Stephen Lawhead – Die Rückkehr der Helden (Lied von Albion 2)

Gondolins Auferstehung

Die Fantasy-Trilogie „Das Lied von Albion“ von Stephen Lawhead erzählt die Geschichte zweier Oxforder Studenten, die in Schottland mysteriösen Phänomenen auf den Grund gehen wollen und dabei in eine andere Welt geraten. Lewis und Simon stehen auf verschiedenen Seiten des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse und werden zu erbitterten Gegnern. Nun ist der König tot, lang lebe der König – aber welcher? Unter dieses Motto könnte man Stephen Lawheads zweiten Band seiner Trilogie „Das Lied von Albion“ stellen. Es kommt zu einer ersten Entscheidungsschlacht.

Der Autor

Stephen Lawhead, geboren 1950 in den USA, wurde bei uns mit seinem „Pendragon“-Zyklus bekannt, der ebenfalls bei Piper herauskam. Inzwischen erschienen von ihm die Fantasy-Trilogie „Das Lied von Albion“ (Brendow/Bastei-Lübbe) und drei SF-Romane (Bastei). Die fünf Bände des „Pendragon“-Zyklus sind davon sicherlich die besten. Sie werden auch keineswegs von Lawheads allererstem Zyklus übertroffen, „Saga des Drachenkönigs“, die bereits 1985 in England erschien und in englischsprachigen Buchhandlungen mit Fantasy-Regal zu finden ist. Lawhead lebt mit seiner Familie in Oxford, England.

Die Trilogie „Das Lied von Albion“:

1) Krieg im Paradies (War in paradise; 1991)
2) Die Rückkehr der Helden (The silver hand; 1992)
3) Der endlose Knoten (The endless knot; 1993)

Vorgeschichte

Im ersten Band „Krieg im Paradies“ gelangten zwei Oxforder Studenten, Lewis und Simon, irgendwo im schottischen Hochland in die Anderswelt, das urkeltische Albion. Lewis erschien dort allerdings erst, als Simon schon zu einem angesehenen Krieger namens Siawn Hy am Hofe König Meldryn Mawrs aufgestiegen war. Lewis geriet nach seiner Ausbildung zum Krieger und Beinahe-Barden in den Krieg der Mächte der Finsternis gegen Prydain, das Reich Meldryn Mawrs.

Durch seine Heldentat auf den Mauern der Festung Findargad konnten die Mächte des Lichts den Sieg über die Dämonenarmee Fürst Nudds davontragen.

Nebenbei erfuhr der Leser, dass es in Findargad einen zauberkräftigen „Phantarchen“ gab, der bei seinem Tod das „Lied von Albion“, das die Welt im Innersten zusammenhält, in die „Singenden Steine“ gebannt hatte. Diese Steine hatte Lewis‘ Freund, der Oberste Barde Tegid Tathal, in seine Obhut genommen. Doch der König war gestorben.

Handlung

Zu Beginn ist es die Pflicht des Obersten Barden, den neuen König zu küren, den in Albion wird die Königswürde nicht vererbt. Doch Simon hat dem Prinzen Meldron eingeflüstert, es sei dessen Recht, neuer König zu werden. Obwohl Tegid, der Barde, schon Lewis – oder Llew auf keltisch – in einer Zeremonie zum König erklärt hat, reißt Meldron in einem Kampf die Königswürde an sich und setzt Llew und Tegid gefangen.

Nach ihrer Flucht versammeln sie die Barden Albions zum Konzil, doch Meldron überfällt sie und metzelt alle Barden der englischen Inseln nieder. Tegid blendet er, und Llew wird die rechte Hand abgehackt. Da aber nur ein körperlich makelloser Mann König sein kann, ist Llew nun auch nicht mehr Königsanwärter. Meldron raubt auch die Singenden Steine.

Tegid und Llew stranden in einem kleinen Boot an der schottischen Küste und werden von alten Freunden gesundgepflegt. Doch um die Freunde nicht in Gefahr zu bringen, ziehen sie weiter nach Norden, bis sie in den Hochtälern Schottlands zuerst einen mythischen Schmied namens Gofannon treffen und dann ein paradiesisches verborgenes Tal mit einem See finden. Tegid, der mit seinem inneren Auge zu sehen gelernt hat, folgt einer Vision und lässt Llew die ersten Hütten mitten im See erbauen. Dies gelingt auch mit Hilfe der ersten Flüchtlinge, die zu ihnen stoßen: Sie sind vor Meldrons plündernden Horden geflohen, die sich daran machen, den ganzen Rest Albions zu unterwerfen.

