber auch die waren anno 1987 noch nicht in Mode.

Deshalb wirkt dieser Roman noch heute recht frisch und seine Ideen sind – bis auf das eine Vorbild – recht unverbraucht. Die Dialoge sind mitunter gewieft und witzig. So ganz ohne Humor geht die Alienjagd nicht vonstatten. Der Showdown hat eine ebenfalls recht unerwartete Form, und was die Strafe für das Alien anbelangt, so dreht Alex einfach den Spieß um: Er gibt dem Alien eine Kostprobe davon, wie es ist, von anderen Wesen in Besitz genommen und seelisch getötet zu werden. Was dies zu bedeuten hat, darauf sollte sich jeder Leser seinen eigenen Reim machen.

Die Übersetzung

Der deutsche Text liest sich flott und ist erstaunlicherweise fast völlig frei von Druckfehlern. Nur manchmal erschien es mir, als seien zwei oder drei Stellen gekürzt worden, denn sie passten irgendwie nicht in den Zusammenhang des übrigen Textes.

Unterm Strich

Ich habe den actionreichen Roman mit dem Krimi-Plot in nur zwei Tagen gelesen. Man kann die 240 Seiten sicherlich auch an nur einem Nachmittag schaffen. Die Handlung wirklich nicht überkandidelt, sondern bleibt stets auf dem Teppich der menschlichen Beziehungen und Tatsachen. Alex ist weder Superheld noch Lone Ranger, sondern ein Polizist, der es mit einem gerissenen und skrupellosen Verbrecher mit außerordentlichen Fähigkeiten zu tun bekommt. Er ist nie schlauer als der Leser, wohl aber entschlossener als seine sowieso ungläubigen Kollegen.

Die Aussage des Science-Fiction- oder paranormalen Krimis lässt sich als allgemeine Kritik an Lügen, Korruption und Gehirnwäsche auffassen. Alex weist ein Gutteil an Paranoia auf, was vielleicht ein Erbe seines Jobs als Soldat und Polizist ist. Außerdem hat er schon eine gescheiterte Ehe hinter sich und ist vorsichtig, was die Investition von Gefühlen und Vertrauen anbelangt. So ein Held erinnert mich stark an die abgebrühten Privatdetektive, in der Schwarzen Serie von Dashiell Hammett und Raymond Chandler (Philip Marlowe lässt schön grüßen).

Allerdings besteht Alex‘ Welt nicht völlig aus korrupten, amoralischen Menschen: Kinder wie Georgina haben noch vertrauen, Loretta spendet Liebe, und selbst die Reporterin Angela Price ist keine karrieregeile Sensations-Hyäne, sondern versucht, eine rechtschaffene Journalistin zu sein. Es gibt also noch Anlass zu Hoffnung für die hier geschilderte Welt. Darin unterscheidet sie sich von der heutigen ganz beträchtlich.

Broschiert: 237 Seiten
www.heyne.de

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