Paul Stewart, Chris Riddell – Rook und Twig, der letzte Himmelspirat (Die Klippenland-Chroniken V)

Buch I: Twig im Dunkelwald
Buch II: Twig bei den Himmelspiraten
Buch III: Twig im Auge des Sturms
Buch IV: Twig – Fluch über Sanktaphrax

Neue Helden braucht das Land, diese alte Weisheit gilt wohl auch für das sagenumwobene Sanktaphrax, die Heimat der Himmelspiraten, durch die einst der beliebte Twig reiste. Mit dem fünften Teil der „Klippenland-Chroniken“ ist es dann auch schließlich so weit: Ein neuer Hauptcharakter wird eingeführt, nämlich der junge Rook, der zu den Ausgesandten gehört, die Sanktaphrax vor dem erneut drohenden Untergang bewahren sollen. Doch die Trennung von Twig als zentraler Figur kann natürlich nur funktionieren, wenn dieser auch in „Rook und Twig, der letzte Himmelspirat“ einen wichtigen und letztendlich entscheidenden Gastauftritt hat.

Story

Ein halbes Jahrhundert ist ins Land gezogen, seit Twig die Kette von Sanktaphrax durchtrennte, und dennoch hat sich innerhalb der ehemals fliegenden Stadt kaum etwas verändert. Weiterhin werden Ränke und Intrigen gesponnen, die das Leben der in Neu-Sanktaphrax umgetauften Stadt nicht dringend zum Zuckerschlecken machen.

Als eines Tages eine seltsame Steinkrankheit alle fliegenden Felsen befallen hat, ist dies für die Wächter der Nacht genau der richtige Zeitpunkt, um die Herrschaft über den Mittelpunkt des Klippenlandes zu ergreifen. Schließlich können die Himmelsschiffe aufgrund der Epidemie nicht mehr fliegen, so dass man den Eindringlingen nichts entgegenzusetzen hat.

Die Akademiker der Stadt haben die Hoffnung aber nicht aufgegeben. Gemeinsam wählen sie einige auserlesene Bewohner aus, die auf einer Reise in den Dunkelwald mehr über die rätselhafte Krankheit in Erfahrung bringen sollen. Unter ihnen befindet sich auch der überraschte Rook Barkwater, der nie und nimmer mit einer Aufstellung in der geheimen Expedition gerechnet hätte, auch wenn er die See-Akademie mit Bravour gemeistert hat.

Auf seiner Reise verfolgt Rook in erster Linie die Spur der Banderbären, die ihn letztendlich auch in den Dunkelwald führt. Dort erlebt er eine weitere Überraschung: Niemand Geringerer als der berühmte und gleichzeitig letzte Himmelspirat Twig hat sich hier niedergelassen, ist aber sofort Feuer und Flamme, als er hört, welche Gefahr Neu-Sanktaphrax droht. Mit vereinten Kräften reparieren sie den Raupenvogel und machen sich mit den Banderbären daran, das Klippenland von den Wächtern der Nacht zu befreien …

Meine Meinung

Ich muss zugeben, dass mich die Neubesetzung der Hauptrolle recht skeptisch gemacht hat, schließlich war Twig in den bisherigen vier Abenteuern eine echte Identifikationsfigur, deren lebenslustige Ausstrahlung einem immer sehr sympathisch war. Daher stellte sich für mich vordergründig die Frage, ob es überhaupt nötig war, die „Klippenland-Chroniken“ weiter fortzusetzen, denn die Gefahr, den guten Ruf der Reihe ein wenig zu ramponieren, war nicht gerade gering. Dass „Rook und Twig, der letzte Himmelspirat“ eine nochmalige Steigerung der gesamten Serie geworden ist, hat mich dann aber verblüfft!

