Nick Stone – Der Totenmeister

Wenn wir den Begriff Voodoo hören, so interpretieren wir immer schwarze Magie und Zombies, die seelen- und willenlos als Diener, Sklave jemandem dienen. Als Symbol fungiert oftmals eine sogenannte Voodoo-Puppe, die das Opfer darstellen soll und die durch dunkle Magie verhext, bzw. verflucht ist. Hier werden oftmals Fakten mit Fiktion kombiniert. Voodoo gibt es wirklich und es ist eine anerkannte Religion, die auf Haiti, in Afrika und auch in südlichen Teilen der USA aktiv praktiziert wird.

Durch die Sklaverei kam dieser Glauben, der auch für viele Magie beinhaltet – schwarze wie auch weiße, auf die westindischen Inseln. Voodoo ist aber keine „böse“ Religion, oder ein fanatischer Irrglaube, Voodoo beschäftigt sich auch viel mit Medizin, Trance und alternativen, natürlichen Heilverfahren. Inzwischen hat sich der Voodoo-Glauben in vielen Regionen mit den Glaubenslehren des Islams vermischt. Oftmals besonders in afrikanischen Staaten wird der christliche Glaube neben dem Voodoo-Kult praktiziert, und viele Menschen glauben dort an Gott genauso wie an ihre traditionellen Geister des Voodoos.

Wie auch bei anderen Religionen gibt es Priester und auch Priesterinnen, die Menschen verhexen, bzw. durch schwarze Magie und Rituale erschrecken und manipulieren können. Hier gibt es durch die Medien viele Übertreibungen, doch genauso sicher ist es, dass hier ein auch wahrer Kern existiert. Natürlich gibt es pflanzliche Stoffe, die behandelt oder kombiniert verschiedene Reaktionen im menschlichen Körper hervorrufen können: Z. B. Besessenheit, Trance, Hypnose, Suggestion.

Als Europäer kennen wir sicherlich ähnliche Religionen, die sich an Geister oder überhaupt eher an Kulten orientieren, doch diese ist uns gänzlich sehr fremd. Voodoo gehört in die Kategorie der „Naturreligionen“. Alleine schon dadurch tun wir uns aus Erziehungsgründen schwer, damit umzugehen oder an etwas zu glauben, das auf den ersten Blick nicht erklärbar oder nicht zu sehen ist.

Der englische Autor Nick Stone hat schon in seinem ersten Roman „Voodoo“, erschienen 2007 im Goldmann Verlag, diesen Kult thematisiert. Nun ist im Goldmann-Verlag „Der Totenmeister“ veröffentlicht worden, in dem auch Max Mingus wieder die Hauptrolle spielt.

_Inhalt_

Miami, die sonnige Stadt im Herzen Floridas im Jahre 1980. Ronald Reagan ist der 40. Präsident der Vereinigten Staaten. Miami, einstmals für viele Rentner und Geschäftsleute das Erholungsparadies, ist zu einer gefährlichen, kriminellen Stadt geworden.

Cuba, das kleine kommunistische Land wird von Fidel Castro regiert und um sein Land zu reorganisieren entleert er seine „kubanischen Toiletten“ und schickt Massen an Kriminellen und Psychopathen gen Florida. Nach kurzer Zeit wimmelt es in der damaligen paradiesischen Stadt von kriminellen Latein- und Südamerikanern und die Metropole verwandelt sich schnell in eine Hölle. In Zeltlagern wohnen die mittelosen Menschen, die sich Hoffnung auf ein besseres Leben gemacht haben, dicht zusammen gepfercht auf engstem Raum. Die tägliche Gewalt und die Drogen, die aus Südamerika kommen, lassen die Polizei verzweifeln, überfordert wie sie ist.

Doch auch die Polizei passt sich der neuen Bedrohung an. Neue Elite-Einheiten betreten die Bühne des Verbrechens und gehen genauso hart und rabiat vor, wie man ihnen selbst begegnet. Max Mingus und Joe Liston gehören der Polizeieinheit der Miami Task Force an. Sie sind ein eingespieltes Team und die besten Freunde.

