Stoker, Bram / Gruppe, Marc – Amulett der Mumie, Das (Gruselkabinett 2)

_Mystisch: Das Juwel der sieben Sterne_

London 1904: Abel Trelawny fällt in seinem mit Pharaonenschätzen bestückten Haus in ein mysteriöses Koma. Seine Tochter Margaret und sein junger Anwalt sind ratlos. Eigenartigerweise hat Trelawny offenbar mit einem solchen Vorfall gerechnet und entsprechende Verfügungen hinterlassen.

Es scheint ein unheimlicher Zusammenhang mit Tera, einer magiekundigen Pharaonin, zu bestehen. Teras Mumien-Sarkophag hatte Trelawny just in dem Augenblick entdeckt, als seine Frau während der Geburt Margarets in London starb …

_Der Autor_

Bram Stoker ist der Künstlername des irischen Schriftstellers und Theatermanagers Abraham Stoker (1847-1912), dessen wichtigste Karriere mit der des damals berühmten Theaterschauspielers Henry Irving verbunden war, der von 1838 bis 1905 lebte. Stoker begann schon 1872 mit dem Veröffentlichen seiner Erzählungen, was 1897 in der Publikation des Horrorklassikers „Dracula“ gipfelte, der aber 1901 kräftig revidiert wurde. Stoker schrieb noch ein paar weitere unheimliche Romane („The Lair of the White Worm“ wurde erst 1986 vollständig veröffentlicht und prompt verfilmt) und etliche Erzählungen.

|Bram Stoker bei Buchwurm.info|:

[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16 – 19)
[„Das Schloss der Schlange“ 2987
[„Draculas Gast“ 1086
[„Dracula“ 622 (Hörspiel 2004)
[„Dracula“ 210 (Buch)

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

Die Rollen und ihre Sprecher:

Malcom Ross, Anwalt: Herbert Schäfer
Abel Trelawny, Archäologe: Christian Rode (Christopher Plummer, Michael Caine, Telly „Kojak“ Savalas)
Margaret, seine Tochter: Janina Sachau (Max-Ophüls-Preisträgerin)
Mrs. Grant, seine Haushälterin: Dagmar von Kurmin
Dr. Eugene Corbeck, Archäologe: Jürg Löw
Dr. Winchester: Lothar Didjurgis
Sgt. Daw: Jens Hajek
Schwester Kennedy: Regina Lemnitz (dt. Stimme von Kathy Bates & Whoopi Goldberg)

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand im Studio AudioCue, Rotor Musikproduktion, Scenario Studio und bei Kazuya statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Der Archäologe Abel Trelawney hat sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und möchte nicht mehr gestört werden, denn ein wichtiger Zeitpunkt nähert sich. Auch das Katzenvieh seiner Tochter Margaret darf sein Heiligtum auf keinen Fall betreten, das mit allen möglichen Raritäten aus dem alten Ägypten vollgestopft ist. Im Zentrum steht der riesige Sarkophag der Königin Tera, inklusive ihrer Mumie. Daneben ist der kleinere Sarkophag eines Tieres aufgestellt, das Tera vielleicht als Schutzgeist im Jenseits betrachtet hat, als sie sich bestatten ließ.

Sobald die Haushälterin Mrs. Grant den Raum verlassen hat, steigt ein merkwürdiger Geruch aus dem Sarkophag auf und eine Stimme ruft Trelawney zu, ihr endlich das Amulett zu geben, damit sie wiederauferstehen kann. „Vollziehe das Ritual“, befiehlt die Stimme. Dann ertönt ein Fauchen, ein Klirren – schließlich Stille …

Der Anwalt Malcolm Ross öffnet morgens um drei Uhr verschlafen seine Wohnungstür, denn das Klopfen will einfach nicht aufhören. Mrs. Grant, die er gut kennt, gibt ihm einen Brief von Margaret Trelawney: Es ist ein Hilferuf! Ross eilt sofort zum Haus des Archäologen, denn für Margaret hat er sehr viel übrig, um nicht zu sagen: Liebe. Margaret ist froh über sein Kommen und duzt ihn verstohlen ebenfalls. Offenbar erwidert sie seine Zuneigung.

