_Schillers Zwilling_
„Kabale und Hiebe“, frei nach Lutz Stepponat … Der Spielautor hat sich von Schillers weltberühmtem Lustspiel inspirieren lassen, um ein Kartenspiel voller Intrigen und Hinterhalte zu kreieren, in dem es darum geht, als Fürst seinen Einfluss wirkend zu machen und möglichst große Macht zu erlangen. Mit Hilfe seiner Verbündeter versucht man, die gegnerischen Fürsten auszutricksen und zu hintergehen, um damit die bestimmende Figur in einem Spiel zu werden, dessen Regeln man selber vorzugeben versucht, gegebenenfalls auch mit nicht ganz so ehrbaren Methoden. Kurz gesagt: Hier gibt’s Hiebe statt Liebe!
_Spielmaterial_
• jeweils 25 Einflusskarten in sechs verschiedenen Farben
• 36 Zielkarten in insgesamt sechs verschiedenen Bereichen
Die Spielmittel von „Kabale und Hiebe“ gehören zu den schönsten ihrer Art. Es handelt sich zwar ausschließlich um Kartenmaterial, jedoch ist dieses prächtig aufgearbeitet und mit tollen, stimmungsvollen Illustrationen versehen worden, welche die Atmosphäre des Spielhintergrunds wirklich prima wiedergeben. Außerdem ist der Aufbau der Karten gut überschaubar, und das, obwohl jede einzelne Karte wieder unterschiedliche Inhalte und Möglichkeiten illustriert. Mit anderen Worten: echte Qualitätsarbeit.
_Vorbereitungen_
Vor jedem Spiel erhält jeder Spieler die Einflusskarten in der von ihm gewünschten Farbe. Diese mischt er noch einmal gut durch und legt sie dann verdeckt vor sich ab. Anschließend zieht er die obersten drei Karten und nimmt sie für den ersten Spielzug auf die Hand.
Abhängig von der Spielerzahl werden nun die Zielkarten gewählt. Nachdem man auch diese gut durchgemischt hat, zieht man für jeden beteiligten Spieler genau sechs Karten und legt sie ebenfalls verdeckt ab. Die übrigen Karten werden in dieser Partie nicht mehr gebraucht.
_Spielablauf_
Eine Partie „Kabale und Hiebe“ besteht aus insgesamt sechs Spielrunden, die individuell beendet werden, sobald die darin ausgelegten Zielkarten bzw. deren Aufgaben erfüllt sind. Wiederum entsprechend der Mitspielerzahl werden zu Beginn einer Runde Zielkarten aufgedeckt und nebeneinander ausgelegt. Auf diesen Karten sind unterschiedliche Symbole abgebildet und mit einer wertenden Ziffer versehen, zum Beispiel die Zahl 3 und daneben ein Maiskolben. Diese Symbole sind auch auf einigen der Einflusskarten abgebildet, und es gilt nun, entsprechend viele Symbole unter diese Zielkarten auszulegen. Im genannten Beispiel müssten nun also genau drei Karten mit Maissymbolen ausgelegt werden, um die Aufgabe zu erfüllen, es sei denn, durch irgendwelche speziellen Sonderkarten wurden die Auflagen geändert. Sobald schließlich alle Zielkarten erfüllt oder mit Hilfe von Einflusskarten erfolgreich umgangen worden sind, wird die Runde beendet und die Zielkarten werden verteilt.
Ein Spielzug sieht nun so aus, dass jeder Spieler im Uhrzeigersinn eine Karte aus der Kartenhand verdeckt unter eine der Zielkarten legt. Sollte sich bereits eine verdeckte Karte in der betreffenden Spalte befinden, wird diese nun aufgedeckt und, falls dies gegeben ist, die Sonderfähigkeit der Karte umgehend ausgespielt. Dies bedeutet, dass eine gerade ausgelegte Karte erst dann ihre Wirkung zeigt, wenn eine weitere Karte in dieselbe Spalte gelegt wird, sei es nun eine eigene oder eine gegnerische.
Anschließend nimmt man vom eigenen Nachziehstapel eine neue Einflusskarte auf die Hand und übergibt an den nächsten Spieler. Dies geschieht nun reihum, bis die Runde beendet ist. Man darf aber auch so lange weiter Karten unter eine Zielkarte legen, bis die Runde ganz zu Ende ist, und nicht nur, bis die Zielkarte erfüllt ist.