Als im Zoo von Miami die stark verweste Leiche eines Mannes gefunden wird, ist das der Beginn einer Auseinandersetzung zwischen Solomon Boukman, dem brutalen König der Unterwelt Miamis, der mit schwarzer Magie und Angst und Einschüchterung über die Stadt herrscht. Das Opfer, das im Zoo tot aufgefunden wurde, hat vorher scheinbar grundlos seine gesamte Familie grausam und kaltblütig erschossen. Ebenso gehören seine Geschäftspartner zu den Opfern. Bei der Obduktion der Leiche wird im Magen eine seltene, geheimnisvolle Tarotkarte entdeckt, die den „König der Schwerter“ zeigt. Welche Symbolik und welches Ritual steckt hinter diesem brutalen Verbrechen? Als Mingus und Liston ermitteln, führen alle Spuren zu Soloman Boukman und seine Voodoo-Hexe Eva Desamours, die sich diabolisch gut mit schwarzmagischen Ritualen auskennt und diese auch praktiziert.

Max Mingus ist ein erfahrener Polizist, aber je mehr er in diesem Mordfall ermittelt, desto enger zieht sich auch die Schlinge seiner eigenen Ängste und Sünden, die er auch im Dienst begangen hat, zu. Als Polizeibeamter musste und wollte er auch das „Böse“ mit dem „Bösen“ bekämpfen; Beweise und falsche Indizien streuen, Gewalt und Misshandlungen als letztes Mittel zur Überzeugung einsetzen, usw. die Liste ist lang und langsam wird ihm bewusst, dass er sich in der Mühle des Gesetzes verliert.

Nicht zuletzt lernt er eine Frau kennen, die ihm ins Gewissen redet und seine Methoden anzweifelt. Was unterscheidet ihn von den Gesetzlosen, die er bekämpft? Ist er nur eine Marionette seines Bosses, der, wie er ahnt, selbst zu nicht legalen Mitteln greift? Kennt er sogar Soloman Boukman – den König der Schwerter persönlich? Als Max‘ Freundin entführt wird, verschwimmen seine Grenzen und verzweifelt greift er zu allen Waffen, die ihm zur Verfügung stehen.

_Kritik_

Nach dem Roman „Voodoo“ von Nick Stone konnte man schon gespannt sein, wie die Geschichte um Max Mingus, dem gestrauchelten Polizisten, Ex-Häftling und jetzigen Privatdetektiv weitergeht. „Voodoo“ spielte im Jahre 1996, die Geschichte warf ziemlich viele Fragen auf, allein schon die rätselhafte Vergangenheit des Protagonisten blieb kurz angerissen im Dunkeln.

Nun werden in „Der Totenmeister“, dessen Originaltitel „Der König der Schwerter“ lautet, viele Fragen beantwortet, denn diese Handlung spielt ca. 16 Jahre vor den Ereignissen in „Voodoo“.

Nick Stones Stil kommt dem eines James Ellroy recht nahe, auch die Handlungen seiner bisher veröffentlichten Romane weisen Ähnlichkeiten zu Ellroys Werken auf. Doch steht Stone nicht in dem Schatten des jüngeren Autors. Gekonnt entwickelt sich die Geschichte um Max Mingus in einer Welt von Voodoo und Ritualen, von Bandenkriegen, von Religionen und Traditionen, die oftmals der Grundstein, der Anstoß der Handlung sind.

Der Schauplatz der Geschichte ist Miami mitsamt seinen Schattenregierungen und Abhängigkeiten untereinander. Das organisierte Verbrechen, die Gewaltbereitschaft und auch die sozialen Probleme der Stadt in der Zeit der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts sind realistisch und erschreckend geschildert. Nick Stone übertreibt hier nicht, wenn er beschreibt, wie öffentliche Ämter und Beamte mit dem Verbrechen Hand in Hand arbeiten, um sich vielleicht zu bereichern und um Feuer mit Feuer zu bekämpfen.

Kriminell ist hier jeder, auch die Polizei, allen voran Max Mingus und Joe Liston, hat hier keine reine fleckenlose, weiße Weste. Selbst ihr Polizeichef setzt seine eigene Politik durch, und das gerne, wenn es nicht anders geht auf dem Rücken seiner Beamten, die für ihn die Drecksarbeit erledigen. Und die er entweder lobt und unterstützt oder vernichtet.