Mr. Trelawney liegt in einem Koma, und der herbeigerufene Arzt Dr. Winchester ist sehr besorgt. Diese Kratzspuren am Handgelenk des Patienten hätten zum Verbluten führen können. Daran ist ein Armband befestigt, an dem wiederum ein Schlüssel hängt. Und wie kam es, dass der schwere Körper vom Schreibtisch zum Tresor an der Wand geschleift werden konnte, zu dem der Schlüssel passt? Sergeant Daw von Scotland Daw steht ebenfalls vor einem Rätsel. Die präsentierten Lösungsansätze erscheinen allesamt absurd. Da bringt Mrs. Grant einen Brief Trelawneys, welcher genaue und strenge Anweisungen enthält. Man müsse seinen Körper streng bewachen.

Malcom Ross erklärt sich natürlich gerne bereit, die erste Nachtwache neben dem Patienten zu verbringen und hofft auf Margarets charmante Gesellschaft. Seine Hoffnung wird enttäuscht, als eine Krankenschwester ihren Platz einnimmt, damit die junge Frau schlafen kann. Die Nacht vergeht ereignislos, bis auf die Tatsache, dass die Krankenschwester ebenfalls ins Koma fällt und Ross nur durch die Tatsache vor dem gleichen Schicksal gerettet wird, dass er sich ein Sauerstoffgerät gekauft hat, um wachzubleiben. Margaret ist außer sich: Nennt man das vielleicht aufpassen?! Trelawney wurde ein zweites Mal verwundet und zum Tresor geschleppt. Was mag darin verborgen sein?

Daw, Winchester und Ross wird die Sache allmählich unheimlich. Und ihnen scheint, es gebe nur einen Mensch, der Gelegenheit hatte, die Tat erneut zu begehen: Margaret. Sie wohnt erst seit kurzem im Haus, seit sie das Internat verlassen hat. Ihre Mutter starb bei ihrer Geburt, just als ihr Vater gerade in Ägypten das Grab der Königin Tera entdeckte. Als ob sie ahnte, dass man über sie spricht, tritt die Genannte auch schon ein. Hat sie einen sechsten Sinn entwickelt? Und was haben die Trancezustände zu bedeuten, in die sie immer häufiger verfällt?

Den Schlüssel zum Rätsel scheint endlich die Ankunft von Dr. Eugene Corbeck zu liefern. Er ist sehr aufgeregt, denn ihm wurde etwas Wertvolles gestohlen, das Trelawney unbedingt zum 31. Juli – also heute – haben wollte. Als er den komatösen Kollegen sieht, ist Corbeck erschüttert und beginnt zu erzählen. Daw will wissen, was ihm geraubt wurde. Es waren sieben Leuchten aus dem Grab Teras, und Trelawney braucht sie für das Ritual, mit dem er Tera wieder zum Leben erwecken will. Seine Zuhörer sind nicht nur befremdet, sondern erschüttert. Eine Mumie zum Leben erwecken – geht das überhaupt?

Und ob, antwortet Corbeck, denn Tera war keine gewöhnliche Pharaonin. Weil ihr Vater fürchtete, sie werden einem Putsch der Priester zum Opfer fallen, ließ er sie in schwarzer Magie ausbilden, in der sie sich als Meisterin erwies. Und die Art und Weise, wie sie ihren Tod herbeiführte, lässt durchaus die Hoffnung zu, dass sie mit Hilfe des korrekt ausgeführten Rituals zum Leben erwacht. Allerdings war Tera von den Priestern mit einem Fluch belegt worden. Sie nannten sie „die Namenlose“ …

Da tritt Mrs. Grant ein. Sie hat sieben Leuchten gefunden! Und die Krankenschwester meldet, Trelawny sei wie durch ein Wunder erwacht. Nun kann das Ritual wie geplant stattfinden. Die Frage ist nur: In welcher Gestalt wird die Königin wiederauferstehen? Und wie wird sich der Fluch auswirken, der auf ihr liegt und schon mehrere Opfer gefordert hat?

