Stewart, Sean – Schwarze Dolch, Der

„Der Schwarze Dolch“ ist nicht nur der zweite Roman Sean Stewarts, der bei |Piper| erscheint, sondern auch eine Neuauflage des beim |Argument|-Verlag erschienenen gleichnamigen Romans. Anders als in seinem ersten Buch „Hexensturm“ entführt uns Sean Stewart nicht in den amerikanischen Süden , sondern in ein phantastisches Land ohne irdische Wurzeln, auch wenn Kultur und Beschreibungen das hochmittelalterliche England eines Robin Hood oder Richard Löwenherz wieder aufleben lassen.

Schützer Mark ist ein junger Bauernbursche, der von großen Heldentaten, Ruhm und einem Titel träumt. Er, der Vaterlose, möchte nicht als Bauer, Handwerker oder Knecht in seinem Heimatdorf bleiben. Aber erst nach dem Tod seiner Mutter scheint die richtige Zeit für den Aufbruch gekommen zu sein. Mark zieht mit einem Schwert und wenigen anderen Habseligkeiten aus in den nahen Gespensterwald, in den schon viele tapfere Männer gegangen, aber nicht wieder zurückgekommen sind. Er will wie die Helden der alten Legenden sein Leben einsetzen, um den Fluch der Roten Festung zu lösen.
Tatsächlich gelingt es ihm mehr durch Glück als Verstand, das viele Jahrhunderte alte Geheimnis aufzulösen und den Fluch zu brechen.
Mit Beweisen für diese Tat kommt er zum Schloss des Königs, um seinen Lohn zu empfangen. Nachdem dieser ihn angehört hat, ist er bereit, die Wünsche des jungen Helden zu erfüllen. Er gibt ihm Ländereien, Titel und die Hand seiner jüngsten Tochter.
Doch da fangen erst Marks wirkliche Abenteuer an.
Er muss erkennen, dass der Adel sich ganz anders benimmt, als er bisher geglaubt hat, und es gar nicht so einfach ist, mit den ungeschriebenen Regeln des Hofes zurechtzukommen, und sich nicht in einem tödliches Netz von Intrigen zu verstricken. Nur wenige meinen es so ehrlich mit ihm wie der junge Adlige Valerian, der ihm die wichtigsten Regeln des Lebens am Hofe beibringt und schließlich sein bester Freund wird.
Auch die auserwählte Braut scheint eine gute Wahl zu sein, denn Prinzessin Gail kann mit den Hofintrigen auch nicht viel anfangen und eckt durch ihren offenen, direkten Charakter oft an. Dennoch legt sie Mark einige Hürden in den Weg, denn sie hat ihre eigenen Pläne und Ziele.
Und auch Marks Tat scheint nicht ohne Folgen geblieben zu sein. Zwar hat er den Fluch der Festung gebrochen, aber damit auch alte Geister freigesetzt, die nun mordend durch das Land ziehen. Der junge Held ahnt nicht, dass, um sie zu besiegen, er sich in erster Linie seinen eigenen Schatten stellen muss.

Wie schon in „Hexensturm“ stehen auch in „Der Schwarze Dolch“ nicht die Handlung sondern die Charaktere im Vordergrund. Sean Stewart benutzt die klassische Geschichte eines jungen Helden, der einen Fluch bricht und damit Titel, Land und eine Prinzessin zur Frau gewinnt, nur als Hintergrund für die Entwicklung seiner Personen. Mark ist nicht der typische und naive Jüngling, sondern ein bereits von eigenen Sorgen gezeichneter junger Mann, der sehr schnell merkt, dass Ruhm und Ehre nicht unbedingt glücklich machen und vor allem ganz neue Probleme aufwerfen, vor denen er am liebsten davonlaufen möchte. Letztendlich lernt er aber nach und nach eine Sorge nach der anderen zu lösen und wächst in seine neue Stellung hinein.
Spannung und Action bezieht der Roman überwiegend aus seiner persönlichen Weiterentwicklung und durch die Beziehungen zu den anderen Menschen, nicht zuletzt aber auch durch das dezent dargestellte magisch-mythische Geheimnis, das sich dem Helden und dem Leser erst nach und nach enthüllt. Der Roman mag einiges an Geduld fordern, weil er nicht immer leicht zu lesen ist, aber Sean Stewart beweist, dass man auch mit Archetypen und klassischen Motiven spielen kann, ohne die breit ausgetretenen Pfade üblicher High-Fantasy-Werke zu beschreiten, die sich an alten Sagen oder Klassikern des Genres orientieren. Sean Stewart beweist, dass es auch Fantasy gibt, die spannend und überraschend ist, obwohl sie ohne wilde Schlachten oder aufgeblasene Mystik mit bizarren Wesen vor exotischer Kulisse auskommt.

_Christel Scheja_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|