Erstklassiger Fantasy-Schmöker
Terisa Morgan, ungeliebte Tochter eines Milliardärs, lebt in der Einsamkeit ihres New Yorker Luxus-Apartments. Um einen Beweis für ihre Existenz zu haben, umgibt sie sich mit zahllosen Spiegeln. Da tritt eines Tages ein junger Mann durch einen Spiegel in ihr Zimmer und bittet sie, ihm in seine Welt zu folgen und sein Reich zu retten. Terisa reicht ihm zögernd die Hand und findet sich bei den Spiegelmagiern auf Schloss Mordant wieder. Und sie wird hineingerissen in den Strudel von Leidenschaft, Magie, Intrige und Mord dieser märchenhaften Parallelwelt jenseits der Spiegel. Und sie lernt Prinz Geraden kennen, einen Unglücksraben von einem jungen Mann – der ihr Schicksal werden soll. (Verlagsinfo)
Der Autor
Stephen R. Donaldson, geboren 1947 in Cleveland, Ohio, lebte im Alter von drei bis 16 in Indien, wo sein Vater, ein orthopädischer Chirurg, ausgiebig mit Leprakranken arbeitete. (Nachdem Stephen einen der Vorträge seines Vaters über Lepra gehört hatte, konzipierte er die Figur des Thomas Covenant als Protagonist für eine epische Fantasygeschichte.) 1968 machte Stephen seinen Abschluss am College of Wooster, Ohio, diente zwei Jahre als Zivildienstleistender (damals herrschte ja Krieg) in einem Krankenhaus in Akron, Ohio, besuchte danach die Kent State University, wo er 1971 seinen Magisterabschluss in Englisch machte (1974 wurden an der Kent U vier Studenten von Nixons Truppen erschossen.) Danach lebte er in Albuquerque, New Mexico.
1977 veröffentlichte Donaldson seine erste Fantasy-Trilogie, und mit „Mordants Not“ ließ er diesem ernsten Epos 1986/87 ein Scherzo folgen. Ab 1990 folgte mit dem fünfteiligen Amnion-Zyklus (siehe meine Berichte) ein umwerfendes Science-Fiction-Epos. Unter dem Pseudonym Reed Stephens veröffentlichte er eine Trilogie von Detektivromanen (1980, 1984, 1990).
Inzwischen hat Donaldson drei Trilogien um Thomas Covenant den Zweifler veröffentlicht.
MORDANTS NOT
1) Der Spiegel ihrer Träume (1988 und 2000)
2) Einer reitet durch (1989) bzw. Die Magier von Mordant (2000)
Handlung
Terisa Morgan ist ein „poor rich girl“, ein ungeliebtes Mauerblümchen, das sich mit Spiegeln umgibt, um Gewissheit über ihre Existenz zu erhalten. Eines Tages tritt Geraden aus diesen Spiegeln, ein junger, noch etwas tollpatschiger Bursche. Warum in ihrer Welt gelandet ist, weiß er auch nicht, denn er ist erst Adept der Spiegelmagie. Er bittet sie, ihm zu folgen, um sein Land Mordant in der Not beizustehen.
Impulsiv folgt Terisa ihm – alles ist besser als Einsamkeit. In der anderen Welt findet sie sich auf Schloss Orison wieder. Hier hat König Joyse vor Jahren in einem Kraftakt sein eigenes Reich gegen den Widerstand zweier anderer errichtet. Nun liegt Mordant in einer Pufferzone dazwischen und droht von ihnen überrannt zu werden. Leider scheint der König schwachsinnig geworden zu sein, denn er spielt den ganzen Tag ein Brettspiel. Die Spiegelmagier in Orison haben in den Vorzeichen gesehen, wie Geraden einen Kämpen aus den Spiegeln holte. Sollte etwa die schüchterne Terisa die versprochene Retterin sein?
Doch zunächst einmal muss sie sich in dieser neuen Welt zurechtfinden. Orison ist eine riesige Trutzburg, ein zweites Gormenghast, in deren Hallen, Geheimgängen und finstren Verliesen man sich verlaufen kann, wo Intrigen gesponnen und Leben verwirkt werden. Die Persönlichkeiten darin sind ebenfalls bemerkenswert. Da ist einmal der hässliche Schürzenjäger Eremis, der kurz angebundene, bärbeißige Kastellan Lebbick, der bereits erwähnte König, der noch verrücktere Großmagier, der naive Geraden und sein kampferprobter Bruder – nicht unbedingt die Vertrauen erweckendste Truppe, wie Terisa scheint. Sie muss wie ein Detektiv vorgehen, nicht wie ein kleines Mädchen – muss Beweise sammeln, bewerten, umdenken, neu bewerten. Freund oder Feind – wer weiß das schon genau? Nur auf Geraden scheint sie sich verlassen zu können, denn er benutzt sie nicht als Schachfigur im Intrigenspiel.
Mein Eindruck
In dieser Fantasy-Dilogie geht Donaldson neue Wege. Nach seinem sechsbändigen Riesenerfolg der zwei Covenant-Trilogien musste er sich etwas Neues einfallen lassen, meinte er wohl, und das kam bei den amerikanischen Lesern gut an. Die beiden Bände erschienen 1989 erstmals bei Heyne, der sie nun dankenswerterweise neu aufgelegt hat – wieder in der hervorragenden Übersetzung von Horst Pukallus.
Ist schon „Der Spiegel ihrer Träume“ enorm spannend zu verfolgen, so ist dringend die Lektüre der Fortsetzung anzuraten, „Die Magier von Mordant“ – ebenfalls ein Beinahe-1000-Seiter. Mit seiner logischen Struktur, seinen stimmungsvollen Schilderungen und seinen markanten Gestalten ist dieses Buch Fantasy erster Güte.
Es ist aber auch ein psychologisches Drama, das sich in erster Linie um Terisa und Geraden dreht und vor allem von der Sprache lebt. Die ausgezeichnete Übersetzung lässt die mittelalterlichen Burgbewohner ein altertümliches Deutsch sprechen, das in seiner Umständlichkeit zunächst nicht ohne Schwierigkeiten zu lesen ist, aber später umso herrlicher nachzuvollziehen ist. Krass hebt sich dagegen Terisas Umgangston ab, der im eigentlichen Sinn wortwörtlich fehl am Platze erscheint.
Der Autor vergibt:
Hinweis
Der Titel geht auf ein Titat aus dem Roman „Silverlock“ von John Myers Myers (dt. bei Bastei-Lübbe als „Die Insel Literaria“) zurück: „Gesenkt ins Leere ihrer Träume, bleibt ein Spiegel leer, bis drin ein Mann erscheint.“
Taschenbuch: 943 Seiten
Originaltitel: The mirror of her dreams, 1986
Aus dem Englischen von Horst Pukallus
ISBN-13: 9783453178779
www.heyne.de