_Mein Eindruck_

Das alte Ägypten ist seit den Filmen um „Die Mumie“ – das Remake eines Klassikers der Dreißigerjahre – wieder sehr beliebt geworden, und der ägyptischen Altertümerverwaltung unter Dr. Hawass ist die neu erwachte Begeisterung für Pharaonen und Pyramiden sicher nicht unrecht, spült sie doch Scharen von zahlungskräftigen Touristen ins Land, die helfen, ihre Kassen zu füllen.

Dass der Kern der altägyptischen Religion nicht nur mit Jenseitsverehrung, sondern auch mit Magie zu tun haben könnte, ist jedoch wohl eine Erfindung westlicher Schriftsteller. Sie schreiben vom „Fluch des Pharao“, der Howard Carter und seine nächste Umgebung heimgesucht habe, zur Strafe dafür, dass er das Grab Pharao Tutenchamuns entdeckt und geplündert habe.

Bram Stoker, der Schöpfer des Grafen Dracula, suchte natürlich für seine Erzählungen weitere fruchtbare Felder, die er beackern konnte, und stieß mit dem alten Ägypten auf eine sprudelnde Quelle. Auch wenn seine Story meines Wissens noch nicht verfilmt worden ist, so hält die Figur der Tera eine Fülle von faszinierenden Archetypen bereit: Die mächtige, junge und schöne Frau ist quasi untot und sucht – wie der Gott Osiris – die Auferstehung. Ihre Magie wirkt über die Jahrhunderte hinweg auf das Leben eines Mannes ein, der sich zu ihrem Diener erklärt: Abel Trelawny.

In diesem mystischen Kontext ist die Idee nicht absurd, dass es zu einer Art Seelenwanderung gekommen sein könnte. Madame Blavatsky von der Theosophischen Gesellschaft, die mit ihrem Mystizismus den Geister- und Elfenglauben der Viktorianer förderte, hätte sich jedenfalls sehr über Stokers Idee gefreut. Stoker veröffentlichte die Erzählung „The Jewel of Seven Stars“ anno 1907, ein paar Jahre nach seinem fulminanten Erfolg mit „Dracula“.

Die Seelenwanderung ist deshalb wichtig, weil zwei Elemente zusammenkommen müssen, damit die mumifizierte, in Trelawnys Sarkophag liegende Königin zum Leben erwachen kann. Erstens muss das Ritual korrekt ausgeführt werden, wobei das titelgebende Siebengestirn eine wesentliche Rolle spielt. Und zweitens muss das Amulett auf die Mumie gelegt werden, das als Schlüssel und Kompass für die Seele Teras dient. Diese Seele kehrt also von den Sternen zurück. Doch in welcher Gestalt soll sie sich materialisieren, wenn doch der Körper der Königin danach sofort zu Staub zerfallen würde? Mehr darf nicht verraten werden.

Das Hörspiel ist mit seinen Rückblenden dramaturgisch recht geschickt aufgebaut. Ich liebe gerade die klassische Entdeckerszene, als Corbeck und Trelawny Teras Gruft betreten – das könnte direkt aus einem Indiana-Jones-Film stammen. Natürlich mangelt es auch nicht an Geheimtüren und tödlichen Fallen. Während Trelawny beschließt, den Willen der Magierkönigin zu vollstrecken, liest Corbeck die Geschichte von Teras schrecklichem Schicksal vor. Wir wissen gleich, dass das Verhängnis naht – und vielleicht sogar schon zugeschlagen hat. Denn Mrs. Trelawny starb nicht zufällig im Kindbett …

Das Hörspiel steigert die Spannung zu einem Finale, das sich in puncto Action nicht zu verstecken braucht. Man muss es vielleicht mehrmals hören, um alles mitzubekommen, was dabei vorgeht. Ein langer qualvoller Schrei ist zu hören, doch von wem stammt er?

|Die Sprecher / Die Inszenierung|

Diesmal hat mir besonders Janina Sachau als Margaret gefallen. Sie muss nämlich sehr wandlungsfähig sein. Zunächst erscheint Margaret als unschuldige junge Frau, die kein Wässerchen trüben könnte, weshalb Ross sie ja liebt. Doch warum lauscht sie an Türen und klagt ihn lautstark an, er habe seine Pflicht vernachlässigt? Außerdem verfällt sie in rätselhafte Trancen, in denen sie – mit verzerrter Stimme – Sätze über Dinge äußert, von denen die bewusste Margaret keine Ahnung haben dürfte. Die Margaret, die wir im Epilog kennen lernen, hat nur noch wenig mit jener im Prolog gemein. Sie ist selbstsicher und scheint sogar zu wissen, was die Zukunft bringt.