_Die Vergabe der Zielkarten_
Am Ende einer Runde werden die Zielkarten unter den Spielern aufgeteilt. Hierzu werden nun alle Karten und Sonderfunktionen in Betracht gezogen und gewertet. Auf jeder ausgelegten Einflusskarte ist ein Zahlenwert abgebildet, der für die Rundenwertung ausschlaggebend ist. In jeder Spalte werden nun die Werte jeder Farbe einzeln addiert und gegebenenfalls durch die Spezialkarten wieder modifiziert. Anschließend bekommt dann jeder Spieler, der in einer Spalte den höchsten Wert erzielt hat, die darüber befindliche Zielkarte ausgehändigt und legt sie verdeckt vor sich ab. Bei Gleichstand gewinnt der Spieler, der mit einer Karte am dichtesten an der Zielkarte liegt. Als Letztes wird dann die nächste Runde vorbereitet, das heißt, es werden wieder neue Zielkarten aufgedeckt und der Spieler, der regulär am Zuge ist, setzt das Spiel fort.
_Die Einflusskarten_
Insgesamt verfügt man über 25 verschiedene Einflusskarten mit ganz unterschiedlichen Verbündeten, die allesamt eine ganz eigene Funktion erfüllen. Man unterscheidet dabei zwischen drei Kategorien:
• Karten, die nur Zahlen haben
• Karten, die eine Aktion während der Runde auslösen
• Karten, die Einfluss auf die Vergabe der Zielkarten nehmen
In die erste Kategorie fallen mit dem König und der Königin die Karten mit dem höchsten Wert. Weiterhin ist hier auch Julia vertreten, die in Kombination mit Romeo ebenfalls eine gute Summe erzielt. Außerdem sind alle Karten mit den Symbolen der Zielkarten hier beheimatet: der Alchemist im Bereich der Alchemie, der Fechtmeister fürs Fechten, der Gutsherr für den Ackerbau, der Händler für den Handel, der Kardinal als Vertreter der Religion und der Minnesänger für die Musik. Ihr Wert beträgt regulär acht Punkte; sobald sie sich jedoch in der Spalte der Zielkarte mit dem gleichen Symbol befinden, steigt ihr Wert auf zwölf Punkte.
In Kategorie Numero zwo gehören all diejenigen Verbündeten, die innerhalb der Runde eine Aktion auslösen. Eine wichtige Funktion hat hier der Entdecker, der jedes Mal, wenn er wieder aufgedeckt wird, eine Spalte weiter nach rechts wandert, so dass man nie sagen kann, für welche Wertung er am Ende in Frage kommt. Der Meuchler hingegen ist ein echter Fiesling und verjagt die Karte, die ihn aufdeckt, auf den Ablagestapel. Eine Zielkarte gilt indes als erfüllt, wenn der Sturm aufgedeckt ist. Sollte man also bis hierhin bei einem wertvollen Symbol führend sein, lohnt es sich, diese Karte auszuspielen. Die Tarnkappe ermöglicht es einem, eine weitere Karte verdeckt darunter abzulegen und so dem Gegner ein Rätsel aufzugeben, wie hoch der tatsächliche Punktewert in der betreffenden Spalte ist. Der Verräter ermöglicht schließlich den Austausch einer Zielkarte und bietet seinem Fürsten die Gelegenheit, mit wenig Mühe eine gut dotierte Zielkarte zu ergattern.
Als Letztes gibt es dann noch Karten, die bei der Vergabe der Zielkarten am Ende einer Runde erst ihren Einfluss ausspielen. Besitzt man zum Beispiel das Musketier in einer Spalte, hebt man damit alle Sonderfähigkeiten der anderen Karten auf. Zauberer und Hexe hingegen entfernen bestimmte Karten aus einer Spalte, je nach ihrer Wertigkeit. Sehr effektiv sind schließlich Prinz und Knappe, sobald sie gebündelt auftreten. In diesem Fall haben sie unabhängig von der Punktesumme nämlich die Zielkarte gewonnen.
Weiterhin gibt es noch Karten, deren Wert von Runde zu Runde anders sein kann. Der Eremit zum Beispiel verliert für jede weitere Karte in der Spalte einen Punkt; der Wert des Riesen steigt im Gegensatz dazu um jeweils drei pro weiterer Karte. Der Doppelgänger kopiert den Wert der Karte, die ihn aufdeckt. Der Drache verringert den Wert aller Karten in der Spalte um zwei Punkte. Der Einsatz des Bettlers lohnt sich indes, wenn man einen schlechten Wert in einer Spalte hat; mit ihm gewinnt man nämlich, falls man die niedrigste Summe hat. Bleibt noch Romeo, der nur in Kombination mit der geliebten Julia eine große Punktzahl erreicht.