Nicks Stones Protagonisten sind vielschichtig und psychologisch interessant konzipiert. Wie ein komplexer Motor ist jeder Bestandteil wichtig, hier erfüllt jeder Charakter seinen Zweck, es gibt nicht viele Nebenfiguren oder kleinere Geschichten, die parallel zur Haupthandlung erzählt werden.

„Der Totenmeister“ ist ein Thriller, kein Krimi und sicherlich auch kein Roman mit Horrorelementen oder übernatürlichen Phänomen. Zwar bildet hier „Voodoo“ die Basis, aber mit diesem Glauben wird nur die Schreckensherrschaft von Soloman Boukman und seiner Priesterin Eva Desamours erklärt. Diese beiden negativen Charaktere sind das Spiegelbild von Max Mingus und Joe Liston. Vielschichtig und interessant beschrieben, erfährt man hier viel von deren Weg ins kriminelle Milieu und ihrer Herrschaft, die sie durch faulen Zauber und Einschüchterung, sowie Aberglauben ausüben.

Max Mingus, der Titelheld, den viele schon aus „Voodoo“ kennen, ist kompliziert und unnahbar. Verzweifelt, aber nicht eingeschüchtert sucht er immer eine Lösung, auch wenn das eine gefährliche Konfrontation auslöst. Sich seinen eigenen Ängsten stellend weiß er, dass er einen Hang zur Selbstzerstörung hat, aber noch lange nicht zur Selbstaufgabe. Mit seiner neuen Liebe Sandra sieht er sich an einer Kreuzung stehen, und als diese unmittelbar in Gefahr gerät, dreht er sozusagen durch und auf.

Mit der Bekämpfung des „Königs der Schwerter“ – Soloman Boukman schafft er sich einen Todfeind fürs Leben. „Du gibst mir Grund zu leben“ ist ein Satz der Mingus schon in „Voodoo“ verfolgt hat. Hier in „Der Totenmeister“ erfährt man, wie es dazu gekommen ist.

_Fazit_

„Der Totenmeister“ ist der zweite Roman von Nick Stone, aber um die Figuren und die Handlung vom ersten Teil „Voodoo“ besser verstehen zu können, ist es empfehlenswert erst mit dem Roman „Der Totenmeister“ zu beginnen.

Spannend, düster und brutal ist die Schilderung der Geschichte. Miami ist nicht nur hell und paradiesisch, sondern auch im Schatten dunkel und diabolisch. „Der Totenmeister“ sondert sich von anderen herkömmlichen Thrillern positiv ab. Mit viel Raum für die Entwicklung der Protagonisten, allen voran Max Mingus und Soloman Boukman, schafft der Autor einen Schauplatz voller Spannung, unterstrichen von etwas Mystischem wird man sich nach dem Lesen der Romane schon auf den dritten Teil freuen, der unter dem Titel „Voodoo Eyes“ auf Englisch erschienen ist.

Nick Stone ist keine schriftstellerische Eintagsfliege, und dass er es versteht, seinen spannenden und fesselnden Schilderungen Leben einzuhauchen und sich nicht auf dem Erfolg auszuruhen, zeigt sich mit „Der Totenmeister“ oder auch genannt „Der König der Schwerter“.

_Autor_

Nick Stone wurde 1966 im englischen Cambridge geboren. Sein Vater ist ein renommierter Historiker, seine Mutter entstammt einer der ältesten Familien Haitis, den Aubreys. Nick Stone verbrachte seiner frühe Kindheit in Haiti, bevor er 1971 nach England zurückkehrte. Ein späterer Aufenthalt in Haiti inspirierte ihn schließlich zu seinem Debütroman „Voodoo“. Das Werk begeisterte Leser wie Kritiker und wurde als bester Thriller des Jahres mit dem Steel Dagger sowie mit dem Debut Thriller Award ausgezeichnet und erhielt den Macativy Award für das beste Romandebüt. „Der Totenmeister“ ist Nick Stones zweiter Roman mit Max Mingus. Der Autor ist verheiratet und lebt in London.

Taschenbuch: 640 Seiten
Originaltitel: King of Swords
ISBN-13: 978-3442468669
www.randomhouse.de/goldmann
www.nickstone.co.uk