Sachau wird von einer Riege erprobter Bühnenschauspieler flankiert, die das Drama zum Leben zu erwecken wissen. Wie so häufig in |Titania|-Hörspielen sind Christian Rode, Dagmar von Kurmin, Lothar Didjurgis (der Inspektor in „Das indische Tuch“) und Regina Lemnitz mit von der Partie. Lemnitz ist uns als Stimmbandvertretung von Kathy Bates bestens vertraut.

|Geräusche und Musik|

Die Musik ist wie fast jede andere Filmmusik nach konventionellem Muster gestaltet, und niemand, der auf alte Dracula-Filme steht, wird sich daran stören. Die Musik lenkt die Emotionen auf wirkungsvolle Weise, aber von Subtilität kann diesmal leider keine Rede sein. Nach dem Prolog, der dem armen Trelawny fast das Leben kostet, dröhnt das klassische Orchester gar bombastisch aus den Lautsprecherboxen.

Vielleicht lag es ja daran, dass ich diesmal lauter als sonst aufgedreht hatte, aber dieser Bombast war einfach zu viel. Auch die Übergänge zu den beiden Rückblenden sind durch Musik begleitet, die von Posaunen dominiert wird. Chöre werden eingesetzt und in der Gruftszene sogar eine Solosängerin. Man hat offenkundig keine Kosten und Mühen gescheut, aber das Ergebnis ist einfach zu viel des Guten.

Recht interessant ist diesmal der Einsatz von Filtern, um die Stimmen zu verzerren. Meist betrifft dies die Sprecherinnen, vor allem die Figur der Margaret. Verfällt sie in Trance, wird ihre Stimme undeutlicher und mit Hall unterlegt, so dass ihre Worte einen mystischen Beiklang erhalten. Die Stimme Teras klingt ähnlich, aber noch einen Tick geisterhafter. Recht witzig fand ich die „Katzenviecher“, von denen es möglicherweise zwei gibt: Silvio, Margarets Kater, und die Katze, die Tera aus der Vergangenheit mitgebracht hat … Da wird gehörig gefaucht und geschnurrt.

_Unterm Strich_

Auch dieses Hörspiel aus der renommierten und preisgekrönten „Gruselkabinett“-Reihe kann mit einer relativ spannenden Storyline aufwarten. Interessanter ist aber wohl noch die altägyptischen Szene, die jeden an den ersten Indiana-Jones-Film erinnern dürfte. Natürlich ist das Beschwörungsritual, das Trelawny ausführen soll, eine Inspiration für die entsprechenden Szenen in „Die Mumie 1 und 2“ gewesen, und Zauberlehrling Harry Schotter hat sicher auch seinen Teil davon abbekommen.

Allerdings gibt es ein Konzept hinter der Handlung, das uns nicht ohne weiteres geläufig ist: die Seelenwanderung eines Astralleibes. Dies ist die Bedingung, damit sowohl das Überdauern als auch die Wiederauferstehung der ollen Pharaonenhexe funktionieren können. Für den Archäologen Trelawny scheint dieses ungewohnte Konzept jedoch täglich Brot zu sein – vielleicht weil er mit den altägyptischen Göttern per Du ist und das Totenbuch in- und auswendig kennt. Für mich trifft das jedenfalls nicht zu. Und deshalb brauchte ich auch wenig Zeit, um zu kapieren, was Trelawny und Corbeck im Einzelnen genau vorhaben. Die Ergebnisse des Rituals erschienen mir deshalb umso erstaunlicher.

Diesmal gebührt die Palme für die herausragende Sprechrolle Janina Sachau, denn sie muss ihre Margaret auf vielfältige und nicht leicht zu durchschauende Weise darstellen. Schade, dass ihre gute Performance von der Bombast-Musik derart überdeckt wird, dass man sich nur mit Mühe an sie erinnert. Weniger wäre diesmal mehr gewesen.

|78 Minuten auf 1 CD|

Home – Atmosphärische Hörspiele


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_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

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