_Spielende_
Nachdem alle Zielkarten ausgespielt sind, also nach exakt sechs Runden, endet das Spiel. Jetzt werden die Punkte auf den Zielkarten miteinander addiert, um die ausschlaggebende Summe für die Schlusswertung zu errechnen. Hierbei gilt jedoch auch die Regel, dass man seine Punkte verdoppeln kann, sobald man von jedem der sechs Zielkartenbereiche eine Karte besitzt. Wenn man aber mehr Karten als diese sechs erspielt hat, subtrahiert man für jede weitere Karte wieder den Wert eins. Ergo ist es sinnvoll, in den sechs Runden zu versuchen, seinen Einfluss in allen Bereichen genau einmal, und möglichst mit lukrativen Punktzahlen, geltend zu machen. Der Spieler mit der höchsten Endsumme gewinnt das Spiel.
_Meine Meinung_
Manchmal entwickelt sich ein Spiel erst nach langer, geduldiger Zerreißprobe. „Kabale und Hiebe“ ist hierfür ein sehr gutes Beispiel. Während der Spielfluss in den ersten Partien, besonders bei mehreren Spielern (wir spielten anfangs zu fünft), merklich stockte und es teilweise ewig lange dauerte, bis dann endlich mal eine der sechs Runden gespielt war, wurde das Ganze von Spiel zu Spiel lockerer, was unter anderem damit zusammenhängt, dass man sich nach einiger Zeit mit allen Einflusskarten und ihren Funktionen vertraut gemacht hat. In der ersten Partie ist es indes so, dass man erst einmal gar nicht so recht weiß, wann man welche Karte am besten wo anlegt, und das Spiel zur Probierrunde wird. Aber so viel Zeit muss man dem Spiel einfach gestatten. Ist der Fluss nämlich einmal aufgenommen, und hat man einmal die vielen verschiedenen Kniffe, die sich durch den Einsatz der unterschiedlichen Verbündeten ergeben, verinnerlicht, entwickelt sich „Kabale und Hiebe“ zu einer ungeahnt vielseitigen Strategieschlacht, die einen anfangs kaum erwarteten langfristigen Spielspaß garantiert. Es mag sich sicherlich merkwürdig anhören, aber ich hatte das Spiel nach den ersten beiden Abenden, an denen es auf den Tisch gekommen war, eigentlich schon abgeschrieben, es dann aber noch einmal guten Willens hervorgeholt und war plötzlich völlig begeistert vom spannenden Taktieren um die Zielkarten.
Zwei Kritikpunkte sind aber dennoch geblieben: Zum einen ist es schon so, dass „Kabale und Hiebe“ erst ab mindestens vier Spielern so richtig interessant wird. Erst dann ist gewährleistet bzw. sehr wahrscheinlich, dass auch in jedem Einflussbereich Zielkarten im Spiel sind und so die Möglichkeit besteht, am Ende seine Punkte zu verdoppeln. Erst dann ergeben sich nämlich auch die verschiedenen Strategien (entweder einfach nur nach den besten Zielkarten streben oder doch zu versuchen, über die verschiedenen Spielrunden in allen Bereichen erfolgreich zu sein) und machen das Spiel bis zum Schluss spannend – zumal man auch leicht wieder vergisst, welche Zielkarten die Kontrahenten sich mittels gemeiner Intrigen bisher erspielt und verdeckt vor sich abgelegt haben.
Auch die zweite Kritik betrifft die Zielkarten. Wir hatten gleich mehrfach den Fall, dass alle aufgedeckten Zielkarten in einer Runde das gleiche Symbol zeigen. So war es unmöglich, die Aufgaben regulär zu erfüllen, und die Runde konnte meist nur mithilfe der Sturmkarten beendet werden. In diesem Fall kann das Spiel tatsächlich sehr langatmig werden.
Lässt man diese Spezialfälle aber mal ganz außer Acht, bringt „Kabale und Hiebe“ nach längerer Eingewöhnungszeit dann doch noch eine Menge Spaß – auch langfristig, denn von Runde zu Runde ändert sich das Spielgeschehen wieder durch den Einsatz und die Kombination unterschiedlicher (gegnerischer wie eigener) Einflusskarten. Ich bin richtig froh, dass ich mich von der anfänglichen Skepsis nicht habe täuschen lassen und dem Spiel noch einmal die letztendlich auch verdiente Chance gegeben habe. Sieht man nämlich mal von den geringen Mängeln ab, ist dieses herrlich illustrierte Kartenspiel ein wirklich empfehlenswertes strategisches Familienspiel und reiht sich damit nahtlos in das diesbezüglich gut besetzte Programm von |Hans im Glück| ein.
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