Sicher ist die erneute Beteiligung Twigs zwingend erforderlich gewesen, um den Zusammenhang zwischen den einzelnen Epochen herzustellen, und daher hat es Rook anfangs auch gar nicht so leicht, als Held akzeptiert zu werden. Außerdem sind die Ähnlichkeiten zu Twig so stark, dass man sich bisweilen fragt, warum eine neue Hauptfigur erforderlich war. Rook ist ebenfalls ein sehr schüchterner Charakter, fast schon ein Anti-Held, der schließlich mit seiner zurückhaltenden Art auf gleiche Weise Punkte sammelt wie der junge Twig im ersten Teil.

Die Abenteuer, die Rook in Episode V erlebt, sind indes nicht weniger spannend als Twis Reisen durchs Klippenland. Im Gegenteil; in keiner vorherigen Folge wurde die Bedrohung für die Bewohner von Sanktaphrax derart dramatisch dargestellt, und nie zuvor war die Lage so ernst wie hier. Natürlich hat man schon vorab eine ungefähre Vorstellung vom Verlauf, aber in diesem Fall ist die Spannung wirklich bis zur letzten Minute am Siedepunkt. Klar, zunächst einmal wartet man auf das angekündigte Zusammentreffen der beiden Generationen und die Zusammenarbeit von Twig und Rook. Die Geschichte ist bis zu einem gewissen Teil vorbestimmt, und dennoch gelingt es Paul Stewart, der Geschichte immerfort neue Elemente beizufügen, die auch die vorangeschickte Reise von Rook und seinen beiden Wissenschaftler-Kollegen zu einem echten Erlebnis machen.

Als Twig mit den Banderbären und seinem neuen Gefährten dann jedoch sein altes Himmelsschiff wieder neu belebt, setzt der Autor den Glanzpunkt der geamten bisherigen Geschichte. Im Doppelpack sind die Hauptdarsteller unschlagbar, zudem furchtbar wortgewandt und trotzdem nicht minder sympathisch.

Alles in allem ist die neue Teilepisode aber dennoch sehr stark in den vergangenen Geschehnissen im Klippenland verwurzelt. Vorherige Rätsels, zum Beispiel der Verbleib des Raupenvogels, werden aufgedeckt, und vergessen geglaubte Kreaturen tauchen wieder auf. Hinzu kommt, dass man sich im Schauplatz der Erzählung sofort wieder zurechtfindet, denn auch wenn sich einzelne Rahmenbedingungen wie die Trennung der Kette von Sanktaphrax gewandelt haben, hat sich in der eigentlichen Heimatwelt von Twig kaum etwas verändert. Eigenheiten wurden beibehalten, Figuren übernommen, Charaktereigenschaften bedeutend weiterentwickelt. Mit einem Satz: „Rook und Twig, der letzte Himmelspirat“ ist das wohl Beste, was Paul Stewart aus der zuletzt ein wenig in die Enge geratenen Handlung herausholen konnte und vielleicht noch ein bisschen mehr. Hatte man bei „Fluch über Sanktaphrax“ noch so manches Mal den Eindruck, im Klippenland sei alles gesagt, wird dieser Gedanke nun mit einem Mal wieder verworfen und gegen die Begeisterung und die neu gewonnene Euphorie, die der fünfte Part atmet, eingetauscht.

Fans der Serie brauchen sich also keine Sorgen zu machen, denn diese Geschichte ist das bisherige Optimum einer wunderschönmen Märchen/Fantasy-Reihe!

Zu Sprecher Volker Niederfahrenhorst möchte ich abschließend übrigens nicht mehr viele Worte verlieren. Der Mann ist schlicht und einfach ein Meister seines Faches, das habe ich jetzt auch schon oft genug geschrieben, und genau das stellt er hier wieder sehr eindrucksvoll unter Beweis!

Fazit: Blendend! „Rook und Twig, der letzte Himmelspirat“ ist mein persönlicher Favorit aus dieser wunderschönen Serie und für Fans von Twig und Co. eine echte Pflichtveranstaltung. Doch auch Neueinsteiger finden hier einen guten Einstieg in die Welt des Klippenlands und werden unter Garantie eine Menge Freude an den Abenteuern dieses neu gegründeten Zweigespanns haben.

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