Bald sehen sich Tegid und Llew gezwungen, mehrere tausend Flüchtlinge aufzunehmen und eine Armee aufzustellen. Auf einer Expedition gelingt es ihnen zwar nicht, die Singenden Steine in ihren Besitz zu bringen, doch können sie das Leben von zweien ihrer alten Freunde retten, die junge Goewyn und ihre Mutter Scatha, die Llew zum Krieger ausgebildet hatte.

Doch das Wahre Königtum, wie der Autor es versteht, besteht aus drei Teilen: dem Hochkönig, der es verkörpert, dem Obersten Barden, der es verleiht, und dem Land, in dem es gedeiht. Da Meldron ein Usurpator ist und ihm kein Barde das Königtum verliehen hat, besteht keine mystische Harmonie zwischen ihm und dem Land, das er beherrscht: Folgerichtig verdorrt alle Vegetation und das Wasser vergiftet Mensch und Tier. Nur Llews verborgenes Tal bietet als einziger Ort noch Trinkwasser, und hierher strömen die Fliehenden. Als auf einer Expedition zu Freunden diesen sauberes Wasser gebracht wird, entdeckt Meldron den Aufenthaltsort seiner Erzfeinde…

Mein Eindruck

Lawhead verknüpft in seiner Trilogie mehrere Mythen aus den walisischen Sagen des „Mabinogion“ sowie Legenden um den christlichen Fischerkönig zu einem religiös motivierten Epos, das sowohl mit Abenteuern Spannung liefert als auch mit poetischen, exzellent übersetzten Gesängen und ökologisch angehauchten Bildern den heutigen Leser anspricht. Hatte schon Tolkien mit seiner Belebung der Natur – sprechende Bäume usw. – die Idee der Welt als lebendiges, kommunizierendes Wesen verbreitet, so geht Lawhead her, die schöpferische Kraft des „Großen Gebers“ sich in der gesunden Natur manifestieren zu lassen.

Da aber nur unter der Herrschaft des Wahren Königs auch die Natur gesund ist, besteht eine direkte Verbindung zwischen dem Wahren König und dem Schöpfer. Der Wahre König ist dessen irdischer Statthalter, wenn nicht sogar mehr. Der Gefahr, dass der König ein Despot werden könnte, wird durch das Gesetz begegnet, dass nur der Oberste Barde, der das Lied von Albion als oberstem Prinzip vertritt, die Königswürde verleihen kann, je nach Verdienst. Angewendet auf unsere Zeit, erhebt sich die Frage, wer denn unsere Barden sein könnten. Die Philosophen, die Priester? Wohl nicht.

War der erste Band des Zyklus‘ „Das Lied von Albion“ an poetischer Kraft kaum zu überbieten, so weiß auch der Folgeband mit etlichen guten Einfällen und gelungenen Szenen und Gestalten aufzuwarten. Für den Kenner der keltischen Sagenwelt und Dichtung bieten sich allerdings wenig Überraschungen – zu viele Topoi wurden hier verarbeitet. Die Pointe erinnert stark an die Stadt Gondolin in Tolkiens „Silmarillion“.

Wer weder mit Gälisch noch Walisisch etwas anfangen kann, wäre für ein Glossar mit Hinweisen auf die Aussprache der Namen dankbar gewesen. Immerhin eine kurzweilige Geschichte.

Achtung, Spoiler!

In der kurz darauffolgenden Schlacht sterben zwar viele Meldron-Soldaten im säureartigen Wasser eines Flusses, doch Meldron kann die Mannen Llews und ihn selbst gefangen nehmen. Als Llew im ebenfalls tödlich gewordenen Wasser seines Sees sterben soll, versinkt er zwar, ersteht aber als Llew mit der Silberhand – ein spätes Geschenk Gofannons – wieder auf und zieht Meldron in den Tod. Merke: Nur der Wahre König überlebt das Gottesurteil.

Meldrons Männer ergeben sich, der Krieg ist gewonnen. Doch als Siawn Hy alias Simon den verdienten Tod sterben soll, verschwindet er in die Anders-, d.h. unsere Welt. Das Lied von Albion aber ist gerettet, und Wasser und Land gesunden. Llew, mit der silbernen, quasi-lebendigen Hand nun wieder ohne Makel, wird König eines wiedererwachenden, geeinten Albion.

Hardcover: 507 Seiten
Originaltitel: The Silver Hand, 1992
Aus dem Englischen von Christian Rendel
ISBN-13: 9783404203130

www.luebbe.de

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